Das Staatsbankett

in #deutsch5 years ago

Wenn ich mit mir alleine bin (Teil 2)



Wer den ersten Teil verpasst haben sollte und sich daher auch keinen Reim auf das machen kann, was anschließend auf der Laienbühne aufgeführt wird, dem lege ich folgenden Link ans Herzen. Teil 1

Bei Gartenarbeiten, wie Mist und Kompost einbringen, Unkraut jäten oder den Gartenboden lockern, kommt ein Ausflug in die Deutsche Geschichte gerade recht.

Vorhang auf: Das Staatsbankett

Adolf, der braune Lumpensammler, nicht unbedingt wegen seiner gepflegten Umgangsformen in die Top Ten der Charakterdarsteller aufgestiegen, kommt im Vorfeld eines Staatsbanketts keifend und schnaubend in die Küche gestiefelt, in der Reichs-Chefkoch Hartmut Fleischer mit der Zubereitung des Galadiners vollauf beschäftigt ist. Wie sich schnell herauskristallisiert, war es Hermann Göring, der den Blutdruck des führenden Visionärs in schwindelnde Höhe trieb und Schweißbäche in dessen braune Socken stürzen ließ.

Der fette Reichsmarschall hatte es wohl unverzeihlicherweise nicht nur gewagt, harsche Kritik an dem Hauptgang des Menüs zu üben, nein, er lehnte sich dabei auch noch so weit aus dem Fenster, ungefragt einen eigenen Vorschlag einzubringen. Eigentlich eine plumpe Einmischung in Reichsangelegenheiten, die meist mit dem anschließenden Verlust des Kopfes oder zumindest der vorlauten Zunge honoriert wird. Doch hier, in Gegenwart von polierten Kerzenständern, untertänigst gebückt laufenden Kellnern und zweibeinigen, unangeleinten Wachhunden, scheint weit mehr als Görings Zunge in Gefahr. Nach Hitlers Veitstanz zu urteilen, den er in Fleischers Reich zum Besten gibt, überquerte soeben der vorlaute Nebendarsteller eine der wenigen Grenzen, die der größte aller Feldherren nicht angetastet sehen möchte. Göring hat Adolfs Lieblingsspeise nicht nur infrage gestellt, sondern gar als wenig patriotisch und, als Gipfel der Unverschämtheit, zum ranzigen Auslaufmodell degradiert.

Der Führer unterbricht sein ungelenk wirkendes Gegurke und baut sich vor dem Reichs-Chefkoch auf, was eine gewisse Komik in sich birgt, da der Fachmann fürs Kulinarische den schnauzbärtigen Tanzbär um beinahe zwei Köpfe überragt. Doch die Schärfe in des Gastgebers Stimme, die es mit dem Ausbeinmesser des Kochs aufnehmen könnte, gleicht den kleinen Höhenunterschied locker aus. Hitler macht Fleischer mit wenigen und dazu auch noch knapp gehaltenen Sätzen klar, dass sie auf jeden Fall serviert werden, die 3-fach panierten Hakenkreuze in Butterschmalz knusprig ausgebacken, dazu böhmische Knödel und Blumenkohl nach der polnischen Art. Es sei schließlich sein Lieblingsgericht.

Obwohl damit die Staatsangelegenheit geklärt scheint, gibt Adolf noch immer keine Ruhe und poltert verbal weiter über seinen Reichskanzler her. Wie ich aus den Schimpfkanonaden herauszufiltern kann, war kurz zuvor Göring wohl der Meinung, Zugeständnisse an die russischen Gäste machen zu müssen. Ohne über die möglicherweise gravierenden Folgen seiner Eigenmächtigkeit weiter nachzudenken, hatte er darum gebeten, die Hakenkreuze pochiert und mit Kaviar garniert zu servieren.
Wäre Göring ganz bei Verstand (was er eigentlich nie ist), müsste ihm klar sein, dass alle Versuche, die geliebten Hakenkreuze Hitlers um ihre feste Konsistenz zu bringen, den Braunauer Heilsbringer in Rage und das Reich selbst in eine tiefe Krise stürzen würden. Aber nein, der Herr Feldmarschall legt noch eine Scheite nach, indem er die Kellner anweist, statt Messer und Gabel, Hammer und Sichel einzudecken.

Jetzt hilft auch der halbherzige Versuch des eiligst herbeigehumpelten Goebbels nichts mehr, schnell die Festtafel in der Form eines Hakenkreuzes aufzustellen. Des Führers Sicherungen geben, genau wie feindliche Truppen, ihren letzten Widerstand auf. Wie im Wahn und unter Starkstrom schreitet er geschlagene 25 Minuten fluchend das Regiment ab, welches sich zusammensetzt aus 2 Fritteusen, 3 Bräter, 1 Hackklotz, 14 Pfannen, 16 Töpfen, 29 Warmhalteplatten, 124 flachen und tiefen Tellern, einem Blech voller panierter Hakenkreuze, 2 Wannen mit Knödeln, geputztem Blumenkohl, einem Küchenchef und 14 Beiköchen in braunen Kochjacken und Stahlhelmen mit Lüftungsschlitzen auf dem akkurat gescheitelten Haarschopf.

Entweder seiner unbesiegbaren Arthritis im rechten Knie oder einer ordinären Konditionsschwäche geschuldet, kommt für das Regiment der Abbruch seiner Flüche. Erneut muss Hartmut Fleischer als Ansprechpartner herhalten. Dieses Mal hat der Chef der braunen Stahlhelm-Brigade es mit der Frage zu tun, ob eventuell die Möglichkeit bestünde, Göring als Rollbraten zu verarbeiten und anschließend mit einer braunen Tunke zu überziehen? Sogleich, obwohl überhaupt nicht angesprochen, erwachen die Bändiger des Suppengemüses aus ihrer Verträumtheit, in die sie der monotone Stiefeltritt des Führers versetzt hatte. Der Oberkoch, bereits überfordert mit der Tatsache, dass der ausgewiesene Vegetarier Rezeptvorschläge mit Schlachthausgeruch einbringt, erkennt das dünne Eis, auf dem er sich gerade bewegt und überlässt die Antwort vorsichtshalber seinem Saucen-Guru. Der lässt sich nicht lange bitten und rät Hitler rigoros von einem solchen Vorhaben ab, da er nur allzu gut weiß, wie hoch die Anforderungen des örtlichen Fleischbeschauers seien. Aber wenn er, der große Führer, schon so direkt frage, könnte er ihm vielleicht und untertänigst einen anderen Vorschlag unterbreiten. So rät er Hitler, Göring doch lieber, zwecks unverkennbarer Suchtproblematik, ein Wellness-Wochenende auf dem Gelände zwischen der Würmmühle und Polln zu schenken und, wenn er schon am Rochieren ist, Goebbels durch Bertolt Brecht zu ersetzen, da Goebbels nicht nur zur Schleimscheißerei neige, sondern ihn auch an einen total überforderten Oberkellner in der Stoßzeit erinnere. Brecht habe garantiert das frechere Maul und die besseren Ideen.
Adolf Hitler verlässt strammen Schrittes die Bühne und zerrt den Saucen-Guru, den er am rechten Ohr festhält, mit sich ins Off.

Der große Führer ist später (in einer ganz anderen Aufführung) wieder auf meiner privaten Bühne aufgetaucht. Vom Erfinder des Maggi-Soßenbinders habe ich jedoch nie mehr etwas gehört.

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