Im Restaurant (Teil 6 von: "Nur bei Grün – den Amis ein Vorbild")

in #deutsch7 years ago

Dies ist ein Auszug aus meinem Buch "Nur bei Grün – den Amis ein Vorbild". Die restlichen Auszüge finden sich auf meinem Steemit-Blog:https://steemit.com/@kryptokrat   

Als ich am nächsten Tag gerade irgendwo durch New Jersey fuhr und sich der Hunger in mir bemerkbar machte, hielte ich, zum ersten Mal seit ich in Amerika gelandet war, bei einem klassischen amerikanischen Restaurant. Und da Amerikaner gerne auswärts dinieren, ist es in amerikanischen Restaurants häufig der Fall, dass man am Eingang warten muss, bis die Bedienung den Gästen frei gewordene Plätze zuweisen kann. Also verweilte ich einige Zeit im Wartebereich. Links von mir stand eine Gruppe von älteren Herren, die alle samt mit gesenktem Kopf auf den Teppichboden zu starren schienen, der sich durch das ganze Restaurant erstreckte. Der Raumausstatter dieses Restaurants kannte wohl Murphys Gesetze nicht, nach denen sich die folgende Situation ableiten lässt: Wenn ein Kellner die Möglichkeit hat mit einem herumtollenden Kind zu kollidieren und Cola auf einen sauberen Teppich zu verschütten, dann wird dies auch geschehen. Und während ich mir so ausmalte, was alles passieren könnte, führte eine Angestellte des Restaurants die älteren Herrschaften zu ihrem Tisch. Nun erfuhr ich, was an dem Boden so interessant war, dass es die ungeteilte Aufmerksamkeit der Senioren genoss. Es war kein Teppichboden, sondern eine Glasplatte, unter der ein im Boden versenkter Fernseher die wartenden Gäste mit den Lokalnachrichten versorgte.

Es kam mir schon etwas merkwürdig vor: Da setzt sich der Amerikaner in seinen überdimensionierten General-Motors-Truck, fährt vielleicht 20 Meilen zu dem nächsten guten Restaurant, um dort dann im Wartebereich fern zu sehen. Dabei trifft man dort so gut wie immer interessante Personen, mit denen man sich zum Zeitvertreib unterhalten kann. Ich erinnerte mich nur zu gut an ein Mal, bei dem ich in der Lobby eines amerikanischen Restaurants auf einen freien Tisch warten musste. Es war im Jahre 2006. Ich war ein halbes Jahr als Austausch-Schüler in Massachusetts. Damals sah ich einen Mann jungen Alters, der ein Borussia Mönchengladbach Trikot trug. Ich respektiere den Verein Borussia Mönchengladbach und seine Fans, aber ich finde es dennoch sonderbar: Da ist man sechs Zeitzonen von der Heimat entfernt und befindet sich in einem Land, in dem Fußball Soccer genannt wird und überwiegend nur bei lateinamerikanischen Einwanderern beliebt ist, und man trifft trotzdem einen Gladbach-Fan. Ein Bayern München Fan wäre für mich ja noch nachvollziehbar gewesen - oder jemand mit einem Brasilientrikot. Aber seien wir doch einmal ehrlich. Die glorreichen Zeiten von Mönchengladbach liegen doch schon ein paar Jahre zurück. 2006 war ich davon überzeugt, dass es sich bei dem Mann, um einen deutschen Tourist aus Mönchengladbach handeln müsse. Daher sprach ich ihn auf Deutsch an. Der Kerl war aber Amerikaner und verstand kein Wort. Schnell klärte ich das Missverständnis auf und fragte ihn neugierig, wieso er ein Gladbach Trikot trug. Darauf erklärte er mir, dass er ein großer Fan von Kasey Keller, dem Torwart der Borussen, sei und welcher übrigens auch der US-amerikanische Nationalmannschaftstorwart sei. Auch schaue er sich jedes Bundesligaspiel der Gladbacher im chinesischen Internet-Fernsehen an, welche wie mir der Gladbach-Fan berichtete auch verrückt nach der Bundesliga sind, da ein bekannter chinesischer Spieler bei einem deutschen Fußballverein spiele. 

Endlich führte mich eine Angestellte des Restaurants zu einem freien Tisch. Der Tisch bestand hauptsächlich aus einer Werbefläche der regionalen Unternehmen und Geschäfte, die auf vier Holzbeinen stand und auf die eine Glasplatte aufgelegt wurde. Diese netten Nebeneinkünfte des Restaurants schienen die Preise der Gerichte leider jedoch nicht beeinflusst zu haben. Aber trotz der großen Zahlen für den Preis auf der rechten Seite der Speisekarte, war auf der Linken noch genug Platz für eine mit Adjektiven überladene Produktbeschreibung. An der Stelle von Cheeseburger mit Bacon stand: Ein braun getoasteter Burger, mit frischen, reifen Tomaten, würzigen Gurken, knackigem Salat, gerösteten Zwiebeln, drei Streifen auf Hickoryholz geräuchertem Bacon, zart zerschmolzenem amerikanischen Käse und einem saftig gebratenem und in kreolische Senfsoße getunktem großen Stück Rindfleisch. Er wurde schon einmal „der beste Burger New Jerseys“ genannt. 

Ich als Burger-Liebhaber konnte da natürlich nicht nein sagen und bestellte diesen literarisch aufgewerteten Burger. 

An der Wand des Restaurants hingen überall Fotos der lokalen Football und Baseball-Helden. Und wenn noch irgendwo zwischen den Bildern Platz war, dann wurde dieser von stummgeschalteten Fernsehgeräten gefüllt. Jedes Gerät hatte seine eigene Nummer und zeigte einen anderen Kanal. An jedem Tisch waren kleine Sound-Empfänger. In diese konnte man die Nummer des gewünschten Fernsehgerätes eintippen und das Empfänger-Gerät versorgte einen mit der Ton-Ausgabe des entsprechenden Fernsehkanals. Und während ich auf das Essen wartete, war es schon eine nette Beschäftigung irgendwelche Audiokanäle auszuwählen und zu erraten, zu welchem Fernsehgerät der Kanal wohl gehörte, ohne dabei auf die Nummern zu achten. Nach einer Zeit des Zappens entschied ich mich dann für ein gerade laufendes Footballspiel auf Fernseher Nummer 12. 

Und falls einem in diesem Restaurant das Essen nicht schmeckt oder man wie ich aus einem herkömmlichen Grund auf die Toilette musste, wird selbst im Toilettenraum durch ein weiteres TV-Gerät dafür gesorgt, dass man nichts von dem Footballspiel verpasst. 

Als ich wieder zu meinem Platz zurückkehrte, stand mein Burger auch schon auf dem Tisch. Und tatsächlich schmeckte er pretty good, wie es der Amerikaner sagen würde.

Da ich mich noch nicht an die amerikanischen Getränkegrößen angepasst habe, überschätzte ich meinen Durst. Ich wollte den Rest meines Orangensafts mit nach Hause nehmen, welcher praktischerweise in einem transparenten Plastikbecher serviert wurde. Zu meinem Glück hielte mich eine Kellnerin jedoch davon ab, samt O-Saft in meiner Hand das Restaurant zu verlassen. Denn bis zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, dass es in Amerika vorkommen könnte, wenn ich in der Öffentlichkeit mit diesem Becher herumliefe, dass die US-Polizei diesen Saft fälschlicherweise als Wodka-O klassifiziert. Und da Alkoholkonsum in der Öffentlichkeit in den USA unerwünscht ist, sollte ich diesem Missverständnis möglichst vorbeugen.

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