Aus der Reihe - „Lachende Literaten“ – David Kalisch - „Der Teufel an seine Großmutter“
Werte Steemis,
aus der Reihe „Lachende Literaten“ und nach all der Schaffenskraft, die ich für euch leiste, muss ich mir eine kurze, erholsame Auszeit gönnen, damit ihr euch in dieser Zeit nicht langweilt, bekommt ihr selbstverständlich, ermunternden Lesestoff geboten.
Heute für euch - David Kalisch „Der Teufel an seine Großmutter“.
Kritik: ruht – wenn ich ruhe
David Kalisch
Der Teufel an seine Großmutter
Meine vielgeliebte Großmutter!
Du wirst mir gewiß zürnen, daß ich dir so selten schreibe; allein ich habe da oben alle Krallen voll zu thun. Unser Agent Asmodei, der heut mit einem alten Wucherer zur Hölle fährt und dir dieses Schreiben überbringt, wird dir sagen, wie populär ich jetzt oben bin. Ich brauche wirklich die Menschen gar nicht mehr zu holen; ich brauche keine Kniffe und Pfiffe mehr anzuwenden, um dem Himmel eine Seele abwendig zu machen. Die gebratenen Seelen fliegen mir in's Maul und du siehst, die Frequenz in der Hölle ist jetzt so stark, daß diese bald nicht mehr Raum genug bietet.
Meine liebe Großmutter, ich muß ernstlich an Colonien denken; den Leuten wird die Unterwelt zu eng und eine systematisch geordnete Auswanderung thäte gute Dienste. Nous verrons!
Du weißt, mein Reich fängt immer da an, wo die Cultur anfängt; mein Wirkungskreis ist daher seit Jahrtausenden hauptsächlich in Europa. Nur wollte es mir sehr lange in Deutschland nicht recht gelingen. Die blonden Gemüther Deutschlands, die sich an Gelbveigelein, an melancholischem Mondschein, an nebligen Wintermährchen und unschuldigem Kaffe ergötzten, hatten einen wahrhaften Abscheu vor mir. Wie ganz anders ist es jetzt! Mit Deutschlands Bädern bin auch ich in Flor gekommen und es ist mir, gelobt sei die Hölle! schon gelungen, die besten Heilquellen Deutschlands in die giftigsten Quellen des Unheils umzuwandeln.
Du weißt, daß nichts auf Erden so gewaltig ist, wie das Gold. Gold ist die Flamme, um welche der Mensch, wie die Mücke um's Licht, flattert. Es erwärmt ihn nicht; es verzehrt ihn. Durch Gold glaubt der Mensch sich den Himmel auf der Erde zu verschaffen; aber er bahnt sich nur durch dasselbe den Weg von der Erde in die Hölle. Keine Teufelei würde bei ihnen etwas ausrichten, wenn ich sie nicht erst dukatendick vergoldete. Vor reichen Teufeln haben sie einen gewaltigen Respekt und nur ein armer Teufel ist so gut wie ein armer Mensch der Gegenstand ihrer Verachtung. Ich habe also seit urewigen Zeiten die Seelen nur an goldenen Angeln oder in goldenen Netzen gefangen. Da man aber in neuester Zeit da droben mit dem Geist der Zeit so schnell voranschreitet, so darf natürlich auch der Teufel nicht zurück bleiben. Daher hab' ich in den deutschen Bädern Filialanstalten der Hölle gegründet, Spielhöllen nämlich. Diese Töchterhöllen übertreffen die Mutterhölle an Eleganz und Comfort bei weitem und wenn einmal Jemand vom Teufel geholt werden soll, so ist es ein wahres Plaisir, hier geholt zu werden. Diese Spielhöllen machen mir aber ein doppeltes Vergnügen, weil sie in Deutschland bestehen; denn du weißt, daß die deutschen Seelen von jeher wegen ihrer Seltenheit in der Hölle sehr gesucht waren. Jetzt freilich werden sie im Preise sinken.
Ich erlebe wirklich durch diese deutschen Spielhöllen einen wahrhaft teuflischen Triumph. In Deutschland, meine vielgeliebte Großmutter, wo es eben so viel Stände als Titel gibt und wo selbst in Kirchen und auf Kirchhöfen der Adel und die Reichen abgesondert sitzen und liegen; in Deutschland, wo man mit der Uniform einen Charakter erhält und wo ein angestellter Schreiber sich höher dünkt, als ein unangestellter Schriftsteller; kurz: in diesem Deutschland, wo die Menschen stufenförmig über einander gestellt sind, hab' ich es fertig gebracht, daß wenigstens in den Spielhöllen jeder Unterschied aufhört. Ja, meine theuere Großmutter, ich habe ein wahrhaft teuflisches Plaisir, wenn ich z. B. in der Wiesbadener Spielhölle, die Crême der haute volée und die Hefe des Pöbels, alte Männer und junge Frauen so gemischt unter einander am Spieltisch stehen, oder an denselben sich drängen sehe. Da sieht man nun die schwachen, armen, sterblichen Menschen mit glühenden Augen und klopfenden Herzen, bald auf das verhängnißvolle Roulet, bald auf das Antlitz des Croupiers blicken, das, kalt und starr wie ein Eisfeld, keine Spur einer Theilnahme oder Empfindung zeigt.
Mit zitternden Händen wirft das Nähmädchen den Gulden hin, welchen sie durch zehntausend Nadelstiche erworben; und zwanzigtausend Nadelstiche empfindet die Arme, wenn der Croupier die Münze einscharrt. Neben dieser Unglückseligen, die nach dem Verlust ihres sauerverdienten Geldes, am Ende noch gezwungen ist, den Weg alles Fleisches zu gehen, steht ein Komödiant, der die beste Rolle in Händen hat, die er sich je erspielt. Er wirft dem Schicksal den Fehdehandschuh und dem Croupier die Goldstücke zu und nach einigen Minuten ist seine Rolle ausgespielt und er tritt zerknirscht von den Brettern. Hastig drängt sich ein reicher Wucherer an seine Stelle und wirft das Gold hin, das er mit dem Jammer und dem grenzenlosen Elend vieler Familien erkauft; ich lenke die Hand des Croupiers und lasse den Wucherer die Taschen füllen, damit er noch reicher und noch schlafloser werde; damit er, genußlos über seinen Schätzen wachend, sie einst Erben zurücklasse, die an seinem Grabe Freudenthränen vergießen. Und immer dichter wird die Masse der Spielenden. Die Gold- und Silberstücke fliegen auf den Tisch; das Rad setzt sich wieder in Bewegung.
Lautlose Stille herrscht im Saale. Da fällt ein Schuß! – Und während die Croupiers die langen Harken ausstrecken und die goldene Saat einärnten; während die Spieler sich klopfenden Herzens zum neuen Wagniß rüsten: verblutet draußen im Schatten einer Trauerweide ein Jüngling, der nach dem Verluste seiner ganzen Habe sich eine Kugel durch den Kopf gejagt.
Ja, meine theure Großmutter, ich habe ein teuflisches Plaisir an diesen Spielhöllen, die mir eine jährliche Rente von wenigstens 10,000 Seelen abwerfen. Was kann auch einen Teufel mehr entzücken, als wenn er ein menschliches Herz erst lange zwischen Hoffnung und Zagen, zwischen Erwartung und Täuschung schweben sieht, bis es endlich bricht und verblutet? Es gibt keine größere Qual für den Menschen, als in demselben Augenblicke, wo er dem Glücke nachjagt, sich von dem Unglück verfolgt zu sehen, und wenn er endlich jenes zu erreichen glaubt, von diesem ergriffen zu werden. Das Hazardspiel ist eine solche Jagd, in welcher der Mensch Jäger und Gejagter zugleich ist. Die Erfindung des Hazardspiels gebührt mir und ich bin wahrhaft stolz auf diese Erfindung, die mir zeigt, daß die Hölle dem Himmel den Rang streitig macht. Niemand verläßt nämlich den Spieltisch, um in die Kirche zu gehen; Viele aber verlassen die Kirche, um am Spieltisch zu sehen, ob ihr Gebet in der Kirche gute Früchte getragen.
Indessen wäre es grenzenloser Egoismus von mir, wollt' ich den Erfolg dieser Spielhöllen mir allein zuschreiben. Vielmehr kann ich nicht genug die Bereitwilligkeit der deutschen Regierungen loben, die alles Mögliche anwenden, um meine höllischen Etablissements zur höchsten Blüthe zu bringen. Ich werde es ihnen auch gewiß einst danken. –
Seit einiger Zeit eifern zwar deutsche Schriftsteller gegen die Hazardspiele; aber darum kümmert sich in Deutschland kein Teufel. Ja, die deutschen Schriftsteller, die in ihrem Eifer gegen die Spielhöllen so viel Tinte vergießen, mögen sich hüten, daß sie nicht selbst in die Tinte kommen. Der Teufel kann sich jetzt sehr leicht weiß brennen, während Engel sich so lange ärgern müssen, bis sie schwarz werden.
Ich hoffe dich, meine vielgeliebte Großmutter, nächsten Sabbath auf dem Blocksberg zu sehen und verharre mit wahrhaft teuflischer Liebe
Dein Enkel
v. Urian.
Quelle: http://gutenberg.spiegel.de/buch/schlagschatten-7108/14
Joe C. Whisper