Corona-Gefangene im Home Office: Gemeinsam einsam

in #deutsch4 years ago

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Von daheim aus zu arbeiten ist dank Internet zumindest für eine Reihe von Arbeitnehmern möglich - ausgerechnet die Corona-Krise (Mein Corona-Tagebuch)hat hier Entwicklungen beschleunigt, die sonst wohl noch Jahrzehnte gebraucht hätten. Allerdings braucht es das richtige Knowhow, um sicher zu gehen. Und das Eingeständnis, dass diese neue Freiheit eigentlich keine ist.

Sicher ist sicher und wer von daheim aus arbeitet, der kann weder jemanden anstecken noch angesteckt werden. Doch der Trend zum Home-Office, der mit dem Ausbruch der Corona-Krise zu einer erdrutschartigen Bewegung wurde, die nun auch kleine Unternehmer erfasst, bringt andere Unsicherheiten mit sich.
Wer über Datenleitungen mit den Servern seines Arbeitgebers verbunden ist, öffnet im Zweifelsfall Kriminellen Tür und Tor zu sensiblen Daten. Wer im Home Office arbeitet, ist ein Gefangener der Seuche, auch wenn er es nicht weiß. Technologie und Einsamkeit halten ihn in Haft, man ist gemeinsam einsam, entfremdet, aber frei, sich frei zu fühlen, obwohl man es nicht ist.

Vorsicht ist vor allem dort geboten, wo das Spezialwissen einer eigenen IT-Abteilung fehlt oder eilig Notfallstrukturen aufgebaut werden müssen, um den Betrieb am Laufen zu halten. Sichere Heimarbeitsplätze aber funktionieren nicht nur, sie gewährleisten auch, dass Unternehmens- und Kundendaten geschützt bleiben als würden sie im firmeneigenen Intranet bearbeitet.

Die Magdeburger Sicherheitsexperten von AV Test haben jetzt einen Werkzeugkasten für Nutzer zusammengestellt, die nicht über Firmen-Notebooks mit festinstallierter Sicherheitssoftware arbeiten können, sondern auf private Laptops oder Heim-PC der Mitarbeiter setzen müssen, um die Krise zu meistern. Das sei auch ohne aufwendige eigene IT-Strukturen in der Hinterhand möglich, ist Sicherheitsexperte Andreas Marx überzeugt. „Der Markt bietet hier viele Möglichkeiten für gesichertes Arbeiten aus der Ferne.“

Grundlage aller Überlegungen sei der Fernzugang per Remote-Control, das sogar in jeder Windows-Installation als Remote Desktop Protokoll verfügbar ist. Da diese Lösung aber weitere Schutzmaßnahmen erfordere, um wirklich sicher zu sein, empfiehlt Marx den Einsatz von spezialisierten Service-Tools für Remote-Control-Zugänge. „Weit verbreitet sind etwa Teamviewer, LogMeIn oder Radmin.“ Diese Programme müssen auf auf dem Firmen-PC installiert werden, dann lässt sich der Firmen-PC mit einer ID und einem starkem Passwort so nutzen, als würde man davorsitzen. Wegen akuten Notlage vieler Firmen verzichtet Teamviewer derzeit darauf, Lizenzgebühren für die Nutzung einzutreiben, so dass das Programm vorerst kostenlos nutzbar ist.

Für eine ideale Lösung aber hält Andreas Marx die einfach zu nutzenden Fernabfrage-Tools dennoch nicht. Besser und sicherer sei eine Verbindung via VPN, die Abkürzung für Virtuelles Privates Netzwerk, eien Art Tunnel vom privaten Rechner ins ins Netzwerk, der von außen „kaum zu knacken“ ist, wie Marx beschreibt. VPN-Tunnel seien verschlüsselt, für kleinere Unternehmen gebe es spezialisierte Service-Anbieter. Anbieter wie Avast, Avira, Cyberghost, Hotspot Shield und Norton waren gerade erst von AV Test geprüft und durchweg für gut befunden worden.

Es ist allerdings nicht unbedingt notwendig, per Fernzugriff oder VPN von außen auf die eigenen Daten zugreifen zu lassen. Stattdessen lässt sich auf die Cloud ausweichen, wo hin Daten, die gemeinsam bearbeitet werden sollen, ausgelagert werden. Spezialisierte Anbieter wie Brainloop oder IDeals zielen direkt auf kleinere Unternehmen, für ganz einfache Lösungen reichen aber auch Google Drive oder Microsofts OneDrive. „Im Prinzip sind das Cloud-Speicher, auf denen sich sicher Arbeitsdaten auslagern und bearbeiten lassen“, erklärt Andreas Marx. Der Vorteil vor allem bei den spezialisierten Firmen sei die hohe Sicherheit für die Daten vor dem Zugriff von außen trotz Auslagerung. Der Nachteil liege darin, dass Daten von Befugten heruntergeladen und damit auf den privaten PCs von Mitarbeitern landen können. Hier empfiehlt AV-Test, solche Inhalte nicht im internen Speicher des Laptops oder PC zu lagern, sondern auf einer externen Festplatte, die nur während der dienstlichen Nutzung des Rechners angesteckt wird. Dadurch können Dritte keinen Zugriff auf die Daten erlangen, wenn der Mitarbeiter privat im Internet surft.

Für Videokonferenzen, die in Zeiten der Kontaktsperren gemeinsame Sitzungen ersetzen müssen, empfiehlt Andreas Marx je nach Anspruch auf verschiedene Anbieter. Für kleine Teams, die nur wegen des Corona-Virus keine richtige Besprechung machen könnten, biete sich der bekannte Bildtelefondienst Skype an. „Das ist auf vielen Geräten vorinstalliert, auch auf privaten.“ Alternative seien das in der Basisversion ebenso kostenlose Amazon Chime, GoToMeeting oder Webex von Cisco. Alle Videokonferenz-Tools seien einfach zu handhaben und böten abgesicherte Verbindungen. „Es lassen sich sogar Bildschirme teilen, leicht Daten tauschen und wer keinen PC zur Verfügung hat, kann meist per Handy am Gespräch teilnehmen“, beschreibt Andreas Marx.

Die technischen Voraussetzungen für eine langandauernde Isolation allen von allen sind also längst gegeben. Die Corona-Krise hat hier Entwicklungen beschleunigt, die bereits begonnen hatten, nun aber mit brachialer Geschwindigkeit über die Gesellschaft hereinbrechen. Wenn Bundespräsident Steinmeier in seiner Corona-Rede davon sprach, dass die Welt nach Covid-19 eine andere sein werden, dann hat der eher als traditioneller Analog-Politiker bekannte Sozialdemokrat das sicher nicht gemeint.

Aber kommen wird es, denn was Corona brachte, wird ohne Corona auch nicht mehr weggehen.

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