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RE: Doch nicht alles Gold was glänzt? Nachteile als digitaler Nomade

in #deutsch6 years ago (edited)

Hallo zusammen,
ein top Post, zu einem super Thema auch wenn es um ein "first world problem" geht! Gerade wenn man auf Instagram schaut erhält man schnell einen falschen Eindruck.
Ich möchte den Artikel noch ergänzen, denn einige für mich sehr wichtige Punkte sind nicht erwähnt worden.

Soziale Bindungen:
Ich habe nach 1,5 Jahren on the road gemerkt wie sehr die Kontakte in die Heimat abflauen. Selbst zu guten Freunden oder der Familie, deren tagtägliches Leben einfach in einer ganz anderen Realität und einem völlig anderem Umfeld stattfindet. Da hilft auch alle ein- bis zwei Wochen einmal Skypen nicht, der Satz "aus den Augen aus dem Sinn" trifft hier tatsächlich zu.
Gerade auf Bali hat man viele Backpacker und Reisende, was gerade beim Aufbau von neuen Freundschaften schwierig ist. Ich habe dafür den Begriff "one day stand" eingeführt - du triffst jemanden, verbringst einen coolen Tag, und dann zieht jeder weiter auf seinem eigenen Weg. Die angesprochene Einsamkeit kann ich auf jeden Fall nachvollziehen, besonders falls es einem einmal nicht so gut geht ist wenig halt da.

Notfälle in der Heimat:
Meine Mutter ist während meiner Nomadenzeit schwer erkrankt. Normalerweise ist die Distanz kein Problem - aber wenn etwas ernstes ist, dann spürst du den Unterschied zwischen jederzeit innerhalb weniger Stunden da zu sein und von den typischen Nomaden Destinationen Südostasien/ Mittel- & Südamerika nach Deutschland zu fliegen.

Beziehung:
Wenn du Singel bist, ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß das du es in deiner Nomadenzeit auch bleibst. Einen Partner zu finden der diesen Lifestyle mitmacht oder mitmachen kann oder will, ist sehr unwahrscheinlich.

Set up & Wifi:
Neben der hinlänglich bekannten Suche nach stabilem und schnellem Internet verkennt man auch die Zeit die es kostet sich an einem neuen Ort einzuleben. Bis ich da meinem Rythmus drin habe sind gerne mal einige Tage bis eine Woche vergangen. Deshalb möglichst länger an einem Ort bleiben.

Den Punkt der Wohnung in Deutschland finde ich nicht valide - denn das Problem ist v.a. dem deutschen Mietmarkt/ Mietrecht geschuldet. Ich habe in Toronto 4 Tage gebraucht um eine Wohung zu mieten (kündigbar zum Monatsende) und in Brisbane einen Tag. Es gibt in Dtl. einfach keinen Markt für kurzfristige Mieten.

Vorsorge/Nachhaltigkeit/ Soziales Netz
Für mich ein ganz ganz wichtiger Punkt: Als Angestellter in Deutschland bist du nunmal was Risiken angeht extrem gut abgesichert. Die meisten finden es bestimmt mega uncool über das Thema Rente und Absicherung nachzudenken. Für mich gehört es jedoch dazu, sich Gedanken darüber zu machen - das muss ein Arbeitnehmer in Dtl. nicht bzw. nicht in dem Umfang. Zu leicht vergisst man das sich von 1000€ in Bali zwar sehr gut leben lässt, doch gerade wenn man älter wird und die ersten gesundheitlichen Kleinigkeiten kommen wird man doch wieder in ein Hochlohnland wollen, weil die medizinische Behandlung einfach besser ist. Und da stellt sich eben die Frage ob man genug Rücklagen für das Alter aufgebaut hat, ob man ein nachhaltiges Geschäftsmodell als Selbstständiger hat, usw.
Das habe ich bei vielen die ich auf Bali getroffen habe immer etwas bezweifelt, das kleine Instagram Accounts genug abwerfen um Rücklagen aufzubauen. Auch bei vielen VAs (bitte nicht als Seitenhieb verstehen) bin ich da skeptisch. Vielleicht bin ich in diesem Punkt aber auch zu "Deutsch" eingestellt.

Network:
Was auf die sozialen Bindungen zutrifft, trifft erst recht auf die beruflichen Kontakte zu. Nach zwei Jahren Abwesenheit war mein Netzwerk in Deutschland einfach kaum mehr existent.

Nomadenprobleme
Mein letzter Punkt ist das "Arbeiten im Paradies". Ich hab damit keine Probleme, wenn ich in der früh 2h im Meer surfen war, setze ich mich auch noch gerne 12h vor den Laptop und "arbeite".
Generell sehe ich einiges an Ablenkung und finde es braucht schon ordentlich Disziplin um wirklich Produktiv zu sein, v.a. weil man oft Nomadenprobleme hat.
Mehr als einmal konnte ich z.b.ein dringend benötigtes online Produkt nicht kaufen, weil eine dt. Kreditkarte aus Indonesien automatisch als Scam eingestuft wird. Bankgeschäfte sind immer ein Problem, wenn ein Baustein failed, so musst ich z.b. meine DKB App neu installieren, wofür ich damals einen Brief brauchte, der ohne deutsche Adresse aber nicht ankommt. Hier kommt auch das angesprochene "Farang/Bule" Problem hinzu - oft gibt es eben Scam Versuche von Polizisten, etc. sowie den meistens deutlich höheren Preis.

Ich kenne daher auch viele die ihren Nomadenstatus nach einiger Zeit wieder aufgegeben haben und einen anderen Lifestyle gefunden haben.

P.S. Super das es eine so große deutschsprachige Community auf steemit gibt, da werde ich doch öfter mal auf Deutsch posten!

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Hallo digitalsash,

vielen Dank für Deinen Kommentar. Hier ein Bemerkung zu Deiner Aussage:

"Zu leicht vergisst man das sich von 1000€ in Bali zwar sehr gut leben lässt, doch gerade wenn man älter wird und die ersten gesundheitlichen Kleinigkeiten kommen wird man doch wieder in ein Hochlohnland wollen, weil die medizinische Behandlung einfach besser ist."

Ich weiß gar nicht ob das wirklich stimmt. Wenn man sich Medizin in Indien anschaut z.B. Ayurveda, gibt es kostengünstig effektive Hilfe ohne die Beteiligung unserer westlichen Pharma Industrie. In Varanasi gibt es Kliniken, da kann sich europäische Schulmedizin eine Menge abschauen. Übrigens tun dies auch indische Klinken von unserer Schulmedizin.

Lieber @digitalsash, erstmal ganz lieben Dank, dass du dir die Zeit genommen hast für solch einen aussagekräftigen Kommentar. Dieser ergänzt meinen Beitrag einfach perfekt und ich pflichte dem allen bei!

Auch meine Mutter war schwer erkrankt und ich musste mir von heute auf morgen einen Flug von Australien nach DE organisieren. Da schaut man dann auch nicht mehr auf den Preis und bucht ihn einfach.

Eine Sache habe ich gestern ganz vergessen, und zwar geht es mir auch um die Akzeptanz der Gesellschaft über die Arbeit der digitalen Nomaden. Zu hause in DE gilt Arbeit nur dann als richtige Arbeit, wenn ich mich von morgens bis abends in eine sogenannte Arbeitsstätte begebe. Alles andere (auch home office) wird ja gern belächelt und nicht als echte Arbeit wahrgenommen. Ich habe oft auch das Gefühl (gehabt), dass ich mich rechtfertigen muss und vielen erklären muss, dass ich tatsächlich arbeite auch wenn ich mich in einem Urlaubsort befinde. Naja, mittlerweile ist es mir ja auch wurscht wer was denkt, solange ich weiß was ich leiste ist das ausreichend. Aber zu Beginn war das auch eine große Herausforderung.

Ja die Community hier ist richtig toll und man kann sich hier auch mal "trauen" kontroverse Themen anzusprechen. Ich erlebe das auf anderen Plattformen nicht immer so positiv wie hier.

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