Persönlichkeitsentwicklung 038 - Geistige Öffnung hilft gegen Ratlosigkeit

in #deutsch5 years ago (edited)

19. Januar 2019

Diese Woche habe ich einen Zweiteiler Bildung und politisch-etatistische Dialektik [1] veröffentlicht, zu dem ich gerne eine persönliche Ergänzung anfügen würde. Denn, ich hatte in meinem eigenen Leben schon öfter die Gelegenheit zu erfahren, dass man mit

  1. mit einem mangelhaften Wissen um die ablaufenden Mechanismen nahezu zwangsläufig Fehler begeht,
  2. mit einer zu geringen geistigen Offenheit nur in beschränktem Masse in der Lage ist, die Ursache von Fehlern zu erkennen und daraus zu lernen,
  3. mit dem Bestehen auf der eigenen Herangehensweise und dem Zementieren von Vorstellungen bezüglich wer an der eigenen Lage Schuld sein soll und deswegen bestraft gehört kaum weiterkommt.

Grundsätzlich gilt, dass es einer Öffnung bedarf, wenn erkannt wurde, dass man mit den eigenen Vorstellungen die Zielsetzung nicht erreicht. Ein Rückzug oder eine Verengung kann dann zielführend sein, wenn man nach einer Verzettelung eine Rückbesinnung auf früher gepflegte Tugenden durchführen möchte.

DSC_0304edsc.JPG
Winterstimmung aus meiner Heimat. Eigene Aufnahme.

Mir ist diese Darlegung vor allem aus einem Grund und für mich selbst wichtig. Für eine funktionierende Gesellschaft bedarf es vor allem eines hohen Masses an Eigenverantwortung der Menschen. Den Trends zu Faulheit und Gleichgültigkeit kann nur entgegengewirkt werden, wenn die Menschen dabei bleiben müssen, ihre vier Wände und ihren Einflussbereich in Ordnung zu halten und auch merken können, dass sich das lohnt.

Daraus ergibt sich automatisch ein gesunder Ausgleich aus Egoismus und Altruismus. Es ist im besten Eigeninteresse, für sich selbst sorgen zu wollen und sich vor allem anderen vorbildlich um die eigenen Angelegenheiten zu kümmern. Dazu soll man nach Chancen zur Weiterentwicklung suchen, um in der Konsequenz stärker in der Lage zu sein, andern helfen zu können. Da man selbst auch in die Lage kommen kann, auf die Hilfe anderer angewiesen zu sein, ist es zu jedem Zeitpunkt ratsam, sich mit anderen Menschen gut zu verstehen und sich um sie zu kümmern, um in einer eigenen Notlage auf ihre Hilfe zählen zu können.

Für lange Zeit hielt ich den Egoismus für ein Sache, mit der ich gar nichts zu tun haben wollte. Im Ergebnis führte das dazu, dass ich anderen sehr gerne half und das teilweise sogar wertgeschätzt wurde. Da es in der Schule meist einigermassen gut lief und ich selbst meine Probleme alle einigermassen gut bearbeiten und lösen konnte, lernte ich nie, meine eigenen Interessen mit Nachdruck zu vertreten und nicht zurückzuweichen, bis ich an meinem Ziel angekommen bin.

Unter diesen Umständen anderen zu helfen ist nicht nur grosszügig, sondern wurde von dem libertären Dänen Mikkel Clair Nissen im Buch Manipulism and the Weapon of Guilt: Collectivism Exposed (deutsch: Manipulismus und die Waffe der Schuld: Kollektivismus aufgedeckt) [2] als Ergebnis eines narzisstischen Minderwertigkeitskomplexes bezeichnet. Man hilft aus grosser Selbstlosigkeit, ist aber sehr enttäuscht, wenn man dafür kein Lob oder keine freundlichen Worte erhält. Mit dieser Einstellung wird man möglicherweise schon als hilfreicher Zeitgenosse geschätzt, hat aber nur wenig Möglichkeiten voranzukommen und sich weiterzuentwickeln.

Zum Ende meines Studiums geriet ich selbst in Probleme. Das Problem war, das die Leistungen sehr dürftig waren, trotz grossem Fleiss und der Bereitschaft, alles für den Erfolg tun zu wollen. Meine Sicht auf das vorhandene Problem führte zu keinem sinnvollen Lösungsansatz und keinem Set an Massnahmen, deren Umsetzung eine Veränderung zum Positiven herbeizuführen imstande war. Es war auch weder gewachsenes Vertrauen in andere als Hilfsdienstleister vorhanden, noch die Fähigkeit diese Probleme in zielführende Fragen und Aussagen zu packen und sie den richtigen Menschen zu stellen.

Meine Ratlosigkeit und Verzweiflung waren damals gross und die Situation, ganz konkret isoliert im Abseits zu stehen und sehr wenig Kontrolle über das eigene Leben zu haben, so unangenehm, dass ich das nicht noch einmal erleben möchte. Ein Teilproblem war wie üblich in Schulen die stete Fokussierung auf Arbeit nur für sich selbst und damit wenige erlebte Bestätigungen, dass man sich bei der Erarbeitung des Stoffs nicht nur auf sich selbst, sondern auch auf die Arbeitsteilung mit Kollegen verlassen kann. Schlussendlich gab es doch eine Lösung, aber eben keine wirklich gute, was mich nicht mit unbedingt mit einer grossen Zufriedenheit auf meine Zeit als junger Erwachsener blicken lässt.

Wenn man heute in Ratlosigkeit und Verzweiflung gerät, ist es ziemlich einfach, die Situation so darzustellen, als ob man auch als eigentlich starkes und überdurchschnittlich intelligentes Mitglied der Gesellschaft irgendwelchen hinterhältigen, missgünstigen und niederträchtigen Anschlägen und einer absichtlich weitgehend falsch gestalteten Erziehung zum Opfer gefallen sei und deswegen möglicherweise oder ganz ausdrücklich einen Anspruch auf Versorgung durch Dritte hätte. Man kann sich auch gut darstellen, als ob man zutiefst beleidigt worden sei oder in den eigenen Gefühlen verletzt. Es gibt genügend Menschen, die einen in genau dieser Sicht bestätigen wollen, in der Absicht, einen gegen das sogenannt bestehende Ungerechtigkeitssystem aufzuhetzen.

Sich dem längere Zeit hinzugeben wäre in meinem Fall angesichts des noch nicht besonders weit fortgeschrittenen Lebens wohl eine Entscheidung gewesen, die in Verbitterung und Verzweiflung hätte enden müssen. Mit anderen Worten: in persönlichem Unheil. Es wäre nicht sinnvoll gewesen, meinen Geist, meine Einstellung und meine Weltanschauung zu begrenzen und in dieser Begrenztheit noch engstirnig oder besonders wütend zu werden, auch wenn sich das zeitlich begrenzt nicht ganz vermeiden liess.

Da man im Verlaufe eines Lebens immer wieder mit Herausforderungen und Hindernissen konfrontiert ist und man darauf angewiesen ist, über Konzepte und Ideen zu deren Lösung zu verfügen, reifte in mir die Erkenntnis, dass ich andere Massnahmen zu treffen habe. Denn, es war offensichtlich, dass ich wiederholt falsche Entscheidungen getroffen hatte, was mir in vielen Fällen leider erst viel zu spät klar oder so mitgeteilt wurde. Dennoch besteht keine Notwendigkeit, so weiterzumachen und es war auch so, dass zwar Traumata zurückbleiben, aber alles ziemlich glimpflich ausging. Denn obwohl Versagen meinerseits vorlag konnte ich doch sagen, dass ich wenigstens kaum andere mit meinem wenig tauglichen Verhalten beschädigt hatte. Es bestand auch die Möglichkeit, die eigene Wahrnehmung weitgehend zu korrigieren.

Meine Öffnung und Neuausrichtung schuf tatsächlich neue Perspektiven und eine Weiterentwicklung, so dass ich heute sagen kann, dass der Prozentanteil meiner Weltanschauung, der auf den Erfahrungen aus Schule und Ausbildung aufbaut, sich wohl höchstens im niedrigen zweistelligen Bereich bewegt.

Gerade wegen der eigenen Erfahrung setze ich mich besonders für offene Diskurse unter verschiedensten Menschen ein, da damit falschen Entscheidungen am ehesten präventiv entgegengetreten werden kann. Es ist gemäss meiner Erfahrung besonders dann richtig, sich zu öffnen, wenn man merkt, dass die Realität nicht mit den eigenen Vorstellungen deckungsgleich ist. Dann bedarf es der Neuorientierung und eine solche kann nur sinnvoll sein, wenn sie auf der Basis von Erkenntnissen und Informationen aufgebaut ist, die über die alten Erkenntnisse und Informationen hinausgehen, die den vorherigen Irrweg produziert haben. Ich kann zwar noch nicht behaupten, am Ende dieses Weges angelangt zu sein, aber bin sehr froh, nahezu alles destruktive Gedankengut hinter mir gelassen zu haben. Tatsächlich verspüre ich den Antrieb, Dinge mutwillig zu zerstören nahezu überhaupt nicht mehr. Vielleicht ändert sich das aber auch ganz von alleine mit zunehmendem Alter.

Auch von utopischem Gedankengut nehme ich im Zweifel eher Abstand, als dass ich es knallhart vertrete. Es erscheint mir offensichtlich, dass mir etwa klassich liberales oder libertäres Gedankengut zusagt und mich darin weiterbilden möchte. Mir gefällt auch das Prinzip freiwilliger Verträge ausserordentlich gut, welches besagt, dass wer etwas einfordern will, beispielsweise Treue, gleichzeitig etwas bieten muss, dass diese Treue freiwillig geleistet wird. Wer nur Nichtsanktion gegen Gehorsam anzubieten hat, offeriert kein gutes Geschäft.

Meine erste Priorität ist dennoch, im alltäglichen Leben gut zurechtzukommen, die sich bietenden Herausforderungen anzunehmen und die eigene Identität zu akzeptieren wie sie ist. Dazu ist klar, dass die Loyalität der Familie, dem Heimatland und dem Arbeitgeber gehört, nicht irgendwelchen mir nicht persönlich bekannten Menschen, die Dinge behaupten und versprechen, die zu gut sind, um wahr zu sein. Was zu gut ist um wahr zu sein, ist auch nicht wahr. Ganz grundsätzlich.


[1] Bildung und politisch-etatistische Dialektik - 2 Teile. @saamychristen, 15.-16. Januar 2019 Teil 1: https://steemit.com/deutsch/@saamychristen/politik-116-bildung-und-politisch-etatistische-dialektik-1-2 Teil 2: https://steemit.com/deutsch/@saamychristen/politik-117-bildung-und-politisch-etatistische-dialektik-2-2
[2] Manipulism and the Weapon of Guilt: Collectivism Exposed. Mikkel Clair Nissen, Veröffentlichung im Selbstverlag, 2013. Amazon: https://www.amazon.com/dp/B00BUL83JI/ref=cm_sw_r_tw_dp_U_x_cO4qCbCCNFDDN. Die Webseite http://www.manipulism.com, auf der das Buch als PDF-Datei und Hörbuch kostenlos angeboten wurde, ist nicht mehr aufgeschaltet.


Bisherige Posts in der Rubrik «Persönlichkeitsentwicklung».
Übersicht über alle Rubriken.

Coin Marketplace

STEEM 0.19
TRX 0.14
JST 0.030
BTC 59933.20
ETH 3191.47
USDT 1.00
SBD 2.44