Rechts und Links

in #deutsch7 years ago (edited)

Ich beschäftige mich seit über 20 Jahren mit der Frage, was denn "rechts" und "links" im politischen Kontext genau bedeuten. Es ging damit los, dass ich mich selbst als Teenager als "links" sah. Das war für mich damals absolut selbstverständlich, da die "Linken" ja - zumindest in ihrer Eigenwahrnehmung - auf der Seite der Armen und Schwachen stehen. Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass ich mich damals sehr gewundert habe, dass nicht einfach alle "Links" sind. "Rechte" mussten wohl irgendwie "böse" sein. Brauchbare Definitionen konnte ich aber schon damals nicht finden. Wer irgendwann in irgendeinem Proto-Parlament auf welcher Seite gesessen hatte, schien mir nicht als Erklärung zu taugen, warum z.B. meine Oma eben nicht "Links" war. Meine Oma mochte Franz-Joseph Strauss und das konnte meine linke Mutter überhaupt nicht fassen. Ich fand das aber irgendwie passend, weil meine Oma eben ein etwas kühlerer Mensch war, als meine äußerst warmherzige Mutter. Allerdings war meine Oma schon damals nicht "rechts", zumindest nannte sie sich selbst nicht so, sondern nannte sich selbst "konservativ", was zwar etwas langweilig, aber nicht besonders böse klang. Meine Oma war auch kein Nazi. Sie war im Gegenteil z.B. sehr stolz darauf, dass ihr Vater als Landgerichtspräsident ein Hitler-Portrait aus dem Gerichtssaal abhängen ließ. Außerdem hatte sie 3 von 4 Brüdern im Krieg verloren (worüber ich erst recht spät in der Lage war Trauer zu empfinden, da ich früh gelernt hatte, dass "wir Deutschen" selber schuld gewesen seien, egal ob Nazis oder nicht). Suspekt waren mir die Rechten trotzdem, speziell weil man offenbar zum Nazi entarten konnte und die Kommunisten aus meiner damaligen Sicht es wenigstens "gut gemeint" hatten.

Als mir mit Anfang 20 der Libertarismus begegnete und mir die schrecklichen Schattenseiten des "Links-Seins" ins Mark gefahren sind, weil mir klar wurde, dass in mir ein autoritäres Monster mit besten Absichten steckt, schien mir die Lösung auf die Frage nach "rechts" oder "links" ein klares WEDER NOCH. Was genau "links" und "rechts" bedeuten, kam mir aber weiterhin extrem nebulös vor, dafür dass diese Vokabeln so omnipräsent waren und sind und ich damals noch naiverweise davon ausging, dass die Menschen im Fernsehen und Zeitung schon wissen wovon sie reden und ich einfach nur Verständnisprobleme haben musste. 

Ich hatte immer mehr den Eindruck, dass "Rechts oder Links" eine recht vage Geschmacksache sei und keine rational begründbare klare politische Einstellung, wie es z.B. der Libertarismus ist. Ich war entsprechend verwundert, als mir zum ersten Mal Streitigkeiten innerhalb der libertären Szene begegneten, wo manche auch wert darauf legten, Recht- oder Links-Libertäre zu sein. Auch hier schien es mir eher um subjektive Geschmacksachen zu gehen, denn um klare Prinzipien. Vor allem aber fand ich, dass mal die eine, mal die andere Seite für mich mehr Sinn ergab. Mich für eine der Seiten zu entscheiden, fühlt sich für mich bis heute wie die Aufforderung an, doch nur auf dem einen oder anderen Bein durchs's Leben zu humpeln, anstatt beide Beine abwechselnd zu benutzen.

Offenbar lag ich mit diesem Eindruck garnicht so falsch, wie mich jüngst Professor Peterson lehrte:

 

 

Er beschreibt beide Seiten als charakterliche Grundzüge, mit den beiden Antipoden Chaos (Links) und Ordnung (Rechts), wobei "Chaos" keine negative Konnotation hat, also wertneutral zu verstehen ist, da beide - Chaos wie Ordnung -  Medaillen mit zwei Seiten sind.

Wenn dem so ist, was mir einleuchtend erscheint, dann sollten Linke wie Rechte eigentlich besonders aufmerksam zuhören, wenn die andere Seite redet, da beide Seiten ein Handicap haben und unvollständig sind. Stattdessen bestehen beide Seiten darauf, dass nur schlechte Menschen auf dem rechten oder linken Bein hüpfen. 

Natürlich könnte man auch einfach ganz auf diese recht nutzlosen Schubladen verzichten und einfach den aufrechten Gang erlernen.

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