Großes Kino der Notenbanken

in #central5 years ago

In den vergangenen Tagen wurde ich mehrfach gebeten zu präzisieren, warum der von der Fed eingeschlagene Weg der Bilanzkürzung meiner Ansicht nach in eine Sackgasse führt. Diesem Wunsch komme ich hiermit gerne nach:

Kann man von Notenbankern stets erwarten, dass sie wissen, was sie tun? Zweifel daran sind angebracht. Vor allem bei folgendem Vorgehen stochern die Währungshüter weitgehend im Nebel: Sie wissen nicht, ob sie die Bilanzen der Notenbanken wieder schrumpfen lassen können, nachdem diese seit der Finanzkrise stark aufgebläht wurden.

Janet Yellen, Ex-Chefin der amerikanischen Notenbank, tat allerdings so, als ob sie es wüsste. Sie behauptete, die von ihr 2017 angestoßene Schrumpfung der US-Notenbankbilanz werde wahrscheinlich genauso langweilig verlaufen, wie wenn man Farbe beim Trocknen zusehe. Das sollte soviel heißen wie: alles kein Problem.

Ihr Nachfolger Jerome Powell schaute dieser Schrumpfung tatsächlich eine Zeitlang gelangweilt zu. Inzwischen scheinen ihm aber Zweifel zu kommen. Vor Kurzem deutete er zumindest seine Bereitschaft an, beim Schrumpfen auf die Bremse zu treten.

Ob er dies aus Überzeugung tat oder lediglich von den Finanzmärkten dazu getrieben wurde, sei dahingestellt. Nach meiner Einschätzung hätten die Bilanzkürzungen der Notenbanken jedenfalls viel aufregendere Folgen als trocknende Farbe.

Um das zu erkennen, muss man sich vergegenwärtigen, warum die Bilanzen überhaupt erst aufgebläht wurden. Die gängigste Erklärung lautet: Um die Zinsen niedrig zu halten und die Wirtschaft anzukurbeln. Die EZB wiederum nannte als Hauptgrund, sie wolle die Inflationsrate auf nahe 2 Prozent anheben.

Doch egal, welche der gebräuchlichen Begründungen man nimmt, sie treffen alle nicht den Kern und lenken von einem wesentlichen Sachverhalt ab: Der eigentliche Nutzen bestand darin, das Finanzsystem zu stützen, welches durch immer höhere Schulden immer fragiler geworden war. Dies gelang dadurch, dass die Zentralbanken einen Teil der ausstehenden Schulden in ihre Bilanzen übernahmen. Im Gegenzug pumpten sie Zentralbankgeld in die Märkte und sorgten damit für größere Systemsicherheit. Denn das Geld der Zentralbank gilt als einer der sichersten Geldvermögenswerte, die es gibt. Viel sicherer jedenfalls als das Geld, das die Geschäftsbanken ihrerseits ausgeben.

Damit stützten die Zentralbanken das brüchige Fundament eines wackeligen Hauses. Das Haus wurde stabiler.

Die entscheidende Frage ist nun, ob dieser Stabilisator nicht mehr benötigt wird. Nur dann könnten die Notenbanken problemlos ihre Bilanzen schrumpfen. Und nur dann wäre dieser Vorgang tatsächlich so langweilig anzusehen wie Yellen behauptet.

Dies ist aber nicht der Fall. Im Gegenteil: Die Gründe für die Instabilität haben sich sogar verstärkt. Die Verschuldung – Hauptauslöser der Finanzkrise – ist weiter gestiegen. Sie liegt jetzt weltweit mehr als 30 Prozent höher als vor der Krise. Das Haus braucht die Stütze also mehr denn je.

Dazu kommt die Frage, wer überhaupt den weltweiten Schuldenanstieg stoppen könnte, wenn selbst ein so großes Schadensereignis wie die Finanzkrise dies nicht vermocht hat? Auch hier liegt die Antwort auf der Hand: Niemand kann es. Denn unser System basiert darauf, dass die Schulden immer weiter wachsen. Die Hintergründe dafür hatte ich mehrfach beschrieben. Sie sind zum Beispiel hier nachzulesen.

Damit bedarf es keiner hellseherischen Gabe um vorherzusagen, dass die globalen Schulden auch in den nächsten Jahren weiter wachsen werden. Und da wachsende Schulden das System noch fragiler machen werden, wird sogar mehr statt weniger Zentralbankhilfe nötig sein. Im Klartext: Die Bilanzen der Zentralbanken werden in Zukunft eher weiter wachsen statt kleiner werden. Vorübergehende Schrumpfungsversuche lenken allenfalls vom Wesentlichen ab. Spätestens in der nächsten Krise wird es wieder nach oben gehen.

Und Frau Yellen sollte sich lieber mal einen alten Schinken ankucken, statt auf trocknende Farbe zu starren. Zum Beispiel den: "Denn sie wissen nicht, was sie tun" - mit James Dean in der Hauptrolle. Darin sieht sie auch, was passiert, wenn man zu spät auf die Bremse tritt,
meint Ihr Kinofreund
Raimund Brichta

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