Wie ich im Ganges starb, um zu leben - GERMAN (this post will be extra published in english later)

in #deutsch6 years ago

Ich war vor Kurzem auf einer Beerdigung. Eine Verwandte meines Mannes war verstorben, die ich persönlich nicht kannte. Ich weiß nicht wie es Anderen geht, aber bei Beisetzungen werde ich regelmäßig an meine eigene Sterblichkeit und die meiner Liebsten erinnert. Eher zufällig wurde ich auf dem Friedhof, stille Zeugin einer sehr berührenden Begegnung zwischen zwei älteren Männern. Sie schienen sich bereits seit längerem nicht mehr gesehen zu haben. Sie sahen sich in die Augen, ohne etwas zu sagen, weil Beide wohl von ihren Emotionen überwältigt wurden. Dennoch passierte so viel zwischen den beiden Männern, dass ich Gänsehaut bekam und anfing zu weinen, weil ich so gerührt war. Dieses Bild werde ich niemals vergessen.

Warum schreibe ich das alles? Weil unser Leben endlich ist. Ich werde eines Tage sterben. Und Du auch. Das ist so und selbst wenn wir wollten, wir könnten nichts dagegen tun.

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Vor ein paar Jahren verbrachte ich einige Zeit in einem Ashram in Südindien. Während einer Lecture erzählte man uns von einem Mann, der einen Guru fragte, was heute für ein Tag sei. Er antwortete: „Ein Tag näher an unserem Tod“.

Etwas später flog ich nach Varanasi, dem heiligsten Ort der Hindus in Indien, direkt am Fluss Ganges. Allein. Ich wurde von vielen Seiten gewarnt, da dieser Ort wohl nicht ganz sicher sein sollte und kurz vorher sollen wohl auch einige Menschen bei einer Massenpanik gestorben sein. Aber trotz der Angst, die ich ungelogen hatte, spürte ich, dass ich an diesen Ort musste. Damals ahnte ich noch nicht, dass sich mein rastloses Herz dort niederlassen wird und ich einen der schönsten Tage meines Lebens dort verbringen sollte. Meinen Aufenthalt dort hatte ich nur für 7 Tage geplant und konnte auch nicht verlängern. Viele Hindus kommen nach Varanasi um zu sterben und werden direkt am Ganges öffentlich bestattet bzw. in Tüchern eingehüllt verbrannt (Feuerbestattung). Dies mag sich für uns Westler befremdlich anfühlen, da das Sterben öffentlich stattfindet. Naja wir kennen es eben nicht anders.

Ich erinnere mich an eine Szene, in der ich mit zwei Französinnen auf einem Gebäude saß und uns ein Einheimischer begleitete. Er erzählte uns, dass just in dem Moment um die Ecke jemand gestorben ist. Wir blickten uns alle an, hielten kurz inne und es war unglaublich friedlich dabei. Eine Erfahrung, die ich an einem anderen Ort so nicht hätte machen können. Ein paar Tage vergingen und plötzlich spürte ich, dass ich die Angst vor dem Tod verloren hatte. Durch seine allgegenwärtige Präsenz war er zu einem Teil meines Lebens geworden. Ich würde allerdings lügen, wenn ich behaupten würde, dass ich diese Einstellung behalten hätte.
Meine Eltern wussten, dass ich vor hatte im Ganges zu baden und rieten mir dringlichst davon ab. Zurecht: Kurz vorher hört ich von einer Touristin, die beim Baden im Ganges verstorben ist. Woran weiß ich nicht mehr genau oder ob es überhaupt stimmte. Der heilige Fluss der Hindus ist stark verschmutzt durch Fäkalbakterien und natürlich aufgrund der Feuerbestattungen.
Ich jedoch spürte und wusste, dass mir nichts passieren wird also tauchte ich an meinem letzten Tag frühmorgens im wahrsten Sinne des Wortes in den Ganges ein. Es fühlte sich an wie meine 2. Taufe und ein Teil meiner Seele ist dort geblieben. Ich versprach mir, dass ich irgendwann an diesen Ort zurückkehren werde.

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Das hier ist meine Liebeserklärung an das Leben. Und gerade weil das Leben vergänglich ist, sollten wir es lieben. Wenn ich heute auf mein Leben zurückblicke, würde ich ALLES noch einmal genauso tun. Ich bin unendlich dankbar für alles, was mir widerfahren ist. Ich hatte ein tolles und aufregendes Leben. Geht es Dir nicht so?

Hatte ich also bisher ein geileres Leben als Du?

Nein ich denke nicht – ich glaube einfach, dass ich eine andere Perspektive einnehme. Ich habe es mir zur Gewohnheit gemacht in Allem eine Sinnhaftigkeit zu sehen. Und glaube mir, ich habe nicht nur schöne Erfahrungen in meinem Leben gemacht. Spontan fällt mir da eine ehemalige Beziehung ein, in der ich lange litt aber weder vor- noch rückwärts kam. Rückblickend war es dennoch eine sinn- und wertvolle Zeit, in der ich viel auflösen und bearbeiten konnte. Kurze Zeit später sollte ich die Liebe meines Lebens kennen lernen und mit ihm eine Familie gründen. Mein Sohn kam dann allerdings mit einer schweren Neurodermitis auf die Welt: Sein erstes Lebensjahr war das schwierigste meines Lebens. Ich rannte zu Ärzten, Heilpraktikern und absolvierte eine mehrwöchige Reha, um sein Leiden zu mindern. Gab ein Vermögen hierfür aus und konnte nachts aufgrund seines Kratzens kaum schlafen. Natürlich litt er selbst am meisten und ich gleich mit. Heute ist das (fast) alles kein Thema mehr und ich bin unendlich dankbar, dass er hier aus dem Gröbsten raus ist. Ich schau ihm heute in seine stahlblauen Augen und platze regelrecht vor Stolz, wenn er mir mit 2 Jahren erklärt, dass das Matchbox-Auto in seiner Hand ein Mustang und kein gewöhnliches Auto ist.
Wie kannst auch Du Dein Leben lieben lernen? Fang da an, wo Du kannst. Es ist nie zu spät. Egal wie alt Du bist.

1. Wofür bist Du dankbar?

Nimm Dir Zeit darüber nachzudenken und widme Dich diesem Thema. Ich habe einst von einer Familie gelesen, die Dankbarkeitssteine gesammelt haben: Für alles wofür sie dankbar sind, haben sie einen Stein gesammelt. Ich habe mich intensiv mit diesem Thema befasst und viel darüber geschrieben bzw. mir aufgeschrieben wofür ich dankbar bin. Dankbarkeit ist ein wundervolles Gefühl und es erinnert uns daran, was wir alles haben. Und das ist eine jede Menge.

2. Versuche einen Sinn in schwierigen Zeiten zu sehen

Wenn ein Mensch in einer Krise ist, kann das unglaublich schmerzlich, langwierig und essentiell sein. Von außen betrachtet, finde ich jedoch, dass hier immer am meisten Entwicklung statt finden kann. Allerdings braucht man eine gewisse Reflektionsfähigkeit, dass man einerseits versteht was momentan passiert und weiter durchhält und andererseits sollen sich bestimmte Muster nicht pausenlos wiederholen. Dabei kann eine geeignete Person von außen oftmals gut helfen. Ich habe mir superoft Hilfe gesucht und dabei immer viel über mich und das Leben gelernt. Wenn Du in deiner Krise steckst und das Gefühl hast, Du kommst nicht weiter, findest Du hier mein Coaching Angebot http://www.loveyourwild.de/coaching/

3. Schließe Frieden mit der Vergangenheit

Das kann auch einfach heißen, dass du lernen musst zu verzeihen. Um wirklich verzeihen zu können braucht es zwei Dinge: Zeit und die Bereitschaft. Der Rest kommt von selbst. Es hilft uns Dinge abzuschließen, so dass es sich „rund“ anfühlt. Ich bin meiner Ex Beziehung unendlich dankbar. Ich weiß, dass es nicht umsonst war und ich habe meinen Frieden damit geschlossen. Letzteres sorgt dafür, dass sich dieser „Kreis schließt“. Dann können wir es loslassen.

4. Wenn Du etwas wirklich willst, dann tu es!

Setz Dich hin und lausche Deinem Herzen. Wie und wo Du das machst, ist egal. Ich habe es mir zur Angewohnheit gemacht auf mein Gefühl bzw. auf mein Herz zu hören und habe es niemals bereut. Das erfordert manchmal Mut, Geduld und Hartnäckigkeit. Nach Varanasi zu reisen, erforderte damals Courage. Und wie Du gelesen hast, war es eine meiner besten Entscheidungen.

Ich hoffe, ich habe noch viele Jahre zu leben, aber wenn ich eines Tages als alte Frau sterbe, dann mit Frieden im Herzen. Während ich sterbe, werde ich mir mein Lächeln nicht verkneifen können, wenn ich an mein Leben zurück denke. Weil es einfach nur geil war.

Danke fürs Lesen & Frohe Weihnachten, Eure Yasmin

Sort:  

Wunderschöner Artikel, der mich irgendwie berührt hat :-) Deine persönliche Geschichte finde ich sehr interessant und auch mutig, dass du dich auf dein Gefühl verlassen hast und trotz Warnungen in den Ganges getaucht bist. Der Tod wird in unserer Gesellschaft immer als etwas Schlimmes gesehen, dabei ist es ein ganz natürlicher Prozess. Ich habe letztes irgendwo gelesen, dass nur unser physikalischer Körper stirbt und unsere Seele immer weiter lebt. Das würde bedeuten, dass wir keine Angst vor dem Tod haben müssen und unsterblich sind.

Danke für deine ausführliche Rückmeldung. Wie recht du hast. Komischerweise habe ich, seit ich Mutter bin, wieder mehr Angst vor dem Tod, weil ich für meinen Sohn da sein will. Wenn ich allerdings an meine eigene Sterblichkeit denke, lebe ich automatisch wilder, freier und mehr nach meinem Herzen und unterm Strich hat unser letztes Hemd keine Taschen. Was ich dann mitnehme, sind meine Erinnerungen an mein Leben. Ich drück Dich und wünsch Dir frohe Weihnachen.

Ich glaube, eine gewisse Angst verspürt jeder irgendwo. Schließlich möchte man auch immer für seine Familie da sein. Anderseits finde ich es beruhigend, dass die Seele immer weiterlebt. Das Leben bewusst genießen und dankbar sein für jeden neuen Tag, das musste ich auch erst lernen. Öfter mal das innere Kind rauslassen, wie du es in einem deiner letzten Beiträge geschrieben hast ;) Danke!

Ich wünsche dir und deiner Familie auch ein schönes Weihnachtsfest :-)

Nice!
Mein lebensmantra:
Ich mach mir n geiles Leben!!!! Punkt!!!
Super schöner Artikel!
Ich hoffe du machst mal mit bei meiner yoga challenge ;-)
@originalworks
Steem on

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Ich danke Dir!! Und yes ich freue mich auf ein neues geiles Jahr - auch hier auf steemit. Und deine Yoga challenge schau ich mir gleich mal an. Big hug

YES! Morgen ist Freestyle movement Fokus! ;-) ich verlose 0.1 SBD. Mach n geilen Post in deinem individuellen Style und wann wird eh rocken!!!! I know it!

Wunderschöner Artikel. Vielen Dank, jetzt bin ich nachdenklich gestimmt :)

Wie schön danke Dir!! Das freut mich sehr:-**

Gern geschehen :)

Ja, ich versuche mich auch immer daran zu erinnern, dass mein Leben endlich ist, um richtig zu reflektieren. Danke fürs erinnern...

:-) gerne und danke fürs Feedback

Ein toller Artikel <3
Ich habe auch meine Seele an so manchen Orten gelassen. Mein Mann sagt immer, ich würde mich mit Orten fast mehr verbinden als mit Menschen. Manchmal ist da was drann.

Als ich 17 war, starb meine Tante sehr schnell an Lungenkrebs. Ihr Tod war eine Bürde, eine unglaubliche Belastung die noch heute weh tut aber ich kann ihn heute auch als Geschenk sehen. Das Bewusstsein für den Tod und wie kostbar das Leben wirklich ist, hat mir auch viel gegeben.

Dankeschön für deine Rückmeldung und das teilen deiner persönlichen Geschichte hierzu. Ich wünsch Dir frohe Weihnachten und lasst uns jeden Tag unseres Lebens mit möglichst viel Leben füllen:-) Drücker

Wie lieb, da wünsche ich dir auch :)
Frohe Weihnachten Liebes.

❤️❤️❤️ wunderschöner Artikel und wahre Worte! Vielen lieben Dank fürs erinnern an unsere Endlichkeit.
Ich wünsche Dir entspannte Feiertage und ein frohes Fest. Lg Marion

Danke für dein liebes Feedback!! Ja wir müssen uns immer wieder daran erinnern- sowas verdrängt man ja gerne:-D. Wünsch Dir auch frohe Weihnachten. GLG

Super Artikel, ich hab gerade beschlossen ihn sogar nochmal zu lesen, wenn ich etwas konzentrierter bin als heute Abend!

Ich folge dir ab jetzt auch :)

Das ist lieb! Danke Dir! Ja er ist recht lange und das mit der Konzentration kenne ich:-) P.S. Halte uns auf dem Laufenden wie es bei Dir weitergeht- es gibt ja nichts Schöneres als die Geschichten die das Leben so schreibt:-)

Danke fürs Lesen!!

Für die tolle Ausarbeitung und die Worte die Du findest bekommst Du von mir meine 100% . Vom schreiben her scheinst Du sehr interessant zu wirken und zugleich auch tiefgründig zu sein. Das mag ich an Menschen. Lg Markus

Das freut mich sehr! Ich danke Dir für dieses sehr persönliche Feedback!

Sehr gerne.Ich werde Dir einfach folgen um mich deinen Worten anzuschließen. So erfahre ich wohl doch noch einiges über den Menschen. Lg Markus

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