6. Zauberei?

in #communication8 years ago

Das kennt ihr bestimmt auch alle: Ihr unterhaltet euch lange mit jemanden und stellt am Ende der Unterhaltung fest - das hat irgendwie nicht funktioniert.
Wie kommt das? Kommunikation besteht zu 90 % (ungefähr) aus nonverbaler Kommunikation, zu 10 % ca. aus verbaler Kommunikation. Was sagt uns das? Bedeutet dies, dass es kaum darauf ankommt, was wir sagen?

Natürlich ist das nicht so. Die Frage ist, welche Wichtigkeit besitzen die 90 % nonverbale Kommunikation und woraus besteht diese?

Was also findet in nonverbaler Kommunikation statt?
Um mit einem Menschen vernünftig kommunizieren zu können, benötigt es zunächst einmal die Bereitschaft dieses Menschen zur Kommunikation mit dir. Wenn du auf der Straße einfach jemanden ansprichst, wirst du vielleicht einen Gesichtsausdruck der Verwunderung feststellen. Woran liegt das? Dieser Mensch, den du gerade angesprochen hast, hat überhaupt nicht damit gerechnet, dass du ihn ansprichst. Vielleicht war gerade dabei auf den Bus zu warten und sich zu überlegen was er heute Abend zu essen kochen möchte, oder er dachte an seine Arbeit, auf jeden Fall war er wahrscheinlich mit etwas völlig anderem beschäftigt als du. Darüber hinaus hat er wahrscheinlich in keiner Weise damit gerechnet, dass du ihn ansprichst.

Immerhin hast du seine Aufmerksamkeit gewonnen. Das reicht, um zum Beispiel die Frage zu klären, wie man am schnellsten zum Bahnhof kommt. Inhalte, die sich auch durchaus schriftlich übertragen lassen, benötigen eigentlich keine nonverbale Kommunikation, um verstanden zu werden.
Der Vorteil einer schriftlichen Übertragung der Kommunikation ist, dass man den Text immer wieder lesen kann. Schriftliche Kommunikation ist sinnvoll, wenn es sich um eindeutige Inhalte dreht.

Wann aber drehte sich nur um eindeutige Inhalte? Sobald sogenannte "zwischenmenschliche" Kommunikation hinzuzukommt, sind die zu übermittelnden Inhalte der Kommunikation völlig andere und schon gar nicht eindeutig – jedenfalls in dem Bewusstsein der meisten Menschen.
Dies beginnt schon mit der Begrüßung. Stelle dir vor, du wärst auf einer Party, du triffst jemanden, den du lange nicht gesehen hast. Um dich herum viele Menschen, die Musik ist laut. Wie kommunizierst du mit dem Menschen, den du gerade getroffen hast? Wie gesagt, die Musik ist laut - bist du sicher dass er dich überhaupt versteht?

Schauen wir uns die Kommunikation genauer an:

Der allererste Part ist der Augenkontakt : Du siehst ihn, er sieht dich. Wie seht ihr euch an? Wie ist sein Gesichtsausdruck? Überrascht? Fragend? Kannst etwas in seinem Gesicht “lesen“? Wie ändert sich seine Körperhaltung, nachdem er dich gesehen hat? Streckt er sich? Duckt er sich? Dreht er sich vielleicht sogar weg?
Gehen wir mal davon aus das er dich weiter ansieht. Lächelt er? Gehen seine Mundwinkel nach unten? Werden seine Augen größer? Werden sie kleiner? Bekommt sein Gesicht eventuell einen gespannten Ausdruck? Oder wirkt sein Gesicht gelöst?
Hebt er die Hand zum Gruß? Oder steckt er vielleicht die Hände in die Hosentaschen?
Dies alles zu erkennen dauert vielleicht 5 Sekunden, bestimmt aber bereits den Ablauf der Kommunikation in den nächsten Minuten - jedenfalls was dich angeht.
Was ist mit deiner Mimik, deiner Körperhaltung? Was signalisiert du in den ersten Sekunden des Wiedersehens? Überraschung? Freude? Interesse? Oder vielleicht Abneigung? Denkst du vielleicht sofort an ein zurückliegendes unangenehmes Ereignis in Verbindung mit dieser Person? Oder vielleicht auch an einem besonders angenehmes? Oder denkst du “Ach der schon wieder“?
All diese Gedanken werden sich in deiner Mimik, Körperhaltung, deinem gesamten Ausdruck widerspiegeln, allerdings nicht für jeden erkennbar, sondern nur für diejenigen, die dich kennen, die wissen, wie dein Ausdruck in welchen Situationen normalerweise ist.

Die ersten Sekunden eures Wiedersehens sind also vom einer ziemlich umfangreichen Kommunikation durchsetzt, die die Weichen für die weitere Kommunikation stellt.

Du gehst also quer durch den Raum zu dieser Person. Auch die Art, wie du gehst, besitzt einen Ausdruck. Du kannst gelangweilt schlendern, du kannst stocksteif auf ihn zu gehen, kannst deine Schritte freudig beschleunigen, du kannst auch einfach ganz normal zu laufen, locker, entspannt, ein Lächeln auf dem Gesicht.
Während dessen macht die andere Person was? Macht sie einen Schritt auf dich zu? Dreht sie sich von dir weg und wendet sich wieder ihrem Gespräch anderen Leuten zu? Zeigt sie Interesse? Oder Ablehnung? All dies registrierst du, wenn auch unbewusst. In dir entwickelt sich eine Erwartungshaltung bezüglich der auszutauschenden Worte, du legst dir deine Worte bereits im Geiste zurecht.
Gesetzt den Fall, du freust dich auf die andere Person und diese freut sich genauso, dich zu sehen, habt ihr dieses Verhältnis bereits innerhalb der wenigen Sekunden, die bisher verstrichen sind, geklärt. Ihr habt euch wechselseitig signalisiert, dass ihr euch freut, euch zu sehen, ihr zeigt Offenheit für eine weitere Kommunikation und verabredet das miteinander. Deswegen hast du dich auf den Weg zu dieser Person gemacht. Hätte sich in den ersten Sekunden herausgestellt, dass dies nicht unbedingt ein freudiges Treffen ist, wärest du vielleicht nicht auf dem Weg durch den Raum auf diese Person zu.

Bisher wurde nicht ein einziges Wort gesprochen. Ist auch etwas schwierig, bei dieser lauten Musik versteht man sowieso nichts. Wieso ist das in diesem Zusammenhang eigentlich nicht so wichtig? Kommunikation besteht doch aus sprechen - oder?

Offenbar zieht es dich zu dieser Person hin, auch wenn völlig unklar ist, ob sie deine Worte überhaupt versteht.

Du bist nun fast bei dieser Person angekommen. Die Begrüßung steht bevor. Wie wird diese ausfallen? Ich gehe mal davon aus, dass ihr gute Freunde seid, die sich lange nicht gesehen haben. Werdet ihr euch die Hand geben oder werdet ihr euch umarmen? OK, ihr habt euch lange nicht gesehen. Ihr wisst noch nicht so recht, wie ihr euch begrüßen sollt. Wie vertraut wart ihr, als ihr euch das letzte Mal gesehen habt? Die Art der Begrüßung werdet ihr gleich miteinander aushandeln, ohne ein Wort darüber zu verlieren, also völlig nonverbal.
Als du näher kommst streckt dein Gegenüber seine Körperhaltung, lächelt dich an, wendet sich dir frontal zu, erhebt die Arme etwas und breitet sie aus. Diese Gestik und Mimik verstehst du völlig richtig als die Aufforderung, sich zur Begrüßung zu umarmen.
Hätte er sich dir nicht frontal zugewandt, die Arme hängen lassen und dich lediglich angelächelt, so hättest du jetzt vielleicht einfach die Hand zum Gruß gehoben und ebenfalls gelächelt. So aber hast du quasi eine Einladung erhalten, der du nun nachkommst.

Dass du diese Einladung erhalten hast, beruht auf den Signalen, die du in den letzten Sekunden gesendet hast, sowie auf der Einschätzung deiner Person, die bei deinem Gegenüber vorhanden ist.
Kurz bevor du die Person erreichst, streckst du dich ebenfalls, breitest die Arme aus und trittst an ihn heran. Ihr legt wechselseitig kurz die Arme umeinander, drückt euch und lasst wieder los.
Wieder habt ihr nonverbal miteinander kommuniziert. Diesmal sind weitere Elemente der Kommunikation hinzu gekommen.

Wie du dich erinnerst, kommunizieren wir mit allen unseren Sinnen. Während der kurzen Umarmung hast du viele Eindrücke wahrgenommen, die dir vielleicht gar nicht völlig bewusst wurden. Wie fest war die Umarmung? Wurdest du fest gedrückt? War es lediglich die Andeutung einer Umarmung mit lockerem Druck? Wie fest hast du gedrückt? Was hast du dabei gespürt? Hat sich der Körper deines Gegenübers dabei eher verfestigt, also vielleicht etwas verspannt oder wurde der Körper weich, elastisch? Was hast du gerochen? Ich meine damit nicht die Kategorien "frisch geduscht“ oder “es wäre mal wieder Zeit zum Duschen“ sondern eher den Körpergeruch. War dieser angenehm? Konntest du dein Gegenüber „gut riechen“? Hat dich etwas gestört? Hast du Parfum gerochen? Hast du Alkohol gerochen?
Wie war der Gesichtsausdruck deines Gegenübers kurz vor der Umarmung? Hast du in seinem Gesicht Freude gesehen? Unsicherheit? Und wie war das nach der Umarmung? Hat sich der Gesichtsausdruck verändert? Ist der Gesichtsausdruck jetzt vielleicht etwas gelöster?
Wie ist die Körperhaltung deines Gegenübers nach der Umarmung?
Wie würdest du diese Umarmung bewerten? War sie stimmig? Passte alles? Oder war es vielleicht so das dich irgendetwas Unbestimmtes gestört hat?

Wir alle kennen diese Situation, in der wir so tun als würden wir uns freuen, jemanden zu sehen, weil es dazu gehört oder weil wir meinen, wir müssten uns so geben. Meist ist dies so eine Art Kiss-Kiss Begrüßung, in der während eines kurzen eher angedeuteten Körperkontaktes Luftküsse ausgetauscht werden. Auch die ärgsten Feinde können sich auf diese Art begrüßen, wenn es denn gesellschaftlich gewünscht ist. Das gleiche gilt für einen Händedruck. Wir wissen dann intuitiv, dass die Freundlichkeit in dieser Begrüßung nicht echt ist. Woher wissen wir das?

Auch dies ist nonverbale Kommunikation auf hohem Niveau: Wir geben mehr oder weniger bewusst Signale von uns, von denen wir annehmen, dass sie in dem jeweiligen Kontext Freundlichkeit ausdrücken würden. Andererseits geben wir unbewusst (!) auch völlig andere Signale von uns.
Im Falle der Kiss-Kiss Begrüßung ist es dann vielleicht einfach so, dass wir den Körper völlig steif machen, die Wangen nur kurz aneinander halten und betont die Luft küssen. Dabei vermeiden wir es, die andere Person mehr zu berühren als unbedingt erforderlich. Die Temperatur unserer Wangen wird er etwas geringer sein, die Dauer des gesamten Körperkontaktes so kurz wie möglich.
Im Falle des Händedrucks wird dieser auch eher kurz gehalten werden, nicht besonders fest sein, die Temperatur der Hand wird ebenfalls etwas geringer sein und die Feuchtigkeit der Handflächen leicht erhöht. Vielleicht wird uns der Händedruck des Gegenübers ein wenig "fischig" vorkommen, wie dies oft bei Personen auftritt, die stark unsicher sind.
In beiden Fällen wird der Gesichtsausdruck eher etwas hölzern oder versteinert wirken mit den Resten einer allgemein verbindlichen Mimik wie Lächeln. Wenn man sich jedoch die Augenpartie ansieht, wird man feststellen, dass diese keinen freudigen Ausdruck darstellt.
Eigentlich sind solche Begrüßungen also eher sinnlos, da wir intuitiv wissen, dass die gespielte Freundlichkeit nicht echt ist.

Man nennt dieses Verhalten inkongruent, dies bedeutet im weitesten Sinne, dass zwei oder mehrere Elemente der Kommunikation nicht zusammenpassen. Dies können völlig verschiedene Elemente sein, zum Beispiel einerseits das Lächeln und andererseits die verknüpften Augenpartie oder auch ein völlig fischiger Händedruck mit der gepresst vorgetragenen Formulierung „ich freue mich auch sehr Sie zu sehen“.
Diese Inkongruenz kann sehr subtil sein, also kaum zu bemerken. Trotzdem haben wir ein merkwürdiges "Bauchgefühl", irgendetwas sagt uns, dass da etwas nicht stimmt. Wir kommen aber nicht unbedingt gleich darauf, was denn da nicht stimmt, denn die meisten Wahrnehmungen, die wir verarbeiten, verarbeiten wir eben nicht bewusst. Wenn dieses unbestimmte Gefühl auftaucht, dass da etwas nicht zusammen passt, nicht stimmig ist, sollten wir darauf hören...

Zurück zu unserem Wiedersehen. Bisher wurde nicht ein einziges Wort gesprochen und doch ist uns klar, dass wir uns freuen, denjenigen wieder getroffen zu haben und dieser sich ebenfalls freut uns wieder getroffen zu haben. Wir haben innerhalb von Sekunden eine Kommunikationsebene gefunden, die es uns ermöglicht, direkt in eine gute verbale Kommunikation einzusteigen. Dies versuchen wir nun auch.
Du äußerst eine Frage: „Mensch, wir haben uns ja ewig nicht gesehen, wie geht es dir?“ Wir erinnern uns, die Musik ist laut. Dein Gegenüber fragt zurück: „Was hast du gesehen?" Nun gut, das war wohl nichts... Die Musik ist wirklich laut.
Du lachst, zuckst mit den Schultern und gibst mit einer Geste zu verstehen dass du kaum etwas verstanden hast. Auch der Gegenüber lacht, wiederholt deine Gestik und Mimik und gibt dir so zu verstehen, dass er der gleichen Meinung ist wie du. Du lächelst, schaust dein Gegenüber fragend an und deutest dann mit dem Zeigefinger auf den Ausgang des Zimmers. Dein Gegenüber blickt in die Richtung in die du zeigst, blickt dann wieder zu dir und nickt. Ihr habt euch also verabredet das laute Zimmer zu verlassen und euch ein ruhigeres Plätzchen zu suchen, um sich zu unterhalten. Bisher habt ihr lediglich feststellen können, dass keine verbale Kommunikation zustande kommen konnte.
Ihr verlasst also den Raum und sucht euch einen ruhigeren Ort. Wie üblich landet ihr in der Küche, wo noch Reste des Buffets stehen.
Hier ist es deutlich leiser und ihr könnt euch unterhalten. Von dem Zeitpunkt des ersten Augenkontaktes bis jetzt habt ihr die Basis für die jetzt folgende Kommunikation gelegt. Ihr habt nonverbal zum Ausdruck gebracht, dass ihr euch freut, euch wieder gesehen zu haben, die Freude durch einen Körperkontakt zum Ausdruck gebracht und durch das Wechselspiel von gesendeten und empfangenen Signalen eine gemeinsame Ebene für die jetzt folgende Kommunikation gefunden.
Ihr habt sozusagen eine Verbindung zwischen euch hergestellt, einen Draht zueinander gefunden, über den eure Kommunikation gut umzugehen wird. Ihr habt euch aufeinander eingestellt. Hierzu später mehr.

Zunächst noch einmal zum Thema Körpersprache und Mimik. Hierzu gibt es viele kluge Publikationen, in denen verschiedene Körperhaltungen und ihre Bedeutung vorgestellt werden. Es kommt jedoch überhaupt nicht auf die Bewertung einzelner Körperhaltungen an sich an sondern eher auf die Bewertung von Haltungen und Gestik im jeweiligen Kontext.
Verschränkte Arme müssen nicht unbedingt Ablehnung bedeuten, es kann durchaus sein, dass die Person diese Körperhaltung einfach als angenehm empfindet. Zusammen gekniffenen Augen können auch auf Schmerz oder starke Sonneneinstrahlung hinweisen.
Interessant sind Änderungen der Körperhaltung: Wenn eine Person zunächst in offener Haltung gesessen hat und auf einmal die Arme verschränkt und vielleicht den Kopf ein wenig schräg hält dies mit Sicherheit etwas zu bedeuten. Es fragt sich nur, was genau. Vielleicht ist das der Ausdruck von Ablehnung oder ungäubigem Staunen?
Es kommt also einerseits darauf an, in welchem Kontext eine Begegnung stattfindet und ob die körperliche Grundhaltung diesem Kontext generell angemessen ist, sowie welche Veränderungen sich während eines Gespräches ergeben.

Die genaue Wahrnehmung, die Einstellung auf das Gegenüber und die Einschätzung seiner Signale bezeichnet man als Kalibrierung. Hierbei werden möglichst alle bedeutsamen Gegebenheiten berücksichtigt, so zum Beispiel die allgemeine Körperhaltung (offen, geschlossen, ruhig oder zappelig), die Haltung der Extremitäten (Arme verschränkt oder offen, Beine übereinander geschlagen oder nebeneinander gestellt), die Haltung des Kopfes (geneigt oder gerade), der Öffnungsgrad der Augenlider, die Art und Richtung der Augenbewegungen (ruhig, hektisch, nach oben oder unten, nach links oder rechts), die Frequenz des Lidschlages, die Beschaffenheit der Haut (blass oder rosig, feucht oder trocken), die Atemfrequenz (schnell oder ruhig) sowie die Atemtiefe (tief und entspannt oder schnell flach) sowie zum Beispiel noch die Art des Sprechens (ruhig mit tiefer Stimme oder schnell mit hoher Stimme, abgehackt oder fließend).
Diese Sammlung mutet jetzt schon ziemlich umfangreich an, ist aber noch lange nicht vollständig. All diese Dinge nehmen wir unbewusst war, verarbeiten sie und ziehen unsere Informationen daraus, allerdings meistens unbewusst.
Durch die Wahrnehmung der sich ergebenden Änderungen können im jeweiligen Kontext Rückschlüsse darauf gezogen werden, was diese Änderung ausgelöst haben könnte. Es kommt also vor allem darauf an diese Änderung zu registrieren und zu prüfen, ob die neue Haltung in den Kontext passt.
Stell dir vor, du wähntest dich in einer romantischen Situation und setzt gerade zu einem Kuss an, während sich dein Partner auf einmal die Kopfhaare befühlt und meint, es wäre dringend ein Friseurbesuch angesagt. Dann war entweder der Kontext in dieser Situation ein anderer als gedacht oder die Verbindung zu deinem Partner ist plötzlich abgerissen – auf jeden Fall passen sowohl die Bewegung als auch die Äußerung deines Partners nicht in den von dir vermuteten Kontext...

Anders herum: Vielleicht hast du ja bereits einmal festgestellt, dass sich während eines Gespräches dein Gegenüber auf einmal einer ähnlichen Gestik bedient wie du oder eine ähnliche Körperhaltung eingenommen hat. Vielleicht ist dir bereits einmal aufgefallen, dass sich auch das von den Beteiligten Partnern verwendete Vokabular in einem Gespräch angleicht, Ausdrücke aus einem verwandten Bereich benutzt werden oder sich auch der Redefluss im Takt sowie der Tonhöhe aneinander anpasst.

Dieses Phänomen lässt sich mit den Begriffen Matching und Mirroring , zu deutsch anpassen und spiegeln beschreiben.
Meistens handelt es sich um völlig unbewusste Vorgänge, die automatisch ablaufen - dies liegt uns sozusagen in den Genen. Bereits Babys verwenden die Technik des spiegelns. Ja, man kann dies Phänomen auch als eine Technik oder sogar als Teil einer Strategie bezeichnen (obwohl man diese Begriffe nicht durcheinander werfen sollte). In Bezug auf Babys handelt es sich sogar um eine überlebenswichtige Strategie: Durch das Spiegeln bestimmter Verhaltensweisen wie zum Beispiel dem Lächeln der Mutter verstärkt das Baby das Gefühl der Zusammengehörigkeit in seiner Mutter, was wieder den Pflegetrieb verstärkt, also dem Baby zugute kommt.
Spiegeln gibt es bei verschiedenen Tierarten, es gibt heute die vorherrschende Meinung das dieses Verhalten angeboren ist und auf dem Vorliegen spezieller Verschaltungen im Gehirn, den sogenannten Spiegelneuronen beruht.

Was ist Spiegeln nun eigentlich? Laufen wir als Spiegel herum, in dem sich die Verhaltensweisen anderer Menschen widerspiegeln? Nun ja, fast...

Die Spiegelneurone besitzen Verschaltungen zu vielen Anteilen des Gehirns. Sie ermöglichen uns offenbar erst die Ausbildung von Empathie. Sie sorgen dafür, dass Lachen genau so ansteckend ist wie Gähnen, sie ermöglichen Mitleid in seiner eigensten Form, sie führen dazu, dass wir Handlungen anderer Personen nachvollziehen und den weiteren Ablauf von Handlungen vorhersehen können. Ohne diese Fähigkeiten wäre wohl der Autoverkehr überhaupt nicht möglich, denn wir nehmen unbewusst die Handlungen der anderen Verkehrsteilnehmer wahr und führen sie genau so unbewusst in unserem Kopf weiter fort, so dass wir „ahnen“, welche Handlungen sie wohl vornehmen werden.
Die äußeren Anzeichen des Spiegelns sind beispielsweise zu gähnen wenn jemand anderes gähnt, oder in ein Lachen einzustimmen. Auch das Zusammenzucken, wenn sich jemand anderes den Kopf stößt ist spiegeln. Zurückzulächeln, wenn man angelächelt wird gehört ebenfalls dazu - wobei wir wieder bei der nonverbalen Kommunikation wären.

Abgesehen vom unbewussten, angeborenen Spiegeln kann man auch bewusst Spiegeln, um bestimmte Effekte zu erzeugen. Ein Spiegeln einiger Verhaltensweisen in einem Gespräch - ohne es zu übertreiben oder eine Person nachzuäffen - kann durchaus dazu führen, dass sich die anderen Person angenommen und willkommen fühlen kann. Es können Gesten sein, wie ein Kratzen am Kopf, ein Griff an die Ohren, bestimmte Gesten wie das hochziehen einer einzelnen Augenbraue oder eine bestimmte Handbewegung, es kann aber auch das schrittweise und unauffällige angleichen der Körperhaltung wie das Übereinanderschlagen der Beine oder eine leichte Vorbeugung des Oberkörpers sein.

Matching bedeutet Angleichen, was wiederum in einem größeren oder auch kleinerem Kontext gesehen werden kann. Matching ist z.B. die Uniformierung aller Mitglieder des Schützenvereins, bestimmte Grußformen z.B. beim Militär, Matching kann auch bedeuten, sich für die gleichen Hobbys zu interessieren, ähnliche politische Ansichten zu vertreten oder den gleichen Lieblingsitaliener gut zu finden. Matching bedeutet einander anzugleichen, Ähnlichkeiten herzustellen. Matching ist ein wichtiger Faktor von Blockbildungen wie bei Fußballfans, die bei ihren Festivitäten nichts weiter verbindet als ein Zugehörigkeitsgefühl zum selben Verein, Matching schweißt Nazis und Autonome zusammen und sorgt auch für globale Blockbildungen. Matching erzeugt ein allgemeines „Wir“-Gefühl, welches universell nutzbar ist.

Zusammen beteutet matching und mirroring, sich so weit wie im jeweiligen Kontext vertretbar an eine andere Person anzunähern ohne dabei sich selber untreu zu werden oder sich aufzugeben, also definitiv ohne zu übertreiben oder eine Person zu kopieren. Es dreht sich hierbei eher darum, bestimmte einzelne Aspekte herauszugreifen und dementsprechend umzusetzten.
Man kann diese Technik wie gesagt bewusst einsetzen, um zwischen verschiedenen Personen eine bessere Verbindung herzustellen.

Um zu lernen, was dies in der Praxis bedeutet, wie mirroring und matching funktioniert, macht es Sinn, sich dieses bei anderen Personen anzusehen. Häufig findet man unbewusstes matching und mirroring bei Verliebten, bei langjährigen Ehepaaren, sehr guten Freunden oder eingespielten Arbeitskollegen. Spontane Sympathie beruht sehr oft unter Anderem auf diesem Phänomen.

Als Nächstes kannst du versuchen, in einem Gespräch vorsichtig und zurückhaltend einzelne (!) Körperhaltungen oder Verhaltensweisen des Partners zu adaptieren, allerdings ohne sie eins zu eins zu kopieren. Die Haltung der Beine wäre geeignet oder die Übernahme des Atemrhythmus, aber auch der Rhythmus des Lidschlages oder die Übernahme einer bestimmten wiederkehrenden Geste in abgewandelter Form. Dazu könntest du ein bestimmtes gemeinsames Interessengebiet thematisieren.
Durch dieses angleichen und spiegeln wird das Gefühl einer gemeinsamen Basis erzeugt, was eine weitere Kommunikation offener und vertrauensvoller gestalten hilft.

Wenn dies funktioniert, wirst du merken, dass sich nach einiger Zeit dein Gesprächspartner auf dein Verhalten und deine Körperhaltung einstellt, bestimmte Körperhaltungen ebenfalls annimmt wenn du deine änderst, vielleicht sein Sprachmuster deinem anpasst, was auch immer, er wird sich in seinem Verhalten deinem teilweise anpassen. Sobald dieses geschehen ist, hast du eine Verbindung zu deinem Gegenüber hergestellt, man nennt dies "Rapport". Rapport ist die Voraussetzung für vertrauensvolle Gespräche.

Die zuvor beschriebenen Techniken bezeichnet man auch als "Pacing", was so viel bedeutet wie sich im Schritt anzugleichen, im Gleichschritt zu laufen oder auch mitzumachen. Sobald sich dein Gegenüber dir anpasst, nenn man dies "Leading", also führen. Du führst dann deinen Partner und er wird deutlich leichter und intensiver auf das eingehen, was du sagst oder tust.

Wie gesagt, diese beschrieben Angleichungen und das aufeinander abstimmen findet immer wieder statt, ohne dass man bewusst irgendetwas dafür tun muss, sozusagen spontan. Man kann es mit den beschriebenen Techniken jedoch auch induzieren, sollte dies allerdings immer vorsichtig und verantwortungsvoll tun.

Es gibt durchaus Menschen, die diese Techniken ganz bewusst einsetzen, um daraus ihren Vorteil zu ziehen, sei es beim Gespräch mit deinem Kundenberater oder einem Versicherungsverkäufer (was durchaus dasselbe sein kann), auch insofern macht es also Sinn, zu wissen, wie dies funktioniert.

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