Lernen durch Illusionen

"Es ist verständlich, dass du das im Trubel des Alltags immer mal wieder verlierst – und das geht den meisten von uns so. Darf das sein: dass du die Erfahrung machst, dass du die Wirklichkeit, das Eins-SEIN, vorübergehend verlierst? Dass du statt der Sicherheit, statt dem Glück, statt der Freiheit, die du in der Wirklichkeit erlebst, andere Pole des Menschseins durchlebst?

Natürlich fühlt sich das nicht schön an. Das können wir alle mitfühlen und miterleben! Das Erste, was du sagst, ist schon mal gut: ‚Auch das darf sein.‘ Du erlebst tatsächlich sehr präzise Facetten deiner Persönlichkeit, Facetten der Illusion des Getrenntseins. Und diese Facetten der Illusion des Getrenntseins mit allen Konsequenzen, mit allem Leiden zu erleben, ist Teil unseres Weise-Werdens und Lieben-Lernens. Denn wir erleben die Abgründe, die Verlorenheit inmitten einer illusorischen Ich-Identität, inmitten einer Illusion.

Und das will von einer liebenden Seele – und du bist eine große liebende Seele – auch erfahren werden. Rückblickend können dann die Menschen sehen: Das hat es gebraucht, um ein tiefes Verständnis des Menschseins zu bekommen und daraus erwachsend ein tiefes Mitgefühl für Menschen, die durch entsprechende Erfahrungen gehen. Du lernst diese Erfahrung kennen.

Natürlich schreit in solchen Momenten alles in dir nach der Wirklichkeit, denn kein Mensch möchte im Leiden hängen bleiben! Das ist ganz natürlich. Du möchtest nicht leiden, wenn du die Wirklichkeit verloren hast. Und der Weg geht immer wieder dahin, dich mit dem, woran du leidest, liebend und mitfühlend umarmen zu lernen. Dort wächst das Mitgefühl und dort wächst die Bedingungsfreiheit unserer Liebesfähigkeit. Das Angenehme zu lieben ist normal und leicht – aber es ist nur ein Pol der Wirklichkeit.

Die Bedingungslosigkeit in der Liebe wächst dort: Nicht irgendwo außen, nicht irgendwo bei einem anderen, sondern dort, wo wir bedingungslos genau dem begegnen können, was wir eigentlich nicht erleben wollen, was höllisch weh tut und was zutiefst unangenehm ist. Wenn wir das umarmen lernen, wenn wir damit sein lernen, es Raum bekommt und wir nichts damit tun und es damit in die Einheit, in die Transformation, in die Ausdehnung gehen kann: Das ist unser Lernen der Bedingungslosigkeit in der Liebe.

Und das will deine Seele. Und du bist mittendrin und es ist wundervoll, dass du dich immer wieder damit zeigst!"

Gerd Bodhi Ziegler im Frühjahr 2021
aus der Herzsitzarbeit
(geteilt von Timo, Foto Pixabay / geralt)