Postmodernismus erklärt: Skeptizismus und Sozialismus von Rousseau bis Foucault - Teil 41v100
Das Buch "Explaining Postmodernism" von Stephen Hicks setzt sich kritisch mit dem Postmodernismus auseinander und liefert eine Erklärung für dessen Funktionsweise. Als Leitkultur westlicher Kulturen wird der Postmodernismus von vielen Intellektuellen, Akademikern, Künstlern und Politikern vehement unterstützt. Gleichzeitig zeigen sich aber auch in Deutschland immer mehr die negativen Auswirkungen dieses Systems philosophischer - oder sich philosophisch gebender - Axiome, weshalb es von größter Bedeutung ist, den Postmodernismus in seinen Eigenschaften und in seiner Tragweite zu verstehen. Die Vorlage ist das Buch "Explaining Postmodernism" von Stephen Hicks, die Übersetzung ein Eigenprodukt.
Zur vorangegangenen Passage geht es hier.
Dieser Ruin der Menschheit nahm viele Formen an. Wirtschaftliche, landwirtschaftliche und technologische Fortschritte führten zu überschüssigem Wohlstand. Und dieser führte schliesslich zur Notwendigkeit von Eigentumsrechten. Eigntum aber sorgte für Wettbewerb unter den Menschen und so sahen sie sich von nun an als Feinde.
Physisch wurden die Menschen zwar reicher und sie genossen Komfort und Luxus. Aber dieser Wohlstand führte zu physischer Degeneration. Die Menschen begannene zu viel zu essen und sie griffen zu immer dekadenteren Nahrungsmitteln, weswegen sich ihre Gesundheit immer mehr verschlechterte. Gleichzeitig führte die immer stärkere Nutzung von Technik und Werkzeugen dazu, dass die Menschen an physischer Kraft verloren. Eine einstmals physisch abgehärtete Rasse geriet so immer mehr in die Abhängigkeit von Ärzten und Hilfsmitteln.
Im Sozialen erwachte mit dem Luxus die Ästhetik und die Sucht nach Schönheit und diese Standards veränderten das Sexualleben der Menschen. Was einst ein recht einfaches Vorhaben war wurde zu Liebe und die Liebe ist schmutzig und ausgrenzend und eine wählerische Angelegenheit. Und die Liebe, sie weckt die Eiversucht, den Neid, die Rivalität - was alles die Menschen nur noch mehr gegeneinander aufhetzt.
Die Vernunft, die zu all dem geführt hat, was die Zivilisation ausmacht - Landwirtschaft, Technologie, Eigentum und Ästhetik - sie hat die Menschheit damit weich und faul gemacht und sie hat die Menschheit in einen wirtschaftlichen und sozialen Konflikt mit sich selbst gestürzt.
Das Ganze ist aber noch schlimmer, da die nicht endenden sozialen Konflikte wenige Gewinner produzieren, die an die gesellschaftliche Spitze rücken und viele Verlierer, die den Bodensatz ausmachen. Die Ungleichheit ist eine bedeutende und verdammenswerte Eigenschaft der Zivilisation. Diese Ungleichheiten sind verdammenswert, weil Ungleichheiten "wie etwa wohlhabender sein, mehr Respekt haben oder mächtiger sein" nichts weiter als "Privilegien sind, die einige auf Kosten der anderen genießen." Entsprechend kann Zivilisation nichts anderes sein als ein Nullsummenspiel, das sich entlang vieler sozialer Dimensionen erstreckt, und in dem die Gewinner immer mehr bekommen und die Verlierer weiter und zunehmend an Boden verlieren.
Der Zustand einer Zivilisation kann aber noch schlimmer sein, da die Vernunft, die überhaupt erst die zivilisatorische Ungleichheit möglich machte, auch für die Sorglosigkeit gegenüber den Leiden der weniger Glücklichen verantwortlich ist. Nach Rousseau steht die Vernunft im Widerspruch zum Mitgefühl: Die Vernunft erschafft die Zivilisation, und diese ist der Urgrund für die Leiden der Opfer aller Ungleichheit, aber gleichzeitig schafft die Vernunft Begründungen, die es einem erlauben, das Leiden zu ignorieren. "Die Vernunft bringt Egozentrismus hervor," schrieb Rousseau und das Reflektieren verstärkt diesen. Die Vernunft ist, was den Menschen gegen den Menschen hetzt. Die Vernunft ist es, die ihn von allen Lasten und Qualen befreit. Es ist die Philosophie, die ihn isoliert und die ihn im Geheimen beim Anblick eines anderen leidenden Menschen sagen lässt: "Verende doch; mir geht es gut."
In der aktuellen Zivilisation entwickelt sich der Mangel an Mitgefühl zu mehr als nur der Sünde der Unterlassung. Rousseau meinte, dass die Gewinner der Auseinandersetzungen des zivilisierten Lebens ein Eigeninteresse am Erhalt des Systems haben. Die Verteidiger der Zivilisation - vor allem jene ganz an der Spitze, die von jeglichen Alltagssorgen befreit sind - geben alles, um die Fortschritte der Zivilisation in den Bereichen Technologie, Kunst und Wissenschaft als Erfolge zu feiern. Nur, diese Fortschritte und das ganze Lob, das sie bekommen dienen nur der Maskerade für die von der Zivilisation verursachten Schäden. Herbert Marcuse und Foucault vorwegnehmend schrieb Rousseau in dem Aufsatz, der ihn berühmt machte, Abhandlung über die Wissenschaften und Künste: "Die Prinzen sehen mit Vergnügen, wie sehr unter ihren Untertanen der Geschmack für die Kunst des Amusements und des Überflusses ausgeprägt ist." So erlesene Geschmäcker in einem Volk "bedeuten, dass sie an viele Ketten gebunden sind."
"Die Wissenschaften, die Schriftstellerei und die Künste" sind keineswegs dazu da, die Menschheit zu veredeln, sondern sie schmücken wie Girlanden voller Blumen die eisernen Ketten, an denen die Menschheit gefesselt ist, und die ihr das Gefühl geben, dass sie anstelle der ursprünglichen Freiheit, für die sie doch eigentlich geboren wurden, sie lieber ihre Sklaverei bevorzugen und das verwandelt sie in das, was man als zivilisierte Menschen bezeichnet.
Das gesamte Zivilisationsgebäude ist so extrem korrupt, dass keine Reform mehr möglich ist. Entgegen der Ansicht der zaghaften Moderaten, die das Gute aus der Gesellschaft stückchenweise hervorholen wollen, rief Rousseau zu einer Revolution auf. "Die Menschen betreiben [am Staat] kontinuierlich Ausbesserungsarbeiten, auch wenn sie doch schon längst klar Schiff hätten machen müssen und das alte Zeugs beiseiteschieben, wie es Lycurgus in Sparta machte, um danach ein gutes Gebäude zu errichten."