Zu teuer? – Warum die Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht unverzichtbar ist. Ein Beitrag zur Wehrpflicht-Debatte

in #deutsch6 years ago

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Irgendwann würde die Diskussion wieder auf das politische Tableau der Altparteien gehoben werden. Das war klar. Nachdem die CDU im Jahre 2011 die Wehrpflicht ausgesetzt (und damit auch den Zivildienst abgeschafft) hatte, will sie sie nun wieder einführen. Der plötzliche Sinneswandel ist wohl vor allem der Tatsache geschuldet, daß kaum noch ausreichend Personal für die Berufsarmee gefunden wird.


Die Politik ließ die Bundeswehr am ausgestreckten Arm verhungern

Dabei ist dieses Problem hausgemacht: Die Truppe ist nach "Flinten-Uschis" Roßkur demoralisiert, von der deutschen Militärtradition abgeschnitten, die Ausrüstung veraltet und in desolatem Zustand. Die hämische Bemerkung, daß die Bundeswehr weniger einsatzfähige Kampfflugzeuge habe, als Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen Kinder, hat einen realen Hintergrund: Anfang Mai berichtet die "FAZ", daß von 182 Flugzeugen nur ganze zehn für echte Einsätze startbereit seien, darunter gerade mal vier Eurofigter. Ende 2017 waren laut "Stern" mehr als die Hälfte der Leopard 2-Panzer nicht einsatzfähig. "Der Spiegel" fand heraus, daß es auch bei der Marine nicht besser aussieht. Und selbst ein Großteil der deutschen Kasernen ist nicht einmal mehr bewohnbar. Wer hat da noch Lust, Soldat zu werden?

Ernsthafte Problem gibt es schon länger. Seit der Wiedervereinigung wurde die Truppe kampfunfähig gespart, wie Sicherheitsberater Erich Vad in einem Interview mit "Cicero" resümierte:

"Alle Reformen der Bundeswehr seit der Wiedervereinigung hatten nicht zum Ziel, die Bundeswehr besser zu machen, sondern waren immer darauf ausgelegt, die Armee zu verkleinern und billiger zu machen."

Aber seit von der Leyen das Verteigungsministerium übernahm, wurde sie auf die Spitze getrieben. Ihr neuverordnetes Selbstbild der Truppe ist nicht durch gute Ausbildung und Austüstung gekenzeichnet, sondern durch Umstandsuniformen, Kindergärten und Traditionsverleugnung.

Die Kritik seitens der echten Militärs an der Ministerien will einfach nicht abreißen: Wencke Sarrach, Hauptmann der Reserve, faßte in einem offenen Brief bei "Welt" in klare Worte, was viele nicht auszusprechen wagen, weil sie mußtmaßlich systematisch eingeschüchtert werden:

"Eine Verteidigungsministerin, die die ihr anvertrauten Soldaten unter Generalverdacht stellt, ihnen ein Führungs- und Haltungsproblem vorwirft, ihnen mangels Vertrauen einen Maulkorb verpasst, Rufschädigung einzelner Soldaten betreibt, die ganze Karrieren zerstört und die Verantwortung immer ausschließlich bei anderen sucht, hat die Truppe nicht verdient.

Die Ministerin schadet mit ihren Säuberungsmethoden der Moral und der Leistungsbereitschaft der Truppe und gefährdet damit in höchstem Maße die Sicherheit und Freiheit unseres Landes."

Die Ministerin tut genau das Falsche und macht damit die Situation nur noch schlimmer. Gegenüber ihren Kritikern sitzt sie zudem am längeren Hebel und die haben so ziemlich die Schnauze voll. Ganz frisch ist die Nachricht des "Spiegel", daß Generalleutnant Frank Leidenberger, ein Mann mit Afghanistan-Einsatzerfahrung und Widersacher von der Leyens, auf eigenen Wunsch als ziviler Geschäftsführer zur Bundeswehr-Tochterfirma BWI wechselt. Mit seiner offenen Kritik - u.a. in den Affären um den Offizier Franco A. und die Pfullendorf-Kaserne - soll er sich seine Karrierechancen verbaut haben.

Ursula von der Leyen hat ihr Ressort einach nicht im Griff. Sie hat schlicht keine Ahnung, worauf es ankommt. Der Knackpunkt ist, daß weder von der Leyen noch ihr ministeriales Umfeld selbst gedient haben. Das ist ungefähr so, als hätte man jemanden, der nie sein Essen selbst gekocht hat, plötzlich zum Chef einer Großküche gemacht hätte. Sicherheitsberater Vad bei "Cicero":

"Die Bundeswehr ist eine Art Stiefkind der Gesellschaft. Der Gedanke der Wehrbereitschaft ist in unserem Land total unterentwickelt. Wir predigen immer Frieden und Ausgleich und Mediation, da sind wir Deutschen unheimlich stark. Das Militär hingegen wird eher als notwendiges Übel gesehen. Was ist denn das große Narrativ der Bundeswehr, wofür sind die Streitkräfte da?"

Anders gesagt: Die politische Linke hat die Bundeswehr nun endlich in der Schmuddelecke, in der sie sie immer schon haben wollte und kann sie dort hypermoralisch legitimiert verhungern lassen. Deshalb ist es nur konsequent, wenn Vad feststellt, daß man eine Bundeswehr in ihrem gegenwärtigen Zustand doch ehrlicherweise lieber ganz abschaffen solle.

In dieser Situation kam nun Merkel-Zögling Annegret Kramp-Karrenbauer - unterstützt von der Jungen Union und der Mittelstandsverenigung der CDU - aus der Deckung. Wohl auch um die CDU aus dem Umfragetief zu befreien, fiel ihr nichts besseres ein als eine Debatte über die Wehrpflicht vom Zaune zu brechen und greift damit zugleich eine Forderung der AfD auf. Die Wiedereinführung der Wehrpflicht ist durchaus geeignet bei eher konservativen Kreisen zu punkten, doch ist sie eben kein Alleinstellungsmerkmal für die CDU. Deshalb könnte der Schuß unter Strich durchaus wieder nach hinten losgehen.

Alles nur eine Scheindebatte, um den letzten Rest des Sommerlochs zu füllen und von anderen Probleme im Land abzulenken? Das könnte man durchaus vermuten. Wie die "Süddeutsche" schreibt, steht nach Aussage von Ulrike Demmer, stellvertretende Regierungssprecherin, nämlich "die Widerrufung der Aussetzung der Wehrpflicht (..) überhaupt nicht zur Debatte." Auch die Verteidigungsministerin will zumindest von der Wiedereinführung der Wehrpflicht "alten Zuschnitt" nichts wissen. Das heißt dann wohl aber auch, daß man in der GroKo durchaus für neue Modelle offen ist, die dann auch so etwas wie eine Wehrpflicht beinhalten.

Ex-Verteididungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg behauptet in einem Betrag für die "Welt", die "Wehrdienstpflicht hätte ‚exorbitante Kosten’" und will damit die Debatte wohl insgesamt abwürgen. Es stellt sich die Frage, ob diese Argumentation nur vorgeschoben ist, um die faktische Abschaffung der Wehrpflicht während seiner Amtszeit nachträglich zu legitimiern. Wer gibt schon gern zu, eine Entscheidung getroffen zu haben, die sich im Nachhinein als schlecht erwiesen hat?

Guttenberg, der 2011 aufgrund der Plagiatsaffäre um seine Dissertation das Amt des bundesministers für Verteidigung aufgeben mußte, geht davon aus, daß bei einer allgemeinen Dienstpflicht etwa 700.000 Personen jährlich eingezogen würden. Aufgrund der "exorbitanten Kosten" seien "erheblichen Einschnitte in anderen Bereichen" zu erwarten, auch bei der Ausrüstung der Bundeswehr. Angesichts des jetzigen Zustands der Bundeswehr, wäre das kein Beinbruch. Welche weiteren Bereiche es konkret betreffen würde, läßt der gescheiterte Minister offen. Wir hätten da eine in der Bevölkerung mehrheitsfähigen Vorschlag, der uns nicht mal weh tut und viele Probleme auf einen Schlag lösen würde: Macht die Grenzen dicht, beschränkt das Asylrecht als nicht einklagbares Gnadenrecht auf wirklich Verfolgte und schiebt konsequent ab. Dann könnte sich die deutsche Gesellschaft endlich wieder um ihre Probleme kümmern. Auch mit Hilfe einer allgemeinen Dienstpflicht.

Von noch weiter links spricht man sich deutlich gegen jede Form von "Zwangsdienst" aus und führt - wie auch Guttenberg und einige GroKo-Politiker - verfassungsrechtliche Bedenken ins Felde. So argumentiert wäre die BRD aber bis 2011 ein Unrechtsstaat mit verfassungswidriger Wehrpflicht gewesen und eine ganze Reihe anderer Demokratien westlichen Zuschnitts wären das bis heute, so z.B. Österreich, Spanien, die Schweiz, Dänemark, Finnland, Israel, Griechenland, Norwegen (auch für Frauen). Schweden hat die Wehrpflicht sogar erst 2017 wieder eingeführt.

Die Mehrheit der Deutschen ist wieder einmal anderer Meinung als die Mehrheit der Politiker. In einer Umfrage des Online-Meinungsforschungsinstituts Civey im Auftrag der Funke Mediengruppe (Quelle: "Bild") sprachen sich 55,6 Prozent der Befragten für die Wiederaufnahme der Wehrpflicht aus. 39,6 Prozent der Befragten antworteten hingegen ablehnend, davon 27 Prozent mit „auf keinen Fall“ und 12,6 Prozent mit „eher nein“. Mit 60,6 Prozent sprachen sich überdurchschnittlich viele AfD-Anhänger für die Wehrpflicht aus, dagegen nur 15,1 der Sympathiesanten der Grünen. Besonders interessant ist die Stimmung unter Christen: Während nur 24 Prozent der Katholiken und Protestanten mit "auf keinen Fall" votierten, waren es bei den Konfessionslosen 31,2 Prozent! Sind Christen also doch eher bereit, Verantwortung für das Gemeinwesen zu übernehmen, als Konfessionslose?

Warum die Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht große Vorteile für Deutschland hätte

Wiedereinführung der Wehrpflicht im Rahmen einer allgemeinen Dienstpflicht für alle Deutschen bis 27 Jahre wäre ein großer Gewinn für unsere zerrissene Gesellschaft. Junge Menschen wieder zu mehr gesellschaftlichem Zusammenmhalt und Solidarität angehalten. Die Tendenz zu einer immer estremeren Individualisierung und Segmentierung ist zumindest mitverantwortlich für viele Probleme mit denen wir heute zu kämpfen haben. Wenn jeder nur noch an seinen eigenen Vorteil denkt, bleibt das Gemeinsame ebenso auf der Strecke wie all jene, die sich in benachteiligenden Lebenumständen befinden und dringend auf solidarische Hilfe anderer angewiesen sind.

Die Bereiche, in denen eine allgemeine Dienstpflicht abgeleistet werden kann, sind äußerst vielfältig. An erster Stelle stehr freilich die Wehrpflicht, aber auch als Reservist, im Technischen Hilfswerk und z.T. sogar bei Polizei und Ordnungsämtern (z.B. Unterstützung bei Streifendiensten, Verkehrsüberwachung, Büroarbeiten, Bürgertelefon) wäre sie umsetzbar. Hinzu kommen die bisheriger Dienste an der Allgemeinheit, wie das Freiwillige Soziale und Ökologische Jahr und der Bundesfreiwilligendienst.

Die Vergütung muß für jede Form des Dienstes gleich sein. Bei Bedarf können zusätzlich und anrechnungsfrei Sozialleistungen gewährt werden. Bei besonderen Lebensumständen, wie vor allem für Mütter kleinerer Kinder und während der Pflege von Angehörigen sollte die Möglichkeit geschaffend werden, den Dienst auch in Teilzeit unter entsprechender Verlängerung der Dienstzeit abgeleisten zu können. Das wird freilich nicht überall (Wehrdienst) möglich sein.

Wehrertüchtigung tut in Zeiten unüberschaubarer Krisen unbedingt Not. Ein möglichst großer Teil der Deutschen sollte ein militärisches Grundverständnis vermittelt bekommen. Wer irgendwann einmal im Rahmen seine Wehrdienstes gelernt hat, wie er eine Waffe zu halten hat, wird im Extremfall diese Kenntnisse später wieder reaktivieren können. Im Verteidigungsfall wäre das ein großer Vorteil (Zeitgewinn), da dann die Ausbildung nicht bei Null beginnen müßte. Daß die Bundesregierung fest mit Krisen rechnet, läßt sich bereits an den entsprechenden Planungen für Krisenfälle ("Konzept für zivile Verteidigung") erkennen, die erst 2016 überarbeitet wurden. Außerdem war schon im alten Rom das Militär und damit der Militärdienst ein wichtiges Element des Zusammenhalts der Gesellschaft, letztlich Teil des kulturellen Selbstverständnisses.

Eine allgemeine Dienstpflicht kann zudem integrationsfördernd für bereits eingebürgerte Einwanderer sein, da sie zum einen das Erlernen der deutschen Sprache, Rechts- und Werteordnung, Kultur sowie Lebensweise fördert und zum anderen in gewissem Grade in Bekenntnis zum Gemeinwesen abverlangt. Vorteilhaft wäre es, wenn die Diensttuenden dabei vorübergehend aus ihrem gewohnten Umfeld herausgelöst würden und so - was besonders bei jungen Frauen den persönlichen Horizont erweitern könnte - wenigstens für einige Zeit der (sozialen) Kontrolle durch Familie, Clan und Herkunftscommunity entzogen sind.

Für Ältere sollte zudem allgemein die Möglichkeit geschaffen werden, freiwillig diesen Dienst zu leisten. Langzeitarbeitslose und HarzIV-Empfänger könnten sich dadurch Vorteile erarbeiten, wie erhöhte Vermögensfreibeträge. Zumindest müssen zusätzliche Einnahmen im Zusammenhang mit ihrem Dienst für sie anrechnungsfrei bleiben. Außerdem sich muß die Dienstzeit - im Gegensatz zur gegenwärtigen Prais des Bundesfreiwilligendienstes - spürbar im Rentenkonto niederschlagen, etwa durch die Fiktion eines in Höhe des Durchschnittseinkommens liegenden Mindeslohns für die Rentenberechnung. Sozialversicherungsbeiträge müssen von den Diensttuenden selbstverständlich nicht gezahlt werden.

Alle anderen Dienstformen können entfallen

Die allgemeine Dienstpflicht mit der Option eines freiwilligen Dienstes für Ältere würde bisher bestehende andere Dienste wie das Freiwillige Soziale und Ökologische Jahr, den Bundesfreiwilligendienst überhaupt, sowie den freiwilligen Wehrdienst überflüssig machen. Die Kosten, die für diese Dienste bisher entstehen müssen also von den zu erwartenden Kosten der Dienstpflicht abgezogen werden. Gleichzeitig käme es zu einer Reduzierung von Bürokratie.

Erforderlich wäre nur eine Musterungsbehörde, die die Bewerber entsprechend einläd, befragt, medizinisch untersucht, auf die Stellen vermittelt und letztlich während des Dienstes betreut. Denkbar wäre auch, daß der Dienst in wenig nachgefragten Bereichen als Berufspraktikum oder Wartesemester angerechnet werden kann.

Fazit

Unterm Strich bringt eine allgemeine Dienstpflicht überwiegend Vorteile. Besonders wichtig ist mit Sicherheit der Beitrag, den sie für den Zusammenhalt und die solidarische Ausgestaltung der Gesellschaft bringt. So mancher kleiner Egomane könnte durch diesen Dienst auf den Boden der Tatsachen zurückgeführt und sich seiner Verantwortung für das Gemeinwesen bewußt werden.


Titelbild: Royal Air Force Typhoon FGR4 (Eurofighter); Images are downloadable at high resolution, made available at http://www.defenceimagery.mod.uk for reuse under the OGL (Open Government License) . Bild bearbeitet.

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Warum ist die Enteignung von Eigentum ein No-Go, die Enteignung von Lebenszeit aber nicht?

Mit der Begründung könnte man Schulpflicht, Steuern und letztlich alle Gesetze abschaffen. Selbst durch das Verbot des Mordens wird man gewissermaßen enteignet. Außerdem kann ich es mir durchaus vorstellen, die Menge an Eigentum zu beschränken. Wozu benötigt eine Einzelperson Milliarden?

Das Verständnis und die Einsicht dafür, dass unsere Freiheit und unser Reichtum nicht vom Himmel gefallen sind und nötigenfalls mit Gewalt verteidigt werden müssen, ist einfach nicht da. Die Menschen fühlen sich kaum angegriffen, deswegen sind so wenige auch bereit, den Verteifiger zu würdigen. Gleichzeitig ist es aber auch so, dass durch die ganzen Auslandseinsätze der letzten Jahrzehnte die Menschen nicht ganz wissen, was die Bundeswehr eigentlich machen soll.

Es wären klare Regeln notwendig. Berufssoldaten - wenn überhaupt - für Auslandseinsätze. Wehrdienstleistende zur Landesverteidigung, es sei denn sie melden sie freiwillig für Einsätze.

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