Isländersagas und der scharfzüngige Halli

in #deutsch5 years ago

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Ich dichtete Merkverse über einen Jarl,
nie gab es eine schlechtere Drápa bei den Dänen.
Vierzehn Fehler im Versmaß,
dazu zehn Fehler im Reim;
von hinten nach vorn,
alles stand kopf,
so dichtet der,
der schlecht ist.

Isländersagas

Die meisten werden die Nibelungen aus der Schule kennen, einige haben sich selber mit nordischen und germanischen Sagen beschäftigt. Was wahrscheinlicher weniger Menschen kennen, sind die Isländersagas. Diese Sagas erzählen von den zumeist norwegischen Siedlern, welche im 9. und 10. Jahrhundert zur Insel im Nordatlantik segelten.

Die Isländersagas handeln von diesen Familien, von ihren Fehden, von gewitzten Skalden, von Wikingern, die zusammen mit Königen auf Raubzügen gehen, von Männern, die sich bis zum Tode um die Hand einer Frau streiten und von den Geächteten, jenen Menschen, die auf den Thingversammlungen zur Acht verdammt, also für vogelfrei erklärt wurden. Sie handeln von den ersten Siedlern von Vinland und Grönland oder von einem Isländer, der versucht, einen Eisbären zu verkaufen. Dichtungen und Verse nehmen einen wichtigen Platz ein, größtenteils sind die Sagas jedoch in Prosa gehalten.

Zwar spielen bei den Isländersagas auch Zauberinnen, Trolle, Untote und Flüche eine Rolle, doch kommen hier mythische Wesen und vor allem die Götter viel seltener vor als bei anderen germanischen oder nordischen Sagen. Die Geschichten, auch wenn es sich um literarische Geschichten handelt, die möglicherweise oder nur teilweise frei erfunden wurden, sind deshalb näher am Leben der Menschen, an ihrem Alltag dran und erzählen mehr von ihrer Lebensweise.

Auf Island bauten sie sich eine einzigartige Gesellschaft auf. Denn die Siedler nahmen sich weder Könige noch Fürsten mit. Ich weiß, das es hier auf Steemit viele Freiheitliche gibt. Für die könnte die frühmittelalterliche Gesellschaft Islands interessant sein. Mit dem „Godentum“ organisierten sich die Isländer selbst, indem sich die Bauern ihre Goden auswählten, welche für die Landesverwaltung zuständig waren und ihre Sachen auf dem Thing vertraten. Passte ihnen der Gode nicht, dann wechselten sie.

Der Scharfzüngige Halli

Gut ist dies' Gula-Thing zu mir,
gar viele Frauen vögeln wir.

Einen Skalden will ich kurz gesondert behandeln. Bei Halli mit dem Beinamen „der Scharfzüngige“ fallen die Verse auch mal derber aus. Es kommt seiner Saga zugute, dass der norwegische König Harald, an dessen Hof Halli dichtet, ebenfalls recht schlagkräftig ist und er seinen stellenweise vulgären Humor zu schätzen weiß.

In einer Passage bewundert Halli die kunstvoll verarbeitete Axt, die an der Seite des Königs baumelt. Hallis Antwort auf die Frage des Königs, von wie vielen Männern er sich durchvögeln lassen würde, um diese Axt zu bekommen, hätte ihn an den meisten anderen Höfen wahrscheinlich den Kopf gekostet.

Wer in eine interessante Zeit unserer europäischen Geschichte eintauchen möchte, dem kann ich die Isländersagas nur empfehlen.

Quelle: Klaus Bödl: „Isländersagas, Die Neuübersetzung“, Fischer Klassik, Frankfurt am Main 2014
Bildquelle: Pixabay.

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