Dezentrale Anwendungen verstehen - NamecoinsteemCreated with Sketch.

in #deutsch7 years ago (edited)

TL:DR Dezentrale Anwendungen wie Namecoin sind die Grundidee von Plattformen wie Ethereum, NEO und Byteball. Namecoin ist eine Alternative zur Vergabe von Domain-Namen im Internet, die leider nicht so richtig durchgestartet ist. Namecoin ist von Bitcoin inspiriert, hat aber nichts mit Geld zu tun.

Nerv mich doch nicht mit diesem Namecoin. Das ist alt und tot und hat eh nie wirklich funktioniert

Ich meine mich zu erinnern, dass du dich für Ethereum interessiert hast, Dirk. Ich würde gerne nachvollziehbar erklären, was Ethereum eigentlich ist. Dieser Artikel ist der erste Schritt, denn Namecoin ist nicht nur der erste Altcoin sondern auch eine von diesen dezentralen Anwendungen, von denen es heute dank Ethereum hunderte gibt.

Man darf dich halt nichts fragen. Du holst seit Neustem mit mehreren Artikeln aus. Das ist Folter

Du Armer! Sei lieber froh: Mit Namecoin haben wir eine dezentrale Anwendung, die sehr leicht zu verstehen ist, und mit dem, was du hier liest, kannst du alle Leute in die Tasche
stecken, die irgendeinen Stuss über Ethereum und NEO verbreiten.

Eine Anwendung für Namecoin sind Domain-Namen.

Hab ich vielleicht mal gehört. Was ist das?

Oben in deinem Browser steht die URL und darin unter Anderem “steemit.com”. Das ist der sogenannte Domain-Name. Wenn ich steemit.com eingebe, lande ich auf Steems Blogging-Plattform, weil die Steem-Gründer diesen Namen registriert haben. Wenn jetzt irgendein Chinese versucht, eine Internetseite namens steemit.com zu registrieren, bekommt der die Mitteilung, dass das nicht geht: Der “Domainname ist schon vergeben”. Dahinter steckt die Behörde namens ICANN, die in den USA sitzt.

Die ICANN bestimmt, wer welche Domain-Namen hat. Um genau zu sein: An welchen Server eine Anfrage wie “GET http://www.steemit.com” via Internet weitergeleitet wird. In der Regel bekommt einfach der den Namen, wer sich zuerst registriert hat.

Ein Freund von mir macht das bei GoDaddy oder so

Mag sein. Praktisch muss man nicht direkt mit ICANN in Verbindung treten, um eine Domain zu registrieren, sondern man macht das über einen Domain-Name-Registrar, wie z.B. GoDaddy oder Dreamhost. Da diese Domain-Name-Registrare aber von ICANN akkreditiert werden müssen, sind die nur der verlängerte Arm der ICANN.

Auch wenn Domainnamen später einmal den Besitzer wechseln, läuft das letztlich über die ICANN.

Jetzt könnte man sich überlegen, dass das irgendwie uncool ist, dass eine zentrale Behörde in den USA die Kontrolle über die Verwendung von Domain-Namen im Internet hat. Nur wenn ich das ohne einen zentralen Kontrollmechanismus lösen will:

Was passiert dann, wenn zwei Leute die gleiche Domain haben wollen? Was, wenn zeitgleich mit den Steem-Gründern ein Chinese steemit.com registriert? Was, wenn der Chinese einfach behauptet er sei erster gewesen? Könnte man das System hacken und statt auf steemit lande ich auf Facebook.

Oh Gott!

Der interessantere Fall dürfte allerdings sein, dass ich ein zensurresistentes Domain-Name-System haben will, dass nicht nur unabhängig von der ICANN ist, sondern auch keinen zentralen Angriffspunkt hat.

Domain-Namen im Internet sind ein knappes Gut, aber immateriell. Wenn ich so einen Namen “nehme” oder beanspruche, kann jemand anders den immer noch beanspruchen und es gibt einen Konflikt. Das ist eines von den schwierigeren Problemen des Internets.

So ein “schwieriges Problem” hat Bitcoin doch aber genau gelöst. Es gibt jetzt ja Bitcoins, also ein virtuelles knappes Gut

Gut aufgepasst! Bitcoins Blockchain hat es geschafft, dass ein und derselbe Bitcoin-Betrag nur von einer Person genau einmal ausgegeben werden kann.

Namecoin hat letztlich den Code von Bitcoin genommen und ein System umgesetzt, in dem ich Domain-Namen dezentral speichern kann und nach kurzer Zeit Gewissheit hab, dass der Domain-Name dann nur mir allein gehört und die Leute am Ende meine Website unter dem Namen finden werden.

Weil Namecoin einfach Bitcoins Code kopiert hat, existiert parallel eine Namecoin-Blockchain und man kann Namecoins minen und besitzen. Für die neue Funktionalität hat Namecoin zusätzliche Transaktionstypen eingeführt: Anstatt dass es immer nur darum geht, dass Namecoins den Besitzer wechseln, kann ich auch einen Namen und einen Wert in der Namecoin-Blockchain speichern. Der Name darf aber noch nicht in Benutzung sein, sonst ist die Aktion ungültig.

In weiteren solchen Transaktionen kann ich dann, und zwar nur ich, den Wert ändern, auf den der Name zeigt.

Ich geb zu, dass klingt elegant

Genauso wie bei Bitcoin ist die Teilnahme bei Namecoin prinzipiell anonym. Ich erzeuge mir einen private key, kaufe oder mine Namecoins und registriere Domains.

Naja! Erst einmal speicherst du da doch nur irgendwelche Name-Wert-Paare. Für die Domains müsste man sich doch jetzt mit der ICANN auseinandersetzen, oder nicht?

Tatsächlich gibt es die .bit-Domains, also Internet-Adressen die auf .bit enden. Die sind nicht unter Kontrolle der ICANN.

Ja, und wenn ich wikileaks.bit eintippe, kommt: nichts

Dann geh mal auf https://dotbit.me/proxy/ und gib da wikileaks.bit ein. Man braucht ein Tor in die Welt der .bit-Adressen und dotbit.me macht genau das: durch das ICANN-DNS-System wird man in die Welt der Namecoin-bit-Adressen weitergeleitet.

Weil ich mit Namecoin im Prinzip aber beliebige Name-Wert-Paare speichern kann, sind die Anwendungsmöglichkeiten nicht auf eine DNS-Alternative beschränkt.

Z.B. für PGP-Nutzer interessant: Ich kann auch unter meinem Namen einen Hash auf meinen PGP-Public-Key dort speichern.

Und was hindert mich einfach alle Domain-Namen in Namecoin als erster zu nehmen und dann teuer weiterzuverkaufen?

Die haben den ersten Ansturm ein bisschen begrenzt, indem die Transaktion zum erstmaligen Speichern eines Namens am Anfang besonders teuer war und inzwischen aber praktisch kostenlos ist. Da sich .bit nicht unbedingt erfolgreich durchgesetzt hat, gab es glaub ich nie so einen Ansturm.

Also wie ich am Anfang gesagt hab. Was darf ich jetzt aus Namecoin für die Dezentrale-Anwendungs-Thematik mitnehmen?

Das ist jetzt der Punkt: Prinzipiell ist Namecoin eine schöne Idee und - wenn man die Blockchain einmal verstanden hat - auch nicht übertrieben kompliziert. Namecoin umzusetzen, ist aber sehr aufwendig. Die mussten den Code von Bitcoin kopieren und abändern, was noch OK ist, aber nicht gerade praktisch. Dann bedeutet Namecoin aber vor allem: Eine von Bitcoin unabhängiges Netz von Nodes muss her, die die Namecoin-Blockchain speichern und auch Miner werden gebraucht.

Uh … das klingt ein bisschen nach mit Kanonen auf Spatzen geschossen

… vor allem, weil die Namecoin-Mining-Infrastruktur nicht die gleiche Entwicklung durchgemacht hat wie die von Bitcoin. Das Namecoin-Netzwerk ist klein und theoretisch könnte ein Bitcoin-Miner nur aus Spaß seine Asics benutzen, um Namecoin komplett zu dominieren.

Man kann also festhalten: Auch wenn die Idee übersichtlich wirkt: Bitcoins Code zu nehmen und eine zweite Blockchain aufzubauen, ist nicht wirklich eine Lösung. Wer also eine nette Idee für eine kleine dezentrale Anwendung hat, bräuchte eigentlich so eine Art Plattform, die wie Bitcoin funktioniert aber programmierbar ist.

TADA: Und das ist Ethereum

Ethereum hat eine allgemeine Plattform für dezentrale Anwendung geschaffen. Wie die das geschafft haben, schauen wir uns später an.

Hier erst einmal nur die Grundidee: Das, was bei Bitcoin “Transaktion” heißt, ist bei Ethereum ein sogenannter Smart Contract. Ich muss also nicht Bitcoin nehmen und abändern, sondern ich kann meine Idee für eine dezentrale Anwendung direkt mit Ethereum umsetzen, indem ich so einen Smart Contract zusammenbastel.

Ich kann z.B. auch einen ganz simplen Smart Contract schreiben, der die Funktionalität von Bitcoin-Transaktionen kopiert. Damit hätte ich dann ein sogenanntes Token in der Ethereum-Blockchain erschaffen, dass die gleichen Eigenschaften hat wie Bitcoin.

Und natürlich kann ich auch so etwas wie Namecoin ganz schnell umsetzen. Und das beste ist: solange ich Ethereum benutze, um meine Idee umzusetzen, brauche ich mich um Dinge wie eine Blockchain und Mining gar nicht mehr kümmern: Ich benutze einfach Ethereums vorhandene Infrastruktur mit.

Liebe Leser

Wie immer freue ich mich über Rückmeldung und Fragen. Der nächste Artikel wird von digitalen Assets handeln, die bei Ethereum eine zentrale Rolle spielen und die Grundlage der ICOs (= Initial Coin Offerings) sind. Bleib dran!

Weitere Artikel rund um Bitcoin & Co findest du hier.

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Würden wir nicht mit eigenen Augen hier lesen, und damit Zeuge sein, mit welcher Leichtigkeit du wieder diese (zugegebenermassen) komplexen Punkte verständlich machst, wir würden es für unglaublich erachten. Ganz profan: Unglaublich, aber wahr, wie du vielen hilfst, die Dinge und die Welt zu sehen UND zu verstehen.
Danke^^

Vielen Dank für dein freundliches Feedback. Ich freue mich, dass es gut ankommt!

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