BGH: private Krankenkassenbeiträge unter bestimmten Voraussetzungen unwirksam - meine Erlebnisse mit den Rechtsanwälten

in #deutsch3 years ago (edited)

Im Januar erhielt ich von meiner privaten Krankenversicherung ein Schreiben

"Wichtige Vertragsinformationen - Ihre Krankenversicherung"
"Beitragsanpassungen in der Vergangenheit"

Meine Recherche über das Internet ergab, dass zum Thema der "Beitragsanpassungen in der Vergangenheit" im Dezember 2020 zwei höchstrichterliche Entscheidungen vom Bundesgerichtshof ergingen:

BGH-Urteil Az. IV ZR 294/19 und
BGH-Urteil Az. IV ZR 314/19.

In Kürze zusammengefasst besagen diese Urteile, dass Beitragserhöhungen bei vielen Versicherten aufgrund unzureichender Begründung rechtswidrig und somit unwirksam sind. Dadurch erfolgte eine ungerechtfertigte Bereicherung seitens der Versicherungsgesellschaft. Bei mir greift dieser Tatbestand durchgehend bis zum Jahr 2016.

Mein Erlebnis mit Anwalt "A"
Ich erstellte eine ausführliche Übersicht meiner Beitragserhöhungen und kontaktierte den Anwalt. Für mich positiv überraschend, beredeten wir den Sachverhalt sofort ohne jeglichen Zeitdruck. Abschliessend bat mich der Anwalt, die vollständigen Unterlagen an seine Kanzlei zu übersenden. Am selben Tag überbrachte ich die Dokumente persönlich. Die nächsten 14 Tage verstrichen ohne Antwort. Telefonisch fragte ich bei seiner Sekretärin nach, ob die Bearbeitung bereits eingeplant sei. Sie solle mir bitte Rückbescheid geben. Eine Antwort kam nicht. Nach weiteren 10 Tagen stellte ich per ePost dieselbe Frage, wieder erhielt ich keine Antwort. Nach weiteren 3 Tagen ohne Nachricht richtete ich mich nochmals per ePost an die Anwaltskanzlei. Inhaltlich gab ich an, dass aufgrund ausbleibender Antworten ich den Schluss ziehen würde, es bestünde wohl kein Interesse an einer Vertretung. Würde ich mich täuschen, solle er mir bitte mitteilen, wann eine erste Berarbeitung erfolgt. Bereits 20 Minuten nach dem Versand der ePost wurde ich vom Anwalt angerufen. Zusammengefasst seine Antwort: er hätte bisher - und habe auch momentan - aufgrund anderer termingebundener Fälle keine freie Kapazität und eine Sonderbehandlung könne er mir nicht gewähren. Die eingereichten Unterlagen würde er mir zurück schicken, das Mandat sei beendet.

Für mich ist es unverständlich, wieso ich diese Information nicht gleich beim ersten Gespräch erhielt und alle meine Rückfragen unbeantwortet blieben. Das einzig "erfreuliche" dieser Episode: eine Rechnung wurde nicht ausgestellt (was in dieser Branche nicht selbstverständlich ist).

Mein Erlebnis mit Anwalt "B"
Ich kontaktierte eine Anwalktskanzlei mit Fachanwälten für fast alle Bereiche. Telefonisch gab ich an, dass ich eine Anfrage habe. Mich würde interessieren, ob in einer Angelegenheit Aussicht auf Erfolg besteht - nicht mehr und nicht weniger. Die Sekretärin sagte, dass dies wohl eine Beratung sei und ob sie einen Beratungstermin festlegen soll. Mein Widerspruch, keine Beratung sondern eine Anfrage für einen eventuellen Auftrag, wurde nicht akzeptiert. Sie bestand wiederholt darauf, einen kostenpflichtigen Beratungstermin zu vereinbaren. "Widerwillig" willigte ich ein. Wissend, dass bereits allein die Anfrage, ob der Anwalt diese Angelegenheit übernehmen kann, Kosten verursacht.

Mir widerstrebt es grundsätzlich, für lediglich eine Anfrage etwas bezahlen zu müssen. Welches Industrieunternehmen würde für eine Anfrage zu einem in Aussicht gestellten Auftrag etwas berechnen? Ich vermute, auf diese Unart hat die Rechtsanwaltsbranche ein Alleinstellungsmerkmal.

Vor dem vereinbarten Termin übersandte ich eine kurze, sachdienliche Erläuterung meiner Anfrage. Der Anruf des Anwalts erfolgte minutengenau. Gleich zu Beginn des Gesprächs bemerkte ich, dass er unnötige Ausführungen machte. Offensichtlich sollte die "Beratung" in die Länge gezogen werden. Mein ständiges Drängen und meine Unterbrechungen bei seinen überflüssigen Ausführungen (mit Beispielen aus anderen Fällen) veranlasste ihn schliesslich, nach 30 Minuten auf den Punkt zu kommen:
Die unwirksamen Beitragserhöhungen sind Forderungen aus ungerechtfertigter Bereicherung. Diese seien nach 3 Jahren verjährt. Da meine Forderungen länger zurück liegen, gäbe es keine Aussicht auf Erfolg.

Diese Information hätte er mir bereits in den ersten 2 Minuten des Gesprächs geben können. Das hätte wohl die Ausstellung einer satten Rechnung verhindert.

Ich fragte, ob wir trotzdem eine Bitte um Deckungszusage bei meiner Rechtsschutzversicherung einreichen sollen. Der Anwalt gab an, dass ich ihm dazu ein Vertretungsmandat in der Angelegenheit erteilen müsse, ansonsten könne er keine Deckungszusage anfordern. Ich fragt nach den Kosten. Die schockierende Antwort: EUR 1.500,-- (lediglich für die Anfrage nach der Deckungszusage). Ich könne aber selber anfragen, in dem ich den Fall in gleicher Art und Weise beschreibe.

Ich warte nun auf die Rechnung für die drei massgeblichen Sätze

(Die unwirksamen Beitragserhöhungen sind Forderungen aus ungerechtfertigter Bereicherung. Diese seien nach 3 Jahren verjährt. Da meine Forderungen länger zurück liegen, gäbe es keine Aussicht auf Erfolg.)

Soeben (4 Tage nach Erstellung dieses Blogs) habe ich die Rechnung über
EUR 226,10 erhalten.

Anscheinend muss heutzutage erst die Mauer vor dem "eigenen" Rechtsanwalt überwunden werden, bevor eine zielgerichtete Vorgehensweise mit der Gegenpartei erfolgen kann.

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