Männer sind vom Mars, Kinder vom Mond? - Ein Kommentar zur öffentlichen Wahrnehmung

in #deutsch6 years ago

Meinung, Kommentar, Kurzgeschichte oder Moin Senf. Einige Gedanken, die mir zu einem Ereignis durch den Kopf gegangen sind, welches mir eigentlich völlig harmlos erschienen ist.
Mitdiskutieren ist natürlich erlaubt und erwünscht.

Männer sind vom Mars, Kinder vom Mond?

Ich streife durch die Hallen eines großen Einrichtungshauses und habe irgendwo auf dem Weg vergessen, wieso ich eigentlich hier bin und wonach ich suche. Mein Blick streift über moderne, gerade Konturen von Schränken und über verschnörkelte Sessel, die stiltechnisch nicht zu den Räumen passen wollen, in denen sie ausgestellt sind. Zahllose Gesichter schieben sich durch die Gänge, betrachten Möbel und Einrichtungsgegenstände. Jede kleine Lücke ist mit Dekoartikeln gefüllt, ein buntes Sammelsurium von Dingen, deren einziger Zweck es ist, zu existieren oder eine Funktion zu erfüllen, die in einem gewöhnlichen Alltag eigentlich keinen Platz hat.

Die Kundengruppe ist recht jung. Viele junge Erwachsene, die sich ihre ersten Wohnungen einrichten, Paare auf der Suche nach der richtigen Einrichtung für eine hoffentlich lange und glückliche gemeinsame Zeit und Familien mit frischem Nachwuchs, teils vor, teils noch im Bauch. Gedankenverloren biege ich um eine Ecke, streiche über ein angeblich echtes, aber spottbilliges Lammfell und wäre fast über ein kleines Kind gestolpert, welches selig zwischen den großen Gitterboxen sitzt und mit einem Bündel Kleiderbügel spielt.

Zugegeben, das war eine Übertreibung. Es lagen immer noch mehr als ein Meter zwischen dem kleinen Mädchen und mir, ich hätte sie kaum übersehen können und selbst wenn, dann hätte ich gleichzeitig ihren Vater umrennen müssen, der danebenstand. Dennoch fesselt es mich für einen Moment, mit wie viel Begeisterung sich dieses kleine Wesen ein paar einfarbigen Kleiderbügeln aus Plastik widmet. Sie blickt zu mir auf und grinst mich fröhlich an. Es dauert einen Moment, bis ich realisiere, dass sie damit mein Grinsen erwidert. Eine kleine Hand mit riesigem Kleiderbügel darin winkt mir zu und ich tue, was wohl jeder Mensch tun würde und winke zurück.

Rundherum bemerke ich Reaktionen, die ich eher fühlen kann, als dass ich sie bewusst sehen würde. Da ist der Vater, der mir skeptische Blicke zuwirft und sich kaum merklich anspannt, bereit, seine Tochter vor dem seltsamen Typen zu schützen. Zwischen den Weingläsern heben sich die Köpfe zweier Frauen hervor, die mich zwar neutral aber dennoch aufmerksam beobachten und eine junge Mutter, die ihre Zwillinge im Einkaufswagen bereits aus der Abteilung schieben will und durch einen Gehfehler auffällt, dreht sich noch einmal um und sieht mir irritiert nach.

Einzig ein Mädchen, vermutlich noch nicht einmal zwanzig Jahre alt und mit einer bunten Fußmatte in der Hand, guckt an mir vorbei auf das Kind. Auch sie wird von der guten Laune angesteckt und grinst fröhlich, aber bei ihr sieht deswegen niemand hin. Nur ihr Freund, der sie zwar mit einer Zärtlichkeit betrachtet, die jede Disney-Romanze grobschlächtig wirken lässt, aber dennoch etwas besorgt wirkt. Er kennt wohl den Kinderwunsch seiner Partnerin, weiß aber auch, dass es noch zu früh für sie beide ist.

Erst als ich von den Küchenmessern zu den Gardinenstangen komme, festigt sich das Bild von dem, was gerade passiert ist. Ich habe einem kleinen Kind gewunken und damit eine Menge Leute beunruhigt. Wie kommt das? Ich sehe recht durchschnittlich aus, meine Kleidung ist ordentlich und sauber, ebenso ich selbst. Wenn ich das Blut unschuldiger Seelen im Bart oder an den Händen kleben hätte, dann wüsste ich das mit Sicherheit. Aber die einzige Erklärung, die mir nach einigem Nachdenken kommen will, ist, dass Männer einfach keine kleinen Kinder mögen. Wenigstens, solange es nicht ihre eigenen sind. Wenn eine Frau, egal welchen Alters, ein Kind beobachtet, wird sie vielleicht dafür belächelt. Gelten für Männer da wirklich andere Regeln?

In Bus oder Bahn langweilen sich Kinder oft und suchen den Kontakt zu Mitreisenden. Wenn sie sich dafür andere Kinder oder Frauen aussuchen, die auf ihr Spiel eifrig einsteigen, werden sie vielleicht einmal ermahnt, schön ruhig zu bleiben. Wenn ich die neugierigen Blicke mit albernem Kopfwackeln erwidere, ernte ich regelmäßig argwöhnische Blicke. Nicht selten entschuldigen sich die Mütter hastig bei mir, dass ihr Kind mich belästigt hat, um dann schnell die Aufmerksamkeit des Sprösslings auf sich zu ziehen und ihn mit irgendetwas zu unterhalten, auf dass er den Rest des Busses nicht belästigen möge.

Und regelmäßig frage ich mich dann, wie ich in den Augen der Leute gewirkt haben muss. Was habe ich an mir, dass man mich vermeintlich vor dieser klaren und ehrlichen Neugier schützen muss, die aus so vielen Kinderaugen strahlt, ehe sie durch eifriges Ermahnen, stumpfe Monitore und vertröstende Süßigkeiten im Laufe der Jahre immer weiter abstumpfen. Was sehen sie in meinem Lächeln, mit dem ich versuche, ein wenig des ehrlichen Glücks der Zwerge zu spiegeln? Bin ich so gruselig, dass sie ihre Kinder schnell vor meinen Augen schützen wollen?

Und ist das ein Problem, das nur ich habe, oder reicht das weiter? Immerhin fällt es mir immer wieder auf, dass Kabinen mit Wickeltischen in öffentlichen Toiletten zwischen Damen- und Herrentoiletten angeordnet sind, statt in der Damentoilette. Auf den Piktogrammen sind dennoch immer Frauen mit Kindern abgebildet. Männer haben Papa-Zeit und babysitten, Frauen sind halt einfach Mütter. Das ist der Eindruck, den man bekommen kann, wenn man mit offenen Augen und Ohren durch die Stadt läuft, die Menschen am Spielplatz beobachtet oder den Gesprächen an der Supermarktkasse lauscht. Bin ich der Einzige, der sich daran stößt?

So aufgeklärt diese Gesellschaft gerne sein möchte, es erscheint einiges merkwürdig. Eine ganze Serie von Missbrauchsskandalen hat sie Menschen vorsichtig gemacht. So misstrauisch, dass sich Mütter dafür entschuldigen, wenn ihre Kinder ein wenig gute Laune und Farbe in die Welt hinaus tragen wollen und damit die „falschen“ Leute erreichen. Dabei können vielleicht gerade die das gut gebrauchen. Kinder sollen Kinder sein dürfen, aber ohne dass man ihnen den Platz dafür zugesteht.

Mir scheint, wir haben noch viel Arbeit vor uns…

Ps.: Hat jemand eine Idee, wie ich die Abstände zwischen Absätzen definieren kann? Ich habe hier jetzt einfach Umbrüche eingebaut, kann mir aber gut vorstellen, dass es eine elegantere Form der Formatierung gibt. Für einen Hinweis wäre ich dankbar, in den Markdown Anleitungen habe ich bisher keine Hinweise gefunden (und html kann ich nicht).

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Schöne Geschichte :) Ja, wir haben noch einiges zu tun, wenn wir eine Gesellschaft ohne Rollen sein möchten - doch geht das überhaupt? Diese "Regeln" (und dazu gehört jedes Piktogramm und jedes Verhalten) sind historisch und biologisch gewachsen. Aber wir entwickeln uns in die "richtige" Richtung und eines Tages, so glaube ich, wird es gar keine verschiedenen Geschlechter mehr geben.

Zu deinem P.S.: Wenn du statt einem Absatz einen Zeilenumbruch machen willst geht das mit
.

Vielen Dank! Und von mir aus müssen ja nicht einmal die Geschlechter aufgelöst werden. Nur die Regeln halt so weit, dass Mann oder Frau nicht seltsam angesehen werden, wenn sie sich einmal untypisch verhalten. Oder, dass dieses "typische" Verhalten einmal gründlich überdacht wird.

Sehr schön geschrieben..

Habe das auch schon des öfteren beobachten müssen, wobei mir das Handeln der Mütter jedes Mal ein Rätsel bleibt...

Wenn dich ein Kind anlacht, dann steckt das an, und wenn dir ein Kind zu winkt, dann winkst du verdammt noch mal zurück, egal wie gestresst du bist - danach bist du wenigstens mit einem lächeln auf den Lippen gestresst :D

Ja, genau das meine ich! Und kleine Kinder verurteilen nicht. Die machen noch ihre eigenen Erfahrungen und ziehen daraus ihre Schlüsse.

Kinder sind noch sooo schön frei und ungeformt !! Wir Erwachsenen sollten uns öfter mal ein Beispiel an ihnen nehmen !

Grüße

Michael

Klingt nach einer hervorragenden Idee. Und Kinder möglichst lange Kind sein lassen wäre noch ein Punkt.

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