Brief von Heiko Maas an die Bürger: “Weil ich Euch liebe”

in #deutsch7 years ago (edited)

“Liebe Bürger, 



mit dem kürzlich von allen zuverlässigen Volksvertretern verabschiedeten Netzwerkdurchsetzungsgesetz haben wir einen großen Schritt in Richtung eines friedlichen und harmonischen Zusammenlebens im Internet gemacht.
Ich habe Eurer Bitten erhört und prompt abgeliefert. Denn viele von Euch waren irritiert, dass es z.B. auf Facebook immer noch sogenannte “Mitbürger” gibt, die ständig aus der Reihe tanzen und damit dem Gemeinwohl schaden. 


Es wurden “Meinungen” vertreten, die völlig konträr zu den alternativlosen Fakten stehen, die ich und meine Kollegen in aufopferungsvoller und mühseliger Recherchearbeit für Euch festgestellt haben. Und zum Dank für unsere Leistungen werden wir auch noch auf das übelste im Netz beschimpft.


Da ist die Rede von “Maasmännchen” oder “Selbstjustizminister”. Aber keine Angst, ich weiß, dass dies nur eine verschwindend geringe Anzahl von Zersetzern ist. Ihr, liebe Bürger, beweist ja regelmäßig auf zuverlässige Weise an der Wahlurne, dass Ihr mit mir und den anderen aufrechten Demokraten im Bundestag hochzufrieden seid.
Doch ich wäre nicht Euer Liebling, wenn ich mich nicht auch um die Fehlgeleiteten kümmerte.

In einer unserer letzten Zusammenkünfte haben ich, meine Berater und Vertreter aller Parteien im Bundestag uns die Frage gestellt: 


“Wo kommt er her, dieser Hass?”



Ich muss leider zugeben, dass wir auf Anhieb keine Antwort darauf finden konnten. Wir waren uns nur schnell einig, dass es an unserer Politik schonmal nicht liegen kann. Bei allen Auftritten im Volk werden wir immer auf das herzlichste begrüßt und bejubelt. Der volksnahe Biss in die Bratwurst auf dem Dorffest funktioniert nach wie vor prima, um zu zeigen, dass wir welche von Euch sind.

Da wir mit der Ursachensuche nicht so recht voran kamen, luden wir uns diejenigen ein, die noch näher am Volk sind, als wir. Denn wie der ganz normale Werksarbeiter, sitzen auch sie Abends rotweintrinkend vor ihren 3.000 € Macbook in ihren Eigentumsaltbauwohnungen in den Szenevierteln der deutschen Großstädte und sinnieren über eine bessere Welt. Wer, wenn nicht unsere verdienten Journalisten, Redakteure und Fernsehmacher kann Licht ins Dunkel bringen?

Die ersten 20 Minuten beklagten diese bedauernswerten Geschöpfe allerdings ausnahmslos den Rückgang der Verkaufszahlen ihrer Zeitungen. Immer weniger scheinen Interesse an gut recherchierten und aufgearbeiteten Artikeln zu haben, die ohne Meinung und ganz wertneutral einen Blick auf das komplizierte Weltgeschehen bieten. 


Als mir das Gejammere dann doch irgendwann auf den Geist ging. war ich kurz davor, die Sache mit einem


 “Jetzt reißt Euch mal zusammen” 


wieder in konstruktive Bahnen zu lenken. Doch mir entwich nur ein gehauchtes 


“Heureka”.


In dieser Sekunde war mir schlagartig klar, wo das Problem liegt: 


Der Besorgnis erregende Rückgang der Printauflagen von zuverlässigen Zeitungen, lässt stark vermuten, dass die frohe Botschaft Eurer verdienten Volksvertreter nicht mehr einen jeden erreicht. Das ausgewogene Angebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wird zwar noch brav finanziert, jedoch nicht mehr genügend konsumiert. 

Es ist daher zu vermuten, dass sich immer mehr Menschen durch die Erfolgsgeschichte Internet ablenken lassen und bei Ihrer Suche nach Unterhaltung und Informationen irrtümlich auf unbekannten Plattformen im Netz landen. Diese Hetzseiten mit ihren demokratisch nicht legitimierten Schreiberlingen setzen den Samen der Auflehnung in die Köpfe labiler, leicht zu beeinflussender Mitbürger.  


“Nicht in Problemen, sondern in Lösungen denken” 


hatte ich schon während der Heulorgie der Journalisten wie ein Mantra vor mir her gesprochen. Und hier ist sie, die Lösung: 

Bisher hatte mich nur darauf konzentriert, den Bürgern dabei zu helfen, das richtige im Netz ZU SAGEN. Dabei hatte ich fatalerweise ignoriert, dass es mindesten genauso wichtig ist, ihnen dabei zu helfen, das richtigen ZU LESEN.


Bisher entscheiden nämlich komplizierte Algorithmen darüber, welche Suchergebnisse Euch im Internet zu einem bestimmten Suchbegriff angezeigt werden, oder woraus sich Eurer Newsfeed bei Facebook zusammensetzt. Ich möchte Euch nicht mit technischen Einzelheiten belasten, aber ich denke, ich spreche für uns alle, wenn ich konstatiere, dass diese Mechanismen bisher bitter versagt haben.

Ich habe das letztens im Selbstversuch getestet und war erschüttert, was beim Suchbegriff  “Heiko Maas” herauskam. (siehe Screenshot)



Diese Algorithmen besitzen doch tatsächlich die Arroganz, zu behaupten, sie wissen, was den Nutzern gefallen könnte oder was sie interessiert. Dabei kann es schnell passieren, dass der schützenswerte Bürger in einer Filterblase gefangen wird, in der er nur noch Informationen von staatlich nicht anerkannten Quellen sieht. DAS KANN NIEMAND WOLLEN!  Ich verspreche hiermit, dass ich diesem Programmierfehler berichtigen werde. Damit in Zukunft niemand mehr durch falsche Informationen verunsichert wird. Mit Google zum Beispiel werde ich aushandeln, dass die ersten 10 Trefferseiten nur von meinem Ministerium beglaubigte Quellen beinhaltet.

Außerdem wird zu aller Sicherheit ein automatisches Alarmsystem installiert. Sollte ein Nutzer aus unerfindlichen Gründen, sich bis zur elften Trefferseite durchgeklickt haben, obwohl vorher genug Informationsangebote zur Verfügung standen, erhält er einen ganz exklusiven Service. Nach wenigen Minuten wird es an seiner Tür klingeln und es erwartet ihn ein Fahrdienst, der ihn und andere überinteressierte Bürger zu einem eigens eingerichteten Informationszentrum bringt. Dort werden geschulte Mitarbeiter meines Ministeriums alle wichtigen Fragen mit ihm gemeinsam erläutern. Ich finde das bin ich Euch schuldig. Weil ich Euch liebe.

herzlichst, Euer,sich kümmernder, Heiko”

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