Wanderung in das Vomper Loch

in #deutsch7 years ago

Einstimmung

Viele unserer Tage werden nur „abgewickelt“, bestimmt von festgefügten Rahmenbedingungen, und ihre Spuren verlieren sich rasch im Strom der Zeit. Aber es gibt auch diese (von mir so genannten) perfekten Tage, an denen alles besonders ist:
Die eigene Lebendigkeit wird bis in die letzte Haarspitze spürbar, die Seele schwingt in Harmonie mit allem, was sie umgibt. Es können höchst unterschiedliche Dinge sein, die uns wertvolle und glückliche Momente schenken: Zauberhafte Landschaften, Musik, kreative Eingebungen, persönlicher Erfolg dank eigener Leistung, eine Tat der Liebe oder die Gemeinschaft mit Menschen, die uns begeistern. Wenn ich allein oder mit Freunden diese Wanderung in das Vomper Loch unternehme, ist es immer ein perfekter Tag!

Das Vomper Loch

Fragt mich jemand, wo denn das Vomper Loch sei, antworte ich leicht verschmitzt und lakonisch: "Bei Vomp!".
Um es aber für diesen Artikel etwas präziser zu beschreiben, füge ich ausnahmsweise hinzu: Vomp ist ein kleiner Ort im Tiroler Inntal und liegt zwischen Schwaz und Innsbruck. Das müsste dann genügen. Von einer kleinen Siedlung oberhalb Vomp, dem sogenannten Vomper Berg, erstreckt sich das Vomper Loch viele Kilometer in Richtung Westen und endet am Überschalljoch, 1910m.
Es ist das ursprünglichste aller Karwendeltäler, denn es verfügt über keinerlei befahrbare Wege.

Die Route

Der Start befindet sich am Wirtshaus Karwendelrast, 830m. Von dort führt der Steig in das Zwerchloch, wo sich auf 1030 m das alte Jagdhaus befindet. Etwa 30 Meter unterhalb überquert man den wild sprudelnden Zwerchbach auf einem Steg. Über die "Katzenleiter", die mit Hilfe von Leitern eine Steilstufe überwindbar macht, erreicht man in einem ständigen Auf und Ab den inneren Teil des Lochs, die Au, 1075 m. Sie ist der einzige ebene Ort und eignet sich daher als Pausenplatz. Die Au wird über den Knappensteig verlassen, der auf der anderen Talseite hoch über dem Loch zur Walder Alm, 1511 m führt. Von hier gelangt man abwärts in Richtung Inntal zum Gnadenwald und relativ flach weiter zurück zum Vomper Berg. Die Gehzeit beträgt zwischen 8 und 10 Stunden. Hier ist die markierte Karte:

Die Bilder

Die Huderbankspitze, 2318 m, ist einer der mächtigen Wächter hoch über dem Loch:

Das alte Jagdhaus im Zwechloch:

Das Zwerchloch gibt einen Blick in Richtung des Schafkars (links) und Lamskars (rechts) frei:

Immer wieder sind von der Seite kommende Bachläufe zu überqueren:

Tiefe Spalten tun sich zuweilen auf:

Man fühlt sich gefangen in der tiefen Schlucht des Vomper Baches:

Nichts für Warmduscher: Malerische Gumpen mit klarstem Wasser!

Die Au ist erreicht! Eine Pause bietet sich hier an. Hoch oben thront die Hochkanzel, 2575 m, über dem Tal:

Der Knappensteig führt hoch hinauf und gibt tolle Tiefblicke in das Loch frei:

Von hier erkennt man die Länge des Lochs, das sich weit hinaus ins Inntal erstreckt :

Nun ergibt sich auch ein freier Blick auf den gegenüber liegenden Hang mit dem Ödkarl und den Hochglückscharten:

Einschub: Hermann von Barth im Jahre 1870

Der große Erschließer des Karwendels brach an einem Sommertag im Jahre 1870 von den Engalmen auf, um die Gipfel der Vomper Kette erstmalig zu besteigen. Er war – wie meist – allein und konnte bei seinem Unterfangen weder auf genaue Karten oder Beschreibungen zurückgreifen noch im Notfall auf eine organisierte Bergrettung hoffen. Es gab zu dieser Zeit auch kein Auto für die Anreise, kein Handy und keine technologisch optimierte sowie wetterfest gemachte Bergausrüstung. Nach geglückter Besteigung des Hochglücks und des Eiskarlspitzes fand er im letzen Licht des Tages im oberen Ödkarl an einer Latschengruppe eine Stätte für die Nacht. Er befand sich somit bereits – vom Ausgangspunkt betrachtet, auf der anderen Seite der Kette (dem Vomper Loch zugewandt), weil er für den folgenden Tag weitere Erkundungen des ihm noch unbekannten Gebietes beabsichtigte. Er schrieb:

„Ich suchte mir einen vorspringenden Felsblock aus, vom Krummholz überrankt und so eine kleine Laube als mangelhaften Schutz gegen den Wind bildend; zog, was ich an Bekleidungsstücken im Bergsacke vorfand, über, rollte das Uebrige zu einem Kopfkissen ein – freilich hart und eckig genug; schob es zurecht und streckte mich in's Heidelbeer- und Alpenrosen-Gestrüppe; nagte an einer Brodrinde und versuchte allmählig in Schlaf zu kommen. Rauh und kalt strich die Luft durch's Kar herauf; am schwarzen Firmamente jagten die Wolken zwischen den spärlich blinkenden Gestirnen dahin; stossweise pfiff und heulte der Nachtwind durch die Bergwüsten und in seine Stimme mischte sich das Brausen des Vomperbachs, geheimnissvoll, aus unergründlicher Tiefe.“

Zuweilen stelle ich mir diese Situation bildhaft vor – es muss ein höchst intensives Erleben für ihn gewesen sein !

Weitere Bilder

Auf der Schattseite des Loches können immer wieder Altschneefelder auftauchen, die bei ihrer Überquerung besondere Vorsicht erfordern:

Der Knappensteig ist "nur für Geübte", wie es so schön heißt:

Über eine Wiese wird schießlich die Walderalm, 1511 m, erreicht, wo auch die erste Einkehrmöglichkeit besteht:

Tipps

  • Man sollte unbedingt absolut stabiles Wetter haben, denn tief im Loch kann ein Wettersturz ungemütlich werden!
  • Ausreichend Proviant mitnehmen
  • Mit einem am Gnadenwald abgestellten zweiten Auto erspart man sich den langen Rückweg zum Wirtshaus Karwendelrast.
  • Ausbaumöglichkeit zur Zwei-Tages-Tour: Von der Au weiter zum Überschalljoch und knapp dahiner am Haller Anger in einer der zwei dortigen Hütten übernachten. Sehr lang und anstrengend!

Ich hoffe, dass Euch die Tour gefallen hat.

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Solche Tourberichte sind ein Grund für mich, Steemit an alle Bekannten zu empfehlen - mach ich sonst nicht, da die bei den Themen wie Crypto gleich wieder mitleidig lächeln und abtauchen. Solche Texte sind gut geeignet für die Promotion der Platform

Mensch, so eine lange Wanderung in solch fantastischer Umgebung muss riesen Spaß machen - sollte ich auch unbedingt mal wieder tun!

Es ist so schön, möchte da eine Route machen. I hope to visit it some day, thank you very much for share it. Guao I don't imaging doing that in 1870 without a good equipments and I thing that it was colder than nowadays.

If you will come to Europe, I could be your guide for this hike!

Of course, at the end of this year or the next one I ll be there for my Thesis. Excellent, if you someday come to Mexico, I ll be your guide here. Danke schon!

Wow, toller Artikel, schöne Fotos. Macht definitiv Lust, selber wieder mal eine grössere Wanderung durchzuführen :)

wow was für tolle Bilder!

wunderbare Bilder! Hallo Fernweh :)

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Klasse Bericht und tolle Bilder :-)

wow, was für ein gelungener Artikel. Ein FETTES Danke für Deine Mühe beim Wandern, Fotografieren und Schreiben.

Gruß Detlev

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