Fahrkultur (Teil 7 von: "Nur bei Grün – den Amis ein Vorbild")

in #deutsch7 years ago

Dies ist ein Auszug aus meinem Buch "Nur bei Grün – den Amis ein Vorbild". Die restlichen Auszüge finden sich auf meinem Steemit-Blog:https://steemit.com/@kryptokrat   

In Amerika mit einem Auto herum zu fahren ist wie Monopoly spielen, nur dass dem Gegner alle Straßen gehören. Und alle diese Straßen sind nicht mit Hotels, dafür aber mit Tempolimits bestückt und wenn man diese überschreitet, kann es passieren, dass man Bußgelder zahlen muss oder dass es heißt: „Gehen Sie direkt ins Gefängnis. Gehen Sie nicht über Los und ziehen Sie keinen 400 Dollar Strafzettel ein!“ Auf manchen Straßen gibt es sogar Schilder, die einen darauf hinweisen, dass die Bußgelder in diesem Gebiet verdoppelt wurden. Leider gibt es kein Schild, das den Autofahrer darüber informiert, dass die Bußgelder nun wieder halbiert und auf ihrem ursprünglichen Level sind. Es gibt sehr teure Straßen, wo man eine PKW-Maut bezahlen muss und es gibt sogar Brücken, wie die George Washington Bridge zwischen New Jersey und New York, für deren Überquerung 8 Dollar Zoll verlangt wird. Aber leider scheint es das Feld Frei Parken zumindestens in den Großstädten wie New York City nicht zu geben. Die Straßen in diesem alltäglichen Monopoly heißen nicht etwa Schloßallee, sondern: 2nd Street North, 5th Avenue, Main Road, Park Drive, Massachusetts Turnpike, Broadway, Interstate 92, Route 66, Oak Trail, Maple Parkway, Lake View, Hill Path, Pine Alley, Washington Boulevard, Kennedy Expressway, Lincoln Highway, Harbor Freeway oder auch Fast Lane. Fast lanes sind Spuren, die kostenpflichtig sind, aber auf denen man folglich im alltäglichen rush hour Stau auch schneller vorankommt. Das vorankommen fällt dem Amerikaner aber manchmal schwer, da er ja selbst in den großzügigsten Bundesstaaten maximal 130 km/h fahren darf, wobei in Deutschland dies gerade einmal die Richtgeschwindigkeit auf der Autobahn ist. Darüber hinaus kommen auf amerikanischen highways gerne auch mal ein paar Ampeln vor. Auch wird die linke Spur häufig von trödelnden Fahrern belagert. Aber da kennt der Amerikaner kein Pardon und fährt wie der Italiener ziemlich dicht auf. Und wenn das dem Problem keine Abhilfe schafft, dann überholt man auf amerikanischen Autobahnen auch illegal rechts. Viele männliche Trödler lassen sich vermutlich auch auf die Werbung am Autobahnrand zurückführen, die für diverse Läden wirbt, welche die männliche Fantasie anregen. Und das beim Autofahren! Allgemein ist der Amerikaner nicht so sehr auf das vorausschauende und effiziente Fahren gedrillt wie der Deutsche. Denn über zu hohe Benzinkosten kann sich der Ami in seiner verschwenderischen Kiste nicht beklagen. Auch sonst scheint es kaum Kosten und Beschränkungen zu geben. So habe ich zu Beginn meiner Reise ziemlich schnell eine billige, alte Schrottkarre kaufen können, die leider keine nennenswerte Federung hat. Das war besonders in New Jersey spürbar, denn dort kamen meinem Anschein nach zu den echten Schlaglöchern noch künstliche hinzu. Denn viele Gulli-Deckel auf der Fahrbahn sind nicht auf deren Höhe, sondern in einem 10 cm tiefen Loch eingelassen. Auch schien es auf dieser Seite des Atlantiks keine so strikten regelmäßigen Fahrzeug-Kontrollen zu geben, wie wir sie vom TÜV in Deutschland kennen. Es kam mir viel mehr so vor, als ob alles fahren darf, was Räder hat. Dies hatte zur Folge, dass ich regelmäßig nicht mehr fahrtüchtige Fahrzeuge auf dem Standstreifen sehen konnte. Gründe konnten vom Motorschaden bis zum geplatzten Reifen alles sein. Häufig sah ich diese Reifen dann auf der mittleren Fahrspur eines Highways herumliegen. Aber auch neben den Highways sah es nicht besonders sauber aus. Auch ist über den amerikanischen Straßenverkehr zu erwähnen, dass die Autofahrer nicht sehr gerne für Fußgänger anhalten. So gibt es in vielen Orten bei stark befahrenen Straßen an jeder Kreuzung ohne Ampel gewisse Fähnchen. Mit diesen Fähnchen können vor allem Kinder die Autofahrer auf sich aufmerksam machen. Nachdem sie dann die Straße überquert haben, legen sie die Fähnchen auf der anderen Straßenseite wieder ab. Es hat mich dabei immer fasziniert, dass auf beiden Straßenseiten immer genug Fähnchen vorhanden waren und nicht eine Seite irgendwann einmal leer von Fähnchen wird. 

Viele Autos in Amerika haben ein rotes Blinklicht anstatt eines Gelben, was mich zu Beginn etwas verwirrt hat. Auch die Verkehrsschilder sind anders. Während man in deutschen Fahrschulen viele Symbole auswendig lernen muss, gibt es in Amerika beim Autofahren viel zu lesen. Denn viele Schilder sind beschriftet und daher selbsterklärend. Als neuer amerikanischer Autofahrer musste ich mich beim Straßenverkehr erst einmal einlesen. Da war es etwas schwierig alle Schilder sofort zu befolgen. Aber wie auch in Deutschland hat man nach ein wenig Praxis schnell herausgefunden, welche Schilder wichtig sind und welche man – so sage ich es jetzt einfach mal – vernachlässigen kann. Das Wildwechsel-Schild gehört in Amerika, anders als in Deutschland, wo man Wild meistens nur im Zoo begegnet, zu einer ernst zu nehmenden Gefahr. So sind mir bei Valley Forge in Pennsylvannia nachts gleich ganze Rudel von Hirschen auf der Straße begegnet. Aber auch anderswo sichtet man ständig Wild. 

Die Amerikaner sind generell viel lässiger, was sich auch in deren Sprache ausdrückt. Während in Deutschland alles Offizielle auch hoch formell ausgedrückt werden muss, passen sich die amerikanischen Behörden in ihren Formulierungen auch eher mal dem Fußvolk an. So kommen in Deutschland Wörter wie Fahrtrichtungsanzeiger oder Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung zustande. In Amerika hingegen sind selbst Verkehrsschilder oft sehr informell. So benutzt man sehr oft Abkürzungen wie PEDS X-ING für pedestrian crossing, was soviel heißt wie Fußgängerüberweg. Auch bezeichnen Schilder die Metropolregion Minneapolis-Saint Paul genau wie der Volksmund als twin cities (Zwillingsstädte). Ebenso erinnern Schilder mit der Aufschrift click it, or ticket (Lass den Anschnallgurt klicken, oder es gibt einen Strafzettel) an die Anschnallpflicht. 

Es gibt ziemlich viel Kurioses im amerikanischen Straßenverkehr, aber das Bemerkenswerteste und Lächerlichste, was ich während meiner gesamten Zeit in den Staaten gesehen habe, war eine Ampel-Anleitung für Fußgänger. Sie hatte definitiv nicht die Intention wie das deutsche „Nur bei Grün - den Kindern ein Vorbild“-Schild. Es war eine absolut ernst gemeinte Anleitung für Fußgängerampeln! Sie erklärte dem aufmerksamen Leser, dass man bei dauerhaft rot leuchtendem Licht an der Bordsteinkante warten soll. Stetiges Weiß, das amerikanische Grün, bedeutet der Anleitung zu folge, dass man die Straße überqueren darf, aber dennoch achtsam sein soll. Und wenn die Ampelleuchte rot blinkt, was vergleichbar mit der deutschen Gelb-Phase ist, soll man laut Anleitung nicht mehr anfangen, die Straße zu überqueren, sondern direkt bis zur nächsten Weiß-Phase abwarten. Und für die natürlich überaus gerechtfertigte Frage, wie man denn reagieren soll, wenn die Ampel beim Überqueren der Straße plötzlich von Weiß auf Rot schaltet, gibt es auch eine Verhaltensregel: Einfach die Straße zu Ende überqueren. Heureka, welch eine Erkenntnis! 

Aber die Twin Cities, in denen ich diese Gebrauchsanweisungen für Ampeln das erste Mal gesehen habe, sind ansonsten recht fortschrittlich. Es gibt sogenannte carsharing lanes. Das sind Spuren, welche nur Autos, die mehrere Personen transportieren, nutzen dürfen. Dies soll in den staugeplagten Städten Fahrgemeinschaften fördern. Stau gibt es beinahe überall in Amerika.  

Da Amerika so groß ist, sind die Entfernungen auch größer als im vergleichsweise kleinen Deutschland. Deshalb ist der Amerikaner von seinem Auto abhängig. Man erledigt in Amerika alles mit dem Auto und man wird dabei auch unterstützt. So haben natürlich alle Fastfood-Restaurants, wie auch die meisten in Deutschland, einen oder manchmal sogar auch zwei drive thru-Schalter. Aber auch Apotheken und Banken sind auf diese Art erreichbar. Bei amerikanischen Banken sieht man beim Autoschalter auf einem kleinen Monitor einen Bankmitarbeiter, dem man wie auch am traditionellen Bankschalter im Inneren des Bankgebäudes seine Wünsche verkünden kann. Je nach Auftrag muss man dann die eigene Bankkarte, Geld oder Sonstiges in einen vorliegenden verschließbaren Behälter legen, welcher durch ein Saugröhrensystem in die Bank gelangt. Der Bankmitarbeiter nimmt dort dann den Inhalt aus dem Behälter heraus und bearbeitet den Auftrag. Danach kommt alles wieder in den Behälter. Der wird wiederum durch das Röhrensystem zurückgesendet. Wenn man aber nur Geld abheben möchte, dann empfiehlt sich der Geldautomat auf dem Parkplatz der Bank, den man auch aus dem Auto heraus bedienen kann. 

Die Amerikaner sitzen viel im Auto. Und Leute wie ich, die quer durch den nordamerikanischen Kontinent fahren wollen, sitzen noch viel mehr im Auto. Man kann sich die lange Zeit im Auto damit versüßen, indem man die Telefonnummern anruft, die auf der Rückseite von vielen Trucks unter dem Schriftzug how is my driving? (Wie ist mein Fahrstil?) geschrieben stehen. Unter diesen Nummern kann man sich bei den jeweiligen Speditionsfirmen über den schlechten Fahrstil von angestellten Truckfahrern beschweren. Sowas müssten viele deutsche Spediteure auch einmal einführen. Ich jedoch machte mir immer einen Spaß daraus, diese Telefonnummern anzurufen und die Fahrer in den Himmel zu loben. Obwohl positive Kritik natürlich nicht verboten war, wunderten sich die Personen am anderen Ende der Leitung jedes Mal sehr, dass es so schräge Typen wie mich gibt, die bei ihnen anrufen, um den Fahrstil ihrer Fahrer zu rühmen. Wenn man gerade keinen dieser LKW sieht, dann kann man natürlich auch Radio hören.  

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