Der Zwei-Minuten-Hass

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So manches Mal verzweifel ich wirklich ein wenig an den Zeitgenossen dieser Tage. Ich möchte das gar nicht weiter konkretisieren oder mit dem Finger auf jemand explizit zeigen. Aber so manches Mal beschleicht mich der Eindruck, dass einer der menschlichen Makel ist, dass ein jeder die Welt gerne in Flamen stehen sehen möchte. Entsprechend scheint es uns in der heutigen Zeit vielleicht einfach zu lange zu gut zu gehen.

Ansonst fällt es manchmal sehr schwer zu verstehen, wieso die Mehrzahl der Leute in der Gesellschaft sich bei Themen eher auf die Spaltung eben dieser konzentriert und nicht auf eine entsprechende Kooperation. Wenn wir ein Problem ausmachen, dass vor unserer Haustür steht, dann sollten wir nicht darüber sinnieren wie man es wohl am besten Leugnen könnte oder ob es vielleicht andere schwerer Probleme gibt, um die man sich vielleicht lieber erst einmal kümmern sollte.

Ein solches Verhalten führt schlicht zu nichts. Es kostet allen einfach nur Zeit und am Ende endet man immer wieder in die Situation, dass alle miteinander auf den Finger zeigen und sagen, dass sich dort der Schuldige befindet. fake.applaus Nachdem das dann geklärt ist, können wir uns aber darum kümmern das Problem zu lösen oder? Zumeist nicht, weil wir danach so zerstritten sind, dass entweder gar nichts gemacht wird oder ein Teil versucht nun endlich das Problem zu lösen und der unterlegene Teil fleißig Sand ins Getriebe streut, damit sie am Ende eben doch noch als die Sieger darstehen.

Wann haben wir uns so ein Verhalten bloss aus Gesellschaft antrainiert? Jede Zivilisation der Frühzeit wäre bei einem solchen Verhalten kurzfristig untergegangen, weil Feinde von Innen oder Außen sie hätten mit Leichtigkeit hinweggefegt. Schließlich waren es zumeist keine Luxusprobleme, sondern es ging um das Nackte überleben. Stand man auf einem verdürrten Feld, hatte man vermutlich andere Sorgen als wer den nun Recht hatte.

War es vielleicht doch die Hexe aus dem Nachbardorf oder hat ein Fremder den Brunnen vergiftet? Ja, glaubt den wirklich jemand ernsthaft, dass dies das Volk wirklich interessierte? Erst wenn das Essen dann auf dem Tisch stand und man satt war, konnte man sich im Mob ein wenig aufmachen, um wieder einmal etwas zu zerdeppern. Nun gut, vielleicht ist das Beispiel gar nicht so gut und wir Menschen waren eigentlich schon immer ein wenig destruktiv unterwegs. Auch wenn ich mich damit tröste, dass die Leute früher vermutlich dies vorwiegend auch zum Spaße taten.

Aber wir heute als aufgeklärte Menschen mit einem schier unendlichen Zugriff auf Informationen der Gegenwart und Vergangenheit müssten doch nur so strotzen vor Wissen und intelligenten Antworten auf die Probleme unserer Zeit. Bei nahezu jedem Probleme, müssten doch nur so Experten zur Verfügung stehen, die ihr wissen dann nutzen um die bestmögliche Lösung zu finden. Aber da es soviele davon gibt und sie alle andere Meinung vertreten, fällt es so schwer den Überblick zu halten.

Aber eigentlich ging es mir hier ja eher um „Diskussionskultur“. Wieso es für uns wichtiger ist die Seite mit der anderen Meinung auszubremsen und immer wieder zu diskredieren. Ja, fällt den niemanden auf, wie absurd es manchmal ist, wenn die einzelnen Lager sich zusammenraufen nur um sich dann gegenseitig darin zu bestätigen, wie scheiße die da drüber sind. „Oh! Nun hat er wieder XY behauptet. Die Idioten! Dabei weiß man doch längst, dass Z viel besser ist!“. Alle nicken bedächtig zusammen und kaum jemand ist bereit noch überhaupt mit „denen dort“ abzugeben. Je lauter man seine Meinung artikuliert, umso mehr recht hat man schließlich!

Wäre es nicht viel sinniger, wenn man erst einmal schaut, was einem überhauptet verbindet? Vielleicht ist uns das Thema ja sogar im Kern egal. Soll es ja geben! Dann könnten wir ja durchaus unser Wissen einsetzen um denen die es am Herzen liegt darin zu unterstützen. Ja, oder wir haben zwar grundsätzlich eine ähnliche Idee, sind uns aber nicht über den Weg einig. Dann könnte man doch mal miteinander reden und versuchen etwas zu entwickeln, was ein neuer Ansatz ist.

Nein, es ist natürlich viel einfacher lieber auf den alten festgefahrenen Wegen zu bleiben. Früher hat man das ja immer schon so gemacht und nun bleiben wir auch dort... BIS ZUM BITTEREN ENDE! Gedankliche Reife einer mittelalterlichen Gesellschaft. Denn was neu ist, muss ja schlecht sein, sonst hätte man es ja schon gemacht!

Ich bezeichne mich selbst als Idealisten und ich mag Idealisten, die auch einmal in einer schier ausweglosen Situation die Flagge oben halten und nicht immer gleich von A nach B springen. Menschen, die auch mal bereit sind für ihre Ideale einen Preis zu zahlen. Insbesondere eben auch dann, wenn es einmal sehr schmerzhaft ist. Aber diese Fake-Idealisten sind zumeist nur darauf erpicht „Recht zu haben“ und nicht wirklich für etwas einzustehen. Da geht es um die Zerstörung der „Anderen“ und nicht etwas besseres zu schaffen.

Ein wenig so wie bei der Kirche! Es kann nur einen geben! Nur einen Propheten, nur eine einzige richtige Meinung! Alles andere ist übelste Häräsie! Das man da alle paar Jahre mal eine Diaspora hinter sich bringt und der Glaube sich spaltet. Ja, kann halt mal passieren! Aber es sind eben doch die Anderen, die daran schuld sind und vom Glauben abgefallen sind. Jedliche Form von Zusammenarbeit mit denen verbietet sich jetzt natürlich auch!

Ein wenig kommt mir dies manchmal vor wie beim 2-Minuten-Hass aus Orwell. Hier wird ein tägliches Ritual von der staatsführenden Partei abgehalten und ein Film gezeigt. Mit den eben gerade vorherrschenden Feindbildern. Die Zuschauer müssen dann in den 2 Minuten ihr Hass so aktiv wie möglich zum Ausdruck bringen. Schreien was das Zeug hält und innerliche Wut freien Lauf lassen.

„In einem lichten Augenblick ertappte sich Winston, wie er mit den anderen schrie und trampelte. Das Schreckliche an der Zwei-Minuten-Hass- Sendung war nicht, dass man gezwungen wurde mitzumachen, sondern im Gegenteil, dass es unmöglich war, sich ihrer Wirkung zu entziehen. Eine schreckliche Ekstase der Angst und der Rachsucht, das Verlangen zu töten, zu foltern, Gesichter mit einem Vorschlaghammer zu zertrümmern, schien die ganze Versammlung wie ein elektrischer Strom zu durchfluten, so dass man gegen seinen Willen in einen Grimassen schneidenden, schreienden Verrückten verwandelt wurde. Und doch war der Zorn, den man empfand, eine abstrakte, ziellose Regung, die wie der Schein einer Blendlaterne von einem Gegenstand auf den anderen gerichtet werden konnte.“ - George Orwell – 1984

Erinnert ein wenig an die Freundenveranstaltungen in Nordkorea. Nur das man dort schon etwas weiter ist. Da versucht man sich nicht im 2-Minuten-Hass, sondern man bringt seine Freude über den unglaublich tollen Führer zum Ausdruck. Man weint so gut wie man kann, lässt das Herz erfreuen und stürzt sich notfalls auch mal ins Hafenbecken, wenn er mit einem Schiff davon fährt.
Hier hat man den Hass wirklich geschafft zu überwinden und der Liebe den Weg bereitet.

Warum hängen wir da bloss immer noch so hinterher? Und wieso dauert unser Hass-Ritual eigentlich länger als 2 Minuten. Entlädt sich eben immer dann, wenn wir gerade mal wieder etwas erleben, was uns nicht in den Kram passt. Warum gehen Menschen auf die Straße um ihren Zorn freien Lauf zu lassen, nur damit sie danach dann zurück zu ihren Familien gehen können und wieder die liebsten und nettesten Menschen überhaupt sein können. Orwell hatte wieder einmal Recht mit seiner Prognose der Zukunft. Und es schlich sich wesentlich perfider in unser Leben als wir es je gedacht hätten.

Es ist Schade, dass es uns als Gesellschaft meist nur noch darum geht den vermeidlichen Gegner zu zerstören und nicht mehr darum eine bessere Gesellschaft für alle aufzubauen. Einfach mal wieder auch seinen Feinden zuzuhören und ihnen ggf. geduldig zu erklären, wo ihre gedanklichen Fehler sind. Oder einfach eben auch nur mal einen Schritt zurück zu nehmen, wenn es einen gar nicht so wichtig ist, anstatt wie ein Kleinkind mit einer Basta-Einstellung auf den Boden zu trampeln.

Aber vielleicht geht es uns als Menschheit ja wirklich noch zu gut. Aber ich bin mir sicher, dass wir dies auch noch eines Tages schaffen zu ändern, wenn wir nur lang genug auf absolute Wahrheiten und Unkooperation setzen werden. Spätestens dann, wenn die Welt einmal wieder in Flammen steht, werden wir sicherlich aus den Fehlern lernen und wirklich Anfangen etwas besseres aufzubauen...

Bei näherer Betrachtung sind wir vermutlich dann doch dazu verdammt die gleichen Probleme immer und immer wieder neu zu durchleben, weil wir nicht verstehen können, dass der Teufel jedes Mal in einem anderen Gewand daher kommt und es unvorstellbar erscheint, dass man selbst vielleicht auch einmal auf der falschen Seite stehen könnte. Besser wäre es also wohl, wenn man einfach stragisch eine Position ohne absolutistische Ansprüche einnimmt.

Ach egal, war nur so ein Gedanke. Viel Spaß morgen auch bei Eurem Hassritual! Wenn wir wirklich alles geben, wird sich bestimmt etwas ändern! Und wenn wir noch nicht aus vollster Überzeugung hassen, vielleicht läuft ja demnächst dann ein Film, der auch uns endlich erfasst! ;)

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Wie sowas erlernt wurde?

Ankonditionierung

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Das wäre dann aber besonders traurig. Manchmal vergesse ich eben doch, dass wir nicht 1984 haben, sondern bereits ein paar Jahre weiter. Der Optimist in mir hat da aber immer noch die Hoffnung, dass es schlichtweg in der menschlichen Natur liegt... ;)

Klar ist es Teil des Menschen :) gibt ja Psychologie
Nur wird Psychologie nicht genutzt um Psychopathen zu erkennen und ihnen zu helfen, sondern von diesen Missbraucht um uns alle mies zu verarschen.
Die wissen genau wo sie ansetzen müssen..

Posted using Partiko Android

Hi @gammastern, maybe people are the way they are, and that we can never change it even if we think otherwise ... Happy day, friend...

I have absolut no doubt that it is not possible to change anyone. Still it is kind of a suprise that a lot of people are not very self-reflecting and still wondering all the time about the current situation.

Greetings @gammastern, we are wrongly subject to repetitions, it depends on our own attention to change that...

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