Räum‘ deine Zellen auf! Der beste Schutz gegen Altern, Krebs, Alzheimer & Co: 2. Autophagie und mTOR - Zwei Erfolgsgeschichten.

in #deutsch6 years ago

Besondere Resultate oder Entdeckungen erfordern neben etwas Glück vor allem Disziplin, Zielstrebigkeit und vor allem Beharrlichkeit und Begeisterung. Zwei richtig gute Beispiele dafür sind die Entdeckung der Autophagie und von mTOR. Obwohl beide Geschichten sich vom Aufbau her unterscheiden, sind sie im Kern doch den oben genannten Prinzipien unterworfen. Ein Beispiel für unglaubliche Beharrlichkeit ist dabei sicherlich Herr Yoshinori Ohsumi.

Die Entdeckung der Autophagie:

Jeder kennt das Phänomen dieser Tage. Alles muss immer hektisch und schnell abgewickelt werden. Keine Zeit inne zu halten, keine Zeit auch mal weiterzuschauen, ja noch nicht einmal genug Zeit vermeintlich banalen Dingen wie fließend Wasser oder blitzschneller Datenübertragung den gebührlichen Respekt zu zollen. Auffällig ist immer wieder, dass gerade Menschen, die sich noch über etwas Wundern können und deshalb hin und wieder genauer hinschauen, die besten Erfolge vergönnt sind. Einer dieser Menschen ist auf jeden Fall Yoshinori Ohsumi. Yoshinori Ohsumi wurde im Februar 1945 in Fukuoka (Japan) geboren und studierte Chemie und Molekularbiologie in Tokio. Später promovierte er in Biologie und hatte erst mit 43 Jahren seine erste Stelle als Laborleiter inne. Spätestens hier würden viele Leute schon längst kapituliert haben, denn schließlich wollen ja so ziemlich alle: Viel Geld, viel Macht, das Ganze mit wenig Aufwand und am Besten sofort. Nicht so Yoshinori Ohsumi! Yoshinori Ohsumi war stets bestrebt das optimale Forschungsfeld für sich zu finden getreu seinem Motto: „Mach was du wirklich interessant findest.“ Dies war sein Ziel und alles andere war ihm egal. Eines dieser für ihn höchst interessanten Objekte waren Vakuolen. Jeder kennt Vakuolen. Vakuolen sind diese großen Strukturen, die man im Biologieunterricht beim Abmalen von Pflanzenzellen an der Tafel als Speicherort vermittelt bekommt.

Japan cell.png

Im Test nach deren Funktion gefragt antwortet man immer so Sachen wie Entsorgung von Abfallstoffen, Speicherort für Nährstoffe, Organellen zur Aufrechterhaltung des Turgors, oder so ähnlich. Also irgendwie auf den ersten Blick für die meisten Menschen banal und langweilig, dafür aber immerhin einfach zu merken. Yoshinori Ohsumi wiederum war so fasziniert von diesen Strukturen, dass er nicht nur deren Eigenschaften an Pflanzen untersuchte, er ging noch einen Schritt weiter und wollte wissen was diese in Hefen so ausmacht (da gibt’s die nämlich auch). Jeder „normale“ Mensch denkt sich doch nun endgültig: Was soll das? Yoshinori Ohsumi arbeitet an langeiligen Strukturen, deren Funktion jeder Sechstklässler kennt und statt es einfach mal dabei zu belassen macht er mit Hefen weiter, die außer für Kuchen und Bier für nix gut sind? Na dann prost! Ja, wahrscheinlich ging es Yoshinori Ohsumi nie um den großen wissenschaftlichen oder finanziellen Ruhm, er wollte einfach nur etwas machen was er spannend fand und das waren nun einmal diese Vakuolen. Punkt! Aber es kam noch schlimmer. Als Yoshinori Ohsumi seine zahlreichen Experimente mit Vakuolen durchführte bemerkte er beim Zentrifugieren immer wieder Vakuolen, die sich anders verhielten als andere. Na und? Weg damit und weiter gemacht! Nicht so Yoshinori Ohsumi. Für ihn waren gerade diese „Spezialvakuolen“ von entscheidender Bedeutung. Auch wenn es wirklich niemanden außer ihn interessierte nahm die gesamte Forschung über langweilige „Spezialvakuolen“ ab Ende der achtziger Jahre durch ihn derart Fahrt auf, dass er 2016 mit dem Nobelpreis für Physiologie und Medizin ausgezeichnet wurde. Yoshinori Ohsumi hatte nämlich herausgefunden, dass diese „Spezialvakuolen“ einen Prozess namens Autophagie unterlaufen. Die Autophagie (bedeutet übrigens so viel wie „sich selbst fressen“) stellte sich als einer der elementarsten und wohl auch komplexesten zellulären Mechanismen überhaupt heraus. Konserviert von der Bierhefe bis zum Menschen entscheidet die Autophagie darüber ob unsere Zellen eine „Messy-Müllhalde“ oder ein perfekt organisiertes Uhrwerk sind. Dieser Mechanismus bestimmt daher unser Schicksal wie kaum ein anderes zelluläres Programm.
Im nächsten Artikel schauen wir uns deshalb diese Autophagie etwas genauer an. Jetzt wollen wir uns aber mit einer anderen bedeutenden Entdeckung, nämlich mit der Entdeckung von mTOR und Rapamycin beschäftigen.

Die Entdeckung von mTOR:

„Der Zufall trifft nur den vorbereiteten Geist“ (Louis Pasteur). Allerdings muss man dem Zufall und dem Glück auch manchmal ziemlich lange hinterherrennen. Eine faszinierende Kombi aus Zufall und Strebsamkeit ist wohl die Entdeckung von Rapamycin und folglich mTOR. Um eines vorwegzunehmen, der mTOR-Signalweg ist einer der bedeutendsten Signalwege in unseren Zellen, zum Beispiel wenn es darum geht ob sich eine Zelle teilt oder nicht. Dies ist aber erst seit vielleicht Anfang der 2000er so bekannt und wahrscheinlich wäre es noch länger im Verborgenen geblieben, wenn nicht eines Tages jemand auf die Idee gekommen wäre einen Flugplatz zu bauen. Aber nicht irgendeinen Flugplatz. Dieser „besondere“ Flugplatz sollte an einer der schönsten und ursprünglichsten Plätze dieser Erde entstehen. Nämlich auf der Osterinsel, auch Rapa Nui genannt.

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Da Rapa Nui zu diesem Zeitpunkt noch sehr unberührt war, fürchteten viele Wissenschaftler den Verlust unwiederbringlicher Schätze auf der Insel, weshalb eine Expedition ins Leben gerufen wurde. Diese Expedition, unter der Leitung von Stanley Skoryna, brach schließlich im Jahre 1964 auf um für 14 Monate alles Notwendige einzusammeln. Eines der Mitbringsel von Rapa Nui war dabei das Bakterium Streptomyces hygroscopicus. Dass genau dieser kleine Wicht künftig die Wissenschaft derart in Aufruhr versetzen würde ahnte zunächst wohl niemand. Und genau deshalb tat sich anfangs auch nicht besonders viel bis schließlich, beinahe 10 Jahre später, ein mysteriöses Antibiotikum aus Streptomyces hygroscopicus isoliert werden konnte. Zu Ehren von Streptomyces hygroscopicus wunderschöner Heimat (Rapa Nui) wurde dieses Antibiotikum Rapamycin dann genannt. Aus welchem Grund auch immer, vielleicht weil Rapamycin statt gegen Bakterien nur gegen Pilze eingesetzt werden kann (?), interessierte sich erneut niemand ernsthaft dafür. Erst mit Beginn der 90er Jahre (also mehr als 25 Jahre nach der Bergung von Streptomyces hygroscopicus auf Rapa Nui) wagten sich Wissenschaftler wieder näher an diese dubiose Substanz heran. Da bekannt war, dass Rapamycin auf Pilze wirkt, wurde einfach die Bierhefe (Saccharomyces cerevisae) mit Rapamycin behandelt und man schaute ob es irgendeine Mutante der Bierhefe gibt, welche nicht durch Rapamycin beeinträchtigt wird. Und tatsächlich es gab eine und auch die dafür verantwortliche Genetik konnte schnell aufgeklärt werden, wodurch das Ziel (englisch Target) von Rapamycin, in Kombination kurz TOR (Target of Rapamycin), ausfindig gemacht werden konnte. Unmittelbar danach stellte sich dann auch noch heraus, dass dieses Target bei allen Lebewesen von der Hefe aufwärts vorhanden ist. So auch bei Säugetieren oder Mammalia, weshalb es auch als mTOR (mammalian Target of Rapamycin) bezeichnet wird. Doch es sollte noch weitere Jahre dauern bis sich schließlich zeigte welche Konsequenz diese Entdeckung für jeden von uns hat.
Man muss sich das vorstellen. Es brauchte bald 35 Jahre bis aus einem glücklichen Zufall und der immer wieder einsetzende Initiative vieler Menschen maßgebliche Erkenntnisse über unser tägliches Leben erzielt werden konnten. Aber noch viel verblüffender ist die Tatsache, dass diese Erkenntnisse so offensichtlich sind, dass man sich ernsthaft fragt warum es selbst heute immer noch nicht die Spatzen von den Dächern pfeifen.
Im vierten Artikel werden wir uns näher mit Rapamycin und mTOR befassen und im fünften Artikel treffen sich mTOR und die Autophagie dann zum großen Showdown wo ihr endgültig erfahren werden was die vermeintlich langweiligen Studien von Yoshinori Ohsumi und die Entdeckung von Rapamycin für euch bedeuten.
Bis dahin wünsche ich euch eine schöne Woche und hinterlasst mir doch einfach einen Kommentar, wenn euch der Artikel gefällt, ihr Fragen oder Einwände habt.

Let’s go Stemmians

Euer Chapper

Quellen:

Das Bild mit der “japanischen Zelle“ hab‘ ich selbst-gebastelt und kann ohne Bedenken frei verwendet werden. Es wäre aber schön, wenn ihr diesen Artikel hier zitieren könntet. Danke sehr 😉

Mehr zum Leben von Yoshinori Ohsumi findet ihr hier

… und hier

Das Bild der Steinfiguren gibt hier

Weitere Artikel zum schmökern:

Jan Osterkamp; Nobelpreis für Physiologie oder Medizin: Abfallcontainer für den zellulären Recyclinghof; Spektrum der Wissenschaft 12.16; S. 25-26

David Stipp; Gerontologie: Ein neuer Weg zu längerem Leben; Spektrum Spezial Mensch 2.0; 3.2014; S. 50-57

A long and winding sTORy. Nat Cell Biol, 2017. 19(10): p. 1131.

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Ich fand den Artikel sehr kurzweilig geschrieben und hab einiges mitnehmen können. Jetzt bin ich gespannt zu erfahren, was mTor und Autophagie noch so drauf haben!

Kein Problem,

der nächste Artikel kommt voraussichtlich am Mittwoch gegen abend.

Den vierten hau ich bis Freitag raus.

Der fünfte erwartet dich dann den darauffolgenden Montag oder Dienstag.

Vielen Dank für dein Reply und eine schöne Woche dir.

Gruß

Chapper

@chappertron, enjoy the vote!

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