Aus der Reihe - „Lachende Literaten“ – „Die schlechten Dichter“ von David Kalisch
Werte Steemis,
aus der Reihe „Lachende Literaten“ und nach all der Schaffenskraft, die ich für euch leiste, muss ich mir eine kurze, erholsame Auszeit gönnen, damit ihr euch in dieser Zeit nicht langweilt, bekommt ihr selbstverständlich, ermunternden Lesestoff geboten.
Heute für euch - David Kalisch „Die schlechten Dichter“.
Kritik: ruht – wenn ich ruhe
David Kalisch
Die schlechten Dichter
Es gibt eine Art Satyre, die, wie gewisse unbarmherzige Insekten, sich nur auf wunde Stellen setzt, um sich am Schmerz der Hülflosigkeit zu weiden; während eine andere dem Höllenstein gleicht, der zwar auch Wunden berührt und reizt, aber nur um sie zu heilen. Der Mensch aber verwechselt und verurtheilt beide Arten und vergißt, daß die Satyre nie eine Schwäche erzeugt, sondern umgekehrt. Wie mit der Satyre geht es gewöhnlich uns Menschen auch mit andern Dingen. Wir verfluchen das Gold und bedenken nicht, daß dies edle Metall nie den Geiz hervorruft, sondern daß dieser es ist, der das edle Metall entehrt. Wir verfluchen die Sclaverei und sind es doch selbst, die Ketten schmieden oder dulden. So geht es uns aber auch mit der Dichtkunst. Weil es nämlich eine große Menge schlechter Poeten gibt, wenden Viele der Poesie selbst den Rücken und handeln wie jene Aengstlichen, die aus Furcht vor den hesperischen Flöhen das schöne Italien nicht besuchen.
Wir thun aber überhaupt den schlechten Poeten Unrecht; denn wäre ihre Existenz nicht vortheilhaft für das menschliche Geschlecht, würde sie der liebe Gott gewiß nicht in solch großer Anzahl dulden. Die schlechten Poeten haben wirklich die besten Eigenschaften von der Welt. So z. B. besitzen sie die gute Eigenschaft, daß sie viel lieber sich selber loben, als von Anderen sich tadeln lassen und es also vorziehen, allzugerecht gegen sich selbst zu sein, als Anderen nur die geringste Veranlassung zur Ungerechtigkeit zu geben.
Eine sehr gute Eigenschaft der schlechten Dichter ist es auch, daß sie dem deutschen Vaterlande die Monumente ersparen; denn bekanntlich fangen die großen Dichter und Geister bei uns erst an zu leben, nachdem sie gestorben. Das Vaterland zahlt ihnen erst die Schuld, nachdem die Messe – die große Seelenmesse – vorüber. Den großen Dichtern geht's überhaupt wie den Adlern. Sie wohnen zu einsam und fliegen zu hoch; sie müssen daher für ihre Nahrung selbst sorgen, während das schlichte Federvieh, das auf Höfen lebt, gut gehegt wird und nur kläglich zu schnattern und zu gackern braucht, wenn es gefüttert sein will. –
Man sagt: ein Dichter müsse geboren werden und versteht gewöhnlich darunter den großen Dichter. Das ist aber durchaus falsch. Auch die schlechten Dichter müssen geboren werden; sie sind oft sogar wohlgeboren, hochwohlgeboren und höchst geboren. Die schlechten Dichter haben aber auch die gute Eigenschaft, daß sie lange leben. Sie entgehen also der Scheere der Parze so gut wie der Scheere der Censur, während die guten oft schon früh ein Opfer beider werden.
Die schlechten Dichter tragen auch sehr viel zur wahren Volksbildung bei. Denn während die Werke der guten Dichter nur auf den Bücherbrettern der Kunstverständigen oder im Boudoir der Schönen prangen, werden die Poesien der schlechten als fliegende Blätter oder als Extra-Beilage zu Käse und Butter gratis abgegeben, und so hat der Taglöhner für eine Kupfermünze geistige und leibliche Nahrung zugleich. Die schlechten Dichter sind also eigentlich die wahren Volksdichter.
Eine vorzügliche Eigenschaft der schlechten Dichter ist unstreitig auch folgende: Da ihre Muse sehr viel Papier consumirt, so steigen dadurch die Lumpen im Preise und das Schlechte adeln, ist doch gewiß sehr edel. Daher ist es auch zu erklären, warum so viele gute Menschen schlechte Dichter werden.
Die allerbeste Eigenschaft der schlechten Dichter ist aber, daß sie sich nie für schlechte Dichter halten, sondern für ganz vortreffliche und mithin zwei große Tugenden zugleich entfalten, nämlich die Selbstverläugnung und Selbstachtung.
Wenn übrigens die schlechten Poeten Tyrannen des Menschengeschlechtes werden, d. h. wenn sie zu viel schreiben, so sollte man eine eigene Strafe für sie erfinden, eine Strafe, die sehr viel Aehnlichkeit mit derjenigen hat, welche einst das römische kaiserliche Ungeheuer, Heliogabalus, für seine Köche erfunden. Dieser Sonnengott lohnte jedem Koch, der eine gute Sauce erfunden, mit wahrhaft kaiserlichen Geschenken; wollte aber die neue Sauce dem kaiserlichen Gaumen nicht munden, so durfte der Koch so lange nichts anderes als seine eigene Erfindung genießen, bis ihm sein Genius die Bereitung einer schmackhaftern Composition eingab. Die schlechten Dichter sollten demnach verdammt sein, keine anderen Werke als ihre eigenen schlechten zu lesen, bis sie bessere geschaffen. Es ist nur Schade, daß diese Strafe am Ende von den Verurtheilten als schönste Anerkennung ihrer unsterblichen Verdienste betrachtet werden möchte, oder daß sie dieselbe als höchstes Vergnügen weit früher gewählt, als man sie ihnen zur Büßung ihres Vergehens auferlegt. Ich bin übrigens fest überzeugt, daß kein Poet in diesem Aufsatz eine Anspielung auf sich finden wird und da ich noch nicht sterben möchte, so schließ' ich diese Apologie mit dem aufrichtigsten Wunsche: Auch die schlechten Dichter sollen leben!
Quelle: http://gutenberg.spiegel.de/buch/schlagschatten-7108/10
Joe C. Whisper