Börsenbeben: Gedanken zur optimalen Cashquote

in #cash5 years ago

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Wir leben ja zweifelsfrei in einem Land der Besserwisser. Selbst wenn jemand noch nicht einmal ein Buch zu einem Thema geneigt hat, wird er nicht rot dabei, wenn er behauptet, dass er ein Experte auf dem Thema sei. Gerade beim Thema Wirtschaft spotten die meisten Menschen immer sehr leicht darüber, dass das ja ein vollkommen trivales Thema sei und ja eigentlich jeder mit einem billigen Schulabschluss in der Lage sei sich kompentent in dem Bereich zu bewegen.

Blickt man dann auf die Aktienquote in diesem Land dünkt es einem manchmal doch, dass die Anzahl der Leute dann doch ein wenig überschaubarer ist. So groß wie man manches Mal mit der Klappe ist, so wenig großspurig tritt dann so mancher an der Börse auf aus Angst etwas zu verlieren.

Daher noch einmal zum Mitschreiben für alle: Wirtschaft gehört zum Bereich der „Geisteswissenschaften“. Diese zeichnen sich primär dadurch aus, dass die dort entwickelten Thesen und Überlegungen sich nicht immer 1:1 anwenden lassen wie bei einem physikalischen Experiment. Ist dort etwas richtig, dann lässt sich dies hoffentlich auch in einem Experiment bestätigen. Bei einer Geisteswissenschaft kann man sich dann zu einem Thema gedanken machen, versuchen es in der Realität abzubilden und eine Prognose zu machen. Daher sollte man auch immer alarmiert sein, wenn jemand immer nur eine Lösung für eine komplexe Welt prophezeit und keine weiteren Optionen zuläst.

Wieso diese komplexe Einleitung? Weil ich von einem Freund neulich eine Frage gestellt habe bei der ich ziemlich mit mir selbst ringen musste. Er gehört glücklicherweise zu jenen, die auch bereits an der Börse aktiv ist und entsprechend als privater Investor eine wichtige Frage umhertreibt: Wie hoch sollte eigentlich meine Cashquote sein?

Mein erster Gedanke war eine Form von Scharm, weil ich selbst zu jenen Leuten gehöre, die eine oft unvernünftig niedrige Cashquote haben. Egal, wohin man auch blickt, es gibt überall wunderbare Möglichkeiten zu investieren. Das ich irgendwann keine Ideen mehr hatte und zuviel Geld auf dem Konto hatte, dass ist mir noch nicht passiert. (Und außer einem Warren Buffet wird es wohl eher seltener passieren das am Ende vom Unternehmen, noch Geld in der Tasche ist ;)).

Eine hohe Cashquote ist eigentlich immer wichtig und eine notwendige Absicherung in jedem Portfolio. Bevor wir uns jedoch missverstehen, ich spreche hier von Cash! Ich spreche in diesem Artikel nicht über den Notgroschen! Jeder von uns sollte abhängig von seiner Situation eine so hohen Notgroschen haben, dass er locker ein paar Monate Arbeitslosigkeit überbrücken kann und Waschmaschine und Kühlschrank beides kaputt gehen kann, ohne das man gleich einen Kredit braucht.

Bevor man diesen Zustand nicht erreicht hat, sollte man vielleicht von der Börse doch Abstand nehmen. Wenn ich von Cash rede, dann meine ich damit immer Geld, dass man liquide zur Verfügung hat und auf absehbare Zeit nicht benötigt. Gerade wir Deutschen sind mit dem Sparkonto ja Weltmeister darin dieses auf einer Bank zu horten und dort dann langsam verschimmeln zu lassen. Nicht wenige haben durchaus eine 100%ige Cash-Quote und sind damit direkt am einen Ende der Hölle angekommen.

Jedes Jahr frisst die Inflation langsam aber stetig das sauer verdiente Vermögen auf. Wer 5000€ anlegt und geduldig 10 Jahre wartet, hat fast 800€ dann erfolgreich verloren. Wenn Draghi erst einmal weg ist und „endlich“ (sarkasmus) eine politische Figur die Leitung übernimmt, wird einem mit höheren negativen Zinsen noch dabei geholfen sein Ziel wesentlich früher zu erreichen. ;)

Eine hohe Cashquote ist also etwas, dass man sich erst einmal leisten können muss. Keine Ahnung wie es bei Euch so aussieht, aber ich bin zu arm dafür! Also schaue ich mich umher, wie ich das Geld möglichst sinnvoll für mich arbeiten lassen kann und bin dabei ja insbesondere ein Freund von Investitionen in Aktien. Dies ist eine Unternehmensbeteiligung. Wir geben dem Unternehmen Geld und hoffen, dass dieses sich prächtig entwickelt und irgendwann daraus das nächste Google oder Amazon erwächst.

Da es soviele gute Möglichkeiten gibt, sinkt meine Cashquote nicht selten auf 0% herab und ich muss erst auf den nächsten Lohn warten. Das Problem an diesem Ende der Hölle besteht darin, dass der Markt natürlich keine Einbahnstraße ist. Es läuft üblicherweise über viele Jahre absolut blendend und die Kurse gehen nach oben. Oft geht es rund 8 Jahre lang nach oben und eine Krise dauert 2 Jahre.

Wäre es nicht furchtbar ärgerlich, wenn wir uns nun mit einer großen Summe am Markt einkaufen und dann morgen die Kurse einbrechen. Wir würden uns furchtbar ärgern, dass wir hätten nur ein wenig warten müssen. Normalerweise wäre es ein guter Zeitpunkt um nochmal günstig nachzukaufen, aber wie soll man das tun, wenn wir all unser Pulver bereits verschossen haben?

Aber wie erinnern uns daran, dass wir im Bereich der Geisteswissenschaften sind. Wir können nicht unsere Uhr danach stellen und die Krise kann auch mal nur 6 Monate dauern und der Boom 15 Jahre. Aktuell wird ja immer wieder darüber berichtet, dass der letzte Crash nun 10 Jahre her sei und man daher die ganze Zeit damit rechnen müsste. San Fransisco wurde 1906 von einem starken Erdbeben heimgesucht und die Wahrscheinlichkeit, dass dieses alle 100 Jahre statt findet es sehr groß.

Nun warten wir aber immer noch und es ist nicht eingetreten. Es ist überfällig! Experten gehen aber davon aus, dass in spätestens den nächsten 30 Jahren eine 100%ige Wahrscheinlichkeit vorliegt, dass dieses Event eintritt. Aber keiner kann sagen wann. Vielleicht heute, vielleicht aber auch erst in 25 Jahren.

Genauso verhält es sich auch mit Börsenbeben. Vielleicht stehen wir bereits am Abgrund und morgen findet ein Crash statt. Rein statistisch wären wir bereits überfällig... so wie San Fransisco eben auch. Aber gleichzeitig gab es durchaus auch schon Phasen der Blüte, die 15 Jahre gedauert haben. Es kann also durchaus noch 5 Jahre weiteres Wachstum geben und vielleicht sind wir ja auch gerade in einem Zyklus der sogar noch länger andauert. Wer weiß das schon?

Ganz sicher nicht die ganzen Crashpropheten, die da draußen am Start sind. Max Otte sagte 2013 bereits einen großen Crash für 2015 bevor. Mister DAX gab ebenfalls 2013 an, dass der Crash zu 60% kommen wird. Ja, sogar ein G. Soros der geradezu berühmt für seine gigantischen und oft erfolgreiche Wetten bekannt ist, wettet 2016 auf einen Crash... und verlor. Wir ziehen als Fazit, dass selbst erfolgreiche Investoren nicht in der Lage zu sein scheinen vernünftig einen Crash vorher zu sagen.

Nahezu jeder wird allerdings zustimmen, dass es vernünftig ist immer am Markt investiert zu sein und gleichzeitig immer auch ein wenig Cash in der Hinterhand zu haben, um dann im Fall der Fälle nachlegen zu können. Kommt der große Crash, dann hat man halt 6-24 Monate im Schnitt Zeit um nachzukaufen... theoretisch alles ja ganz einfach ;) Doch wieviel Cash sollte man nun auf der Bank für den Crash haben?

Das Dilemma ergibt sich für den kleinen Privatinvestor ja gerade dadurch, dass er nicht viel Geld hat. Kann man sich es da wirklich leisten eine hohe Cashquote sein eigen zu nennen? Nicht wenige haben eben durchaus 80% in Cash, anstatt wirklich investiert zu sein. Lässt der Crash da ein paar Jahre länger auf sich warten, dann verpulvert man im schlimmsten Fall also wesentlich mehr Geld. Als Privater sollte man also nicht nur sehen, was man an der Börse verlieren kann, sondern eben gerade die Opportunitätskosten... was man verliert, wenn man nicht investiert ist!

Denn üblicherweise sind selbst solche Beben an der Börse für routinierte Anleger mit viel Zeit kein Problem. Es bricht der Weltuntergang über einen hinüber, alles beginnt in Panik zu versinken. Die Nachrichten sind voll mit negativen Schlagzeilen, die das Ende prophezeihen. Ihr glaubt ich übertreibe? (https://www.spiegel.de/wirtschaft/finanzkrise-dax-stuerzt-ab-groesster-kursrutsch-seit-9-11-a-529932.html)

OMG! Der Dax sagt unter 7000k. Ganze 7%, 500 Punkte an nur einem einzigen Tag. Wir erinnern uns aber daran, dass im Schnitt der Spuck nach 2 Jahren vorbei ist. Wir schreiben nun das Jahr 2019, der Dax ist ein wenig abgeschlagen bei 12k. Wer damals den Browser einfach geschlossen hat und sich gelangweilt schlafen gelegt hat, besitzt ein Plus von 71%. Knapp 7% pro Jahr und das obwohl gerade der deutsche Markt von den Gewinnen der letzten Jahre nicht profitiert hat.

Wenn jemand also langfristig orientiert ist, wieso sollte er dort Jahrelang auf eine Crashfeier warten, die sich nicht vorhersagen lässt und eine hohe Cashquote halten, wenn er weiß, dass es nach ein paar Jahren dann sowieso wieder verpufft ist. Ja, vielleicht kriegen wir die Aktien 20% günstiger und können einen saftigen Schluck aus der Pulle nehmen. Wer dann aber 2013 bereits Panik bekommen hat und wieder verkauft hat, wird sich eben ärgern und im Zweifel immer noch auf den Crash warten.

All dies ging mir durch den Kopf als mein Kumpel mich fragte und er schaute schon ein wenig irritiert rein, ob ich sein Problem nicht verstehe. Oh doch! Ich tue es, aber es ist eben eine Geisteswissenschaft und dort gibt es eben nicht immer eine einfache Lösung dafür. Ich könnte sagen, dass es dumm ist eine hohe Cashquote zu halten. Das es dumm ist eine niedrige Crashquote zu halten. Aber was würde ihm das dann weiter helfen, außer dass er sich so oder so reichlich dumm fühlen würde ;)

Der langfristig orientierte Anleger profitiert niemals durch schnelle Interaktion. Das ist es, was die Trader nie verstehen werden. Er profitiert dadurch, dass er sich in den bequemen ruhigen Zeiten wie aktuell ein wenig seinen Kopf darum macht und nach soliden Unternehmen ausschau hält. Das er sich selbst Gedanken dazu macht, was für ein Charakter er selbst ist und wie empfindlich er auf Verluste reagiert.

Ob man ein eher konservativer oder progressiver Geist ist. Ob man auch mal bei einem 50% Verlust sich grinsend zuprosten kann oder heulend am Boden liegt. Ob man wirklich für kleine Profite uninvestiert bleiben will oder wirklich in jene Unternehmen geht, die man eine blühende Zukunft vorhersagt und am Ende 200% mehr am Ende des Zyklus hat. Was interessiert einem da 20% im Plus? ;)

Genau mit diesen und vielen Fragen mehr sollte man sich befassen, wenn man ermitteln will wie hoch eine vernünftige Cashquote für einem selbst ausschaut. Ich selbst bin ein eher progressiver Investor, den man nahezu als stumpf bezeichnen kann. Ich hadere nicht lange mit mir selbst in einem „Was wäre wenn“-Spiel und gebe mir die Schuld, wenn es mal in die Hose geht. Ich rechne mit Wahrscheinlichkeiten und stehe dann zu den Entscheidungen, die ich getroffen habe.

Entsprechend habe ich ja auch Anfang des Jahres gesagt, dass ich für 2019 mit einem Crash rechne und es für ein eher schlechtes Jahr halte. Und ich habe auch darauf aufmerksam gemacht, dass dies nicht bedeutet, dass ich aus dem Markt gehen würde oder nicht mehr investieren würde. Sondern, dass ich meine Cashquote erhöhe und mehr mit Sparplänen arbeiten werde um von Cost-Average-Effekt und damit dem Risiko eines falschen Zeitpunktes abzufedern.

Aktuell beträgt meine Durchschnittsperformance +14,5% und damit weit über meine eigene Zielquote. Ich kann es mir eben nicht leisten nicht investiert sein. Doch was ist mit meiner Cashquote? Ich habe sie erhöht auf 5% meines Portfolios (nochmal: Ich meine NICHT den Notgroschen...) und damit eben ein unglaublich progressives Level. Wieso ich nicht in einer Zeit an der ich an einen Crash glaube auf 0% gehe?

Weil ich mir durchaus auch bewusst bin wie vernichtend die Psychologie sein kann in einem Crash zu stürzen ohne Cash zu haben, wenn man sich danach 2 Jahre lang darüber ärgert, dass man nicht von den günstigen Unternehmen profitieren konnte und gerade das ganze Depot im knallrot ist. Das ist kein schönes Gefühl. Dann im Tal der Tränen, aber ein paar Chargen von jenen Unternehmen zu kaufen, die man immer schon haben wollte und doch irgendwie überbewertet waren, kanne in prima Trostpflaster sein.

Gerade dann, wenn man die Unwissenheit beginnt zu managen und nicht nur eine einmalige Investition macht, sondern auch ein wenig mit Sparplänen daran geht um das Risiko zu verteilen. Wer ausreichend Luft hat, kann so in den guten Zeiten von steigenden Kursen profitieren und bei einem Crash günstig nachkaufen.

Würde ich eine solche Strategie weiter jemanden weiter empfehlen? Nein, weil ein solches Vorgehen eben auch immer zu einem passen muss. Und ich durchaus weiß, dass es im Bereich Wirtschaft wesentlich mehr als nur eine Antwort geben kann. Vielleicht gibt es nach dem nächsten Crash ja gar keine Erholung und wir sind in einer Japan-Krise gefangen. Warten wir dann aber auch 20 Jahre bis die Kurse wieder hoch gehen?

Jeder Investor muss hier eine Antwort und eine Einschätzung für sich selbst finden und nach seiner eigenen Strategie eine vernünftige Cashquote finden. Die Strategie sollte aber die Quote bestimmen und nicht die Angst etwas zu verpassen. Denn je weniger Geld wir zur Verfügung haben, umso weniger können wir uns das Nichts tun leisten.

Die Kunst liegt aber eben darin sich nicht von den Crash-Propheten und Besserwissern ohne Strategie verwirren zu lassen, die uns in die Panik und damit in oftmals falsche Entscheidungen zu treiben. Wenn wir bei dieser Geisteswissenschaft nicht in die Zukunft sehen können, dann müssen wir eben sinnvolle Wege (Plural...) finden und auf jene setzen, die unserer Ansicht nach die größte Erfolgswahrscheinlichkeit versprechen.

Bitte bedenkt wie immer, dass es sich bei diesem Text in keinster Form um eine Empfehlung oder gar eine Beratung handelt. Wie immer soll der Text dazu dienen ein Thema von einer Seite zu beleuchten und ein wenig darüber nachzudenken, um für sich selbst die beste Antwort zu finden. Ganz am Ende seid es immer ihr, die sich in einer Geisteswissenschaft den besten Gedanken bedienen müsst und diese für Euch passend umzusetzen.

Achso... und danke für jeden der sich die Zeit genommen hat den langen Text wirklich zu lesen ;)

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Ich habe praktisch meinen ganzen Trading Account in 3 monatige US treasury bills. Da gibt es deutlich über 2% Zinsen und da die so gut wie Cash sind, sind sie 90% marginable. Man kann sie also als Sicherheit z.B. gegen option trades verwenden.
Wenn man Aktien in den USA kauft, muss man auch nur 50% in cash hinterlegen und kann den Rest in US treasury bills halten.

Wie bzw. über welchen Dienstleister kaufst Du Aktien in den USA?

Mein Account ist in den USA:
https://www.tastyworks.com/index.html

Vielen Dank! Ich schau es mir gleich mal an.

Das gehört den Jungs von tastytrade.
Kenne ich alle schon sehr lange.
Alles ehemalige market maker von der CBOE.
Die haben die beste Software (HFT Technologie) und mit Abstand die niedrigsten Gebühren.

Nun gut, dass Du als Trader eine andere Sicht auf die Sache hast, war mir schon klar ;) Aber was mich durchaus interessieren würde, fährst Du in Zeiten in denen die allgemeine Marktstimmung sinkt weniger oder bleibst Du voll investierst und drehst ggf. nur die Wette?

In Zeiten in denen die implied volatility niedrig ist (VIX), also in Zeiten in denen es praktisch nur nach oben geht, schraube ich zurück, weil da durch die niedrige IV die Optionen sehr billig werden und es deshalb für premium seller sehr mau aussieht.
In Zeiten wie jetzt, in denen die Angst um sich greift, explodieren die Optionspreise, deshalb setzte ich jetzt vermehrt Kapital ein und verkaufe Strangles/Straddles.

Da Du ja ein Fan von Aktien bist, hier eine Studie, die dich interessieren dürfte (Vergleich long 100 shares of SPY vs short 50 delta put):
https://www.tastytrade.com/tt/shows/market-measures/episodes/the-power-of-the-put-08-01-2019

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