Perlen der Literatur – „Moderne Gleichförmigkeit“ - Essay - von Bertrand Russel

in #deutsch6 years ago

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Werte Steemis,
aus der Reihe „Perlen der Literatur und weil die arbeitsfreien Ostertage euch langweilen könnten, gibt es heute ein leicht verdauliches Essay von Bertrand Russel.

Zu den Perlen der Literatur gehört sicher auch Bertrand Russels Buch „Lob des Müßiggangs“, das ihm 1950 den Nobelpreis für Literatur einbrachte. Aus diesem Buch möchte ich euch ein kurzes Essay vorstellen „Moderne Gleichförmigkeit“.

Gute Bücher und Schriften sind wie Austern, will man an die Perlen gelangen, muss man tief tauchen, Miesmuscheln hingegen, liest man am Strand auf.

Meine einzige Kritik: Russel sollte in jedem guten Bücherregal zu finden sein, es ist nicht nur ein Vergnügen ihn zu lesen, seine überlegene Intelligenz, ist erschreckend schön.


Essay

Bertrand Russel

Moderne Gleichförmigkeit


Dem europäischen Reisenden fällt in Amerika – zumindest wenn ich von mir aus schließen darf – zweierlei als besonders eigentümlich auf: einmal das äußerst Gleichförmige in allen Teilen der Vereinigten Staaten (mit Ausnahme des alten Südens) und zum zweiten das leidenschaftliche Bemühen jeder Örtlichkeit, zu beweisen, dass sie von allen anderen Ortschaften etwas besonderes und Abweichendes voraus hat. Das zweite ist natürlich eine Folgeerscheinung des ersten. Jeder Ort hätte gern begründeten Anlass zu Lokalpatriotismus und hegt und pflegt daher alles, was ihn nur irgend im geographischen, historischen oder traditionellen Sinne auszeichnet. Je größer die tatsächlich bestehende Einförmigkeit ist, um so eifriger sucht man nach Besonderheiten, die die Gleichförmigkeit abschwächen könnten. Der alte Süden ist allerdings dem übrigen Amerika sehr unähnlich, so unähnlich, dass man sich in ein anderes Land versetzt glaubt. Er ist vorwiegend landwirtschaftlich, aristokratisch und rückschauend, während Amerika sonst industriell, demokratisch und und fortschrittlich ist. Wenn ich Amerika mit Ausnahme des alten Südens als industriell bezeichne, so denke ich dabei selbst an jene Teile, die nahezu vollkommen landwirtschaftlich sind, denn der amerikanische Landwirt ist der Mentalität nach industriell eingestellt. Er verwendet viele moderne Maschinen; er ist ganz wesentlich abhängig von der Eisenbahn und dem Telefon; er ist wohlvertraut mit den entlegenen Märkten, denen seine Erzeugnisse zugehen; tatsächlich ist er ein Kapitalist, der ebenso gut in einem anderen Geschäftszweig tätig sein könnte. Ein Bauer, wie wir ihn in Europa und Asien haben, ist in den vereinigten Staaten praktisch unbekannt. Das ist ein ungeheures Plus für Amerika und vielleicht der Alten Welt gegenüber sein gewichtigster Vorzug, denn der Bauer ist allenthalben hartherzig, geizig, konservativ und unfähig. Ich habe Orangenhaine in Sizilien und Kalifornien gesehen – ein Gegensatz, der einem Abstand von etwa zweitausend Jahren entspricht. Die Orangenhaine in Sizilien liegen weit entfernt von Eisenbahn- und Schiffsverkehr; die Bäume selbst sind alt, knorrig und wunderschön, und behandelt werden sie nach den Methoden der klassischen Antike. Die Menschen sind unwissende Halbwilde, Nachkommen der Mischlinge aus römischen Sklaven und arabischen Invasoren: was ihnen an Intelligenz bei der Pflege der Bäume abgeht, gleichen sie durch Grausamkeit gegenüber den Tieren aus. Hand in Hand mit ihrem moralischen Tiefstand und ihrer wirtschaftlichen Unfähigkeit geht ein instinktiver Schönheitssinn, der einen ständig an Theokrit und die Sage vom Garten der Hesperiden erinnert. Ein kalifornischer Orangenhain erinnert nicht im entferntesten an den Garten der Hesperiden. Die Bäume gleichen einander haargenau, sie sind sorgfältig ausgerichtet und stehen jeweils im richtigen Abstand voneinander. Die Orangen selbst sind allerdings nicht alle gleich groß, aber mittels einer gescheiten Apparatur werden sie derart aussortiert, dass automatisch in jeder Kiste immer nur gleich große Früchte sind. Sie gehen hinaus in die Welt, von zweckmäßigen Maschinen zweckmäßig behandelt, bis sie in zweckmäßigen Kühlwagen die zweckmäßigen Märkte erreichen.

Maschinell werden sie mit dem Wort „Sonnengeküßt“ gestempelt, das ist aber auch das einzige, was die Vermutung zulässt, die Natur habe an ihrer Erzeugung irgendwie mitgewirkt. Selbst das Klima wird künstlich geschaffen; denn der Orangenhain wird durch eine Dunstdecke künstlich warm gehalten, falls es Frost gibt. Die Menschen, die sich mit dieser Art von Landwirtschaft beschäftigen, fühlen sich nicht mehr wie die Bauern in der früheren Zeit als geduldige Sklaven der Naturkräfte; sie fühlen sich vielmehr als Herren und durchaus fähig, die Naturkräfte ihrem Willen zu unterwerfen. Daher besteht in Amerika kein solcher Unterschied zwischen Industriellen und Landwirten wie in der Alten Welt. Die entscheidende Rolle bei der Umwelt spielt in Amerika das Menschliche; im Vergleich dazu verfällt die Rolle des Nicht-Menschlichen der Bedeutungslosigkeit. In Südkalifornien hat man mir ständig versichert, das Klima verwandle die Menschen in Lotus-Esser, doch ich gestehe, dass ich das nirgends bewiesen fand. Die Leute schienen mir genau die gleichen zu sein wie in Minneapolis oder Winnipeg, obgleich Klima, Landwirtschaftsbild und Naturgegebenheiten in diesen beiden Regionen so unterschiedlich wie nur denkbar sind. Betrachtet man den Unterschied zwischen einem Norweger und einem Sizilianer und vergleicht man ihn mit dem mangelnden Unterschied zwischen einem, sagen wir, aus Nordkorea und einem Südkalifornier, dann erkennt man die ungeheure Umwälzung im menschlichen Raum, die dadurch entstanden ist, dass der Mensch vom früheren Sklaven jetzt zum Herren seiner natürlichen Umwelt geworden ist. Sowohl Norwegen als auch Sizilien haben eine alte Tradition; sie hatten vorchristliche Religionen, in denen die Reaktion des Menschen auf das Klima zum Ausdruck kam, und das Christentum musste unweigerlich bei seinem Vordringen in beiden Ländern sehr unterschiedliche Formen annehmen. Die Norweger fürchteten Eis und Schnee, die Sizilianer Lava und Erdbeben. Die Hölle wurde zweifellos in südlichem Klima erfunden; hätte man sie in Norwegen erdacht, sie wäre sicher eiskalt gewesen. Aber weder in Norddakota noch in Südkalifornien trägt die Hölle ein klimatisches Vorzeichen: in beiden Fällen ist es eine Knappheit auf dem Geldmarkt. Das ist bezeichnend für die Bedeutungslosigkeit des Klimas im modernen Leben.

Amerika ist eine von Menschen geschaffene Welt, die der Mensch auf maschinellem Wege geschaffen hat. Ich denke dabei nicht nur an die äußere Umwelt, sondern ebenso und in gleichen Maße an das Denken und Empfinden. Nehmen wir einen richtig aufregenden Mordfall: der Mörder mag immerhin noch methodisch primitiv vorgegangen sein, aber diejenigen, die die Kenntnis von seiner Tat verbreiten, bedienen sich dabei der letzten Errungenschaften der Wissenschaft. Nicht nur in den Großstädten, nein, nein, auch auf den entlegenen Farmen der Prärie und in den Bergarbeitersiedlungen der Rocky-Mountains vermittelt das Radio sämtliche jüngsten Informationen, so dass die Gesprächsthemen an irgendeinem Tag in jedem Haushalt des ganzen Landes mindestens zur Hälfte übereinstimmen. Als ich im Zug durch die weiten Ebenen fuhr und mich bemühte, den Lautsprecher zu überhören, der brüllend für irgendeine Seife Reklame machte, gesellte sich ein alter Farmer zu mir und sagte strahlend: „Wohin auch immer man heute reist – der Zivilisation kann man nirgends entgehen.“ Ach ja, es stimmt. Ich wollte so gerne Virginia Wolf lesen, aber die Reklame behauptete das Feld.

Gleichform im Mechanismus des äußeren Lebens wäre ja noch nicht so schlimm, viel gefährlicher ist Gleichförmigkeit im Denken und Meinen. Und doch ist das ein ganz unvermeidliches Ergebnis moderner Erfindungen. Man produziert billiger, wenn die Produktion vereinheitlicht ist, und billiger in großem Maßstab, wenn die Produktion in eine Anzahl kleiner Einheiten aufgeteilt ist. Das trifft genau so zu für die Produktion von Meinungen wie von Stecknadeln. Die Hauptquellen der Meinungsbildung sind heutzutage die Schulen, die Kirchen, die Presse, das Kino und er Rundfunk. Der Unterricht in den Elementarschulen wird unweigerlich mehr und mehr standardisiert, je mehr dabei von technischen Hilfsmitteln Gebrauch gemacht wird. Ich glaube, man darf wohl annehmen, dass in der nahen Zukunft sowohl Film als auch Rundfunk eine rasch zunehmende Rolle im Schulunterricht spielen werden. Das bedeutet, der Lehrstoff wird irgendwo zentral produziert und allenthalben ganz genau gleich dargeboten werden, wo immer dieses zentral vorbereitete Material Verwendung findet. Wie ich höre schicken manche Kirchen allwöchentlich eine Musterpredigt an all ihre schwächeren Geistlichen, die zweifellos, sofern sie den Gesetzen der normalen menschlichen Natur unterliegen, dankbar dafür sein werden, dass man ihnen die Mühe erspart, aus eigener Kraft eine Predigt zu erstellen. Diese Musterpredigt behandelt selbstverständlich einige brennende Gegenwartsfragen und zielt darauf hin, eine bestimmte Gemütsbewegung der Massen innerhalb des ganzen Landes zu bewirken. Das gleiche gilt in noch höherem Maße für die Presse, die allenthalben dieselben telegraphischen Nachrichten bekommt und in großem Stil zu Syndikaten zusammengeschlossen ist. So finde ich etwa Kritiken meiner Bücher, von den besten Zeitungen abgesehen, im gleichen Wortlaut von New York bis San Franzisko und von Main bis Texas, nur laufen sie auf der Reise von Nordosten nach Südwesetn allmählich immer mehr ein.

Die größte Macht im Dienst der Gleichförmigkeit besitzt aber in der modernen Welt wohl der Film, da sein Einfluss nicht nur auf Amerika beschränkt ist, vielmehr in alle Teile der Welt eindringt, abgesehen von der Sowjetunion, die aber ihrerseits ihre eigene, andersartige Gleichförmigkeit besitzt. Der Film verkörpert in großen Zügen das, was nach Hollywoods Ansicht im Mittelwesten beliebt ist. Nach diesem Rezept werden unsere Gefühle gegenüber Liebe und Ehe, Geburt und Tod standardisiert. Für die Jugendlichen aller Länder ist Hollywood der Inbegriff des Gipfels an moderner Auffassungen, denn es schildert sowohl das herrliche Leben der reichen Leute als auch die Methoden, die es anzuwenden gilt, um zu solchen Reichtümern zu kommen. Ich nehme an, der Tonfilm wird recht bald zur Anerkennung einer Universalsprache führen, und das wird die Sprache Hollywoods sein.

Leider besteht diese Gleichförmigkeit in Amerika nicht nur in den Kreisen der vergleichsweise Unwissenden. Wir finden dasselbe, wenn auch in etwas geringerem Maße, auf kulturellem Gebiet. Ich habe mir Buchläden in allen Teilen des Landes angesehen und fand allenthalben vorwiegend die gleichen Bestseller ausgestellt. Soweit ich das feststellen konnte, kaufen die kultivierten amerikanischen Damen alljährlich etwa ein Dutzend Bücher, und zwar überall das gleiche Dutzend. Für einen Autor ist das eine sehr befriedigende Sachlage, vorausgesetzt, dass er zu diesen Dutzend gehört. Aber zweifellos besteht hier ein großer Unterschied zu Europa, wo es viele Bücher mit geringerem Absatz statt der wenigen mit hohem Absatz gibt.

Man darf allerdings nicht annehmen, dass die Tendenz zur Gleichförmigkeit nun ganz gut oder ganz schlecht sei. Sie hat große Vorteile und zugleich große Nachteile: ihr größter Vorteil ist selbstverständlich, dass sie eine Bevölkerung schafft, die einer friedlichen Zusammenarbeit fähig ist; ihr größter Nachteil besteht darin, dass sie in der Bevölkerung die Neigung entwickelt, Minderheiten zu verfolgen. Das wird wahrscheinlich ein vorübergehender, zeitgebundener Fehler sein, da anzunehmen ist, dass wir in Kürze keine Minderheiten mehr haben werden. Sehr viel hängt natürlich davon ab, auf welche Weise die Gleichförmigkeit erreicht wird. Nehmen wir beispielsweise die Schulen in Süditalien. Im Verlauf der Geschichte haben sich die Süditaliener durch Mord, Korruption und ästhetisches Feingefühl ausgezeichnet. Die Schulen treiben ihnen mit Erfolg das letzte dieser drei aus und gleichen sie auf diesem Gebiet der amerikanischen Urbevölkerung an, während ich schätze, dass die Schulen hinsichtlich der anderen bezeichnenden Eigenschaften weniger erfolgreich sind. Damit ist eine der Gefahren der angestrebten Gleichförmigkeit aufgezeigt: gute Eigenschaften lassen sich leichter vernichten als schlechte, und daher wird Gleichförmigkeit am leichtesten durch Senken jedes Standards erzielt. Selbstverständlich muss ein Land mit starker landfremder Bevölkerung mittels seiner Schulen versuchen, die Kinder der Einwanderer den anderen anzugleichen, und daher ist ein gewisses Maß an Amerikanisierung unvermeidlich. Es ist jedoch unheilvoll, dass dieser Vorgang weitgehend mit Hilfe eines etwas geräuschvollen Nationalismus bewirkt wird. Amerika ist bereits das stärkste Land der Welt, und sein Übergewicht nimmt noch ständig zu. Naturgemäß erweckt diese Tatsache in Europa Furcht, und alles, was nach militantem Nationalismus aussehen könnte, steigert noch diese Furcht. Es mag Amerika bestimmt sein, Europa politisches Verständnis zu lehren, ich fürchte nur, der Schüler wird sich bestimmt als widerspenstig erweisen.

Hand in Hand mit der Tendenz zur Gleichförmigkeit geht in Amerika, wie mir scheint, eine irrtümliche Auffassung von Demokratie. In den Vereinigten Staaten ist man scheinbar ganz allgemein der Ansicht, die Demokratie verlange es, dass alle Menschen gleich seien, und dass jeder Mensch „überheblich“ sei, der irgendwie anders ist als andere. Frankreich ist ebenso demokratisch wie Amerika, und doch gibt es diese Vorstellung in Frankreich nicht. Der Arzt, der Anwalt, der Geistliche, der Beamte, das sind in Frankreich alles verschiedene Typen; jeder Beruf hat seine eigene Tradition und seinen eigenen Standard, obwohl er deshalb noch keine Überlegenheit über andere Berufe für sich in Anspruch nimmt. In Amerika sind alle berufstätigen Menschen im Typ dem Geschäftsmann angeglichen. Ganz so, als wolle man anordnen, ein Orchester habe nur aus Violinen zu bestehen. Es fehlt anscheinend an entsprechendem Verständnis dafür, dass die Gesellschaft ein Modell oder Organismus sein sollte, in dem verschiedene Organe unterschiedliche Rollen spielen. Man stelle sich vor, Auge und Ohr stritten sich darüber, ob es wichtiger sei, sehen oder hören zu können, mit dem Ergebnis, dass keines auch nur eine Funktion ausüben wollte, sofern nicht jedes beides tun könnte. Das aber wäre, wie mir scheint, nach amerikanischer Auffassung Demokratie. Mit bitterem Neid wird alles Hervorragende, das nicht Allgemeingut sein kann, verfolgt, abgesehen natürlich von der Sphäre der Athletik und des Sports, wo Überlegenheit und Größe stürmisch gefeiert werden. Im Hinblick auf seine Muskeln ist der Durchschnittsamerikaner offenbar eher der Bescheidenheit fähig als im Hinblick auf seinen Kopf, vielleicht weil er für die Muskeln eine echtere und tiefere Bewunderung empfindet als für den Kopf. Die Flut der populärwissenschaftlichen Bücher in Amerika ist teilweise, wenn auch natürlich nicht ganz darauf zurückzuführen, dass man nicht zugeben will, es könne auf wissenschaftlichen Gebiet irgend etwas geben, was nur Experten zu verstehen vermögen. Der Gedanke, zum Verständnis etwa der Relativitäts-Theorie könnte ein spezielles geistiges Training erforderlich sein, verursacht nahezu Entrüstung, wenngleich niemand sich darüber aufregt, dass ein Spezialtraining nötig ist, um ein erstklassiger Fußballspieler zu werden.

Einmal erreichter Rang und Ruhm werden vielleicht nirgends so bewundert wie in Amerika, und doch wird der Weg zu bestimmtem Ruhm und Rang den jungen Menschen sehr erschwert, weil die Leute unduldsam sind gegenüber allem Exzentrischen und allem, was man ein „Sich-Überheben“ nennen könnte, vorausgesetzt, dass die betreffende Person nicht bereits „prominent“ genannt wird. Demzufolge sind viele der meistbewunderten fertigen Modelle im eigenen Lande schwer zu fabrizieren und müssen aus Europa importiert werden. Diese Tatsache ist mit Standardisierung und Gleichförmigkeit unlöslich verbunden. Außergewöhnliche Leistungen, vornehmlich auf künstlerischem Gebiet, begegnen unweigerlich schweren Widerständen, solange die Künstler jung sind, und man erwartet von jedem, äußerlich dem Modell zu entsprechen, das die derzeit ausübenden Erfolgreichen aufgestellt haben.

Die Standardisierung mag viele Nachteile für den außergewöhnlich begabten einzelnen haben, steigert aber vielleicht das Glück des Durchschnittsmenschen, da er, wenn er seine Gedanken äußert, sicher sein kann, dass sie den Ansichten seiner Zuhörer entsprechen. Darüber hinaus fördert sie den nationalen Zusammenhalt, und die Politik findet keinen so bitteren und heftigen Ausdruck mehr wie in Ländern, wo klarere Gegensätze bestehen. Ich halte es zwar nicht für möglich, einen Ausgleich für Gewinn und Verlust zu schaffen, glaube aber, dass die Art von Standardisierung, wie sie jetzt in Amerika besteht, sich wahrscheinlich auch in Europa ausbreiten wird, je stärker sich die Welt mechanisiert. Die Europäer, die dieserhalb Amerika kritisieren, sollten sich daher klarmachen, dass sie damit an der Zukunft ihrer eigenen Länder Kritik üben und sich einen unvermeidbaren und universalen zivilisatorischen Entwicklungstrend entgegenstellen. Zweifellos wird der Internationalismus erleichtert werden, wenn sich die Unterschiede zwischen den Nationen verringern, und wenn erst einmal der Internationalismus geschaffen ist, würde der soziale Zusammenhalt im Interesse der Erhaltung des inneren Friedens ungeheure Bedeutung erlangen.

Nicht leugnen lässt sich dabei aber ein gewisses Risiko, nämlich das einer Starre und Unbeweglichkeit analog der des spätrömischen Reiches. Dem können wir aber vielleicht die revolutionären Kräfte der modernen Naturwissenschaften und der modernen Technik gegenüberstellen. Ungeachtet eines allgemeinen intellektuellen Niedergangs werden diese Kräfte, eine neues Charakteristikum der modernen Welt, die Erstarrung unmöglich machen und jene Stagnation verhindern, die in der Vergangenheit große Reiche befallen hat. Es ist immer gefährlich, historische Argumente auf Gegenwart und Zukunft anzuwenden, denn die Wissenschaft hat einen völligen Wandel in der Welt bewirkt. Ich sehe daher keinen Anlass zu übertriebenen Pessimismus, wenn auch die Standardisierung nicht nach dem Geschmack all der Menschen sein mag, die sie noch nicht gewohnt sind.


ENDE


Quelle: http://find.nlc.cn/search/doSearch?query=bertrant%20russel&secQuery=&actualQuery=bertrant%20russel&searchType=2&docType=%E5%85%A8%E9%83%A8&isGroup=isGroup&targetFieldLog=%E5%85%A8%E9%83%A8%E5%AD%97%E6%AE%B5&fromHome=true
Quelle: http://www.nl.go.kr/nl/search/search.jsp?all=on&topF1=title_author&kwd=Bertrand+Russell
Quelle: https://search.rsl.ru/ru/search#q=bertrand%20russel


Joe C. Whisper

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