vom Trugbild eines stabilen Geldwertes

in #deutsch6 years ago (edited)

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Vom Schlagwort der Geldwertstabilität reden Politiker und staatsnahe Institutionen seit Jahrzehnten und ist auch gängige Lehrmeinung in der Volkswirtschaftslehre. Was daran stabil sein soll, wenn sich die Geldmenge jedes Jahr erhöht bzw. wenn eine 2%ige Inflation ok sei, lassen wir jetzt einmal unbeantwortet. Aber mit dem Aufkommen der Kryptowährungen, die zum Großteil anfänglich zwar einer Inflation unterliegen, aber letztlich ein Geldmengenlimit in sich tragen, ist das Thema vielen jüngeren Menschen wieder in den Blick gerückt worden.

Warum muss Geld stabil sein? Und, ist das überhaupt möglich? Warum verfolgen Kryptowährungen einen diametral anderen Ansatz als die Fiatmoney-Apologeten? So in etwa könnten die Fragen lauten.

Zum Stabilitätsdogma des Geldes hat der Ökonom Ludwig von Mises (1881-1973) eine hervoragende Antwort in seinem Opus magnum "Nationalökonomie" (1940) geliefert. Ich habe das Kapitel hier in Auszügen zitiert. Auslassungen sind mit (...) gekennzeichnet. Viel Erkenntnisgewinn beim Lesen wünsche ich Euch!

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Unzulänglichkeiten in der technischen Ausgestaltung des Geldwesens und Kritik der Wirtschaftspolitik, die durch Kreditausweitung den Zins senken und die Produktionstätigkeit anregen will, damit aber notwendigerweise zur Fehlleitung von Kapital, zur Krise und zur Depression gelangt, haben den Anstoß zu den Überlegungen gegeben, die schließlich zum Schlagwort Stabilisierung geführt haben.

Die Vorstellungen, die der Forderung nach Stabilisierung zugrunde liegen, sind vom Anfang bis zum Ende unhaltbar und widerspruchsvoll. Die Stabilität, die die Stabilisierung sich zum Ziele setzt, ist ein leerer Begriff. Im Fließenden und Sichewigverändernden sucht man ein Festes und Unveränderliches; das Unmessbare soll gemessen, das Flüchtige soll festgehalten werden.

Der Mensch, der wird und vergeht, der in jedem Augenblicke ein anderer ist und dessen Wertungen, Wollungen und Handlungen sich mit dem Wandel seines Seins ändern, wird als ein ewig Unwandelbarer gedacht. Oder man sucht Werten und Handeln von dem handelnden Menschen und seiner Wandelbarkeit loszulösen, man nimmt das Bestehen ewiger unveränderlicher Werte an, die vom Menschen und seiner Wertung unabhängig im Kosmos für sich sind und an denen Werten und Handeln des Menschen gemessen werden können.

Irving Fisher, der geistige Führer der zeitgenössischen amerikanischen Bewegung für Stabilisierung, stellt dem Gelde den Inhalt eines Korbes gegenüber, in den die Hausfrau die Waren tut, die sie auf dem Markte für den täglichen Bedarf ihres Haushalts einkauft…

Das Verfahren, das hier zur Messung der Geldwertveränderungen vorgeschlagen wird, wäre vortrefflich, wenn die Hausfrau und ihr Haushalt als unveränderliche Wesenheiten angesehen werden könnten, wenn der Einkaufskorb der Hausfrau immer die gleichen Waren und von jeder einzelnen Ware die gleiche Menge enthalten würde, und wenn die Bedeutung, die die Hausfrau dem Inhalt dieses Korbes beilegt, stets unverändert bliebe. Doch wir haben eine Welt vor uns, in der diese Bedingungen nicht erfüllt sind.

Ein Vergleich von Preisen, die an verschiedenen Orten und zu verschiedenen Zeiten für Waren gezahlt wurden, die die Technologie oder die Preisstatistik mit demselben Wort zu bezeichnen pflegen, ist nichtssagend, wenn nicht feststeht, dass es sich um Waren derselben Beschaffenheit handelt, wobei unter Beschaffenheit alle jene Eigenschaften zu verstehen sind, die von Kauflustigen bei der Erstellung des Preisangebots berücksichtigt werden. Da die Beschaffenheit aller Waren des unmittelbaren Verbrauchs sich im Verlauf der Zeiten ändert, erweisen sich die Gedankengänge, die zur Messung der Kaufkraftverschiebungen führen wollen, schon in dieser Hinsicht als verfehlt.

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Doch auch wenn man von allen diesen unüberwindlichen Schwierigkeiten absehen wollte, bliebe die Aufgabe unlösbar. Denn nicht nur die Beschaffenheit der Waren ändert sich beständig; auch die Bedeutung, die den Waren von den wirtschaftenden Subjekten beigelegt wird, ist dem Wandel unterworfen. Neue Waren werden erzeugt, alte verschwinden. Die Ansichten über das, was zum Beheben des Unbefriedigtsein geeignet ist, wechseln und damit wechseln Nachfrage und Erzeugung.

Die grundsätzliche Unzulänglichkeit aller Verfahren, die zur Messung der Veränderung der Kaufkraft des Geldes vorgeschlagen wurden, beruht auf der Unklarheit der dem Gedanken solcher Messung zugrundeliegenden Ideengänge. Wenn alle menschlichen Verhältnisse ewig unwandelbar wären, wenn alle Menschen stets dieselben Handlungen setzen würden, weil ihr Unbefriedigtsein, ihre Auffassungen über seine Behebung und die ihnen zu seiner Behebung zu Gebote stehenden Mittel stets gleich wären, oder wenn wir zumindest annehmen dürften, dass alle Veränderungen, die sich in dieser Hinsicht bei einzelnen Menschen oder Menschengruppen ereignen, durch entsprechende Veränderungen bei anderen Einzelnen oder Gruppen in ihrer Wirkung auf den Markt, auf die Preise und das Handeln der Unternehmer aufgehoben werden, dann würden wir in einer Welt der Stabilität leben.

In der praxeologischen Sphäre kann man mit dem Begriff der Messung keinen Sinn verbinden. Im gedachten Zustand der Starrheit gibt es keine Veränderungen, die zu messen wären, und im gegebenen Zustand steter Veränderung gibt es keinen festen Punkt und keine feste Beziehung, in Bezug auf welche Veränderungen gemessen werden könnten. Die Begriffe Stabilität und Stabilisierung sind leer, außer wenn damit die Vorstellung eines Zustands der Starre und der Erhaltung dieses Zustands verbunden wird. Doch der Zustand der Starre der Wirtschaft kann widerspruchsfrei nicht einmal gedacht werden, geschweige denn verwirklicht werden. Sowohl die äußeren Bedingungen der Umwelt, in der die Menschen leben, als auch die inneren Bedingungen ihres Daseins, ihre Ideen und ihre Einsicht in die für das Handeln entscheidenden Dinge, sind jeder Stabilisierungspolitik unzugänglich. Gehandelt wird, weil es Veränderung gibt, und Handeln ist selbst immer Veränderung.

Quelle: Nationalökonomie - Theorie des Handelns und Wirtschaftens , S. 208-212

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