Da kam wieder so ein Hilferuf... / There was another call for help....

in Deutsch Unplugged11 months ago (edited)

english below...

Ja, manchmal kommen sie wirklich zur ungünstigen Zeit, diese Hilferufe...

Von meinen gelegentlichen und künftig wieder regelmäßigeren Tierschutzaktivitäten habe ich bereits berichtet. Manchmal, wenn Freundin Anke vom Gnadenhof im Storkower Umland sich meldet, brennt gerade die Luft, wie damals, als die Laika-Hündin quasi Einzelfallbetreuung brauchte... Gestern klingelte nun wieder das Telefon:

Odin, ein drei Jahre alter, unkastrierter Boerboel-Rüde, muß dringend untergebracht und neu geprägt werden. Wie es dazu kam...? Ein älteres Ehepaar suchte vor gut zweieinhalb Jahren nach einem neuen Familienhund, nachdem die letzten Kinder aus dem Haus waren und den Golden Retriever, mit dem sie glücklich aufwuchsen, mitgenommen hatten. Leider kamen sie weder auf die Idee, bei der Rasse zu bleiben, mit der sie vertraut sind, noch auf einen Gang zum nächstgelegenen Tierheim, das sicher einen passenden Begleiter hergegeben hätte. Nein, sie gelangten an einen Vermehrer, der unter ziemlich unmöglichen Bedingungen viel zu junge Boerboel-Welpen anbot. Und zwar als ideale Familienhunde... Das Mitleid mit den sichtlich nicht gut gehaltenen Tieren gab den Ausschlag für den Kauf. Ganz schlechter Ratgeber, dieses Mitleid!

Man muß wissen, daß Boerboels eine alte, südafrikanische Rasse sind, die aus Bordeauxdogge, Mastino, Bluthund und Rhodesian Ridgeback zusammengezüchtet wurden. Sie sollen durch Wesen und Erscheinung einem eindeutigen Zweck dienen: weitläufige und oft unbewohnte Anwesen von Fremden frei zu halten. Das können sie prima! Sie sind einem, nämlich "ihrem" Menschen dabei sehr loyal ergeben und eine Art Lebensversicherung.

In deutschen Reihenhaussiedlungen kommt das... nicht annähernd so prima. Das Gebiet, daß Herr Boerboel als sein Schutzgebiet empfindet, ist etwa drei Hektar groß. Innerhalb dieses Areals ging er auf alles, was nicht seine Familie war. Nachbarn, Kinder von Nachbarn, Besucher, Tierärzte... Da er aufgrund seiner ausgeprägten Freundlichkeit permanent mit Maulkorb herumläuft, kam es bislang nicht zu ganz schlimmen Verletzungen. Dennoch hat die Familie mittlerweile verstanden, daß sie Hilfe braucht und der Hund ein anderes Umfeld. Sie haben alles versucht, in ganz vernünftigem Rahmen: Welpenspielgruppe, Hundeschule, Einzeltraining... Ohne Effekt. Im Gegenteil: der junge Rüde war irgendwann so verunsichert, daß er seine Leute einfach als inkompetent und unzuständig abgestempelt hat und von da an sein eigenes Ding machte.

Mit Stand heute läßt er sich nicht anfassen. Seine einzige Lautäußerung ist bedrohliches Knurren. Sogar dann, wenn er sich in seltenen Momenten wohl und entspannt fühlt. Weil er nichts anderes gelernt hat von seinen mindestens ebenso verstörten Elterntieren... Wenn er einen anderen Hund sieht, bleibt er zur Salzsäule erstarrt, stehen, fixiert diesen. Dabei läuft ihm nervöser Durchfall am Bein herunter...

Außerhalb seines "Schutzgebietes", auf Ankes Hof, benimmt er sich nicht so überaggressiv und schutzwütig, aber um so nervöser durch die diversen anderen Tiere dort.

Tja... Ein bildschönes, etwa 80kg schweres Hundetier! Bei dem man nicht von Null anfängt, wenn man ihn zu sich nimmt, sondern bei Minus 50. Wenn wir schon zwei bis drei Schritte weiter wären mit unserem Hofprojekt, hätte das gut meine erste Aufgabe sein können. So kann ich momentan leider nichts tun für ihn.

Was braucht er? Einen Einzelmenschen oder ein Paar, wo sich einer der Partner stark zurücknehmen kann im Kontakt mit Odin. Ein riesengroßes, hoch umzäuntes Grundstück. Zeit, Geduld, Verrücktheit und eine Menge Wissen und Empathie. Die Ausdauer, den Hund nicht anfassen zu wollen, bis er es selber anbietet. Die Gelassenheit, seine Angriffe nicht persönlich zu nehmen. Die Fähigkeit, das Tier ohne Hilfsmittel neu zu programmieren und alle seine bislang offenen Fragen zu beantworten. Den Charakter, von ihm als Boss anerkannt und akzeptiert zu werden...

Er braucht verdammt viel Glück. Für den Moment ist er also bei der "Hellhound Foundation" untergekommen, einer Stiftung, die JEDEM Hund eine Chance gibt. Sie sind dort aus genau diesem Grund voll bis unter's Dach. Was vermittelbar ist, wird von super engagierten und kundigen Leuten bestens vorbereitet und begleitet. Was für die Gesellschaft gar nicht funktioniert, hat auf Lebenszeit einen Platz zum Sein. Ich finde das anerkennenswert und bewunderungswürdig - und extrem traurig, wie viel Bedarf es für solche Angebote gibt...

http://www.hellhound-foundation.com/

Was bleibt, ist die Hoffnung, daß sich ein verrückter Herzensmensch findet, der sich der Herausforderung gewachsen fühlt und auch die anderen, nicht einfachen Bedingungen gewährleisten kann. Ich drücke Odin alle Daumen, bleibe in Kontakt zu den Höllenhunden und halte Euch auf dem Laufenden.

Und freue mich ganz nebenbei auf Heidi, die uns heute Abend besuchen kommt und einige Wochen unser Gast bleibt ;-)) Aber das ist eine andere Geschichte...

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Photo: Vanessa Bokr

english version:

Yes, sometimes they really come at the wrong time, these cries for help...

I have already reported on my occasional and, in future, more regular animal welfare activities. Sometimes, when my friend Anke from the sanctuary in the Storkow area calls, the air is on fire, like when the Laika bitch needed individual care... Yesterday the phone rang again:

Odin, a three-year-old, unneutered Boerboel male, urgently needs to be re-homed and re-imprinted. How did it come about...? An elderly couple was looking for a new family dog a good two and a half years ago, after the last children had left home and taken the Golden Retriever they grew up happily with to their new home. Unfortunately, it didn't occur to them to stay with the breed they were familiar with, nor did it occur to them to go to the nearest animal shelter, which would surely have provided a suitable companion. No, they ended up with a multiplier who offered far too young Boerboel puppies under rather impossible conditions. As ideal family dogs... Pity for the animals, which were obviously not well kept, was the deciding factor for the purchase. This pity is a very bad advisor!

One has to know that Boerboels are an old South African breed, bred from Dogue de Bordeaux, Mastino, Bloodhound and Rhodesian Ridgeback. Their nature and appearance are intended to serve a definite purpose: to keep sprawling and often uninhabited estates free of strangers. They can do that very well! They are very loyal to one, namely "their" human and a kind of life insurance.

In German terraced housing estates this works... not nearly so well. The area that Mr. Boerboel feels as his sanctuary is about three hectares in size. Within this area he went after everything that was not his family. Neighbours, children of neighbours, visitors, vets.... Since he is permanently muzzled due to his distinct friendliness, there have not been any quite bad injuries so far. Nevertheless, the family has now understood that they need help and the dog needs a different environment. They have tried everything, within reason: Puppy playgroup, dog school, individual training.... Without effect. On the contrary: the young dog was so insecure at some point that he simply dismissed his people as incompetent and not responsible and from then on did his own thing.

As of today, he will not let himself be touched. His only sound is a threatening growl. Even when he feels comfortable and relaxed in rare moments. Because he has learned nothing else from his at least equally distressed parents.... When he sees another dog, he freezes to a pillar of salt, stands still and fixes his gaze on it. At the same time, nervous diarrhoea runs down his leg...

Outside his "sanctuary", on Anke's farm, he is not so over-aggressive and protective, but all the more nervous because of the various other animals there.

Well... A beautiful dog weighing about 80 kg! You don't start from zero when you take him in, but at minus 50. If we were already two or three steps further with our farm project, this could well have been my first task. Unfortunately, I can't do anything for him at the moment.

What does he need? A single person or a couple where one of the partners can take a back seat to Odin. A huge, high fenced property. Time, patience, madness and a lot of knowledge and empathy. The perseverance not to want to touch the dog until he offers it himself. The composure not to take his attacks personally. The ability to reprogram the animal without any helping tools and to answer all his questions that have been open until now. The character to be recognised and accepted by him as a boss....

He needs a hell of a lot of luck. So for now he has been placed with the "Hellhound Foundation", a foundation that gives EVERY dog a chance. They are full to the rafters there for exactly that reason. What is placeable is prepared and accompanied in the best possible way by super committed and knowledgeable people. What doesn't work at all for society has a place to be for life. I find this commendable and admirable - and extremely sad how much need there is for such offers...

http://www.hellhound-foundation.com/

What remains is the hope that a crazy person of the heart can be found who feels up to the challenge and can also guarantee the other, not easy conditions. I keep my fingers crossed for Odin, stay in touch with the hellhounds and keep you informed.

And by the way, I am looking forward to Heidi, who is coming to visit us tonight and will stay as our guest for a few weeks ;-)) But that's another story...

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 11 months ago 

Das trifft es ziemlich genau...

 11 months ago 

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 11 months ago 

Bildschön...

 11 months ago 

Machmal frage ich mich, ob die Überlegenheit der Homo sapiens wirklich auf alle zutrifft...

 11 months ago 

Gegenfrage: auf wen eigentlich? Ich glaube, die kann ich an einer Hand abzählen.
Gut, Glauben ist nicht Wissen, und im vorliegenden Fall ist Meinen gemeint.
Die "Überlegenheit des Homo sapiens" ist ein Narrativ seit dem Altertum, und es ist Fiktion. Es gab sie nie. Das Narrativ dient einem Angst-reduzierten Lebensgefühl und in einigen Religionen dem Anbiedern an die Gottheit. Während ich das erste psychologisch verstehe, finde ich das zweite eher überheblich und überheblich. Hatte ich überheblich schon erwähnt? In diesem Kontext musste es drei Mal hin, finde ich.

 11 months ago 

Im Kontext der Schilderungen im Beitrag verdeutlicht die (zugegeben provozierend) überhebliche Aussage umso mehr die fehlende Überlegenheit.

 11 months ago 

Die ist mehr so theoretisch... Es finden sich jede Menge Tiere, die weit besser sehen, hören, riechen, laufen oder fliegen können als wir. Sabbeln, das ist unser einziges Spezialgebiet ;-))

 11 months ago 

Jenau... ;-)

 11 months ago 

Mitleid mit en

Ick spende ein "d", wa.
,-)

 11 months ago 

Das wäre dem ChatBot sicher nicht passiert ;-))

@udabeu denkt du hast ein Vote durch @investinthefutur verdient!
@udabeu thinks you have earned a vote of @investinthefutur !

 11 months ago Reveal Comment

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