Reisen in den Jemen: Abenteuertour in die Steinzeit

in #deutsch6 years ago

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Graue Gipfel, ein Himmel wie aus Seide, subtropische Täler und Wüsten voller Wolkenkratzer aus Lehm: Das Bürgerkriegsland Jemen, einst Reich der Königin von Saba und im Moment vollkommen unzugänglich, fasziniert mit grellen Widersprüchen. Das Land lebt in der Steinzeit, doch die Menschen telefonieren mit Smartphones. Frauen sind vollverschleiert, doch in Teilen des Landes trägt man auch westliche Mode. Männer trennen sich nie von ihrem Ritualdolch - auch wenn sie in Harvard studiert haben.

Kommt mit auf eine Reise in die Vergangenheit

Die Häuser von Thula liegen wie graues Geröll am Fuße der Felsen, die unvermittelt aus dem flachen Land wachsen. Eine Autostunde von Sanaa, wo die Teerstraßen enden, ist der Himmel blank wie frisch geputzt und wolkenlos blau. Darunter lehnt Helmut am Stadttor und wartet auf Besucher, die Hände malerisch auf seinen "Janbíya" genannten Dolch gestützt. Seit der 17-Jährige, der eigentlich Abdul heißt, nicht mehr zur Schule geht, schlägt er sich als Touristenführer durch. "Aber es kommen nicht mehr so viele Leute", sagt Abdul, der sich extra für deutsche Besucher Helmut nennt, "früher war mehr los."

Still in der Sonne

Jetzt aber liegt das malerische Städtchen mit den weißbemalten runden Fenstern still in der Mittagssonne. Silber-Händler hocken in ihren Ständen, eine alte Frau treibt ihre Kuh die Gasse entlang. Schon seit den ersten Reisewarnungen für den Jemen machen sich die Neugierigen aus dem Westen rar, die früher als endloser Strom durch die uralte Stadt auf 2 600 Metern Höhe flanierten. Helmut hat von ihnen Deutsch gelernt, von dem einen dieses Wort, vom nächsten jenes. "Heute", grinst er, "würde das nicht mehr funktionieren." Denn der Jemen steckt in einem undurchschaubaren Bürgerkrieg, in dem Saudi-Arabien und Katar, der Iran, Al Kaida, die USA und Russland mitmischen.

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Hierher reisen, das klingt selbst für erfahrene Abenteurer zuallererst nach Entführung und erst viel später nach Geschichte, Kultur und Königin von Sabaa. "Das ist sehr schlimm", klagt Moammed Al-Asadi, Chefredakteur des "Yemen Observer", "aber es ist eben so."

Und so lange es so ist, bleiben die Zeiten nur Erinnerung, in denen der Jemen eines der angesagten Reiseziele für entdeckungslustige Individualtouristen aus aller Welt war. "Dabei gibt es doch gar keine Probleme mehr", wundert sich Abdulnasser Alschuaibl, der in der DDR studiert hat und heute als Reiseleiter für die Abu Taleb Group (ATG) arbeitet.

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Im Alltagsleben des Landes, das ebenso reich an Geschichte wie an imposanten Naturdenkmälern ist, ist der Krieg Alltag geworden. Schon früher, in Friedenszeiten, musste jeden Morgen eine Autokarawane gebildet werde, um Waren und Reisende unter Armeebewachung sicher durch die Berge etwa in die nördlich gelegene Stadt Mahrib zu bringen. Heute ist nicht einmal mehr zu erfahren, wie Transporte abgewickelt werden. Es ist Krieg, und keiner geht hin.

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Wer dem zwischenzeitlichen Frieden in dem Land mit der seltsamen Macho-Islam-Kultur traute, bereute es jedoch nicht. Zwischen den kahlen Gipfeln der Dreitausender um Sanaa und den glühend heißen Tälern, die hier Wadi genannt werden, entfaltet der Jemen eine spröde Schönheit, die jeden Besucher gefangen nimmt. Natürlich, die Landschaften sind hart, staubig und schwer auf den ersten Blick ins Herz zu schließen. Umso größer aber ist die Freundlichkeit der Menschen, die den im Jeep vorüberfahrenden Fremden nicht nur begeistert nachwinken, sondern bei jeder Pause herbeiströmen, um zu schwatzen.

Und zu erzählen gibt es einiges. Neben der starken Prägung durch den Islam haben sich unter den stolzen Jemeniten Sitten und Gebräuche erhalten, die nirgends sonst existieren. Das Qat-Kauen etwa, das eine ganze Wirtschaftsbranche antreibt. Kaum ist es Mittag geworden, schwärmen die Männer aus, sich ihre Tagesportion Qat-Blätter zu besorgen. Die wird dann am Nachmittag allmählich zerkaut und in der Backe verstaut.

"Das verhindert, dass man müde wird", lobt Abdulnasser Alschuaibl, "so ähnlich wie Kaffee." Eine Angewohnheit, die sich die Jemeniten nicht nehmen lassen. Wie das Tragen ihres "Janbíya", der - in Bauchhöhe in den Gürtel gesteckt - unpraktisch ist, aber als Statussymbol gilt. Völlig bedröhnt sitzen sie dann hinterm Steuer und lenken ihre großen amerikanischen Wagen - allesamt um die GM-Logos erleichtert - mit hanebüchenen Manövern über die bröckligen Straßen.

Und auf Statussymbole wird viel Wert gelegt. Außerhalb der Städte, in denen das Mitführen von Waffen verboten ist, tragen noch immer viele Männer ihre Kalaschnikow, meist alte, klapprige Modelle, draußen in den Bergen gibt es zuweilen auch spontane Schießübungen von einem Berg zum anderen. Bei jeder Hochzeit wird so viel geballert wie im Westen Schnaps getrunken wird. Meist passiert nichts. Und wenn doch, war es Gottes Wille.

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Spannender Artikel, ich war selbst einmal in der Gegend bei Djibouti.

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