"Im Land der Erinnerung" (original story, modelling, editing, gif)

in #art7 years ago (edited)

Es ist an der Zeit zurückzublicken, um weitergehen zu können. Ich habe meine Wünsche und Träume vergessen. Die feurige Glut, die sie in mir entfachten, die mir Willen und Kraft gab, ist erkaltet und blicke ich auf mein Selbst sehe ich Resignation und Ich-Aufgabe. So kann es nicht weitergehen. So kann ich nicht weitergehen. Viel lieber noch der Tod, als dieses ungelebte Leben, viel lieber noch der Tod, als sich ohne Sehnsucht, ohne Leidenschaft von einem Tag in den Nächsten zu schleppen. So kann ich nicht weitergehen. Wo habe ich meinen Lebensfunken gelassen? Es ist an der Zeit zurückzugehen und ihn zu suchen, auf dass er meine künftigen Wege erneut beleuchte.
In eine dünne Strickjacke gehüllt betrete ich das neblige Marschland meiner Erinnerung. Das Feuer habe ich wohl weit hinter mir gelassen, denn seine lodernde Wärme vermag ich in der Gegenwart nicht mehr zu spüren. Ich blicke auf den feuchten Grund und suche meine überspülten Fußabdrücke, um den Weg in die Vergangenheit zu finden. Wie Krebse und Gewürm entschlüpfen verdrängte Alltagssorgen dem schlammigen Morast und da sie sich um meine nackten Füße winden, wollen sie meine Gedankenblicke auf sich ziehen. Die kleinen Krabben, denen ich einstmals mit Freundlichkeit und Erbarmen begegnen wollte, kneifen mich schmerzhaft mit ihren Scheren des Neides, notgeile Würmer beschmutzen meinen reinen Körper und die Unschuld meines Geistes mit ihrer schleimigen Berührung, aber besonders graust mir vor den krabbelnden Verkündigern der Gleichheit, die mir ihre Ideale wie Insektenlarven unter die Gänsehaut legen wollen. Meine Schritte führen mich über den ganzen Unrat gemeiner Gehässigkeit. Ich trete das Ungeziefer nieder, zurück in den Schlamm, aus dem es hervorgekrochen ist und gehe weiter. Hier habe ich mein Feuer nicht gelassen.
Der Nebel legt sich kalt um mich und ich erahne die große, ewig dunkle Kälte, die jenseits den Gefilden der Erinnerung liegt. Ich hülle mich fester in das weiche wollene Gewebe und blicke entschlossen auf meinen Weg in die Vergangenheit. Heute kann ich die große Dunkelheit nicht erforschen, bin ich doch aufgebrochen meinen Lebensfunken wiederzufinden. Trotzdem ich weiß, dass der Tag kommen wird, da ich mich ihr wieder stellen muss, dieses Mal nur hülle ich sie in den Schleier des Vergessens. Bis ich ihn dann lüfte, wird sie geduldig, allezeit um mich, nein, in mir warten. Gebe das Schicksal, dass ich die Finsternis künftig mit mächtigen Feuern und frischem Mut erhellen mag.
Da ich weiterschreite gewahre ich in einiger Entfernung die Silhoutten abgestorbener Bäume. Sie scheinen einstmals mächtige Wesensregungen gewesen zu sein, die robust ins Leben wuchsen, um dann mitten in einer kraftstrotzenden Bewegung zu erstarren. Ihre blatt- und trieblosen Äste greifen in die Luft, als würden sie jeden Moment aus ihrer Unbeweglichkeit erwachen und eine dynamische Abfolge verschiedener Kampfposen einnehmen. Ich trete näher und befühle die Rinde eines großen Baumes, die kohlschwarz ist und dabei immernoch Wärme abstrahlt. Was war hier geschehen? Ich entsinne mich meiner einstmals fröhlich keimenden, sich in alle Richtungen wendenden Interessen, ich erinnere mich an die Freude, die mit jeder sich mir eröffnenden Möglichkeit in mir aufblühte, doch vor langer Zeit hatte ich sie in meinem Wille nach Selbstvervollkommnung als Betrüger enttarnt, und hatte aufgedeckt, dass ihre Wurzeln sich an giftigen Wassern der Eitelkeit nährten. Nun da ich ihre abgestorbene Schönheit erblickte, war da jedoch mehr, als das der Asche würdige Streben nach dem besser-als-andere-sein. Ihrem Wuchs, ihrem Streben hatte das gleiche Feuer zugrunde gelegen, das sie im Anschluss versengte. Der Wunsch nach Größe um ihrer selbst Willen, ihres Daseins, der Griff nach dem Leben und nach sterblichen Träumen. Doch wo war nun mein Feuer geblieben, da es hier ein letztes Mal getobt hatte und mir nur die Kunde der Zerstörung zurücklassen hatte.
Ich fand es in der Zeit, da ich noch keine Sinnlichkeit gekannt hatte. Seither hatte sich aller Schmerz, den der Wunschtraum nach Liebe hervorrief schwer und steinern über die fröhlich züngelnden Flämmchen, die mein körperliches Verlangen umspielten, gelegt. Und die Leidenschaft, die in der ersten liebevollen Sexualität noch lodern mochte, ward dann doch an der Realität, die Langeweile, Ekel und Kränkung mit sich brachte krank und schmutzig und musste schließlich erlöschen. Jahr um Jahr hatte ich erfahren müssen, dass die gelebte Liebe nicht brannte, wie sie es in Büchern und den großen Geschichten tat, die meinen Willen zu ihr hingeleitet hatten. Wahrhaftiges Feuer musste in der Liebe und den Tränenschauern, die sie brachte, erlöschen und ich hatte schließlich alles hingegeben, alles Feuer, alle Kraft.
Ich verbannte die Liebe aus meinem Herzen und kehrte mit meinem Lebensfunken aus dem Land der Erinnerung zurück. Es war an der Zeit die Steine aus meinem Herzen zu entlassen, um neue flammende Träume und Wünsche zu gebären. Es war an der Zeit zurückzublicken um weitergehen zu können.

Die Bilder von mit wurden gemacht von http://www.atelier-allgaier.de/

Danke fürs Lesen :)

Viel Licht und Liebe <3

English translation of the text: https://steemit.com/writing/@yoganarchista/in-the-land-of-memory-original-writing-translation-modelling-photoediting

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Ein sehr schöner Text und Bild/ GIF sind auch echt spitze. Die Würmer sind ja krass. Toll wie du das umsetzt.
Ein sehr schönes Kunstwerk.
Resteemed :-)

Vielen Dank. Den Text habe ich vor ca. 2 1/2 Jahren geschrieben und habe mir heute überlegt, wie ich ihn insziniere :) Das ist das Ergebnis :) Schön, dass es dir gefällt :)

Cool gif!

Is that snakes/worms in the background though? eww :D

They are related to the text. I think I'll also translate it to English sooner or later. :D

Ah okay :D reading in german takes me like 3x longer, haven't practiced it in over 7 years... I remember when I was in Bochum for a week it came back almost instantly though. Maybe I should start reading more german. :D

wow btw! That was some really powerful stuff! I read it last night but was so tired that I fell asleep immediately after, but just had to comment that it was a really great read and a lot of stuff I have in common with.

Thanks for the translation, you did a great job at it!

Thank you :) I am very happy it made such an impression on you. I have never shared the text before online but I once read it to people in a bar. But most people there did not speak German so it was kind of scenseless. Good to have an English version now :)

Praciticing a language is always best if you are surrounded by people talkin it. My Spanish is a desastre because I have not practiced for years. Gotta learn my vocabulary again :)

Excellent post! I like your work

Thanks a lot :)

No tengo palabras para expresar lo que siento xD

Pienso en ello a traducir el texto en Inglés. ¿Le ayuda?

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