Die Lehre des TAO als Ur-Libertarismus

in #deutsch6 years ago (edited)

Der Mensch, als eingebundener Teil einer größeren Gesamtheit, ist dennoch ein Individuum. Aus der Tatsache, dass wir eine gemeinsame Welt bewohnen, kann nicht geschlossen werden, dass wir alle "gleich" sind. Gemeinsamkeit ist etwas völlig anderes als "Gleichmacherei". Durch sozialistischen Zwang oder "umfairteilen" Weggenommenes bleibt dennoch gestohlenes Gut, solange der Mensch es nicht freiwillig einem anderen gibt. Auch hier heiligt der Zweck die Mittel nicht. Gestohlenes Gut wird auch durch das Etikett des sozialistischen Gedankens kein Geschenk. 

Demokratie ist das erzwungene "Wir", welches sich immer gegen eine Minderheit richtet und Raub und Gewalt gegen diese Minderheit legalisiert. Es ist ein Unrechtssystem und nicht Zukunftsfähig. Demokratie ist eine weitere Spielart der Monarchie und beinhaltet gleichwohl die Hierarchie eines Klassensystems, welches in "herrschen" und "beherrscht werden" aufteilt. Es ist schwerer als das zu erkennen was es ist, da der Herrscher nicht mehr als Person, sondern in einer Gruppe daherkommt und sich der scheinbaren Legitimation einer „Mehrheit“ bedient, um Menschen zu unterdrücken und auszurauben. Dennoch ist dieses System unter der Oberfläche genauso parasitär. 

Der Mensch benötigt keine "Führung". Wir brauchen keine Politiker, die "für uns" entscheiden. Sie tun dies ohnehin nicht, auch wenn sie es immer wieder versprechen. Jeder Politiker entscheidet immer für sich selbst. Der Monarch beschließt und schickt seine Schergen aus, um seinen Willen durchzusetzen. Nichts anderes geschieht in einer Demokratie. Hier ist es eine "Partei", die beschließt und die ihre Schergen ausschickt, um die Einhaltung ihrer Regeln und Gesetze bei Todesdrohung zu überwachen. Und sie beschließt zwangsläufig immer für sich selbst, für ihr eigenes "Überleben", da sie von der Energie der Beherrschten lebt. Sie sichert ihr Überleben durch Spaltung und Unfrieden. Recht kann nicht aufgeteilt werden in "öffentliches Recht" und "Privatrecht". Jedes aufgeteilte Recht wird zwangsläufig Unrecht sein. Niemand hat mehr Rechte als andere. Niemand kann "Recht" teilen oder "Gesetze" erlassen, die diese Aufteilung beinhalten. Durch Zwang kann niemals Freiheit entstehen. Durch Gleichmacherei eines erzwungen "Wir" niemals Gemeinschaft. 

Der Mensch ist zu einer ganz anderen Form des Zusammenlebens fähig. Ein sich in Freiheit entwickelndes Individuum findet „Gemeinschaft“ in sich selbst. Wir benötigen keine "äußeren" Gesetze, da wir sonst die natürlichen in uns gar nicht entdecken können. Wer könnte "äußere" Gesetze schaffen, wenn es niemanden gibt, der höher steht als du? 

Die Vorstellung beherrscht werden zu müssen, ist so tief in uns angelegt, dass wir kaum hinterfragen, woher dieses Empfinden, einen Herrscher zu brauchen, eigentlich kommt. Wenn du über Generationen in diesem Glauben aufwächst, deine Eltern dir nichts anderes vorleben und du in der Schule ständig und immer wieder nur hörst, dass der Mensch, dass du einen Herrscher benötigst, dann akzeptierst du es schließlich. 

Die Frage nach dem, was eigentlich passiert, wenn kein äußerer Herrscher mehr über dir und anderen stehen würde, wird mit blankem Entsetzen in den Augen der Gefragten abgeschmettert. Die Befürchtung lautet: Chaos würde geschehen… „Anarchie“ würde herrschen… Mord und Totschlag… 

Falls du anmerken solltest, dass dennoch überall Mord und Totschlag herrscht, wird neben dem Unmut, den du erfährst, dies überhaupt anzumerken, erwidert, dass daran gearbeitet werden würde und dass nur genug Menschen in die „richtige Richtung“ gebracht werden müssten, damit dann schließlich Gleichheit und Frieden herrschen würde… Ein Versprechen, an das sich niemand gebunden fühlt und welches auch niemals auf diesem Weg in Erfüllung gehen wird.  

Selbst wenn wir uns mit Urgedanken der Freiheit beschäftigen, stellen wir fest, dass wir uns gar nicht vorstellen können, was es bedeutet, frei zu sein und keinen Herrscher zu benötigen. Eine sehr frühe freiheitliche Lehre ist das Tao des Lao Tse. Der Taoismus ist eine völlig freiheitliche Weltsicht. Niemand beherrscht hier irgendetwas. Am ehesten ist der Begriff TAO übersetzt mit: „Lauf der Natur“. In der Vorstellung des TAO folgt alles dem Lauf der Natur. Nichts kann es geben, was nicht Natur ist. Es heißt im TAO: Das TAO fließt überall, zur linken wie zur rechten. Es liebt und nährt alle Dinge, herrscht aber nicht über sie… 

Spätestens hier haben wir vermutlich jetzt das deutliche Gefühl, dass wir dann ja nicht entscheiden könnten und dass wir von etwas Fremden beherrscht werden würden, wenn der Lauf der Natur bestimmt, wohin wir uns entwickeln. Aber die Vorstellung vom TAO (von der Natur) beherrscht zu werden, geben wir dieser Lehre bei, weil wir uns als vom Umgebenden getrennt empfinden. Das von vielen Menschen als so unangenehm empfundene Gefühl vom Schicksal beherrscht (determiniert) zu sein, entspringt dem Empfinden, von der Natur getrennt zu sein. All dies ändert sich sofort, sobald du dich als Teil des Ganzen, respektive als das  Ganze empfindest. Ein Mensch, der sich als eingebundener Teil eines größeren Gesamtgeschehens empfindet, hat weder das Gefühl beherrscht zu werden, noch hat er das Bedürfnis über andere zu herrschen. Doch wenn du deiner Natur, der  Natur nicht vertraust, kannst du auch dir selbst nicht vertrauen. Wenn du dir nicht vertraust, versuchst du, dich zu kontrollieren, die Gemeinschaften zu kontrollieren und die Natur zu kontrollieren. Kontrolle heißt: nicht vertrauen! Kontrolle heißt: beherrschen wollen. Wir vertrauen uns nicht, wir vertrauen unserer inneren Natur nicht und wollen deswegen uns und andere beherrschen. 

In chinesischen Gedichten aus der Zeit des LaoTse heißt es: „Still sitzen, nichts tun, der Frühling kommt, und das Gras wächst von selbst…“  

Genau in dem Moment, wo ich mich als von dem mich Umgebenden getrennt fühle und unterscheide zwischen innen und außen, erscheint mir diese Sicht absurd. Wie könnte ich mich darauf verlassen? Ich muss mich doch anstrengen, damit etwas geschieht. Ich muss mich anstrengen zu lernen, mich zu bessern… Die Vorstellung „nichts tun zu müssen“ geht so massiv gegen unsere allgemeine Sicht der Dinge, dass wir uns sofort ausgeliefert und ängstlich fühlen. Der Wunsch zu kontrollieren folgt unmittelbar. 

Die damaligen Taoisten stellten sich eine Gesellschaftsform vor, die in ihrer Ausformung dem Gedanken des Libertarismus sehr nahe kommt. Sie sagten, der „Staat“ solle so anonym und unaufdringlich wie möglich sein. Statt sich in Aufmärschen und in Prunk dem Volke zu zeigen, sollte sich ein „Herrscher“ ebenso unauffällig verhalten, wie ein Mann, der im Park das Laub zusammenfegt und seine Arbeit sehr ernst nimmt. Er sollte seine Arbeit tun, ohne einen Verdienst dafür zu beanspruchen. Statt nach Macht zu streben, sollte er einfach das Notwendigste in die Wege leiten und dann dafür sorgen, dass „es“ seinen Lauf nehmen kann. 

Diese Aussagen lassen den Begriff des „Herrschers“ im Grunde nicht mehr zu. Hier wird deutlich, dass die Lehre des Tao sich gegen die damalige Form der Regierung und der Machtausübung durch einen Herrscher richtete. Die Vertreter des TAO boten den Menschen an, sich vorzustellen, wie ein Leben ohne einen Herrscher aussehen würde, wie das Leben der Menschen sich gestalten würde, wenn sie anfingen, sich selbst zu vertrauen. 

Alan Watts bemerkt in seinem Buch „Der Lauf des Wassers“, dass jede Staatsführung von Menschen, die der Natur und sich selbst nicht vertrauen, totalitär sein muss. Jeder muss jeden beobachten, jeder ist der Spitzel seines Bruders (seiner Schwester) und muss der Obrigkeit Bericht erstatten, damit der Staat dafür sorgen kann, dass niemand gefährliche oder eigentümliche Gedanken entwickelt. 

Auch die Technologie einer Gemeinschaft, die sich selbst und dem Gegenüber nicht vertraut und die dadurch die Attributes eines Staates bekommt, ist ganz und gar darauf ausgerichtet, die Natur zu beherrschen. Formen der Arbeit mit Menschen, die sich mit Begriffen wie Heilung schmücken, erdacht und/oder ausgeführt von Menschen, die sich nicht als eingebundener Teil eines größeren Gesamtgeschehens empfinden, sind zwangsläufig destruktiv. Psychotherapeuten geben vor zu heilen und sich in der Psyche des Menschen auszukennen, wobei sie häufig eigentlich urteilen und Normierung auf subtiler Ebene betreiben. 

Es liegt kein Unterschied darin, die Welt oder die Menschen „verbessern zu wollen“, indem versucht wird Krankheiten zu besiegen und alle Menschen zu zwingen „brav“ und „gesund“ zu sein. Stattdessen hat jeder dieser Versuche regelmäßig nur mehr Leid über die Menschen gebracht. Stattdessen stören wir durch Nicht-Vertrauen ein komplexes System aus Beziehungen, deren Tiefe wir kaum erahnen können. Technologie ist immer destruktiv in den Händen von Menschen, die nicht erkennen, dass sie demselben Prozess angehören, wie das Universum.  

Und Lao Tse sagt dazu: „Ich handle nicht, und die Menschen wandeln sich. Ich freue mich der Stille, und die Menschen werden gerecht. Ich brauche keine Gewalt, und die Menschen werden reich.“  

Das TAO spricht nicht von einem König oder einem Kommandanten, es spricht nicht von militärischen oder politischen Befehlshabern, es spricht noch nicht einmal von einem Schöpfer des Universums. Statt dessen erzählt uns das TAO, dass die Harmonie des Universum sich einstellen würde, wenn alle Dinge ihren Weg gehen dürfen und davon, dass eine Gesellschaftsordnung entsteht, wenn die Menschen das tun können, was ihnen beliebt; sie ihrer eigenen Natur folgten und entdeckten, was ihnen wirklich Freude macht. 

Alan Watts sagt: „Individualität ist untrennbar von Gemeinschaft. Mit anderen Worten, die Ordnung der Natur ist keine erzwungene Ordnung; sie ist nicht das Resultat von Gesetzen und Geboten, denen der Menschen durch den Zwang äußerlicher Gewalt gehorchen müsste.“  

Menschen werden in Harmonie sein, wenn man sie in Ruhe lässt und sie nicht zwingt, irgendeinem willkürlichen, künstlichen und abstrakten Ordnungsbegriff zu entsprechen. Die wahre Ordnung stellt sich ein ohne jeden Zwang. Keine politische Organisation ist organisch. Sie basieren alle auf dem Einhalten aufgesetzter Regeln. 

Formen des menschlichen Miteinander, ohne einen äußeren Zwang und Todesdrohungen bei Nichteinhaltung der aufgesetzten Regeln, sehen im Tao so aus: In einem Zeitalter vollkommener Tugend werden gute Menschen nicht geschätzt. Fähigkeiten fallen nicht auf. Führer sind nichts als Leuchttürme, während die Menschen frei sind wie das Wild. Sie sind rechtschaffen, ohne sich einer Pflicht gegen ihre Nachbarn bewusst zu sein. Sie lieben einander, ohne sich einer Wohltat bewusst zu sein. Sie sind wahrhaft, ohne sich der Treue bewusst zu sein. Sie sind ehrlich, ohne sich der Aufrichtigkeit bewusst zu sein. Sie sind in ihrem Handeln ganz frei, ohne sich der Verpflichtung gegen irgendjemanden bewusst zu sein. Daher hinterlassen ihre Taten keine Spuren und ihre Geschichte ist der Nachwelt nicht überliefert.  

Thoreau sagt: „Gab es jemals: Die Menschen in Frieden lassen? Es gab bisher: Die Menschen regieren. Regieren kommt aus der Angst, dass die natürlichen Anlagen und Tugenden des Menschen in Freiheit verloren gehen. Werden ihre natürlichen Anlagen jedoch nicht verdorben und geht ihre Tugenden nicht verloren, wo ist da noch Platz für eine Regierung?“ 

Solange du einen Herrscher anerkennst, wird es jemanden geben, der dich beherrscht. Auch wenn dir ein System alle vier Jahre die scheinbare Wahl überlässt, dir deinen Herrscher zu wählen, bleibst du dennoch ein Sklave. Freiheit findet dort statt, wo du deinen Anteil am Überleben des Systems erkennst und ihm deine Unterstützung entziehst, indem du von einem erzwungenen "Wir" zum "Ich" zurückkehrst und dich in Gemeinschaften mit anderen Individuen zusammenfindest. Hier sind nicht alle gleich, aber jeder ist gleichermaßen von Wert.    

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