Tatarstan, wir kommen!

in #deutsch4 years ago (edited)

Es fällt schwer, sich von Moskau zu trennen, daher kehren wir später nochmal zurück, um von hier aus einen Ausflug ins Umland zu unternehmen. Jetzt geht es zunächst schnurstracks Richtung Osten, nach Kazan.

Im Moment wird eine Hochgeschwindigkeitstrasse zwischen Moskau und Kazan gebaut, die die 800 km in 2,5-3 h bewältigen wird, zur Zeit nehmen wir aber noch die gemütliche klassisch-russische Variante mit einem Schlafwagen, was eine Nacht dauert. Es gibt in Russland keine Standardpreise für Züge und Entfernungen - es kommt immer darauf an, welches Komfortniveau der Zug an sich hat und danach nochmal, welche Klasse man innerhalb des gegebenen Zugniveaus wählt.

Es gibt keinen Zentralbahnhof in Moskau, sondern verschiedene Kopfbahnhöfe, je nach Richtung der Reise. In unserem Fall fahren wir vom Kazaner Bahnhof los!

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Kazaner Bahnhof - hier geht es Richtung OSTEN

Die unterste Klasse gibt es nicht in allen Zügen und heißt "plackartny" (von "Platzkarte"). Man bekommt eine Pritsche im Wagon, die man sich selbst bezieht. Es gibt keine abschließbaren Abteile, d.h. alles ist offen. Wer Bock hat auf Russland hardcore und gerne schnell mit den Russen in Kontakt treten will, sollte das unbedingt machen. Früher ist Leroy nur so durch die Pampa gereist, aber heute brauche ich so etwas gar nicht mehr.

Meistens lief alles ganz nett ab, aber was man da so im Laufe der Monate erlebt hat, glaubt einem kein Mensch. Von herzzerreißenden Liebesszenen bis hin zur Massenschlägerei im Suff war alles dabei. Gut, die 90er waren eh noch deutlich härter dort.

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Speisewagen in einem der einfachen Inlandszüge

Die zweite Klasse nennt sich "kupé". Es handelt sich um ein Vierer-Abteil. Man kann im Vorhinein wählen, ob man ein Männer- bzw. Frauenabteil oder ein gemischtes Abteil möchte, wobei die Herren der Schöpfung in Russland in solchen Fragen wirklich absolute Gentlemen sind. Für gewöhnlich lernt man sofort alle Mitreisenden im Abteil kennen und erzählt sich relativ schnell gegenseitig sein ganzes Leben. Zeit dazu hat man ja ohnehin genug, oft dauert eine Reise tagelang.

Hier kann man es wirklich aushalten! Die russischen Züge sind breiter als unsere und man hat ein gemütliches Bett mit Kopfkissen und Decke. Tagsüber räumen die Kameraden, die unten schlafen, Ihre Sachen beiseite und man kann sich hinsetzen. Ein kleines Tischchen ist dabei, das Essen wird gerne geteilt.

Wer es mal mit Keramiktassen und im Doppel-Abteil oder sogar im Einzelabteil haben möchte, teilweise sogar mit eigenem Bad, der gönnt sich die erste Klasse, hier "Ljuks" genannt (von Luxus). Das ist Reisen auf höchstem Niveau, mit Tischdecken und allem erdenklichen Schnickschnal. Aber eben auch nur, wenn man seine Ruhe haben möchte. Und außerdem dann auch ziemlich teuer.

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Leroy wollte sich und seiner Sippe jedenfalls was gönnen und hat für die Reise in die Hauptstadt Tatarstans die zweite Klasse des TKS-Express gebucht. Freunde, das war echt gediegen. Wir hatten ein Abteil für uns, die Betten frisch bezogen, wirklich viel Platz. Die Stewardess oder der Steward begrüßen einen schon beim Einstieg und weisen das Abteil zu, wecken, bringen Tee und Essen.

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Der Gang in der zweiten Klasse - rechts die Abteile

Man betritt Züge in Russland übrigens nur einmal mit Schuhen. Der Teppich wird solange mit einem Schutztuch bedeckt. Sobald man im Abteil ist, zieht man seine Hausschuhe an. Falls man keine dabei hat, kann man günstige Einmal-Schlappen kaufen und bewegt sich sozusagen nur noch in Pantoffeln durch den Zug.

Frauchen und ich haben die Kinder vor der Glotze im Abteil geparkt und sind natürlich erstmal an die Bar getigert, wo wir uns ein Bayrisch-Hell und dazu gesalzenen Dörrfisch bestellt haben. Die Preise für alkoholische Getränke in den Zügen sind übrigens genauso gesalzen wie der Fisch, um Exzesse zu verhindern und eine zivilisierte Reise für alle Beteiligten zu gewährleisten.

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Empfang und Verabschiedung am Gleis

Um sieben Uhr morgens kommen wir ausgeschlafen und bereits mit erledigtem Frühstück am Kazaner Bahnhof bei strahlend blauem Himmer an! Von hier aus kann man in einer halben Stunde gemütlich zu Fuß in die Innenstadt zu seinem gebuchten Quartier spazieren.

Von Fünf-Sterne-Hotel bis hin zum Bagpacker-Hostel für 10 Euro die Nacht gibt es alles.

Kasan ist Hauptstadt der Republik Tatarstan, einem reichen und selbstbewussten Föderationssubjekt, das die sogenannten Volgatataren beheimatet, eine Ethnie, die aus den Protobulgaren und der Goldenen Horde entstanden ist. Kazan liegt an der Volga und hat ca. 1,2 Millionen Einwohner. Die Tataren bilden die Mehrheit der ca. 4 Millionen Einwohner. Sie sprechen tatarisch, eine Turksprache, und sind Muslime. Die zweitgrößte Bevölkerungsgruppe bilden die Russen, die in den größeren Städten eher die Mehrheit bilden, dafür auf dem Lande weniger vertreten sind. Doch auch andere Nationalitäten der umliegenden Republiken sind vertreten. Das Land ist grün und wasserreich, wohin man schaut, mit relativ gemäßigt-kontinentalen Temperaturen von -20 im Winter und 20 im Sommer (Durchschnitt).

Landessprache ist sowohl tatarisch als auch russisch. Geflaggt ist beides, teilweise nur die Flagge von Tatarstan. Auf der Straße in Kazan hört man überwiegend russisch, man merkt aber an den Gesichtern der Leute, dass man in Tatarstan ist.

Im nächsten Post schauen wir uns Kazan und seine Bewohner etwas genauer an!

Warum Leroy hin und wieder mal über die Stränge schlägt im TKS-Express? Na deswegen:

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Die Beschreibung der Zugreise macht einen ganz wehmütig. Hier in D ist die Bahn wohl der Ansicht, das Komfort was für Weicheier ist. Von wegen 4er Abteils usw., das war früher mal. Jetzt lernt man im Großraum Waggon auf Plastiksitzen mit 2mm Polster neue Menschen kennen.
Einzig das die Fahrt Tage dauern kann, das ist hier auch so.

Seid ihr eigentlich jetzt gerade unterwegs, oder ist das ein wehmütiger Rückblick in bessere Zeiten?

Und "darf" man mit seinen Hausschuhen auch aufs Zugklo, oder wird da wieder gewechselt?

Das ist natürlich ein Rückblick in bessere Zeiten. Ich glaube, man geht auch mit Hausschuhen aufs Bad. Jedes Abteil hat eines für sich. Bisher waren die immer picobello sauber.

Ein Klo für 4 Personen? Das nenne ich doch mal Luxus im Zug!

Sorry, Fehler von mir. Jeder Waggon hat eines bzw. zwei.

Ich wollte schon fragen ob die Pandemi da schon abgehakt ist ;)

Deinen Reisebericht finde ich super spannend.
Resteemed :-)

Danke Dir!

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