Haschkekse für Uroma - Ein Text übers Zufriedenwerden

in #deutsch7 years ago (edited)

haschkeksoma.jpg


Hallo liebe Steemians,

In der letzten Zeit kreisen meine Gedanken viel um das Thema Zufriedenheit und ich lasse euch jetzt mal ein bisschen daran teilhaben.

Lebensziel Zufriedenheit

Es gibt ja immer wieder diese Zufriedenheitsumfragen - ich lese mir dann sehr interessiert die Ergebnisse durch und Deutschland hat nicht unbedingt die zufriedensten Einwohner. Ganz im Gegenteil - in Deutschland wird ganz schön viel gemeckert. Wenn ich mich so im Freundes- und Bekanntenkreis umschaue, lässt sich schnell feststellen, dass offensichtlich ein großer Konsens darüber herrscht, dass Auto, Haus, Kind und fester Job zur allgemeinen Zufriedenheit beizutragen scheinen. Zumindest oberflächlich.

Doch was macht uns wirklich zufrieden und was ist los, wenn wir irgendwie mehr Unzufriedenheit als Zufriedenheit verspüren? Klar, man könnte meinen, dass dann halt alles, was einen stört verändert werden muss und schwuppdiwupp ist alles hübsch.

Vor einiger Zeit habe ich Folgendes für mich selbst beschlossen: Wenn ich irgendwann sehr alt bin, möchte ich sagen können, dass ich mit meinem Leben zufrieden bin. Rückblickend möchte ich nicht jammern und den Enkeln schlimme Geschichten erzählen. Ich will auch nicht zu der Sorte alte Oma gehören, die stets behauptet, früher wäre alles besser gewesen und unter keinen Umständen will ich von meinen Enkeln oder Urenkeln hören: „Du bist schon alt Oma - das verstehst du nicht!“

Nur bleibt doch fraglich, ob es überhaupt machbar ist mit den Jahren nicht zur verrückten Ollen zu mutieren, sondern eine interessierte und kulturvolle Person zu bleiben? Und wenn ja, was ist dafür nötig?

Es gibt sie ja, diese alten Leute, die selbst im hohen Alter noch das Vertrauen der jüngeren Generationen genießen und am gesellschaftlichen Leben voll teilhaben, ohne in den „Altenteil“ abgeschoben zu werden. So zu werden - daran möchte ich gerne stets arbeiten und vielleicht erreiche ich es ja auch. Mal sehen :-)

Ich erinnere mich noch gut an meinen Uropa Hermann. Hermann war schon ziemlich alt, als ich noch ein Kind war und Hermann war ein Nazi. Zumindest haben sämtliche Recherchen ergeben, dass Hermann ein treues Parteimitglied war und in einem Flugzeugwerk als Ingenieur für Adolf Flieger konstruiert hat. Als ich ihn kennenlernte, saß er oft in einem Sessel mit hölzernen Armlehnen, hatte einen Tropfen an der Nase und schlechte Laune. Auf einer alten Fotografie mit meinem Opa als 2-jährigem und meiner Großtante als vorbildliche Grundschülerin, grimmt auch noch der Führer von der Wand. Meine Uroma überlebte ihren grummeligen Mann um gute 15 Jahre und wollte nie über irgendwelche „Sachen von früher“ reden - das war alles nicht so interessant.

Sie war zwar eine liebe Uroma, hat jedoch immer geweint wenn wir sie besucht haben. Und das waren keine Freudentränen, sondern ich glaube ihr wurde immer bewusst, dass sie nicht mehr am Familienleben teilnahm. Sie wohnte 70km von uns entfernt und entsprechend selten fuhren wir zu Besuch dorthin. Aber immerhin zu sämtlichen Feiertagen und Geburtstagen. Nach dem Tod von Hermann erinnere ich mich an keinen einzigen Besuch ohne eine heulende Uroma. Meiner Mutter ging das irgendwann so hart auf die Ketten, dass sie mich zu irgendeinem Weihnachtsfest eine Dose Haschkekse backen ließ, damit Uroma mal einen lustigen Heiligabend verleben konnte.

Nur mein kleiner Bruder, meine Mutter und ich wussten von dem pikanten Inhalt der kleinen Blechdose mit den Hirschen drauf. Wir hätten besser „NUR FÜR OMA ANNA“ draufschreiben sollen, denn leider hatte irgendwer einen gemixten Keksteller auf die Kaffeetafel gestellt und dieser jemand hatte auch großzügig die leckeren Schokokekse aus der Hirschdose untergemischt. Ich glaube, das war das albernste Weihnachten, an das ich mich überhaupt erinnern kann. Zumindest hat meine Uroma kein einziges Mal geheult. Ich glaube an diesem Heiligabend war sie endlich zufrieden.

Ein paar Jahre später erkrankte sie leider an starker Altersdemenz, erkannte uns alle nicht mehr und die Krankheit gipfelte darin, dass sie auf ihrem eigenen 95. Geburtstag ihren Urenkel heftig anbaggerte. Diese Story erzählt sich meine Familie immer noch mit so großem Enthusiasmus, als wäre es gerade gestern passiert.

Am Tag ihrer Beerdigung fuhren wir - nachdem der offizielle Teil geschafft war - mit der Hirschdose zum Strand.

Eure Lu

Sort:  

Das Thema "Zufriedenheit" scheint aktuell auf steemit in aller Munde zu sein. So gibt es zum Beispiel diesem Beitrag von @jaki01 sehr spannende Diskussionen inwiefern Erfolg und Zufriedenheit mit einander korrelieren. Evtl. schaust du da mal vorbei.

Ansonsten ein schön geschriebener Text, wie immer, der zum Denken anregt. Gruß.

Hallo @obvius,

danke dir! Und vielen Dank, dass du mir gleich noch was zum Weiterlesen da gelassen hast <3

Das mit den Keksen klingt nach einer Blaupause für mehrere Familienveranstaltungen im Jahr. Sollte man dringend mal versuchen 😀 Schöner Text mit vielen Wahrheiten. Positives denken scheint nicht die leichteste Aufgabe für uns zu sein - ich meckere auch oft und viel. Eigentlich sollte man öfter zufriedener sein.

Hallo @altobee, du kannst die Keksidee gerne für dich weiterentwickeln ;-) Viel Spaß! Und ja dieses Gemecker mahct man ja auch oft sehr unbewusst. Zum Beispiel, wenn man sich mit Freunden oder bestimmten Personen oft austauscht, die ähnliche Ansichten zu spezifischen Themen haben. Sich gegenseitig zuzustimmen ist ja unheimlich befriedigend. Wenn es aber um was Negatives ging z.B. sich immer wieder über die eine blöde Kollegin aufzuregen, dann geht man am Ende trotzdem mit einem unterbewusst unschönen Gefühl nach hause. Und das wirkt sich langfristig bestimmt auf das Karma, die Gesundheit und mindestens auf unsere positive Ausstrahlung aus. Gar nicht gut!!! ;-)

Und das wirkt sich langfristig bestimmt auf das Karma, die Gesundheit und mindestens auf unsere positive Ausstrahlung aus. Gar nicht gut!!! ;-)

Genau das! Man wird ja regelrecht zum Misanthrop wenn man sich da in seiner eigenen Filterblase in Rage sabbelt 😂 Wobei es bei manchen Dingen natürlich auch mal gut tut so richtig übertrieben auf die Kacke zu hauen 😂 Aber in Summe sollte man doch versuchen eher positiver zu sein und bleiben.

Na es kommt -wie immer- auf die Dosis an. Ich bin dazu übergegangen mich an die Leute zu halten, die weniger (über andere) reden, die eine positive Grundeinstellung haben und mich mit ihren Ansichten und Ideen inspirieren.

Da hast Du recht, Menschen mit positiver Einstellung tun definitiv dem eigenem Befinden schon gut.

Liebe Lu,

so ein bisschen Unzufriedenheit steckt glaub ich in uns allen. Ich hoffe auch inständig, dass ich keine verbitterte alte Frau werde!! Wenn ich mir das vorstelle, wird mir ganz anders!

Ich möchte dir keine Illlusion nehmen, aber mein 12-jähriger Sohn sagt manchmal zu mir - und ich bin erst 49 - „Du bist schon alt Mama - das verstehst du nicht!“.
Ich mag jetzt nicht anfangen zu erzählen, wie sich das für mich anfühlt. Sagen wir mal so, das erste Mal hatte ich das Gefühl an einen Laternenpfosten gelaufen zu sein..... Lach..

Ich versuche nun zufrieden über sochen Aussagen zu stehen! ;D

Herzlich, Mo*

Hallo liebe Mo, vielen Dank für deinen Kommentar :-) Klar du hast völllig Recht. Aus Sicht der Kinder ist man wahrscheinlich irre alt. Ich habe noch keine eigenen Kinder, aber einen Bruder welcher 13 Jahre jünger ist als ich. Für den bin ich manchmal ziemlich alt - vermute ich. :-) Und ja man muss dann lernen, darüber zu stehen. Außerdem heißt es ja auch nicht umsonst: Man ist so alt, wie man sich fühlt! Liebste Grüße, Lu

Liebe Lu,
auf jeden Fall ist es nicht die leichteste Lektion die das Leben bereit hält ;D
Ja, ist wohl so. Manchmal fühl ich mich wie ein junges Mädchen und manchmal wie eine alte Frau! Mein Körper spielt da zwar oft nicht mehr mit, aber manchmal krieg ich ihn auch noch überlistet :D
Herzlich, Monja

Genau, wenn du dich noch jung genug fühlst, um bestimmte Sachen einfach zu machen und nicht extra drüber nachdenken musst, dann bist du auch nicht zu alt dafür !!! Ich wünsche dir ein tolles Wochenende!

Danke du Liebe, wünsch ich dir auch!
Übrigens hatte mich dein Introduceyourself-Post sehr animiert meinen zu machen! hihi...
Bis bald!

Echt? Das ist ja witzig! Und das freut mich sehr! Daumen hoch!

Yupp, echt! :D
Mein bester Freund, der mich hier zu steemit geschubst hat, hat mir deinen post geschickt und gesagt: guck mal. So!
😍

Oh wirklich?! Wow das ist ja süß von ihm. Dann richte mal liebe Grüße aus und sage ihm, dass ich mich sehr darüber freue! Und ich freue mich auch, dass es dich deshalb hierher verschlagen hat! TOP!!!

Wow die Geschichte ist irgendwie traurig und lustig zugleich. Haschkekse für die Großeltern zu backen, das könnte ich auch mal probieren. Was deine Pläne angeht, eine zufriedene alte Frau zu werden, die nicht ständig andere vollmeckert, weil ihr gerade danach ist: Das kann ich nur unterstützen - ich denke innerlich habe ich das auch für mich beschlossen, auch wenn ich noch nicht so recht weiß, wie ich dahin komme.

VG

~ohrpheus

Hallo Orpheus, schön dass du einen Kommentar für mich hinterlassen hast. Danke dir! :-) Guter Beschluss! Man sollte es sich wahrscheinlich immer aml wieder in entsprechenden Abständen vor Augen führen, sein Verhalten reflektieren und bestimmt hilft es auch ein bisschen, sich an besonders netten alten Menschen zu orientieren. Ich werde in Zukunft immer mal fragen, wenn ich so jemanden treffe, was dazu beigzuträgt, dass diese Person sich gut fühlt und das auch ausstrahlt. So könnte man ein bisschen für später abschauen ;-) Liebe Grüße, Lu

Ohh ein tolles Thema :)
Zufriedenheit. Ich glaube, die liegt vor allem in der Selbstliebe die wir für uns empfinden. Ohne Selbstliebe ist glaub ich langfristige Zufriedenheit nicht möglich. Ausserdem sollten wir Zufriedenheit von kurze hohen Glücksmomenten unterscheiden.

Hey :-) Auf jeden Fall, wenn man sich selbst nicht mag oder nur eine geringe Meinung von sich selbst hat, wirds bestimmt schwierig mit der allgemeinen Zufriedenheit. Aber das Thema Selbstliebe ist ja grad sehr en Vogue und das ist echt überfällig. Es wird uns so krass über alle möglichen Kanäle eingetrichtert, wie wir zu sein haben, was wir zu können haben, was wir essen dürfen und wie wir uns dabei dann auch noch fühlen sollen. Die Aufmerksamkeit wieder mehr auf ich selbst zu lenken und wieder zu lernen, die eigenen Bedürfnisse zu erkennen ist, denke ich, die nächste große Herausforderung unserer Gesellschaft. Und dennoch: ich liebe kurze hohe Glücksmomente! Sie motivieren und sorgen für tolle Erinnerungen. Liebste Grüße, Lu <3

Hallo @lulafleur,

also für mich liest sich das so als ob Du Dir da keine großen Gedanken machen müßtest im Alter mal zufrieden und auch cool zu sein.
Ich glaube alles was dazu nötig ist besitzt Du bereits.
Sehr schöne Geschichte ☺
Vielleicht stimmt das nicht aber ich glaube um im Alter zufrieden zu sein zählt hauptsächlich das man schöne Erinnerungen hat und nicht allein ist, dann erträgt man auch die ganzen Gebrechen die man so im Laufe seines Lebens eingesammelt hat.

Dankeschön :-) Es freut mich sehr, dass dir mein Text gefallen hat! Genau, schöne Erinnerungen und Gesellschaft von Menschen, die man gerne hat und mit denen man gemeinsame Erlebnisse hat(te) sind sicher super wichtig für eine allgemeine Zufriedenheit in den späten Jahren. Und danke, dass du so davon überzeugt bist, dass ich keine unzufriedene Alte werde! Das freut mich sehr! :-) LG Lu

Ein schöner Beitrag. Weiter so!
Upvote + Resteem
Viele Grüße vom @deutsch-boost Team!

Hallo Lu,
um deiner Erzählung, die ich außerordentlich genossen habe, einen anderen Blickwinkel zu verleihen, wage ich es meine Interpretationen mit einzubringen.
Der Opa war kein Nazi! Der Hat lediglich nur das getan, was sein Land von ihm erwartet hatte.
Die Oma vergießt die Tränen, weil der alte Tyrann endlich von ihrer Seite gewichen ist.
Die Mama backt die Kekse, weil sie an der Oma ausprobieren will, ob die Dosis stimmt. Die nächste Feier in der Kellerbar ist nämlich schon in der Planung.
Der Onkel hat lediglich das Gras-Roulette veranstaltet, weil er seine Schwägerin an der Teppichstange tanzen sehen wollte.
Oma hat sich verabschiedet, weil sie der Meinung war- besser wird's nimmer!
Wenn es wirklich so war, hätten die Protagonisten auch nichts dagegen einzuwenden gehabt - oder?
Mit einem Augenzwinkern,
liebe Grüße, Wolfram

Hey Wolfram, also danke! Ich weiß grad gar nicht was ich jetzt anworten soll, außer: "Jo nette Theorie!" So hätte es natürlich auch sein können! Kreativ, der Herr! Danke! LG Lu

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