Was haben Adrenalinjunkies und Autisten gemeinsam?

in #asperger7 years ago (edited)

Bei autistischen Menschen zeichnet sich ein interessantes Phänomen ab, welches wir praktisch identisch bei Extremsportler vorfinden.


Natürlich betrifft das nicht jeden autistischen Menschen, aber doch etwa 80%


Der autistische Adrenalinjunkie


Wir haben ein Ungleichgewicht im Hormonhaushalt. Meist ist unser Adrenalin/Dopamin/Serotonin Spiegel zu hoch, ebenso wie gewisse Endorphine (opiatähnliche Botenstoffe).
Bisher ist absolut nicht klar, woran das liegt und was hier Ursache und Wirkung ist. Dasselbe Problem haben auch Menschen, die immer auf der Suche nach dem nächsten grossen Kick sind!


Ursache & Wirkung



Fakt ist, zuviel Adrenalin ist scheisse.
1. Es macht dich unruhig, erhöht deinen Blutdruck, dein Körper stellt mehr Energie zur Verfügung weil er mit einem Angriff oder einer Flucht rechnet.
2. Du neigst eher zu Depressionen, Schlafstörungen, Herzinfarkt, Arteriosklerose, Diabetes etc.



Darin liegt auch die Ursache, warum die meisten Autisten keine Extremsportler sondern eher depressiv sind. Leider enden etwa 50% aller Autisten in einer depressiven Grundhaltung dem Leben gegenüber und je nach Studie 11-60% in einer chronischen Depression. Warum die Schere bei den Studien so auseinander geht, weiss ich leider auch nicht. Es scheint dennoch so zu sein, das die meisten Menschen mit Autismus vom Leben chronisch überfordert und erschöpft sind.



Nicht nur Autisten sind davon betroffen. Auch manche neuro-typischen Menschen werden damit geboren.

Als Adrenalinjunkies klettern sie ohne Seil an steilen Felswänden oder suchen auf ähnliche Arten den immer höheren Kick. Auch die Gefahr einer Suchterkrankung ist gesteigert, wenn man permanent mit einem zu hohen Hormonspiegel durch die Gegend wandert.

Bei Autisten ist nicht klar, war zuerst das Huhn oder das Ei?

Stehen wir unter höherem Stress, weil wir zuviel Adrenalin haben oder haben wir zuviel Adrenalin, weil wir unter hohem Stress stehen. Die Huhn -Ei Frage ist genauso wenig klar wie die Ursache bei nicht autistischen Menschen.

Witzigerweise hat das Schmerzempfinden offenbar nichts mit der Berührungsempfindlichkeit zu tun. Ich habe mit einigen Autisten darüber gesprochen und konnte da bisher keinen Zusammenhang erkennen, auch bei mir selber bestätigt sich das Phänomen.

Während mir feine Berührungen extrem unangenehm sind, empfinde ich sehr wenig richtigen Schmerz und das geht vielen so. Gerade im Kindesalter ist das sehr, nennen wir es mal, ungünstig.

Diese Diskrepanz in der eigenen körperlichen Wahrnehmung führt zu verstärktem Unwohlsein. Zudem erleben sich viele von uns auch mit anderen Menschen nicht als wirksam und schaffen es nicht, sich ausreichend Bestätigung durch andere Menschen zu holen.

Dazu kommt die ständige Reizüberflutung die das Gehirn zu selbst beruhigendem Verhalten anregt, welches jedoch erschwert durchführbar ist mit einem erhöhten Adrenalinpegel im Blut.

Diese Situation führt sehr oft dazu, das Kinder sich vermehrt selber verletzen oder sich in Gefahr bringen.

Ich kann nur schwer beschreiben, wie sich das anfühlt, weiss ja nicht wie es sich anfühlen sollte. Was ich sagen kann, ist, ich fühle meinen Körper oft nicht richtig und wenn, dann oft unangenehm.

Sich selber nicht zu spüren, kann sehr schnell zu einer großen seelischen Not werde.
Kombiniert damit, das wir oft selbststimmulierendes Verhalten brauchen um unser Gehirn zu beruhigen, kann ein dieses Verhalten schnell zu einem Zwang werden.

Ich knabbere schon Zeit meines Lebens an meinen Fingernägeln & Häutchen rum, oft auch bis es blutet und wenn ich viel Stress habe, sieht es grauenhaft aus. Obwohl ich mich für einen Menschen halte der relativ reflektiert ist und ich mir meiner durchaus bewusst bin, bekomme ich das Muster einfach nicht raus. Mein Gehirn fordert diese beruhigende Maßnahme zwanghaft ein, oft sogar unterhalb meines Bewusstseinsradius. Ich spüre das gar nicht bis ich Blut im Mund schmecke, erst dann merke ich, was ich gerade mache.




Für meine Eltern war es sehr schwierig mit mir. Ich hatte einerseits Angst davor in die Schule zu gehen, in volle Busse zu steigen, oder auf eine Kirmes zu gehen. Andererseits kannte ich oft nichts und keine Furcht vor gefährlichen Unternehmungen, im Gegenteil, ich suchte die Gefahr, aber alleine.

Ich fuhr mit den Inlineskates auf der Straße gegen die Fahrtrichtung, mit dem Snowboard die schwarze Piste hinunter, alleine. Oft ignorierte ich die Pistenkennzeichen und fuhr einfach hinter der Absperrung einen Hügel hinab ohne Plan, was da unten kommt oder wo ich hinfahre.

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Ich kletterte auf ungeeignete Bäume, ging Nachts alleine in den Wald um irgendwas zu beobachten, kletterte auf Baustellen oder in Ruinen herum.

Das Krankenhaus wurde mein zweites Zuhause, wenigstens war mein Stiefvater Arzt und konnte immer adäquat reagieren, wenn ich wieder schwer verletzt irgendwo aufgegabelt wurde.

Mein Körper hat diverse Narben, diverse verheilte Brüche und ich habe mir auch beide Schneidezähne ausgeschlagen bei einem ungünstigen Sturz auf den Asphalt. Beton ist nicht euer Freund, kann ich sehr gut bestätigen. Ich hielt mich an keine Regeln und es war mir auch egal, was Erwachsene sagten.

Das hing natürlich auch damit zusammen, dass ich niemanden Respektierte und keiner emotional an mich herankam. Darüber kann ich ein andermal berichten ;)

Dazu kam, dass ich wie viele Autisten an Epilepsie litt in meiner Kindheit. Das trifft etwa 1/3 aller autistischen Kids, genauso wie andere Krankheiten, die das Gehirn betreffen.


Und heute?


Gelegt hat sich das an sich nie.
In der Pubertät fing ich an, mich nicht mehr spüren zu wollen, weil mein Körperbild nicht mehr stimmte. Also fing ich an zu Fressen, die Essstörung ersetzte sozusagen den Adrenalinjunkie in mir. Was man aber an und für sich auch als Selbstverletztendes Verhalten werten kann und sollte.

Es hat Jahre gedauert bis ich einen, so glaube ich, gesunden Weg gefunden habe damit umzugehen. Der Weg ist weit weg von normal, aber auch nicht so das ich mir schaden würde.

Was mir sehr geholfen hat, war Kungfu.
Nicht nur, weil ich mich in den 8 Jahren Training mit meinem Körper beschäftigen musste, sondern weil ich in meinem Kungfutrainer einen sehr guten Vater gefunden habe.

Und ganz ehrlich, manchmal ist das richtig praktisch.
Z.B wenn ich eine gefährliche Situation komme, wofür ich bis heute eine natürliche Begabung besitze, bleibt mein Verstand glasklar. Ich nehme genau wahr, was passiert, wie in Zeitlupe kann ich noch einwandfrei denken, selbst wenn ich mich gerade in einer lebensgefährlichen Situation befinde. Adrenalin haut mich nicht so aus den Latschen, wie es normalerweise der Fall ist und auch davon, berichten viele andere Autisten.

Alles im Leben hat seine Vor- und Nachteile, man muss nur einen gesunden Umgang damit finden.
Und hey, ich brauch bei Verletzungen immerhin viel weniger Schmerzmittel als andere Menschen, außer wenns um Zähne geht, da muss der Arzt mich vollpumpen sonst darf er sich meinem Mund nicht nähern. Gott wie ich sowas hasse -.-

Wie ist das bei euch so, seid ihr schmerzempfindlich oder eher nicht und könnt ihr in gefährlichen Situationen auch in Zeitlupe wahrnehmen was passiert und noch ausführlich rational über die Sache nachdenken?

Apropos fällt mir da ein, wenn der Körper hinter den Gedanken her hinkt, ist das wirklich blöd. Wenn ich z.B stolpere, seh ich genau wie ich gerade falle und weiss, was passieren wird. Aber manchmal weigert sich mein Körper einfach standhaft, die nötigen Rettungsaktionen auszuführen, die ich anordne.

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(Bilderquelle CC0 Lizenz von Pixabay)

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Ich lese alles von Dir gerne.

Ich freu mich auch immer auf deine Artikel und über deine Kommentare :)

Hallo Rachel, zunächst einmal: Du bist nicht der Körper.

Alleine das zu erkennen, ist nicht einfach.
"Wenn ich z.B stolpere, seh ich genau wie ich gerade falle und weiss, was passieren wird." Du wirst immer wieder solche "Dinge" wahrnehmen, du konntest damals nicht verhindern dass "ein Sturz" oder Ähnliches passiert und wirst es auch in Zukunft nicht ändern können. Die Inder sagen: All things are done! Du bist nur Passagier. Hast keine Macht etwas zu verändern, warum? Weil du die Macht bist und es kein Zweites dazu gibt.

Naja, da müssten wir jetzt eine sehr philosophische Diskusion beginnen darüber was mein Ich aus macht.
Meine Seele ist ein Teil und mein Körper ebenso, denn durch ihn drücke ich mich aus, lebe ich mich aus und wenn er nicht mehr funktioniert, spielt alles andere keine Rolle mehr.

Ich bin also schon mein Körper aber nicht nur.

Den indischen Spruch musst du mir nochmal erklären, irgenwie kann ich das nicht vernünftig interpretieren, was bedeutet er genau?

Der indische Spruch bedeutet: Es ist alles schon passiert. Alles, die Zukunft steht fest, dein Todestag auf die Sekunde genau. Alles was du in diesem (mini kleinen) Leben erleben wirst, steht ebenso schon fest.
So etwas wie "meine Seele" gibt es nicht. Glaubst du wirklich dass hier 6,5 Milliarden unterschiedlicher Seelen existieren? - Nein, es gibt nur die eine Seele, und das bist DU. Hier laufen 6.5 Milliarden Egos rum, und auch diese Egos bist du, die Tierwelt nicht vergessen.
Du bist das Alles hier, das ganze Universum. Trotzdem erlebst du dich im diesem Körper, die Wahrnehmung haftet halt an diesem. Wenn dieser stirbt, passiert Dir (dem was du bist) gar nix! Dannach kommt einfach wieder das nächste. Du bist nie geboren und kannst auch nicht sterben. Du bist auch, wenn der Körper schläft. Du warst noch nie, nie. Meistens ist es so dass man sich für die Person hält, wenn du aber genau hinschaust, gibt es diese Person nicht. Sie ist mal da, und mal nicht.
Wenn meine Person morgens aufwacht, ich nenne dieses Ding mittlerweile (Phantom), weil es sich ständig ändert, je nach Situation. Z.B. wenn ich zu einem Freund gehe, dann kommt dort ein entspanntes lockeres Phantom an, muss ich zum Finanzamt, dann geht da ein ernsthaftes Phatom hin.
Hört sich schizophren an? - Ja, ich bin schizophren, es hat viele Jahre gedauert bis ich das akzeptieren konnte. Versteh mich nicht falsch, ich finde jeder Mensch ist schizophren. Und die hardcore Fälle, die so bezeichnet werden, die landen in der Irrenanstallt.
Vor ca. 22 Jahren hat mich ein Satori erwischt, seitdem ist mir klar dass ich hier ganz alleine bin.
Also wenn es um das wesentliche geht, spreche ich fortwährend mit mir Selbst. LG

Der hier hat wirklich was drauf, nicht wie diese Liebesgrurus (Ekhart Tolle, Muji usw..) :

Hm, also ich find deine Weltsicht interessant, teile sie aber definitiv nicht, ich hoff das stellt kein Problem für dich dar.

Nein das stellt kein Problem dar :-) Dir alles gute.

Na dir aber auch :)

Immer interessant und informativ.

:-)

@roused

Danke, freut mich immer von dir zu lesen und ich schätze es sehr, wie du immer hier am Start bist <3
Danke für deine tolle Unterstützung.

Wie immer sehr interessant und für mich sehr lehrreicher Artikel. Da nke!
Interessanterweise lege ich Eltern von autistischen Kindern auch immer ans Herz, dass sie ihre Kinder Sport treiben lassen sollen, vorzugsweise Selbstverteidigungssport oder Kampfsport; zum einen, weil es das Selbstvertrauen der Kindern enorm stärkt; zum andren, weil es ein natürlicher Stressbeseitiger ist; und bei autistischen Kindern mit Schlafproblemen hilft es sehr gut beim Einschlafen. Und jetzt lese ich bei dir ebenfalls Kung Fu! War dass, das du Kung Fu betrieben hast/betreibst gezielt wegen dem Autismus oder hat sich das einfach so ergeben?

Sehr schön, gerade für autistische Menschen ist die Bewegung wirklich ungemein wichtig, damit wir nicht die Beziehung zu unserem eher ungelenken Körper verlieren. Viele Autisten haben ja koordinationsprobleme und ähnliches.

Kampfkunst kann da wirklich sehr unterstützten sein in jeder Hinsicht.

Ich habe mit Kungfu angefangen, weil ich es so unfassbar satt hatte mich ständig als wehrloses Opfer zu empfinden. Ich wurde meinem Gefühl nach in der Schule gemobbt, fühlte mich ständig von anderen Menschen irgendwie bedroht die mir zu nahe kamen aber war so hilflos ausgeliefert weil ich keine Ahnung hatte, wie ich für mich einstehen kann.

Das Kung Fu hat mein Leben sehr stark verändert, kann das gar nicht in einem Satz beschreiben was mir diese Sportart und die damit gewonnene Familie geschenkt hat. <3

Sehr schön dass du dann den Weg zu Kung Fu gefunden hast. Ich kann nachvollziehen, wie sehr es dein Leben zum Positiven verbessert hat.

Ja sehr aber vor allem eben auch die Menschen.
Mein Trainer gab mir einen familiären Rückhalt den ich so nicht kannte.
Er glaubte an Fähigkeiten in mir, die ich nicht sehen konnte. Half mir immer neue Grenzen auszutesten und meine Ängste zu überwinden. Durch ihn erlebte ich mich als wirksam und ich merkte, das manche Grenzen nur in meinem Kopf vorhanden sind und ich sie überwinden kann wenn ich loslasse und vertraue.

Das ist eins der grössten Geschenke, die man Menschen machen kann.

Das ist echt bemerkenswert. Freut mich, dass du durch den Sport so viel Positives gefunden hast.

Danke.
Ist jedem zu wünschen.

was haben beide gemeinsam.... beide fangen mit A an ;-) Scherz beiseite. Nicht jeder kann mit stress umgehen. Eine echt positive Sache. Upvoted :-)

:D hahaha ja, beide fangen mit A an aber die Anonymen Alkoholiger fangen sogar mit zwei A`s an, ob das so positiv ist ?

Ach noch etwas, schätze du hast dich mit Philosophie schon beschäftigt, ich selbst fand das Leben schon mit 28 Jahren unertäglich und fing mit Hermann Hesse, Fridrich Nietsche usw.

Gelandet bin ich nach ca. 20 Jahren bei Karl Renz, am Anfang etwas schwierig, doch wenn du genau hinschaust, mehr geht nicht :-)

Ich finde das leben alles andere als unerträglich, ich geniesse jeden Tag und liebe mein Leben, bin unglaublich dankbar für meine Gesundheit, meine Creativität und für die Menschen die mir am Herzen liegen.

Joa Hesse und Nietsche kenn ich natürlich, hab ich in der Pubertät angefangen zu lesen. Besonders der Steppenwolf hat es mir damals angetan :)

Yep, Steppenwolf war sehr gut, Hesse konnte wohl nur so gut über dieses Thema schreiben, weil er gelitten hat wie ein Hund. Siddharta war auch schön.

Mal wiedwr ein fantastischer Artikel, mit dem du tief in dich selbst aber auch gewissermasen in uns alle hineinblickst. Ich kenne das mit der Zeotlupe und den Drang zu riskanten Aktionen auch, genauso wie die Ängste der Eltern in solchen Situationen. Ich kann schwer beurteilen, wie Schmerzempfindlich andere sind und darum fällt es mir schwer mich da einzuschätzen, aber ich weiß dass ich speziell Kopfschmerzen und Fibergliederschmerzen sehr intensiv wahrnehme. Resteemed

Hey freut mich, das dir der Artikel zusagt und vielen vielen Dank für den Resteem.
Spannend das du es ähnlich erlebst, ich glaub, das geht relativ vielen so.

Ich hatte Jahrelang schreckliche fürchterliche Schmerzmittel :( Also die Art innerer Schmerzen finde ich auch schrecklich, mindert super die Lebensqualität.
Aber Verletzungsschmerzen sind für mich irgendwie etwas komplett anderes.

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