Tag 6 - Bosnische Pyramiden - Pyramide vs. Anja 1:0

Vorletzter Tag.

Pyramide, zweiter Versuch.

Heute war ich total entschlossen, die Pyramide zu erklimmen.
So entschlossen, dass ich trotz dunkler Regenwolken losgelaufen bin.

Es ging mal hoch und mal runter, aber lief sich irgendwie ganz angenehm.

Etwas nach der Hälfte des Weges, fing es dann an zu tröpfeln, aber das störte mich nicht, und die Baumkronen schotteten mich auch so ab, dass ich den Regen nur hörte, aber nicht nass wurde. Es war schön, so im Einklang mit der Natur zu wandern und ich hatte glaub ich echt die ganze Zeit ein Lächeln im Gesicht.

Alles war auch wieder sehr gut, wenn auch provisorisch, ausgeschildert, also man konnte sich gar nicht verlaufen.

Aber dann wurde es immer schlimmer. Ich lief immer mehr in die Wolken hinein, und konnte das Tal schon kaum noch sehen.

Nach Dreiviertel der Strecke prasselte der Regen dann so runter, dass es ohne Schirm wirklich nicht mehr ging. Und ich versuchte, in meinen rutschigen Sneakers in dem Matsch irgendwie voran zu kommen...

Mein entschlossener Teil spornte mich an, "JAAA! Abenteuer! Woohooo! Von so einem bisschen Wasser lassen wir uns doch nicht stoppen!! Heute wird die Pyramide bezwungen, komme was wolle!"

Aber ein anderer Teil erinnerte mich, "Anja. Das ist immer noch der Hinweg. Da oben ist jetzt kein Café mit Kamin, wo Du Dich wärmen kannst. Dort oben regnet's genauso wie hier. Du läufst schon eine Stunde, bist völlig durchnässt, und hast kein ordentliches Schuhwerk! Der Rückweg wird wahrscheinlich noch viel schwieriger als dieser hier!"

Ich hab aber dem letzteren Teil einfach nicht zugehört. Ich war viel zu weit, als jetzt umzukehren. Außerdem war da auf der map eine Pyramid Lodge eingezeichnet. Wenn's die wirklich gibt, kann ich da ja mal fragen, ob ich mich kurz aufwärmen kann.

Und tatsächlich, nach ein paar Minuten war da ein Plateau, und zwei drei Häuser, so richtig aus Stein gebaut. Ich ging in die Pyramid Lodge und stand plötzlich an einer Rezeption.

Das war so ein bizarres Gefühl - ich war bestimmt anderthalb Stunden alleine durch den Wald gelaufen, es kamen mir vielleicht zwei Autos in der ganzen Zeit entgegen und es war als wär ich der einzige Mensch auf der Welt. Und jetzt stand ich hier plötzlich in einem Hotel im Nichts. Und ich hörte Kaffee und Geschirr-Geklapper im Hintergrund. Es war, als wär ich grad im Restaurant am Ende des Universums angekommen.

Ich setzte mich ans Fenster (neben einen Kamin!) auf eine Bank bedeckt mit Schafsfellen. Es war wie in einer Berghütte in den Alpen. Und so war meine Aussicht...

Dann bestellte ich mir erstmal ein (schlechten) Kaffee und ein paar Spiegeleier zum erholen. Und Wifi. Ich weiß nicht, was mit dem Kaffee hier in Bosnien los ist. Ich bin ja schon bisschen verwöhnt, was Kaffee angeht, aber ich drink schon auch den dünnen Amerikanischen Kaffee gern, wenn ich in den USA bin. Aber dieser Kaffee hier, mit dem stimmt echt irgendwas nicht...

So. Und dann hab ich all meine Willpower und Manifestationskräfte zusammengebündelt und auf den Himmel konzentriert, damit der sich klärt und die Wolken den Regen einstellen.

Es funktionierte. Nach einer Stunde konnte man das Tal wieder sehen, und es tröpfelte nur noch ganz wenig.

Also machte ich mich wieder auf den Weg. Spitze, ich komme!!!
10-15 Minuten nur, hatte mir die Dame an der Rezeption gesagt.

Draußen bin ich kurz confused und frag mich, ob ich die Straße nehmen soll, oder den Feldweg. Die Straße schein runter zu führen, also entscheide ich mich für den Feldweg.

Der splittet sich nach einer Weile in mehrere Trampelpfade und zwei davon führen irgendwie ins Nichts.

Also lauf ich zurück und nehme die Straße. Die geht aber echt nach unten. Also lauf ich sie wieder hoch...

Nach 20 verlorenen Minuten steh ich wieder an der Rezeption und komme mir sehr blöd vor. "Ähm, wie komme ich denn eigentlich genau da hoch?"

Mir wird erklärt, dass es von den vielen Trampelpfaden der am weitesten rechts ist. Und ja, der ist etwas versteckt, da muss man gut gucken.

OK. Ich lauf also wieder los und nehme den Schlenker nach rechts.

Ich erkenne auch, dass da oben jemand steht, und mit Fernglas rumguckt. Na wenn der's geschafft hat, dann schaff ich das auch.

Inzwischen regnet es aber wieder. Und meine Schuhe rutschen überall ab und weil sie so durchnäßt sind, rutsche schon in meinen Schuhen rum.

Und ich kann mich nirgendwo festhalten, außer an ein paar Zweigen. Mit Dornen.

Und dann spricht mein Vernunftsteil ein Machtwort und sagt, "Anja, es reicht. Das ist jetzt echt Selbstmord. Du kommst hier nicht hoch, und selbst wenn, dann kommst Du nicht wieder runter."

Auf den Teil hab ich dann endlich gehört...

Tja. Und dann musste ich echt auf den letzten Metern umkehren.

Ich war sooo nah!

Naja. Ich war auf der Pyramide. Zweimal. Nur eben nicht ganz oben auf der Spitze.

Ich glaub ich kann das überleben ;)

Was hab ich gelernt? Dass ich im strömenden Regen, völlig allein und völlig happy durch die Natur spazieren kann. Der Regen und irgendwelche äußeren Umstände beeinflussen also meinen inneren Gemütszustand nicht wirklich.

Nun aber nochmal anderthalb Stunden zurücklaufen? Nö. Dazu hatte ich jetzt echt keine Lust mehr.

Also bin ich wieder in die Pyramid Lodge und fragte nach einem Taxi oder ob mich irgendjemand runterfahren kann. Zufälligerweise war grad Schichtwechsel, und ein Minibus brachte einige Angestellte ins Tal, und da durfte ich mit reinspringen.

Das Highlight des Tages: eine heiße Dusche, die fast so lange gedauert hat, wie meine heutige Wanderung!

Morgen nochmal in die Tunnel, und dann geht's zurück nach Berlin!

Schön, dass Ihr mich auf meiner Reise begleitet habt! Falls Ihr mal hierher fahren wollt: unbedingt Schuhe mit Spikes unten dran mitbringen :)

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Hier kannst Du Tag 1, Tag 2, Tag 3, Tag 4 und Tag 5 nachlesen, falls Du sie verpasst hast.