Wann es Zeit zu gehen wird
Von Boris T. Kaiser
In Deutschland gilt heute als „rebellisch“, wer gegen Trump, gegen die AfD, gegen die freie Marktwirtschaft, aber für höhere Steuern und Abgaben, sowie mehr staatliche Kontrolle ist. Man hat den Eindruck, Generationen von Deutschen haben in der Schule die falsche Bedeutung des Wortes „rebellisch“ beigebracht bekommen. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, daß dem auch so ist.
Nur durch eine besonders perfide, auf allen Ebenen wirkende, Propaganda lässt es sich erklären, daß sich der deutsche Normie, als kleiner Fisch, der im großen Schwarm mit dem Strom schwimmt, fühlt wie ein Rebell, der gegen das System agiert.
Der so Verblendete sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht; und wähnt sich selbst dennoch auf einer Lichtung der Weisheit. Angefüttert durch vermeintlich kritische Geister in den Medien, der Kultur, der Schule oder der Universität, geht er genau den Informationen nach, mit denen man ihn von Anfang an auf den Holzweg geschickt hat. Bald schon wird er die, ihm so sorgfältig zugeführten, „Wahrheiten“ für eigene Erkenntnis halten.
Leider bewahrt einen eine grundsätzlich kritische und hinterfragende Haltung nicht zwangsläufig davor, geschickter Propaganda zum Opfer zu fallen. Im Gegenteil. Gerade Neugierige, und im Grunde wirklich kritische Menschen, sind oft im besonderen Maße gefährdet einem Manipulator auf den Leim zu gehen, der genau diese kritische Haltung triggert.
Die rote Pille ist nicht genug
Selbst jemand, der die berühmte „rote Pille“ schon einmal geschluckt hat, jemand der eigentlich bereits ein skeptisches Bewusstsein entwickelt hat, kann innerhalb kürzester Zeit, im Sinne des Systems, umprogrammiert werden, wenn er, bei eben jener Skepsis gepackt wird. Dazu muß nur jemand kommen, der den politischen Mainstream revolutionär genug präsentiert.
Der Fernsehmoderator der, "wow! wie cool", einen auf Jack Sparrow für Flüchtlinge macht, und ins Geschäft der privaten Seenotrettung einsteigt.
Der Kabarettist der, ausgerechnet im Staatsfernsehen, den Anstalts-Revoluzzer raushängen lässt, indem er, dem politisch eher halbgebildeten Fernsehzuschauer, Informationen liefert, die ihn aus dem Fernsehsessel hauen, und ihn dann, noch ehe er wieder aufstehen kann, brühheiß mit seiner Interpretation dieser Informationen übergießt.
Der charismatische Lehrer, der seinen Schülern, natürlich ganz uneigennützig, tagtäglich einbläut, daß der Staat eigentlich doch ganz cool und vor allem total wichtig ist.
Der Arbeitskollege, der seinen Kollegen die passende Verschwörungstheorien zur Begründung liefert, warum allzu viel Leistung eigentlich sinnlos ist, solange die Welt von neoliberalen Großkapitalisten und den Juden regiert wird.
Der junge hippe Pfarrer, der die Schriften von Karl Marx mit größerer Inbrunst studiert hat als die Bibel, der den Sozialstaat anbetet und eine realitätsentrückte bunte Gemeinschaft predigt, in der selbst die Fernsten zu den Nächsten werden sollen.
Die links-grünen Kopfverdreher und Staatsextremisten lauern überall. Sie zehren, bei ihrer Agitation, bis heute von den Zeiten, als Linkssein noch für Punk, echten Widerstand, Studenten-Revolte und Sex, Drugs and Rock’n’ Roll stand.
Heute gehören die Rebellen von einst längst zum Establishment. Ihre Ideen sind Mainstream geworden. Daß im Volk immer eine gewisse Gefahr für die Obrigkeit liegt, weiss dieses „neue“ Establishment besser als irgendjemand sonst. Die Propaganda-Strategie, sich proforma an die Spitze kritischer Bürgerbewegungen zu setzen, ist da so genial wie erfolgreich.
Sozialistische und antikapitalistische Thesen kommen, auch im Jahr 2018, noch immer gut an. Der Bürger weiss ja nicht, daß der Kapitalismus längst durch Korporatismus ersetzt wurde. Er weiß nicht einmal was Korporatismus überhaupt ist. Daß die „Antikapitalisten“ schon lange gemeinsame Sache mit den mächtigen Globalsten machen, weiss der Otto Normalmissbrauchte erst recht nicht.
Schon die Nazis waren mit der Methode erfolgreich
Schon die nationalen Sozialisten, der NSDAP, waren sehr erfolgreich darin, ausgerechnet vermeintliche Rebellen und Nonkonformisten für ihre, auf totale Anpassung ausgerichtete, Bewegung zu begeistern.
Die Menschen wollen das Gefühl haben etwas Besonderes zu sein. Schlauer, stärker oder moralisch höher stehend, als die Anderen. Wer ihnen dieses elitäre Gefühl gibt, kann sie nach belieben formen und den eigenen Vorstellungen gemäß anpassen.
„Individualismus“ ist heute Mainstream. Der Widerspruch der darin steckt wird, im Sinne der eigenen Selbstgefälligkeit, gekonnt ignoriert. Der moderne „Individualist“ gibt sich als urbaner Weltenbummler. Begriffe wie Heimat, Verantwortung, oder jegliche tiefere Bindung sind ihm fremd. Beziehungen und Freundschaften werden nur solange aufrecht erhalten, wie sie einem nutzen, und der Andere zu 100 Prozent zum eigenen Lebensentwurf passt. Alles was die „eigene Einstellung“ stört, wird eiskalt ausgeblendet und verbannt. Allem voran, verstörende Fakten und Argumente.
Die Zauberformel, mit der sich blanker Egoismus in, positiv besetzen, Individualismus verwandeln lässt, lautet: „Open Minded“. Mit „open minded“, ist bei vielen heute nur noch das Loch für den Trichter gemeint, durch den sie täglich die Regierungspropaganda eingeflößt bekommen. Viele wollen es offenbar nicht anders.
Wir sollten dennoch nicht verbittert sein. Schon gar nicht wütend, oder gar erfüllt von Hass. In der Demokratie gibt es keinen Grund den politischen Gegner zu hassen. Die Demokratie ist gerecht. Das Volk, die Masse, wird immer genau die Zukunft bekommen, die es gewählt und verdient hat. Der Einzelne wird im Zweifel immer die Möglichkeit haben zu gehen.
Wenn man alles getan hat, um die Menschen wachzurütteln, wenn man, nach bestem Wissen und Gewissen, alle Warnungen ausgesprochen hat, die Menschen sich aber für ein „weiter so!“ entschieden haben, muss man dies als Demokrat, auch und gerade als freiheitlicher Demokrat, akzeptieren. Man muss aber nicht dauerhaft in diesen Verhältnissen leben, die die Massen wollen, wenn sie einem selbst zuwider sind. Das wäre nun wirklich zu viel des Guten.
Ein freiheitlich denkender Mensch, wird es auf Dauer auch gar nicht können. Der Freiheitliche braucht die die Freiheit, wie die Luft zum Atmen. Der reine Demokrat, oder Pseudodemokrat, braucht nur das Gefühl, irgendwie zur tonangebenden Mehrheit und vor allem, zu den Guten, zu gehören. Der Freiheitliche wird in dieser Atmosphäre aus Dummheit, Kleinmut und Heuchelei, auf Dauer ersticken. Ihm bleibt nur der Weg ins äußere oder innere Exil. Es ist besser, sich von der Außenwelt, oder der Welt an und für sich, zu verabschieden, als in der Masse immer mehr zu vereinsamen.
Demokratie bedeutet auch, die Menschen ihrem selbsterwählten Schicksal, vielleicht sogar einer höheren Gerechtigkeit, zu überlassen. Freiheit kann auch die Freiheit zur Unfreiheit bedeuten. Es kann der Punkt kommen, an dem man den Kampf für die Menschen und ihre Freiheit aufgeben muss. Auch wenn einem beide noch so sehr am Herzen liegen. „Einer für alle“ alleine, macht auf Dauer keinen Sinn. Wo es keine echten Werte mehr gibt, da gibt es auch keine Wertegemeinschaft mehr. Da gibt es allenfalls noch eine, alles übertünchende, Ideologie. Wo aber Ideologien herrschen, da gibt es weder individuelle Freiheit, noch echte und tiefe Verbundenheit unter den Menschen.
Das Gift der Ideologie
Wer erst einmal vom Gift der Ideologie befallen ist, der ist in der Regel für lange Zeit verloren. Er wird höchstens ein zweites mal erwachen, wenn er selbst, der Realität und den wahren Problemen, die die Ideologie überdeckt, zum Opfer fällt. Aber das sollte man niemandem wünschen. Schon gar nicht einem alten Gefährten und geliebten Menschen.
Wenn ihn die Realität nicht einholt, wird er selbst allerdings, früher oder später, anfangen seine alten Gefährten zu hassen. Er ist jetzt nur zu leicht aufhetzbar. Der Vergiftete wird sich, mit schäumendem Mund, gegen alle Wenden, mit denen er einst einer Meinung war. Wie ein religiöser Konvertit wird er, mit allem und jedem brechen, der für sein altes Leben steht.
Wer, zum politischen Mainstream Konvertierte, ehemalige Weggefährten beobachtet, wird in fast allen Fällen feststellen, daß diese von nun an, auf exakt dem gleichen primitiven intellektuellen Niveau argumentieren, daß man einst gemeinsam verlacht hat. In den Sozialen Netzwerken werden nun random Artikel aus Mainstream-Medien geteilt, die die neue Haltung für jeden demonstrieren sollen. Begleitet wird das ganze von viel Emotion und der, selbst angelegten, Aura eines Aussteigers, der weiss wovon er redet, obwohl er es offensichtlich nicht weiss.
Aus der kurzen Mitgliedschaft in der AfD, oder auch nur dem Besuch einiger weniger Veranstaltungen, wird die Biografie eines Insiders gestrickt. Zur Belohnung bekommt der politische Konvertit endlich die Akzeptanz und Anerkennung, von der Mehrheitsgesellschaft, nach der er sich so lange gesehent hat. Wenn er Glück hat, bekommt er vielleicht sogar ein Angebot, von einem Verlag, und darf seinen Namen, für ein paar Silberlinge, in Buchform, reinwaschen. Natürlich nur, wenn er bereit ist, seine alten Freunde so richtig in die Pfanne zu hauen. Was der moralisch flexible Konvertit in der Regel auch sein wird. Wenn die Gehirnwäsche, durch die „neuen Freunde“, wirklich gründlich war, wird er die alten Freunde und Werte gar, nicht nur verleumden, sondern sogar selbst an diese Verleumdungen glauben.
Zeit zu gehen...
Es sind gefährliche Zeiten in denen wir leben. Sie werden, gerade durch unsere Erfolge im Meinungskampf, umso gefährlicher für uns. Wie ein verwundeter Bär, wird das angeschlagene Establishment immer aggressiver. Der Feind streift umher, wie ein brüllender Löwe. Er will uns auf allen ebenen vernichten. Man will uns unsere Einnahmequellen, unserer Ansehen und sogar unsere Freunde und Familien rauben. Nicht selten wird es auch gelingen. Wir haben die moralische Verpflichtung das auszuhalten, solange es nur irgendwie geht. Aber es könnte die Zeit kommen, in der es nicht mehr geht.
Wenn die letzten wichtigsten und intimsten Gefährten die Seiten gewechselt haben, wenn die letzten engen Freunde sich von einem selbst und den einstigen gemeinsamen Idealen abgewandt, ja sogar gegen einen gestellt haben, wenn auch das Volk auf Dauer nicht erkennen kann oder will, wer seine wahren Feinde und Freunde sind, dann macht es keinen Sinn mehr, auf verlorenem Posten, weiter zu kämpfen. Spätestens dann, wird es Zeit zu gehen…
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