Der erste Keynesianer - John Law und sein totalitäres Geldexperiment in Frankreich
Wenn Sie glauben, in einer schnelllebigen Welt zu leben, dann kennen Sie noch nicht das Leben von John Law (1671-1729) und dessen geldpolitische Abenteuer in Frankreich. Im nun folgenden Artikel lernen wir die Geschichte eines Mannes kennen, der in Schottland aufwuchs, in England ein gesuchter Mörder war, im Glücksspiel ein versierter Kenner und später französischer Zentralbanker wurde und für kurze Zeit der mächtigste Mann Europas war.
Als besagter John Law nach Frankreich kam, hatte er bereits Monate zuvor versucht, seine Denkschriften den verschiedensten Herrscherhäusern als das Allheilmittel gegen wirtschaftlichen Abschwung zu verkaufen. Er bot sie der schottischen, italienischen und russischen Obrigkeit an. Alle lehnten ab. Sie hielten Law für das was er war: ein Hasardeur, ein Spieler; kurzum: für unseriös.
Die Idee Laws ist heute so populär, wie sie damals neu war. In Umkehrung der damaligen Vorstellung von Geld, war es Laws Absicht, das Tauschmittel einer allgemein anerkannten Deckung zu entheben und so den Handel und die Wirtschaft zu beleben. Das dieser Mann ein Keynesianer im heutigen Sinne war, daran kann heute kein Zweifel bestehen. Über die in einer Volkswirtschaft umlaufende Geldmenge schrieb er folgendes:
„Eine begrenzte Geldmenge kann nur eine begrenzte Personenzahl beschäftigen, und Gesetze zur Arbeitsbeschaffung dürften in einem Land mit Geldknappheit kaum zum Erfolg führen. Gute Gesetze mögen zwar die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes erheblich steigern und dazu beitragen, dass es Beschäftigungsmöglichkeiten schafft; doch auch die besten würden nicht mehr Menschen in Arbeit und Brot bringen, solange es am Geld fehlt.“
Kommt Ihnen das bekannt vor? Wenn die Wirtschaft schwächelt, dann ist schlichtweg zu wenig Geld im Umlauf! Diese Aussage könnte freilich auch von heutigen austauschbaren Mainstreamökonomen stammen; sie stammt jedoch von John Law, der 1720 zum mächtigsten Mann in Frankreich avancierte.
Streng genommen sollte die Nachwelt John Maynard Keynes (1883-1946) einen Lawianer nennen, denn vieles was Keynes schrieb, nahm Law bereits 200 Jahre zuvor vorweg. In den Werken von Keynes fand Law bezeichnenderweise sehr wenig Erwähnung.
John Law war der Urvater des Papiergeldes. So wird er uns zumindest in der Populärliteratur vorgestellt. Das mag etwas übertrieben sein, hat aber einen wahren Kern. Er ist der Nachwelt wohl deshalb so lange in Erinnerung geblieben, weil er zeigen durfte, zu was eine ungedeckte Papierwährung zu leisten imstande ist. Wir finden in Laws Schriften bereits Auseinandersetzungen zu den Themen zyklische Bankenkrisen, Ersetzung von Münz- durch Papiergeld und Geldmengensteigerung zwecks Vollbeschäftigung. Dabei war ihm die Wechselwirkung von Geldbedarf und Geldangebot keineswegs unbekannt, aber er zog es vor, auf einem Banknoten-Monopol zu bestehen. Heute ist Papiergeld alltäglich und nur Wenigen ist bekannt was in grauer Vorzeit bereits ausprobiert worden ist und mit welchen Folgekosten. Aus diesem Grund lassen Sie uns an einer unglaublichen Geschichte teilhaben, die so wahr ist, dass man sich wünschte, Law hätte sich niemals für Geld interessiert. Den Artikel handeln wir streng als chronologisches Stakato ab. Diese Vorgehensweise wird dem Leser die fatale Ursache-Wirkung-Kette keynesianischer Entwicklungsdynamiken deutlicher vor Augen führen, als wenn wir das Thema literarischer angehen.
Bevor wir an der Stelle weitermachen, werfen wir noch einen kurzen Blick auf Laws frühe Jahre. Geboren wurde er 1671 in Edinburgh. Sein Vater war Goldschmied und man darf wohl annehmen, dass Law als Kind bereits mit dem Geldgeschäft seines Vaters in Kontakt kam. Es war gerade die Zeit, als Goldschmiede in London (wohl auch die schottischen) begannen, Bankgeschäfte abzuwickeln und zu diesem Zweck mehr Goldlagerquittungen ausgaben als sie tatsächlich Gold im Speicher hatten. Was selbstverständlich in der Folge zu vielen Bankrotten in den Jahren 1674, 1678, 1682 und 1688 führte. Kurz nach diesen Crashs erhielten 1694 die Eigentümer der Bank of England das Patent eine Monopolbank zu errichten, was wiederum ein Artensterben der Goldschmiede zur Folge hatte. Laws Vater William war so hochangesehen, dass ihn das schottische Parlament als einen von drei Gutachtern in den Königlichen Ausschuss berief, um die Voraussetzungen einer staatlichen Münzanstalt zu prüfen. Die spärlichen Aufzeichnungen aus Laws jungen Jahren zeigen ihn bereits 1693 als Spieler in London sein Geld machen. In den Anfangsjahren verlor er allerdings soviel Geld, dass er sich durch Rückübertragungen der väterlichen Anwesen Lauriston und Randleston an seine Mutter hat auszahlen lassen müssen, um überhaupt weiterhin in London sein Spiel machen zu können.
Wenige Monate darauf kam es zu dem bedeutungsvollen Ereignis vom 9. April 1694. An diesem Tage erschoss Law den ebenfalls noch jungen Lebemann Edward Beau Wilson in einem illegalen Duell. Die Umstände und Spekulationen die das Ereignis „erklären“ helfen, sparen wir uns. Fakt ist jedoch, das Law verhaftet wurde und ihm die Todesstrafe drohte. Unter nicht geklärten Umständen konnte er im Januar 1695 aus dem Gefängnis fliehen und begab sich vorerst nach Holland. Dabei hatte er wohl tatkräftige Unterstützung von hoher Stelle. Aber wer und warum, das bleibt alles im Dunkeln und wird es wohl auch bleiben.
Auf dem europäischen Festland tat Law das was er am besten kann. Er berechnete Wahrscheinlichkeiten. Spielend zog er durch Europa. Seine Reisen führten ihn von Holland nach Italien und wieder zurück nach Schottland, bevor er 1714 nach Frankreich mit einem nicht unerheblichen Vermögen von 1,6 Millionen Livre gelangte. Dies entspricht heute in etwa 6,5 Mio. Euro. Der Livre war eine Silberwährung und ein Livre entsprach damals fast 8g Silber. Demnach war Law mit einem Gegenwert von über 12t Silber in Frankreich eingetroffen, natürlich nur in Papierform, aber damals war die Währung noch gedeckt und man konnte das Papier jederzeit gegen Silber eintauschen.
Nachdem Law den blühenden holländischen Handel und den Reichtum italienischer Seestädte kennengelernt hatte, mußte er die Gegensätze zu seiner armen schottischen Heimat als besonders bedrückend empfunden haben. Er studierte den Handel und das Bankwesen und verdichtete seine Erkenntnisse auf einen einzigen Aspekt. In armen Gegenden fehlt es am Geld. Law war der festen Überzeugung, seiner Heimat durch die Ausgabe von mehr Kreditgeld helfen zu können.
Während sich Law an den Spieltischen in Frankreich verlustierte, lag das Land am Boden. Die verschiedenen Gewerbezweige produzierten nur so viel, wie sie zum Überleben benötigten. Es lohnte sich nicht aktiv zu werden, da die Krone nahezu die gesamten Erträge wegsteuerte. Die Kriege, die König Ludwig XIV. führte, haben Land und Leute ausgezehrt. Nach dem Tod von Ludwig XIV., am 1. September 1715, sah Law seine Chance als gekommen an. Er versuchte zwar bereits vorher über adlige Kontakte seine Denkschriften über die Mobilisierung der Wirtschaft mittels Geldausgabe dem König vortragen zu können, aber der Hof war noch zu lethargisch und nicht interessiert. Der Staat hatte über 2 Mrd. Livre Schulden, aber so genau wusste man das nicht, da die doppelte Buchhaltung im damaligen Frankreich etwa so bekannt war wie Weißwurst und warmes Bier. Denkschrift über Denkschrift schrieb Law nieder und in fast jeder versprach er den Schuldenberg auf nicht weniger als Null einzudampfen.
Wie verzweifelt muss die Regierung eines Landes sein, um einen Glücksspieler und gesuchten Mörder zum Zentralbanker zu machen? Das dürften sich nicht Wenige gefragt haben. Aber ein Blick auf den Staatshaushalt spricht da Bände. Die Verzweiflung springt uns bei der Betrachtung der folgenden Zahlen förmlich ins Gesicht. Im Todesjahr vom Sonnenkriegskönig Ludwig XIV. betrugen die Einnahmen des Staates 69 Millionen Livre. Die Ausgaben – man lese und staune – nur 147 Millionen! Allein die Zinskosten für die Staatsschuld waren höher als die Einnahmen! Aber die Hauptsache ist doch, das größte stehende Heer und die größte Flotte der damaligen Welt zu unterhalten. Aber auf Dauer drücken Schulden eben doch und daher war der königliche Hof nicht untätig sich seiner Schulden zu entledigen. Was haben sie nicht alles versucht. Natürlich mit allen nur erdenklichen faulen Tricks und unter Inkaufnahme eines Glaubwürdigkeitsverlustes. Sparen und die höfische Verschwendung abzustellen, waren übrigens nicht unter diesen Tricks.
Einige seiner vorgeschlagenen Maßnahmen waren durchaus neu und konfliktträchtig, wie z.B. die Abschaffung der käuflichen Ämter, die ein heilloses Chaos in der Staatsverwaltung hinterließen, weil es enorme Schnittmengen bei den Kompetenzen gegeben hatte. Law forderte die Monopolisierung einiger Steuerpachten, wie den Außenhandel und den Tabaksverkauf was der Krone einige Millionen Livre an Zinszahlungen ersparte. Er trieb Rückstände ein und kaufte höher verzinsliche Rentenpapiere zurück. Das waren ganz gewöhnliche Aufgaben eines Schatzkanzlers der damaligen Zeit. Law jedoch wollte mehr; musste sich allerdings erst einmal in Geduld üben und eine gewisse Reputation erlangen, indem er mit Chuzpe und Eloquenz sein Netzwerk im französischen Adel ausbaute. Sein Körpermaße und seine Ausstrahlung dürften ihm dabei von Vorteil gewesen sein. Er soll mehr als 1,80m groß gewesen sein, zudem beherrschte er wohl das was man heute NLP (Neuro-Linguistisches Programmieren) nennt. John Law war ein Meister in der Kunst des Überzeugens.
Wie er das anstellte zeigt folgender Ausschnitt aus einer Denkschrift an den Regenten. Dieser, der 1715 stellvertretend für den fünfjährigen Ludwig XV. die Regierungsgeschäfte führte, sollte in die Lage versetzt werden:
„...das Königreich aus dem traurigen Zustand, in welchen es geriet, wieder herauszuführen, es mächtiger zu machen, als es jemals war, seine Finanzen wieder zu ordnen, die Landwirtschaft wieder in Schwung zu bringen und zu verbessern, die Manufakturen und den Handel zu beleben, die Bevölkerungszahl zu vergrößern, das nationale Einkommen des Königreichs zu vermehren, die Aufwendungen für die unnützen und lästigen Ämter zurückzuerstatten, die Einnahmen des Königs zu steigern, bei gleichzeitiger Entlastung des Volkes, und schließlich die Staatsschuld zu verringern, ohne deswegen den Gläubigern zu schaden.“
An der Quadratur des Kreises haben sich schon viele die Finger verbrannt, aber Law wusste, wie man den von Finanzen wenig verstehenden Herzog Phillipp II. das Paradies auf Erden schmackhaft machen konnte. Allein der letzte Halbsatz ist so falsch das sich die Balken biegen. Denn sein System hat genau das vollbracht, die Gläubiger ruiniert und die Bonität Frankreichs pulverisiert.
Law und Keynes haben viel mehr gemeinsam, als man gemeinhin anzunehmen wagt. Das Erschaffen von „Wundern“ mittels Geldmengenausweitung gehörte jedenfalls auch dazu. 1943 glaubte Keynes zu wissen, dass Kreditexpansion, das „Wunder, ... Steine in Brot zu verwandeln.“ schafft.
Um das Law´sche System voranzubringen, war dieser nie um Argumente verlegen, eines davon war es z. B., der französischen Krone mit dem Kriegskostenargument zu imponieren. Künftige Kriege würden noch teurer sein und man müsse eine neue finanzielle Quelle auftun, um die Verlegenheit einer Staatsbankrotterklärung zu umgehen. Außerdem, so stichelte er die französische Eitelkeit, sei England – die damals größte Konkurrenzmacht –, niemals durch seine zahlreichen Kriege in Zahlungsschwierigkeiten geraten. Schließlich – so fuhr er fort – hatten außerdem noch weitere ausländische Staaten wie Holland, Schweden und Italien bewiesen, wie ein hoch entwickeltes Bankwesen zur Kriegskostenbewältigung beitragen konnte. Napoleon sagte einst, sein Jahreseinkommen beträgt 200.000 Rekruten. Nun, die Regenten vor ihm sahen das wahrscheinlich ähnlich und waren nie verlegen gewesen, einen weiteren Krieg zu entfesseln, wenn nur ihr „Jahreseinkommen“ entsprechend größer gewesen wäre. Aber ohne eine eigene Zentralbank stehe Frankreich abgeschlagen da – so Law – und würde im „Wettbewerb der Gauner“ hoffnungslos unterlegen sein. Wenn das kein Menschenfreund ist, dann bin ich unschlüssig, wen man überhaupt noch für einen halten kann.
Der ehemalige Bundesbankpräsident Axel Weber hatte diesen Umstand 2015 in einem Artikel für das Schweizer Handelsblatt auf den Punkt gebracht. Er schrieb: „Zentralbanken wurden eingeführt, um die Kriegsfinanzierung zu sichern.“
Im Mai 1716 war es dann endlich soweit. Law durfte zwar noch keine Staatsbank gründen, ihm wurde jedoch erlaubt, eine Privatbank mit einem Monopol für 20 Jahre zu errichten. Die Banque Générale. Das Grundkapital betrug sechs Millionen Livre verteilt auf 1.200 Aktien zu 5.000 Livre. Vorerst waren jedoch nur 25% eingezahlt worden und zwar ein Drittel in Hartgeld und Zweidrittel in Staatsanleihen. Dies bedeutete naturgemäß eine außergewöhnliche Belastung, wurden doch die flüssigen Mittel auf ein Viertel begrenzt. Aber auch dafür fand sich später eine Lösung. Law selbst hielt 25% der Aktien. Da dies noch nicht seinem Endziel entsprach, war er clever genug, die Reputation seiner Bank so zu verbessern, dass sie baldmöglichst in eine Zentralbank umgewandelt wurde. In der Anfangsphase wickelte Law mit seiner Bank die Transfergeschäfte unzähliger Höflinge ab, deren Wechsel er mit 6% p.a. diskontierte anstatt mit 48% wie die meisten anderen Banken dies in Paris taten. Das i-Tüpfelchen dieser Vorzugsbehandlung war ohne Frage die Dividendenpolitik der Bank. Law, der schalten und walten konnte wie er wollte, schüttete im ersten (!) Halbjahr 1716 eine 7,5%ige Dividende aus. Also 15% p.a.! Einige Historiker sind heute der Auffassung, dass dies völlig gesund gewesen sei. Ich glaube vielmehr an eine Ausreichung von Bestechungsgeldern an den Hofstaat um den Law´schen Einfluss zu steigern.
Eine kleine Anekdote verdeutlicht diesen Umstand. 1717 wurde Law vom Regenten beauftragt, eine Überweisung von 150.000 Reichstalern an König Karl XII. von Schweden zu überweisen und nahm für diese Dienstleistung ein Viertel weniger als es bei Pariser Banken üblich war. Darauf vom Regenten angesprochen ob es sich nicht um einen Buchungsfehler handelte, bestätigte Law ihm gern die Korrektheit der Buchung, worauf der Regent die Meinung kundtat, dass alle anderen Banker „Diebe“ seien. Law hatte seinen Köder ausgeworfen und der Regent biss prompt an.
Doch bei der Bevölkerung stand die Bank Général vorerst nicht hoch im Kurs. Man war skeptisch. Was könne diese Bank schon anders machen als die anderen Banken? Aber durch die unverhohlene Unterstützung des Regenten, gewann Laws Bank nach und nach das Vertrauen der Menschen. U.a. deshalb, weil der Regent seine Geschäfte über die Bank abwickelte und dafür sorgte, dass jedermann davon Kenntnis erlangte. Was die Transparenz der Bankbilanz anging, so hielt Law die Geschäfte unter Verschluss. Es gab schlicht keine Prüfungen seiner Bücher und es ist auch heute nicht mehr nachprüfbar, wie er die Gewinne erwirtschaftet hatte. Just in dem Moment, wo die Forderungen nach mehr Kontrolle durch das Parlament lauter wurden, wollte Law die Bank Générale in eine staatliche Zentralbank umwandeln. Vermutlich hat Law gegen das geltende Statut verstoßen und vergab viele Kredite, die nur zu 50% durch Münzgeld gedeckt waren; diese Geschäfte waren ihm eigentlich untersagt worden. Von seinem Vater waren ihm diese Art der Geschäfte nicht unbekannt.
Im Januar 1717 schrieb die Gazette de la Régence über Laws Bank: „Nie zuvor genoss sie ein so hohes Ansehen und der Staat zieht großen Nutzen aus ihr.“ Natürlich nutzte sie dem Staat, anders ist eine staatliche Lizenzvergabe gar nicht zu erklären, darüberhinaus bohrte Law weiterhin dicke Bretter, um den Regenten und den gesamten Hofstaat zu korrumpieren, indem er ihnen ungeheure Gewinne zuschanzte.
Im April 1717 nutzte die Law die Gelegenheit, den Regenten dazu zu überreden, die Noten der Banque Général auch für die Zahlung von Steuerzahlungen entgegen zu nehmen. Das war ein äußerst wichtiger Aspekt in Laws Plan, die Macht Schritt für Schritt an sich zu reißen. Der Regent gab dem Wunsch nach. Damit avancierten die Noten quasi zum gesetzlichen Zahlungsmittel. Was mit dieser Verordnung vom 10. April noch auf Freiwilligkeit beruhte, wurde ab 12. September 1717 zu einem Obrigkeitsbefehl. Demnach hatten in Paris und allen Vororten die Steuerzahlungen mit seinen Banknoten zu erfolgen. Ein anderes Zahlungsmittel wurde fortan nicht mehr angenommen. Die Bank wuchs und Laws Plan nahm langsam Gestalt an.
John Law war ein sehr umtriebiger Mensch und strotzte offensichtlich vor Elan und Ideen. Da er vorerst seinen Plan von einer staatlichen Zentralbank nicht umsetzen konnte, eröffnete er einen zweiten Kriegsschauplatz. Er erhielt im August 1717 die Erlaubnis, die französische Westindien-Kompagnie zur Mississippi-Gesellschaft (MG) umzugründen. Das Startkapital sollte 100 Millionen Livre zu 500 Livre pro Anteil betragen. Die Einzahlung erfolgte wieder mit Staatsanleihen. Nach einem Abkommen mit dem königlichen Finanzrat wurden die Anleihen nach der Einzahlung verbrannt; dafür verpflichtete sich der Staat jährlich vier Millionen Livre an die MP zu zahlen. Außerdem erhielt die Gesellschaft die Häfen von Louisiana und das Monopol für den Biberhandel in Kanada. 1718 erwarb sie die Tabakspacht für 9 Jahre und zahlte dafür 4 Millionen Livre jährlich, was die Zahlung des Staates für die Vernichtung der Staatsanleihen obsolet machte. Nach und nach monopolisierte die MG den kompletten (!) französischen Außenhandel!
Von August 1717 bis Oktober 1719 gab Law 624.000 Aktien aus. Die MG war am Schluss der Geldexpansion sagenhafte 5 Mrd. Livre „wert“. Eine damals unvorstellbar hohe Summe.
Was war der Zweck der MG? Zum einen wollte Law den Kolonialhandel mit dem nordamerikanischen Louisiana fördern und den Staat von den Schulden befreien, indem Staatsschuldpapiere für den Erwerb von Aktien eingezahlt werden konnten. Aus einem festverzinslichen Wertpapier machte Law somit eine unternehmerische Beteiligung, was die Staatskasse enorm entlastete. Aber mit Staatsanleihen kann man nur schwerlich Geschäfte anschieben und so war Law in der Anfangszeit gezwungen, Kredite im Namen der MG aufzunehmen. Nun raten Sie mal, bei welcher Bank die MG das tat? Richtig, bei Laws eigener Bank, der Banque Général; und so wuchs die Geldmenge Woche um Woche und Monat um Monat.
Im Dezember 1718 hatte Law endlich sein Lebensziel erreicht. Er bekam vom Regenten die Erlaubnis eine Zentralbank führen zu dürfen. Seine Banque Général wurde zur Banque Royal. Mit dem neuen Institut hatte er in Sachen Geldpolitik fortan nahezu diktatorische Befugnisse. Die Ermächtigung der neuen Bank, die Geldmenge durch Ausgabe von neuen Banknoten zu erhöhen, war lediglich durch das Erfordernis der Einholung der Zustimmung des Kronrates eingeschränkt worden. Anfangs wurde bestimmt, die neugeschöpfte Geldmenge der Banque Royal auf 100 Millionen Livre zu beschränken.
Law nutzte kurze Zeit später seine Machtfülle und beschränkte den Zahlungsverkehr mit Silber. Im März 1719 ordnete er an, dass Zahlungen über 600 Livre fortan nur noch in Gold oder Banknoten zu erfolgen haben. Silber war dann nicht mehr zulässig.
Ab Mai 1719 ging Law daran und vereinigte alle kolonialen Unternehmungen des Staates unter dem Dach der MG. So gliederte er die Ostindische und die Chinesische Compagnie ein. Und jedes Mal wurden neue Aktien ausgegeben. Im Juli 1719 erhielt die MG das Münzregal für 50 Millionen, was wiederum durch die Ausgabe von neuen Aktien finanziert wurde. Im August 1719 erhielt die MG auch noch die Generalpacht aller Steuereinnahmen in Frankreich. Als ob das alles noch nicht genug wäre, gewährte Law dem Regenten 1,2 Mrd. Livre als Darlehen, damit dieser in die Lage versetzt wurde, die noch ausstehenden Staatsschulden zurückzahlen zu können. Weil er naturgemäß nicht über so eine Summe verfügte gab er jeweils dreimal je 100.000 Aktien seiner MG aus. 200.000 wurden an das Publikum verkauft und 100.000 erhielt der Regent geschenkt! Im November gab er dem Regenten weitere 300 Mio. Livre an Darlehen zu 3% Zinsen. Der Regent kündigte daraufhin alle Anleihen und zahlte die Gläubiger zwangsweise aus. Währenddessen spielten sich an der Börse tumultartige Szenen und wilde Spekulationen ab. Die Aktien, die ursprünglich zu 500 Livre ausgegeben worden waren, hatten nun einen börslichen Gegenwert von 9.800 Livre! In ganz Europa brach das Aktienfieber aus. Man reiste nach Paris, um hier das große Geld zu machen. Das Wort „Millionär“ machte damals immer häufiger die Runde. Selbst die Banknoten der Banque Royal wurden zum Spekulationsobjekt und wurden gegenüber Silber und Gold mit Agio gehandelt! Die Agiotage der Banknoten brachten es nun mit sich, dass große Mengen an Silber und Gold in die Kasse des Staates flossen.
Am 30. Dezember 1719 fand die alljährliche Generalversammlung der MG statt. Law erstattete Bericht und schlug vor, 40% des Gewinns auszuschütten. Dies entsprach aufgrund der Höhe des Aktienkurses diesmal nur einer Dividendenrendite von 2,2%. Wenige Tage nach der Generalversammlung wurde Law vom Regenten aufgrund seiner Verdienste um das Wohlergehen der Krone (!!) zum Generalkontrolleur der Finanzen ernannt. So lautete der Titel des damaligen Finanzministers. Damit vereinigte sich in Laws Hände die Leitung der Zentralbank, des kompletten Außenhandels und der Steuererhebungsbefugnis des Staates.
Im Dezember 1719 erließ Law eine Verordnung, nach der es 5% Nachlass gab, wenn Steuerschulden mit Papiergeld beglichen wurden. Des weiteren durften Zahlungen ab 10 (!) Livre nicht mehr in Silber erfolgen und solche ab 300 nicht mehr in Gold. Law wollte er auf jeden Fall verhindern, dass die Menschen in Edelmetall flohen. Er war schließlich tatsächlich der Überzeugung, dass eine stoffliche Deckung völlig unnötig sei. Allein die störrische Bevölkerung wollte ihr Glück noch nicht ganz begreifen, weshalb Law wohl die Flut an Verordnungen für notwendig erachtete.
Das Schicksalsjahr 1720 begann mit einem Paukenschlag. Weil Law es nicht behagte, dass die Aktien seiner MG nun weit über 10.000 Livre gehandelt wurden, verkaufte er 30.000 Anteile aus seinem eigenen Bestand zu 1.000 (!) Livre um den Kurs zu drücken. Es begann sich ein großer Verkaufsdruck Bahn zu brechen. Die flüssigen Mittel wurden in Sachwerte wie Immobilien, Perlen, Edelsteine, Gold, Wald und andere Ländereien investiert. Ausländische Investoren tauschten in ihre Heimatwährungen und verschwanden. Sie ahnten wahrscheinlich wie das Ende des keynesianischen Booms das Land verändern würde.
Der Aktienkurs begann folglich so stark zu sinken, dass auch dies Law nicht behagte und er nun bei 9.000 Livre Stützungskäufe unternahm. Er gründete ein Büro, dass jedem Verkaufswilligen 9.000 Livre pro Aktie garantierte. Auch die Zentralbank war als Käufer am Markt. Innerhalb von zwei Monaten steigerte sich die Geldmenge daraufhin um 600 Mio. Livre und hatte sich damit mehr als verdoppelt! Bis Ende Mai 1720 hatte die MG 430.000 eigene Aktien aufgekauft und war nun zu 69% ihr größter Aktionär. Dafür wurden mehr als 2 Mrd. Livre an frischen Banknoten in Umlauf gebracht. Law war nun selbst ein Opfer seiner eigenen Geldpolitik und suchte den Umlauf der Banknoten zu reduzieren. Aber in diesem Moment erließ der Regent eigenmächtig – ohne Rücksprache mit Law – eine Verordnung und gab den Aktienkurs der MG frei bis 8.000 Livre. In jedem weiteren Monat sank dieser Wert um 500 Livre. Der Verkaufsdruck erhöhte sich und der Umlauf der Geldmenge erreichte bald ihren Höhepunkt.
Das Ausweichverhalten und der Widerstand der Bevölkerung erzeugte eine Flut von Verordnungen aus dem Büro Law´s. Folgende Chronologie skizziert die Szenerie:
Januar 1720 Ausfuhrverbot für Edelmetalle
Februar 1720 Verbot Edelmetallschmuck und Brillanten und andere Edelsteine in der Öffentlichkeit zu tragen
Verbot der Aufbewahrung von Edelmetallen, Einlagerung bei der Zentralbank wurde Pflicht
Verbot der Herstellung, des Verkaufs und Exports von Gold- und Silberschmuck
Beschränkung des Besitzes von Münzgeld auf 500 Livre pro Kopf, Zahlungen über 100 Livre mussten fortan
immer in Banknoten abgewickelt werden (bei Zuwiderhandlung wurden 3.000 Livree Bußgeld erhoben)
März 1720 gesetzliche Abwertung von Gold und Silber
August 1720 Banknoten zu 1.000 und 10.000 werden für wertlos erklärt
Der Verordnung vom Februar folgte die Bevölkerung nur widerwillig. Die Staatsorgane waren nun nach dem Verstreichen einer Gnadenfrist dazu ermächtigt, die „Überbestände“ zu beschlagnahmen und noch eine 10% Strafsteuer zu erheben. Auch Schmuck wurde beschlagnahmt und 10.000 Livre Strafe erhoben. Davon ausgenommen waren natürlich die Klunker seiner Majestät und die der Kirchenführer. Über die Absicht dieser Maßnahmen muss man nicht lange spekulieren. Law war es ein Dorn im Auge, der Bevölkerung dabei zusehen zu müssen, wie diese ihre teilweise exorbitanten Gewinne aus den Aktienverkäufen der MG in Schmuck investierte. Das war für ihn totes Kapital. Das Geld sollte schließlich in der Wirtschaft umfließen und diese beleben helfen.
Zu dieser Zeit begab es sich, dass Richard Cantillon, allen Österreichern als „Entdecker“ des Cantillon-Effektes bekannt, bereits im Sommer 1719 ein Vermögen mit Abwertungsspekulationen gegen den Livre machte. Er nahm an, dass das System Laws in Kürze zusammenbrechen würde und verkaufte seine Anlagen und ging wieder nach Irland. Aus der Ferne beobachtete er weiter das Treiben in Frankreich und kehrte Anfang Januar 1720 zurück, um wieder massiv gegen die französische Währung zu wetten. Auch diesmal war ihm Erfolg beschieden. Cantillon sah nämlich den Widerspruch zwischen Geldmengenaufblähung und Zinssenkung auf der einen Seite und der staatlich verordneten Livreaufwertung gegenüber Silber und Gold auf der anderen Seite. Gutgläubige Menschen tauschten in der Tat ihr Gold und Silber daraufhin gegen Banknoten (man muss natürlich dazu sagen, dass der Besitz mittlerweile verboten war). Diese Wertdiskrepanzen ausnutzend, kaufte er Unmengen an Edelmetall billig auf und veräußerte es später im Ausland zum Marktpreis, der wesentlich höher lag als das was Law für Gold in Frankreich hat festsetzen lassen. Als Law von den Spekulationen Cantillons erfuhr, ließ er ihn kurzerhand des Landes verweisen. In dem Ausweisungserlass hieß es:
„Trotz der von Sr. Majestät gehabten Fürsorge, einen leichteren Geldumlauf herzustellen, gehen Übelwollende darauf aus, das Vertrauen zu untergraben. Wir halten es deshalb zugunsten des Handels und Geldumlaufs für nötig, über diejenigen Strafen zu verhängen, die das Bargeld aufspeichern ... Die Ausfuhr von Gold und Silber ohne Erlaubnisschein ist vom 1. Februar ab verboten, und haben die Banknoten im ganzen Reiche Zwangskurs. Es wird der Indischen Compagnie vom 1. Februar ab Erlaubnis erteilt, Haussuchungen nach Edelmetallen vorzunehmen und das Vorgefundene zu konfiszieren.“
Hier begegnet uns wieder das Die-Spekulanten-sind-an-allem-Schuld-Motiv. Spekulanten, die nur ihren Job machen und Gelegenheiten wahrnehmen. Gelegenheiten, die ihnen die Geldpolitik erst ermöglichten.
Das Jahr 1720 war das, was 1923 für die deutsche Wirtschaft war. Eine Katastrophe, die die Menschheit bis dahin noch nicht erlebt hatte. Die emporschnellenden Geldmengen kulminierten in immer höheren Aktienkursen der MG. Um die Kurskapriolen einzudämmen, setzte Law kurzerhand den Kurs bei 9.000 Livre fest, nachdem er bereits auf 10.000 gestiegen war. Kurz vor seiner Zwangskursfestsetzung hatte er den Handel mit Aktien ausgesetzt, was die Unzufriedenheit steigerte. Dann ließ er den Handel wieder zu und wurde förmlich von den Massen überrannt, die nun die Schalter der Bank und der Börse stürmten. Den Menschen ist in der Zwischenzeit klar geworden, dass in Louisiana keine prosperierende Wirtschaft in Gang kam, weder hatte man Gold noch andere wertvolle Rohstoffe gefunden. Der Handel mit Louisiana blieb ebenfalls aus.
Da die Zentralbank jedoch über keine nennenswerten Bestände an Banknoten verfügte, war sie gezwungen die Ansprüche der Aktienverkäufer mit frisch gedrucktem Geld zu bedienen. Die Geldmenge geriet völlig außer Kontrolle. Allein von Ende März bis Anfang Mai 1720 verdoppelte sich die Geldmenge um den Aktienkurs seiner Mississippi-Gesellschaft bei 9.000 Livre zu stützen.
Die umlaufende Geldmenge (inkl. Aktien der Mississippi-Gesellschaft) entwickelte sich wie folgt:
August 1719 | 1,3 Mrd. |
---|---|
Oktober 1719 | 2,3 Mrd. |
November 1719 | 5,2 Mrd. |
Dezember 1719 | 5,1 Mrd. |
Februar 1720 | 5,2 Mrd. |
März 1720 | 5,1 Mrd. |
April 1720 | 6,1 Mrd. |
Mai 1720 | 6,1 Mrd. |
Juni 1720 | 3,6 Mrd. |
Juli 1720 | 3,2 Mrd. |
August 1720 | 3,1 Mrd. |
September 1720 | 3,1 Mrd. |
Oktober 1720 | 3,4 Mrd. |
November 1720 | 3,2 Mrd. |
Dezember 1720 | 3,1 Mrd. |
Ende Mai 1720 kam es zu gewalttätigen Unruhen gegen Law und seine Bank. Britische Investoren sandten Eilbriefe an ihre Pariser Korrespondenten und baten um Rücküberweisung ihrer Gelder. Sie wiesen ihre Agenten an, ihre Papiere mit bis zu 80% Verlust zu verkaufen. Die Bank Royale, genoss im Ausland keinerlei Vertrauen mehr. Eine Rolle beim Abzug des Geldes spielte aber auch der blasenartige Aufstieg der Aktien der South Sea Company in London. Dort wollten selbstverständlich auch alle mit dabei sein, die den kometenhaften Aufstieg der Mississippi-Gesellschaft miterlebt oder verpaßt haben. Im Juni wurde Law als Generalkontrolleur der Finanzen vom Regenten entlassen. Er wurde unter Hausarrest gestellt. Die Bank wurde geschlossen und von drei kommissarischen Buchprüfern durchleuchtet. Da sie nur wenige Tage zur Verfügung hatten, konnten sie keine Betrügereien ausmachen, bemängelten aber gleichzeitig diese kurze Frist um diese komplexe Milliarden-Buchhaltung auf Herz und Nieren zu prüfen.
Weniger als eine Woche nach dem Hausarrest durfte Law die Bank wieder führen, weil man nicht wusste wie das System Law funktionierte und hoffte, dass er es wieder auf ein Normalmaß würde herunterfahren können. Doch wenn die Zahnpasta einmal aus der Tube ist, bekommt man sie nicht mehr ohne Schweinerei und Verluste wieder dahin zurück. Ein geordneter Rückzug war nicht mehr möglich, was den Druck auf den Regenten und seine Höflinge erhöhte und diese wiederum erhöhten den Druck auf Law, der hier um sein Leben bangen musste. Jeden Tag drohte die Verhaftung, vielleicht sogar die Todesstrafe. Law wirkte nach außen wie die Ruhe in Person, was auch nötig war, aber er konnte nur noch improvisieren. Durch sein Verhandlungsgeschick und seine manipulative Eloquenz war es ihm zwar immer wieder möglich, Gönner aufzutun und offene Feindschaft zu mildern. Diese Beruhigungspillen hielten jedoch nur wenige Tage, da sich täglich neue Katastrophen abspielten. So z. B. als am 10. Juli eine so ungeheure Menge an Menschen die Bank stürmte, um Papiergeld in Münzen zu tauschen, dass es fast zu Toten unter den Wartenden kam. Am 17. Juli gab es dann tatsächlich einen Toten (andere Quellen behaupten 15 Tote!), den der Mob dann zum Palast Laws trug, um dort gegen sein Schuldgeldsystem zu demonstrieren. Man forderte nichts Geringeres als Law aufzuknüpfen.
Bereits im Juni bekundete das Parlament sein Misstrauen gegenüber Law und stimmte für die Rücknahme vieler seiner Verordnungen und diese in ihr Gegenteil zu verkehren. Was nicht zur Stabilisierung der Lage beitrug, sondern eher das Chaos begünstigte. Der Edelmetallbesitz wurde wieder erlaubt, obwohl Law dies untersagt hatte. Rentenpapiere zu 2,5% Zinsen wurden wieder in Umlauf gebracht (ca. 1 Mrd. Livre), obwohl Law diese eigentlich in Aktien der Mississippi-Gesellschaft umwandeln wollte und zwar vollständig!
Ab November 1720 durften Steuerzahlungen nicht mehr in Banknoten geleistet werden, was der letzte Sargnagel für das Law´sche Schneeballsystem gewesen sein dürfte. Denn wenn der Staat sein eigenes Geld nicht mehr für Steuerzahlungen annehmen will, was sollte man noch mit dem Papiergeld? Der Staat veranstaltete öffentliche Verbrennungen von Papiergeld um der Bevölkerung glaubhaft zu machen, dass hier tatsächlich die Geldmenge vernichtet wurde. Ende Juli 1720 wurden bereits 554 Millionen Livre von damals bekannten 2,6 Mrd. verbrannt. 200 weitere lagen in der Bank zur Vernichtung bereit.
Ab Juli 1720 verschlechterte sich die Lage dermaßen, dass der Regent einem Versammlungsverbot zustimmte und die Einlösung von Banknoten vorübergehend aussetzte. Gleichzeitig zog er 6.000 Soldaten am Pariser Stadtrand zusammen. Er ließ des weiteren Münzgeld, vornehmlich für die Bäckereien in Paris, zurückhalten, damit die Bäcker nicht in den Arbeitsstreik traten. Die Nahrungsversorgung war somit vorerst sichergestellt. Eine Krisensitzung folgte der nächsten. Am 21. Juli ließ der Regent die einzelnen Parlamentsmitglieder mithilfe seiner zusammengezogenen Truppen aufsuchen und sie ins Umland von Paris ausweisen. Das Parlament stand traditionell nicht auf der Seite von Law und war damit dem Regenten ein Dorn im Auge. Frankreich mutierte von einer Monarchie zu einem totalen Staat.
Die Münzgeldreserven schmolzen dahin. Ende Juli waren nur noch neun Millionen Livre an Warengeld vorhanden. Diese Menge konnte an jedem beliebigen Tag durch die Bevölkerung abgehoben werden und hätte den König genötigt den Bankrott zu erklären. Nach und nach schwand der Rückhalt Laws beim Regenten, der allmählich des wachsenden Drucks überdrüssig wurde. Er hielt im September mehrere Geheimtreffen mit Laws Gegner ab und beriet mit ihnen die Lage.
Die Bevölkerungsteile, die nicht mit Gewalt auf die neuen Verordnungen reagierten, verbrachten ihre freie Zeit damit, die Häuserwände in Paris mit sarkastischen Sprüchen zu beschmieren. Dem Regenten war das nicht einerlei, er ließ kurzerhand Kopfgelder auf die Ergreifung des- bzw. derjenigen aussetzen. Aber diese reagierten wiederum mit Spott und schrieben: „Sie versprechen viel, oh Königlein, wird´s in Papier- oder Münzgeld sein?“
Viele Adlige die zuvörderst vom Law´schen System profitierten, aber aufgrund ihrer Nähe zum Hof um die Zahlungsschwierigkeiten wussten, deckten sich mit Waren wie Talg und Wachs (zur Kerzenherstellung) ein, um ihr Geld vor dem Verfall zu retten. Dies wiederum verknappte diese begehrten elementaren Waren und trieb die Preise in Höhe, was dem allgemeinen Unmut in der Bevölkerung nur weiteren Zündstoff lieferte.
In seiner Verzweiflung rief John Law den Bankier Richard Cantillon aus Irland zur Hilfe, den er noch kurz zuvor hatte ausweisen lassen, um mit ihm die Restauration des Law´schen Systems voranzutreiben. Doch Cantillon wies das Ansinnen von Law zurück. Laws Haus wurde währenddessen fast täglich von Banden herumstreifender Personen belagert. Er befürchtete übergriffige Handlungen und sorgte sich zurecht um die Gesundheit seiner Familie. Der 1. September gab einen kleinen Vorgeschmack auf die Ereignisse in den kommenden Monaten. An diesem Tag lauerte eine Meute von erbosten Menschen die Kutsche von Laws Lebensgefährtin auf und griffen diese unvermittelt an. Sie kam jedoch mit dem Schrecken davon. Zwei Tage später bewarfen aufgebrachte Bürger Laws Kutsche mit Kot und Steinen.
Eine Katastrophe ganz anderer Art verschlimmerte die Stimmung in Paris und wandelte sie in blanke Angst. In Marseille breitete sich seit Ende Juli 1720 die Pest aus, die offenbar aus dem Nahen Osten per Schiff eingeschleppt wurde. Die Stadt wurde daraufhin abgeriegelt. Ca. 15 bis 20.000 Menschen starben an der Pest und an Hunger. Plünderungen und Mord waren an der Tagesordnung. Die Pest breitete sich auf andere Städte wie Aix und Toulon aus und noch Anfang September geriet die Lage außer Kontrolle, da kaum noch Ärzte zu finden waren. Die Pest war scheinbar nicht zu stoppen. Es machten Gerüchte die Runde nach der der verhasste Law dem Regenten riet, die Stadt Marseille niederbrennen zu lassen. Tatsächlich jedoch spendete er 100.000 Livre um den Menschen dort zu helfen. Die Obrigkeit ließ alle Häfen schließen, was den auswärtigen Handel lahmlegte und die wirtschaftliche Situation - einem Pulverfass gleich - dramatisch verschlechterte. Später schob Law der Pest eine große Mitschuld an der Zerstörung seines System zu. Der Grad der Wahrnehmungsstörung hatte Law von Anfang an ergriffen, aber in der Schuldfrage schien auch er von allen guten Geistern verlassen worden zu sein.
Der Kurs der Aktien der MG stürzte derweil ins Bodenlose (lag nur noch bei 200 Livre) und der Livre verlor ebenso drastisch an Wert. Law stand im Grunde vor einer unlösbaren Aufgabe.
Die Angriffe steigerten sich von Tag zu Tag. Law sah keine Zukunft mehr für sich in Frankreich und bat Anfang Dezember 1720 um Entlassung aus seinen Ämtern. Der Regent stellte ihm Passierscheine und Geleitbrief aus und war froh ihn los zu sein. Aber nicht nur ihn, sondern auch die Staatsschulden!
In der Nacht vom 17. Dezember 1720 flüchtete Law mit seiner Entourage nach Brüssel. Ihm wurden Leibwächter und Kutschen vom Hochadel zur Verfügung gestellt. Seine Feinde versuchten ihn zu fassen und vor Gericht zu stellen. Daher konnte er nur mit einem gefälschten Pass die Grenze überqueren. Unerkanntbleiben war das Gebot der Stunde. Der Troß setzte sich in Bewegung und hatte – man höre und staune – 800 Louis d´or an Bord, immerhin 5,5 kg Gold! Ein unnützes Material deren Ausführung Law einst untersagte. Aber der Grenzübertritt kam anders als Law sich dies erhofft hatte. An der Grenze wurde der Fluchttroß unerwartet angehalten. Dem Grenzkommandanten kam der gefälschte Pass verdächtig vor. Er ließ Law 24 Stunden festsetzen und benachrichtigte Paris. War es Zufall oder Fügung? Der Grenzbeamte, der Law festhielt, war der älteste Sohn eines Adligen der Law zutiefst hasste. Die anfängliche Verwirrung über die Reisegruppe wich unverhohlener Freude als klar war, wen er dort an der Grenze erwischt hatte. Der Vater des Beamten wurde vor Jahren wegen Law seiner Ämter enthoben und hatte nun alle Möglichkeiten ihn zu schikanieren. Er beließ es allerdings dabei, ihm alle Unterlagen und natürlich das Gold abzunehmen. Schließlich, so sagte der Beamte, hatte Law einst verfügt, dass es nicht ausser Landes gelangen dürfe. Law musste mittellos weiterreisen.
1721, als das Kartenhaus bereits zusammengebrochen war, konnte der vom Regenten eingesetzte Konkursverwalter feststellen, um wie viel Law über das gesetzliche Maß die Geldmenge ausgeweitet hatte. Die Buchprüfer fanden mehrere geheime königliche Erlasse, die Geldmenge zugunsten der Krone auszuweiten. Law konnte sich nicht weigern, diese Anordnungen zu ignorieren, also tat er es. Doch auch unter Berücksichtigung dieses Faktes, hatte Law auch eigenmächtig, nämlich 600 Millionen Livre, drucken lassen, von denen der Regent wiederum nichts ahnte. Diese peinlichen Elemente des Konkursberichtes durften nicht an die Öffentlichkeit gelangen. Um sich das Schweigen zu erkaufen, ließ der Regent daraufhin zwei Prüfer zu Generalkontrolleuren ernennen und den einen Aufmüpfigen entlassen.
Ein wahrer Keynesianer gibt nicht auf sein System zu preisen und anzuempfehlen. Im Mai 1722 lobt Law es in einem Brief an den serbischen Finanzminister Rosemberg in den höchsten Tönen. Eine Einladung freilich zur Gründung einer serbischen Monopolbank schlägt er jedoch aus, ebenso wie er eine Einladung des russischen Zaren ausschlägt. Seine Staatsentschuldungsexzesse machten offensichtlich Eindruck auf den europäischen Hochadel. Sie wollten unbedingt sein „Geheimnis“ kennenlernen und es ebenso durchexerzieren und das obwohl sie Law noch vor 1715 alle für verrückt hielten.
Laws Bemühungen, den Handel zu beleben und von Anfang an die Erschließung der Kolonien voranzutreiben, wird ihm heute noch hochangerechnet. Bekanntlich ließ er zu diesem Zweck 500 Handelsschiffe und einige überseeische Häfen bauen. Er warb um Pioniere, die dort die nötige Arbeit erledigen würden. Aber was war das Problem? Fehlende Menschenkenntnis! Wer geht in ein unbekanntes tausende km entferntes Land, um unter klimatisch schwierigen Bedingungen und ungeklärten Gefahren körperlich harte Arbeit zu verrichten, wenn er in der Heimat mit wenig Geld in der Tasche zum Millionär werden kann?
Zu den Staatsschulden ist noch folgendes erwähnenswert. Als Law seinen Posten 1715 antrat, war der Staat mit 2 Mrd. Livre belastet. Anfang 1721 waren es immer noch 2 Mrd. (aber nun mit um 80% geringerer Kaufkraft!) und das obwohl Law Unmengen an Staatsanleihen hat vernichten lassen. Das lag natürlich daran, dass der Regent keine Zurückhaltung kannte. Er war ein Spieler wie Law selbst und sah das Spiel als perpetum mobile an. Warum sollte er Zurückhaltung üben, wenn man ihm die Schulden doch immer wieder durch wundersame Aktienverkäufe abnahm? In der Frage der Besiedlung der Kolonien und in Sachen Abspracheeinhaltung durch den Regenten war Law ein Opfer seiner eigenen Geldpolitiken. Er hatte eben keine Ahnung vom anreizgesteuerten Wesen namens Mensch.
Hier lassen wir die Geschichte des Mannes enden, der Frankreich eine nie dagewesene Hochkonjunktur samt Megabust bescherte. Wir haben alles gesehen, was so ein keynesianischer Boom mit sich bringt: Geldmengenvermehrung, Staatswucher, Bargeldverbote, Bankrun, Intrigen, wilde Spekulationen, Spekulantenbekämpfung, Freiheitsbeschränkungen, Verhaftungen und nicht zuletzt Tumulte und Unruhen.
Die Fehler der Vergangenheit erleben zwar im Moment ein Revival, die die Hoffnungen auf eine bessere Zukunft scheinbar zunichte machen. Aber eine bessere Welt benötigt schlichtweg die besseren Ideen, deren Zeit gekommen ist, wenn alle Gewaltmittel ausprobiert wurden und versagt haben.
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Das ist eine tolle Geschichte und gleichzeitig die Welt, in der wir leben.
Dein Artikel hat einen wunderbaren tiefen Einblick in diese Materie geworfen und ich war beim Lesen total fasziniert und gefesselt, insbesondere auch von der Tatsache, daß ich das alles kenne! Die Laws gibt es immer noch, sie haben nur ihre Methoden vorangebracht und angepasst. Man kann es wohl auf diese Punkte reduzieren: "Bänker sind Mörder und Glücksspieler", "Zentralbanken existieren, um die Finanzierung des Krieges sicher zu stellen" Auch was den ganzen Verlauf betrifft, so wie es sich damals im Fall Law abspielte, sehen wir die selben Muster auch heute. Wenn man das System verstehen will, muss man die Menschen und ihre Antriebe verstehen, die dieses System finanzieren. Irgendwer hat mal gesagt "Geschichte wiederholt sich nicht aber sie reimt sich." Im Kern bleibt das Wesen der Dinge dasselbe, nur die Form verändert sich.
Und noch etwas hat sich geändert, Satoshi hat die Bühne betreten! Bitcoin und die Blockchain werden alles verändern! Nicht nur das Bankenwesen sondern auch das Regierungswesen. Ich finde, wir erleben gerade die spannendste Zeit unseres Lebens.
Auf die Freiheit und das Drama, Prost!
Oh vielen Dank. Du hast die Geschichte ganz gelesen? 😁 Selbstverständlich, die Methoden sind die gleichen geblieben. Law hat es vorgemacht, deshalb war mir sein Lebenslauf so wichtig niederzuschreiben. Das Verständnis um die Bereicherung auf Kosten der übergroßen Mehrheit ist ein wichtiger Meilenstein um das Aufkommen der Kryptowährungen zu verstehen. Ich sag nur: kauft DASH! Aber da bin ich bei dir gerade richtig. 😉
Ich bin auch ein bißchen stolz auf mich ;-D Die war ganz schön lang :-) Hat sich aber auf jeden Fall total gelohnt!!
Frohes Neues Chinesisches Jahr, auf auf Satoshi, schwing dein Schwert!
Super Artikel.
Goethe hatte das ganze ja in Faust 2 verarbeitet.
Er hatte es kapiert, unsere heutigen Politiker leider nicht.
Naja,kapieren tun sie es vielleicht schon, aber Fiatmoney ist für Politiker einfach zu verlockend.
An den guten Ideen mangelt es ja nie. Oftmals wird leider die Umsetzung verunmöglicht, aus diversen Machtinteressen und ... Toller Artikel.., upvoted und resteemd.