Deutsche Männer gucken nur!

in #people6 years ago (edited)

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Ich bin ein Mann

Ich meine, nicht nur physisch. Ich meine, ich fühle mich auch als Mann. Ha ha ha. O.k. dass haben wir verstanden. Na dann erzähl mal, wie Mann sich so als Mann fühlt. Ach Gott. Hätte ich mal lieber den Mund gehalten. Jetzt gucken alle. Habe ich etwas gesagt, was ich besser nicht hätte sagen sollen? Oder schlimmer noch habe ich mich lächerlich gemacht? Was hätte ich den sonst sagen sollen? Hätte ich sagen sollen, dass ich Queers ganz in Ordnung finde? Gut unter Rechten hätte ich mir das auf jeden Fall verkniffen.
Da ich aber nichts mit Rechten zu tun habe, und das in Zukunft sicherlich auch so bleibt, spielt das also gerade keine Rolle. Also ich mag Queers. Sage ich jetzt mal. Ich weiß gar nicht so richtig was das ist. Aber wenn sich jemand als Quere fühlt, bitte warum nicht. Bloß, wie fühlt sich eigentlich ein Quere? Oder heißt es eine Quere? Unwichtig? Ich meine nicht unwichtig wie sich ein/eine Quere fühlt, sondern, ob es "ein" oder "eine" heißt. Aber darf ein/eine Quere sagen, dass er/sie sich als Quere fühlt, oder beschleicht sie/ihn das gleiche Gefühl jetzt etwas falsches gesagt zu haben? Ich glaube nicht. Jedenfalls in Kreisen in denen ich mich bewege, und Homosexuelle, genauso wie Transgender unterwegs sind, müssen sie das nicht. Und eine Frau, muss das auch nicht. Das wäre ja auch schlimm. Na super, wenn die anderen das dürfen, dann darf ich das auch. Also ich bin ein Mann. ... Und wieder dieses Gefühl, dass die Leute gucken. Irgendwie darf hier wohl jeder alles. Nur ich wieder nicht. Aber warum denn nicht? Warum muss ich mich erklären, während andere das nicht müssen, obwohl aus meiner Sicht, nicht mal jeder Dritte weiß, was ein anderer meint, wenn er sein Gender-Geschlecht angibt.

Irgendwas liegt hier was im Argen

Woher kommt dieses Gefühl, dass ich mich eben nicht frei äußernd darf, obwohl doch alle, mich eingeschlossen, so tolerant sind? Mich beschleicht eine Idee. Kann es sein, dass der Begriff "Männlichkeit" in der Vergangenheit zu oft missbraucht wurde? Vornehmlich von Leuten, die im Gleichschritt marschierten und dafür gesorgt haben, dass viele deutsche Städte keinen historischen Stadtkern mehr haben? Das lasse ich mal so stehen. Einen Hinweis, darauf, dass das eine Rolle spielen könnte, gibt mir das Verhalten derer, die auf genau der anderen Seite des politischen Lagers positioniert sind.
Wobei ich an der Stelle, gleich vor wegschicken muss, dass ich übertriebene Männlichkeit und patriarchalisches Verhalten unglaublich abstoßend finde. Jetzt könnte man meinen, dass ich mit dieser Meinung, mit dem eben erwähnten politisch bunten Lager, einer Meinung bin. Komisch nur, dass gerade die, die die Männlichkeit so vehement ablehnen, eine der treibenden Kräfte sind, wenn es darum geht, dass ich mich irgendwie komisch fühle, sobald ich sage, dass ich mich als Mann fühle.
Denn so sehr ich mich bemühe. Ich kann nicht umhin, dass Vertreter dieses bunten und toleranten Lagers auf mich häufig so übertrieben maskulin wirken. Und zwar so sehr, dass ich gar nicht weiß, wo ich irgendetwas vergleichbares suchen soll.

Vertreter dieses Lagers treten gern als Rudel auf, sind hierarchisch organisiert und gehen auch schon mal aggressiv gegen jeden vor, der die eigenen Vorstellungen von Toleranz nicht teilt. Man ist aber auch weniger aggressiv und ohne Vermummung vertreten, wenn es gegen die Gentrifizierung eines Stadtviertels geht. Aber immer als Gruppe, die, sobald sie den Raum betritt, und auch noch eine ganze Weile nachdem sie wieder gegangen ist, diesen vor Testosteron nur so stehen lässt. Der Archetyp von Männlichkeit, der genau dass, was er selbst darstellt, wie kaum ein anderer bekämpft. Man hat inzwischen die Mode, die vor ein paar Jahren von den Frauen eingeführt wurde, und daraus besteht, eine kurze Hose über einer langen Strumpfhose in Kombination mit Turnschuhen zu tragen, übernommen. Das alte feminin, ist das neue maskulin. Man darf es nur nicht aussprechen.

Nun gut

Extreme gibt es ja immer. Würde sich das Phänomen nur auf diese Kreise beschränken, wäre es sicher nicht aufgefallen, und hier würde statt dessen irgendeinen anderen Artikel stehen. Leider ist es nicht so. Wer sich als Mann fühlt und das gerne sagen möchte, der muss gut vorbereitet sein. Er muss bereit sein damit zu leben, dass die Augenbrauen hochgezogen werden. Er muss damit rechnen, dass er belächelt wird, und dass er gute Argumente bringen muss. Wer das nicht kann, hält besser den Mund. Nun können die Leute aus dem dritten Reich, oder deren Konterpart wohl nicht allein schuld sein.
Denn während nach dem Krieg, die Nazis ganz schnell verschwunden waren, ging das mit dem Patriarchalismus in Deutschland noch eine ganze Weile weiter. Was die Frage aufwirft, ob es vielleicht genau daran liegt? Ich weiß ehrlich gesagt nicht so viel über dieses Thema. Es wäre super cool, und mit Sicherheit unglaublich überzeugend, wenn ich an dieser Stelle, irgendwelche Jahreszahlen sowie den sozialen und politischen Zusammenhang erklären könnte. Kann ich aber nicht. Ich kann nur sagen, dass ich mich tatsächlich eine ganze Zeit lang geschämt habe ein Mann zu sein.
Ausgelöst wurde das ganze dadurch, dass, neben den Bildern in der Men's Health, welche die immer gleichen unerreichbaren Sonnyboys präsentierte, in den Jahren kurz vor dem Durchbruch der Gender Studies eine Flut von Artikeln und Berichten durch die Medien ging, deren Tenor durch ein: "Männer sind unrasiert, aggressiv und übergriffig und zu allem Unheil auch noch schlecht in der Schule." am besten beschrieben werden kann. Gift für einen sowieso schon verunsicherten, untergewichtigen, schlaksigen, blassen Jugendlichen, dem sein Vater seine Vorstellung von dem was "ein richtiger Mann ist" vorgelebt hat und den die Armee aufgrund seines Asthmas nicht genommen hatte.
Welche Erlösung war es, als dann die GEO-Zeitschrift einen Artikel herausbrachte, der enthüllte, dass Männer doch nicht dümmer sind als Frauen und man im Zuge der Gleichberechtigung in den 70'er Jahren, zwar die Mädchen an den Schulen förderte, gleichzeitig aber vergessen hatte, dass Jungs, die später zu Männern heranwachsen würden, eben doch auch geschlechtsspezifische Bedürfnisse haben, auf die eingegangen werden muss, damit diese nicht an Stellen ausgelebt werden, an denen sie Blüten treiben, die so niemand will. Kurz darauf folgten weitere Artikel, mit Titel wie: "Die neuen Männer", "Jetzt kommen wir!" oder einfach "Jungs!". Balsam für eine geschundene Männerseele.


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Cover des GEO-Magazin März 2003

Trotzdem

Der Schaden war getan.
Dass die Verunsicherung unter einem nicht geringen Teil der Männerschaft doch recht groß ist zeigt sich auch in meinem Bekanntenkreis immer wieder. Ein guter Bekannter, der schon ein paar Jahre mehr als ich auf dem Buckel, aber ein unglaubliches Händchen dafür hat, das weibliche Geschlecht dauerhaft für sich zu begeistern, hat mir einmal gesagt, dass er sich wundert was los ist. Denn "Die jungen Leute haben heute alle keinen Sex mehr.". Auch trifft man hin und wieder in den Medien auf ähnliche Aussagen. Z.B. als der Spiegel ein Interview veröffentlichte, welches den Titel "Deutsche Männer gucken nur" trug und der beschreibt, dass Frauen aus dem Ausland häufig auffällt, dass deutsche Männer sehr gehemmt scheinen, wenn es darum geht eine Frau anzusprechen. Gibt man diesen Satz in Google ein, so findet man sofort mehrere Artikel, die dieses Thema behandeln. Nachdem ich diesen Artikel gelesen habe, bin ich dazu übergegangen, Frauen in meinem doch recht internationalen Freundeskreis zu fragen, was an dieser Aussage dran ist, um erstaunt festzustellen, dass mir dessen Richtigkeit nahezu durchgängig bestätigt wurde.

Auch bekomme ich es immer wieder mit, dass deutsche Jungs oder Männer häufig keine Freundin haben, während der Rest, der Männer aus den Kreisen, in denen ich am Wochenende verkehre, seien es Japaner, Russen, Chinesen, Spanier, Argentinier und weiß Gott noch alles, deutlich häufiger in Begleitung einer Frau beobachtet werden können. Es liegt offenbar an den Deutschen. Wobei nicht geklärt ist, ob es allein an den deutschen Männern liegt, oder ob nicht doch das Gegenüber ein wenig mit an der allgemeinen Verunsicherung beteiligt ist.

Ein ähnliches Phänomen, wie es jetzt in Deutschland zu beobachten gibt, gab es schließlich schon mindestens einmal zu beobachten. Es war als Ende der 70'er bis zum Anfang der 90'er Jahre die Frauen in den USA anfingen ihre Rechte mehr und mehr durchzusetzen, und mit den neu gewonnenen Rechten anfingen neue und ungewohnte Rollen auszuprobieren. Erkennbar sind diese neuen Rollen z.B. in den Musikvideos der damaligen Zeit, in denen nicht nur Männer sondern auch Frauen Anzüge mit Schulterpolstern und kurzen Haaren trugen. Ein absolutes Novum. Paarthereapheuten dieser Zeit berichteten gehäuft, dass sich Männer darüber beklagten, dass sie keine Frau fänden, da sich alle Frauen zu sogenannten "Ball Bustern" (Eierjäger) gewandelt hätten. Frauen dieser Zeit beklagten sich ihrerseits, dass auch sie keinen Mann fänden, da sie nur "Wimps" (Weicheiern) begegneten. Eine Aussage, die mir auch hierzulande nicht mehr fremd ist.

Eine weitere Auffälligkeit, die die Vermutung bestätigt, dass das Phänomen von verunsicherten Männern und entäuschten Frauen nicht allein an der Herrenschaft liegt ist, dass sich Vertreterinnen des weiblichen Geschlechtes, welche nicht aus deutschen Landen stammen und deren Heimatländern die Emanzipation noch nicht so weit fortgeschritten ist, häufig ein vollkommen anderes Flirtverhalten präsentieren, welches signalisiert, dass es nicht nur o.k. ist, dass der Mann den ersten Schritt macht, sondern dass es gewünscht ist, und einen auch ansonsten ermutigt, eben das zu zeigen, was eine Frau, insofern sie sich von Männern angezogen fühlt, an einem Mann interessant findet. Seine Männlichkeit. (Ein Schelm, wer böses dabei denkt.)

Ist dieses ablehnende Verhalten gegenüber der männlichkeit, vielleicht die Gegenreaktion, auf die immer noch herrschenden Missstände?
Denn während in der Wirtschaft und der Politik immer noch die schreiende Ungerechtigkeit eines Ungleichgewicht zum Nachteil der Frauen herrscht, ist dieses, wenn es um das Verständnis von Geschlechterrollen geht, in den Köpfen einer ganzen Generation gerade am Kippen. Es äußert sich darin, dass sich jeder, der sagt, dass er ein Mann ist, erklären muss, was dann eben in jener Verunsicherung mündet, die eine ganze Generation an Singles erzeugt. So wie sich die Frauen ihren verdienten Platz in der Gesellschaft erkämpfen mussten, und immer noch erkämpfen müssen, müssen die Männer beweisen, dass auch sie das Recht haben und es wert sind, weniger in den alten eingefahrenen Gleisen der Politik oder Wirtschaft, sondern in den Köpfen der neuen Generation, anerkannt zu werden.

Darum aufgepasst

Es ist die Zeit für neue Männlichkeit. Bauch rein, Brust raus und den Kopf geradeaus. Männlichkeit heißt nicht, andere zu bevormunden und sich auf der anderen Seite bedienen zu lassen. Es steht dafür, zu sagen was man denkt und im Gegenzug den anderen zuzuhören. Ein Mann zu sein heißt nicht, jederzeit über alles die Kontrolle zu haben, nicht alles zu können, zu wissen und zu verstehen. Ein Mann zu sein heißt neben den Stärken auch Schwächen zu haben, diese zuzulassen und dabei trotzdem nicht zu jammern. Es heißt, seine Partnerin zu stützen und es o.k. sein zu lassen, wenn man selber Stütze braucht. Und es steht auch dafür auf eine Frau zugehen zu können, um ihr zu sagen, dass sie einem gefällt, und es gleichzeitig zu akzeptieren, wenn es nur bei einem netten Gespräch bleibt.

Und Mädels es gibt sie. Männer, die all das oben genannte können und noch mehr. Männer die zuhören und die die Wäsche selber waschen. Die kochen können oder auch nicht. Mit Bärten, mit Muskeln, oder ohne. Männer die den Müll vor die Tür tragen und einen Abend nur mit Kumpels unterwegs sein wollen, um euch am nächsten Tag das Frühstück wieder ans Bett zu bringen. Männer die gerne den Ton angeben und gleichzeitig dankbar sind, wenn ihnen ab und zu die Zügel aus der Hand genommen werden und die nur darauf warten, dass ihr ihnen ein Zeichen gebt.

Wenn das alle verstanden haben, dann kann das Jahr beginnen. Ein Jahr mit mehr Flirten, mehr Miteinander, mehr Liebe und mehr Toleranz. Für Transgender, Queres, Frauen und Männer.


Gastauthor: #einsundnull

Bildquelle: Buchfreund.de

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Hallo Marcel,
könnte es eventuell sein, dass du dir ein ganz klein wenig zu viele Gedanken über die Männlichkeit machst?
Schnapp dir deine (Frau) Freundin, stell dich mit ihr nackt vor den Spiegel und du wirst Unterschiede erkennen. Ganz offensichtliche sogar. Der Rest ist Zeilen-Füllen der Psychologen, Pseudo-Psychologen, Redakteuren (Redakteurinnen) und solchen, die glauben schon lange nichts mehr zu dem Thema gesagt zu haben.

Was das Gewaltpotenzial betrifft, kann ich dir versichern, dass das weibliche Geschlecht in dem Bereich nicht minder als wir bestückt ist. Im Gleichschritt sind sie genau so gelaufen, wie sie in gleichem Maße die Nachbarn denunziert hatten. Nur das Einfangen und Einsperren, das haben sie den Männern überlassen. In Dachau waren sie wieder genau so zugegen, wie die männlichen "Hinrichter". (Übrigens, die Nazis waren nach dem Krieg nicht verschwunden - sie haben lediglich das Ausgehkleid gewechselt.)

Aber, und das sollte natürlich nicht übersehen werden, die kleinen, aber feinen Unterschiede, die es da zwischen männlich und weiblich gibt, dies sind halt eben die Gewürze in der Suppe.
Vielleicht machen wir uns einfach nur zu viele Gedanken? So schiebe ich bereits über einen Monat eine Satire vor mir her, in der ich mich mit dem Thema #MeToo beschäftige. Ganz simple und sehr humorvoll. Warum habe ich den Artikel noch nicht veröffentlicht? Weil ich mir zu viele Gedanken über weibliche Reaktionen mache!
Und schon sind wir wieder am Anfang!
Gruß, Wolfram

Oh Wolfgang!

Du hast den Artikel garnicht gelesen. Das ist sehr schade. Vielleicht hast Du später mehr Zeit.
SG :)

Dann geht es mir ähnlich wie dir. Denn ich heiße schon seit meiner Geburt Wolfram.
Ich werde mir die Zeit nehmen.

VoteUpdate! :)

Schöner und interessanter Artikel. Hat mir sehr gut gefallen. Deine Gedanken kann ich sehr gut verstehen und nachvollziehen. :)

Der Elefant, der im Raum steht, ist der angespannte Sexualmarkt.

Frauen suchen tendenziell nach Mann mit Status - vereinfacht gesagt, eine höhere Bildung, wie eie selbst hat.
Durch den Zuwachs von Frauen mit Hochschulabschluss sinkt der Pool an Männern, die für eine Beziehung in Betracht kommt.

Das ist etwas, das kann man doch gerne mal lesen

gerne mehr davon

Du darfst den Beitrag gern weiter Resteemen ( Teilen / Replayen ) :)

Sorry hatte ich in der eile vergessen, direkt nachgeholt :)

Super! Danke! Da schau ich in einer ruhigen Stunde auch mal Deine Sachen intensiver an.

Hmm, Marcel,

ich habe einmal ein kleines Experiment mit dem Abschnitt "Darum aufgepasst" gemacht. Wenn ich

Mit Bärten, mit Muskeln, oder ohne.

einmal entferne, ansonsten im gesamten Abschnitt "Mann" durch "Frau" ersetze ...

... dann sehe ich: passt!

oder?

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