Totenkult im Alten Ägypten (Teil 3) // Mortuary cult in Ancient Egypt (Part 3)

in #history5 years ago (edited)
Die Reise ins Jenseits.

Da nach Vorstellung der alten Ägypter die Verstorbenen im Jenseits weiterlebten, wurde bereits zu ihren Lebzeiten das Grab als "Haus für die Ewigkeit" errichtet. Je nach Epoche und sozialem Status der Toten unterschieden sich die Gräber in ihrer Größe und Ausstattung.

Journey to the Afterlife

Due to the Egyptian belief in living on in the afterlife, the grave was already erected as a "house for eternity" during one's lifetime. Depending on the epoch and the social status of the dead, the graves differed in size and equipment.

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Kunsthistorisches Museum Wien (KHM Wien)

Neben dem Sarkophag mit der Mumie, den Kanopen für die Eingeweide, dem Totenbuch, der Grabstatue des Verstorbenen, Speisen und Getränken sowie Gebrauchsgegenständen aus dem Besitz des Toten fanden sich in den Gräbern auch sogenannte Uschebti.

Besides the sarcophagus with the mummy, the canopic jars for the viscera, the Book of the Dead, the tomb statue of the deceased, food and drinks as well as utensils from the deceased's possession, the tombs also contained so-called ushabti.

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Uschebti / ushabti ( KHM Wien)

Die kleinen mumienförmigen Figuren dienten ursprünglich als Abbild des mumifizierten Toten. Bald übernahmen sie jedoch eine Stellvertreterfunktion für den Verstorbenen im Jenseits. Wurde dieser aufgerufen, Arbeiten zu verrichten, wie beispielsweise die Felder zu bewässern, so sprang der Stellvertreter für ihn ein.

The small mummy-shaped figurines originally served as an depiction of the mummified dead. Soon, however, they assumed a representative function for the deceased in the afterlife. Was the deceased called to do work, for example to water the fields, the servant statuette did the work for him.

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Uschebti-Kästchen / ushabti box ( KHM Wien)

Eine Vielzahl von magischen Dienerfiguren wurde mit in das Grab gegeben, idealerweise einen Arbeiter für jeden einzelnen Tag des Jahres. Uschebti-Kästchen dienten der Aufbewahrung der Statuetten.

A variety of magical servant figures were were given into the tomb, ideally one worker for each day of the year. Ushebti boxes were used to store the statuettes.

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Kultkammer, um 2500 v. Chr. / cult chapel, around 2500 B.C. (KHM Wien)

Die Kultkammer ist eine oberirdische Kapelle. Es war der Ort, an dem für den Toten Gebete gesprochen, Opfer dargebracht und Rituale vollzogen wurden. Die Kultkammer des Ka-ni-nisut wurde im Jahr 1913 in Giza während der österreichischen Grabungsarbeiten entdeckt und ein Jahr später für das Kunsthistorische Museum Wien (KHM Wien) angekauft.

The cult chamber is an aboveground chapel. It was the place where prayers were said for the dead, sacrifices offered and rituals performed. The cult chamber of Ka-ni-nisut was discovered in Giza in 1913 during the Austrian excavations and bought a year later for the Kunsthistorisches Museum Wien (KHM Vienna).

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Kultkammer Detail/ cult chapel, detail (KHM Wien)

Auf den Wänden sind Szenen aus dem Totenopferritual mit der Schlachtung von Opfertieren sowie Gabenbringer dargestellt.

On the walls there are scenes from the sacrifice ritual with the slaughter of sacrificial animals as well as bearers with the offerings.

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Scheintür/ false door ( KHM Wien)

Das Totenopferritual wurde vor der Scheintür abgehalten. Sie stellt die Verbindung zwischen Diesseits und Jenseits dar und ermöglicht der Seele des Verstorbenen, die Gaben des Opferrituals symbolisch in Empfang zu nehmen.

The sacrificial ritual was held in front of the false door. It represents the connection between this world and the hereafter and enables the soul of the deceased to symbolically receive the offerings of the sacrificial ritual.

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Statue, um 1700 v. Chr. / statue, around 1700 BC ( KHM Wien)

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Statuengruppe, um 2400 v. Chr. / statue group, around 2400 BC (KHM Wien)

Statuen, die in der Kultkammer aufgestellt wurden, waren für die Öffentlichkeit nicht zugänglich.

Statues placed in the cult chamber were not accessible to the public.

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Stele des Ihel, 589-570 v. Chr. / Stele of Ihel, 589-570 BC ( KHM Wien)

Auf Stelen (Grabsteinen) wurden häufig Opferszenen dargestellt. Hier bringt Ihel seine Opfergaben der Göttin Isis und dem Totengott Osiris dar. Die Inschrift enthält Zitate aus einem Totenbuch.

Sacrifice scenes were often depicted on stelae (gravestones). Here Ihel offers his offerings to the goddess Isis and Osiris, the god of the dead. The inscription contains contains quotes from a Book of the Dead.

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Wandbild auf Papier / Wall picture on paper (KHM Wien)

Die unterschiedlichen komplexen Seelenvorstellungen der alten Ägypter zu beschreiben, würde Bände füllen. Das Seelische im Menschen hatte mehrere Aspekte, wofür die Begriffe Ka, Ba und Ach verwendet wurden. Der Ka ist die Lebenskraft eines Individuums. Nach dem Tod verlässt der Ka den Körper und existiert eigenständig weiter. Er beschützt nun den Toten und kehrt immer wieder zu dessen Grab zurück, wo er sich von den Opfergaben ernährt.

Describing the different complex soul conceptions of the ancient Egyptians would fill volumes. The human soul had several aspects, for which the terms Ka, Ba and Ach were used. The Ka was the life force of an individual. After death, the Ka leaves the body and continues to exist independently. He now protects the dead and returns again and again to his grave, where he feeds on the offerings.

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Wandbild auf Papier / Wall picture on paper (KHM Wien)

Mit dem Tod verlässt der Ba den Körper und steigt, meist in Gestalt eines Vogels, in den Himmel auf. Im Gegensatz zum Ka bleibt der Ba-Vogel mit dem Körper des Toten dauerhaft verbunden. In jeder Nacht kehrt er zum Leichnam zurück um sich mit ihm zu vereinigen. Das ist aber nur möglich, wenn die Gestalt (Mumie) des Verstorbenen unversehrt ist.

With death, the Ba leaves the body and rises, usually in the shape of a bird, into the sky. In contrast to the Ka, the Ba bird remains permanently connected to the body of the deceased. Every night he returns to the corpse to unite with it. However, this is only possible if the body (mummy) of the deceased is intact.

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Wandbild auf Papier / Wall picture on paper (KHM Wien)

Der Ahnengeist Ach ist die verklärte Seele des Verstorbenen, die sich erst nach erfolgreicher Prüfung vor dem Totengericht entwickelt. Zur Erlangung und Beibehaltung dieser gottähnlichen Existenzform dienen magisch-rituelle Handlungen, die am Grab vollzogen werden, Inschriften auf dem Sarg oder Grabwänden sowie Texte aus dem Totenbuch, die der Verstorbene zu rezitieren hatte.

The ancestral spirit Ach is the glorified soul of the deceased, which only develops after successful examination before the judgement of the dead. To obtain and maintain this god-like form of existence, magical ritual acts were performed at the grave. Inscriptions on the coffin or walls of the grave as well as texts from the Book of the Dead, which the deceased had to recite, served the same purpose.

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Szene aus einem Totenbuch / Scene from a Book of the Dead (KHM Wien)

Im Alten Reich war es nur dem Pharao vorbehalten, nach dem Ritual der Mumifizierung und Einbalsamierung in den Himmel aufzufahren und inmitten der Götter zu leben. Diese Vorstellung änderte sich ab dem Mittleren Reich. Es verbreitete sich die Idee von einer dunklen, unheimlichen Unterwelt, in der Osiris herrschte.

In the Old Kingdom it was reserved only for the pharaoh to ascend to heaven after the ritual of mummification and embalming and to live in the midst of the gods. This idea changed from the Middle Kingdom onwards. It spread the idea of a dark, sinister underworld where Osiris ruled.


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Szene aus einem Totenbuch / Scene from a Book of the Dead (KHM Wien)

Nach der Durchführung des Mundöffnungsrituals begann die Reise in die Unterwelt, die von den Ägyptern Duat genannt wurde. Im Totenreich lauerten zahlreiche Gefahren. Gegen Schlangen, Dämonen und weitere gefährliche Hindernisse half göttlicher Beistand und vor allem die Kenntnis der Zaubersprüche, mit denen die Gefahren gebannt werden konnten. Diese magischen Sprüche waren im Totenbuch verzeichnet, das ein vollständiger Wegweiser durch das Totenreich war und heute eine wichtige Dokumentation der ägyptischen Mythologie darstellt.

After the mouth opening ritual, the journey to the Underworld, called Duat by the Egyptians, began. Numerous dangers lurked in the realm of the dead. Against snakes, demons and other dangerous obstacles helped above all knowledge of the spells with which the dangers could be averted. These magic sayings were recorded in the Book of the Dead, which was a complete guide through the realm of the dead and today represents an important documentation of Egyptian mythology.

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Totengericht / court of the dead (KHM Wien)

Am Ende der Reise wartete das Totengericht, vor dem sich der Verstorbene zu verantworten hatte. Das Totengericht bestand aus einem Tribunal von 42 Richtern unter dem Vorsitz des Totengottes Osiris.

At the end of the journey the Court of the Dead waited, before which the deceased had to answer for himself. The court for the dead consisted of a tribunal of 42 judges chaired by Osiris, the god of the dead.

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Totengericht, um 1000 v. Chr. / court of the dead, around 1000 BC (KHM Wien)

Im Zentrum der obigen Abbildung aus dem Totenpapyrus des Chonsu-mes steht die Waage, die über das Schicksal des Verstorbenen entscheidet. Der schakalköpfige Anubis legt das Herz des Toten auf die eine Waagschale. Als Gegengewicht dient eine Feder oder eine kleine Statuette der Maat, der Göttin der Gerechtigkeit. Der ibisköpfige Gott Thot protokolliert das Ergebnis.

In the centre of the above illustration from the papyrus of the dead of Chonsu-mes stands the weigh scale, which decides the fate of the deceased. The jackal-headed Anubis places the heart of the deceased on a weighing pan. A feather or a small statuette of the Maat, the goddess of justice, serves as a counterweight. The ibis-headed god Thot records the result.

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KHM Wien

Während das Herz gewogen wird, rezitiert der Verstorbene das negative Schuldbekenntnis, in dem er betont, in seinem irdischen Leben nichts Unrechtes getan zu haben. Spricht er nicht die Wahrheit, verschlingt "die Fresserin", das krokodilköpfige Monster Ammit, das Herz des Verstorbenen, was ewige Verdammnis bedeutet. Befinden sich die Waagschalen im Gleichgewicht, ist der Tote frei von Unrecht und Sünde. Er kann nun als vergöttlichtes Ach-Wesen in die seligen Gefilde des Sechet-iaru (Gefilde des Friedens). eintreten.

While the heart is weighed, the deceased recites the negative confession of guilt, in which he stresses that he has done nothing wrong in his earthly life. If he does not speak the truth, the heart of deceased is devoursed by "devourer", the crocodile-headed monster Ammit. This means eternal damnation. If the scales is in balance, the dead man is free from injust and sin. He can now enter the blessed realms of Sechet-iaru (realms of peace) as a deified Ach being.


Teil 1 / part 1

Teil 2 / part 2

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A brilliant article as usual. You are a very good writer...in English! Admirable.

As I read this I thought of the nights I spent with my mother praying for the dead, and the living, in a continuous flow. My mother (devout Catholic) would kneel with us, and as time passed the list of those remembered grew longer. My mother's connection with those who had died was very real. She was still tending to their souls, within the context of her religious tradition.
She may have had a different concept of death (from the Egyptians,) but in the end, she wanted the same result: comfort and peace for those who had died.

Thanks for your kind words! As for my English - to be honest, without a translator I would be lost.

Your mother's story touched me. It reminds me of my own mother, who was also a very devout Catholic and always held the dead in high esteem. I remember that she often placed candles in the window for the souls of the deceased and prayed the Rosary for them. In a way I continue this tradition. My mother's strong faith helped her to overcome heavy blows of fate.

Weren't we lucky to grow up with mothers who felt so deeply? I think in a way my mother ruined me for the world. She was just too good...hard for anyone I met to live up to that.

Yes, the Rosary. My mother's knees were calloused from praying. Also many hard blows from life that faith helped her to endure. There was a time (in my youth) when I rebelled against just about everything, but I never challenged her faith. That was inspiring.

A translator! You're so honest. It's still great writing😃


Edit: I get confused between agmoore and agmoore2. I never know who is talking :

I'm sure your mother was an extraordinary woman, just like my Mom. Even after four years I still miss her very much. I am full of love and gratitude for her.

I get confused between agmoore and agmoore2. I never know who is talking :

Double agmoore, double pleasure. ;-) No matter who is talking, it's always great! 😃

🌞🌼🌟

Auch heute ein klarer Resteem :-)

Vielen Dank, freut mich sehr! :-)

Danke dir! Wieder ein toller Artikel! Erstaunlich, wieviel Wert dem Tod und dem Jenseits beigemessen wird. All die Rituale, Statuen, Grabbeigaben, Anweisungen für den Toten nebst ganzem Totenbuch... sehr interessant. Ka und Ba findet sich ja auch in Mer(Licht)kaba oder Ka(b)bala... eine andere "Welt" ;-) Lieben Gruß und resteem, Kadna

Hallo Kadna,

ein Leben, in dem der Tod stets so präsent ist wie er es bei den alten Ägyptern war, ist für uns heute schwer vorstellbar. Neben all der Faszination, die die Beschäftigung mit diesem spannenden Thema mit sich bringt, regt es auch an, sich mit der eigenen Endlichkeit auseinanderzusetzen ...
Licht, Geist, Seele, ein interessanter Gedankenanstoß.

Danke für den Resteem! Einen lieben Gruß aus Wien, Anna

regt es auch an, sich mit der eigenen Endlichkeit auseinanderzusetzen ...

Das ist etwas, was uns allen gut täte... Lieben Gruß zurück Kadna

Guten Morgen liebe Anna, vielen Dank für den neuen Teil Deines Berichts :) Hab eine schöne Woche. Alexa

Hallo Alexa,
schön, dass du wieder vorbei geschaut hast! :)
Dir auch eine schöne Woche und liebe Grüße, Anna

Interessante spannende Serie, Danke fürs teilen!

Danke! :-)

I think it is more difficult to live after death...😸

You might be right, I never tried 😹

Danke für deinen sehr interessanten Artikel.
Die altägyptische Kultur war wohl sehr vielschichtig.
Deine Fotos sind sehr beeindruckend.
Sie vermitteln einen guten Einblick in die
Welt der Ägypter.

Danke, ich freue mich über deinen anerkennenden Kommentar!

Ein wirklich beeindruckender Bericht. Für mich stellt er einen richtig guten Mehrwert dar. Wissenschaftlich, geschichtlich und mit phantastischen Fotos hinterlegt. Resteem + 100 % upvote (seit kurzem 0,01 Wert) und Follow. LG Querdenker

Vielen Dank für deine Wertschätzung!

Es freut mich sehr, wenn es mir gelingt, ein Thema so aufzubereiten, dass es auch für andere interessant ist und im besten Fall auch einen Mehrwert bietet.
Liebe Grüße, Anna

Hallo, angekommen am 3. Teil. Ich muss sagen es wird immer interessanter. Die Malereien sind ja so gut erhalten und sprechen eine deutliche Sprache, die Du auch wunderbar geschichtlich mit Hintergründen wiedergibst. Tolle Recherche. Danke dafür. Lese Deine Berichte sehr gerne, wie Du weisst, und auch sehr aufmerksam. Finde es sehr beeindruckend wie weit die Kultur schon entwickelt war und sich Gedanken über das Jenseits gemacht hat. LG Michael

Hallo Michael,

schön, dass du wieder dabei bist! Das war erstmal der letzte Teil zu diesem Thema. Es wird Zeit, mich wieder dem Diesseits zuzuwenden. ;-)

In meine Beiträge stecke ich viel Zeit und Energie, deshalb freut es mich sehr, wenn sie auch gelesen werden.
Liebe Grüße, Anna

Ja das glaube ich dir dass du da viel Zeit und viel Arbeit rein steckst. Das kann man auch wirklich sehen wie ich ja auch schon geschrieben hatte was da auch nicht nur für einen Wissen sondern auch für eine Recherche dran hängt um solche Beiträge zu veröffentlichen. Willkommen im jetzt liebe Grüße Michael

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