Volker Popp, [...], aufgearbeitet, Muhammadanismus und Abd al Malik, Teil 3 von 4

in #deutsch6 years ago (edited)
  • Das letzte Mal haben wir mit Mu’awiya um 678 bis 682 geendet. Diesmal wird es mit Abd al Malik [Edit: ein Marwanide] weitergehen. Er stellt für Popp den wichtigsten sich durchsetzenden Herrscher dar.
  • Letztes Mal haben wir zudem viel über Titel in Inschriften und Münzprägungen gelesen. Vornehmlich Amir-i wlwyshnyk’n/Amir al mu’minin (Emir (Rat)/Vorsteher der Schutzgewährer) und ‘abd Allah (Gottesknecht); Kalif taucht noch nicht auf. Die entweder stammesrechtliche Herkunft oder christologische Überlegungen dieser Titel wurden mindestens angedeutet. Dieses Mal wird es als allererstes (ausführlich) um einen weiteren Teil von Inschriften gehen, der sich entwickelt, nämlich das muhammad Motto.

Kriegsniederlage 678 der Araber gegen Byzanz. Byzanz verwirft endgültig die aufgestellten Thesen Herakleios (Ekthesis) im 3. Konzil von Konstantinopel 680/681. Der innerreligiöse Zwist ist also großteils beigelegt.
Auch wenn die verschiedenen christologischen Richtungen (Nestorianer und Monophysiten in Syrien u.a. zur Erinnerung) in den arabischen Gebieten deshalb selbstredend trotzdem immer noch Byzanz ablehnend gegenüberstehen, so sind sie doch das: verschieden. Es fehlt an Einigkeit.

Muhammadanismus

Während das byzantinische Reich in diesen Jahren zu einer Einheit von Herrschaft und Bekenntnis fand [...], litt die Herrschaft der Araber unter ihrer eingeschränkten Legitimität. Diese Einschränkung beruhte auf dem Auseinanderfallen von weltlicher und geistlicher Macht.

Abd al Malik soll vorhaben diese Einigkeit und damit Konsolidierung der Herrschaft erreichen zu wollen.

Die neue christliche Bewegung, welche alle Christen des Arabischen Reichs vereinen sollte, wurde bekannt durch die Forderung nach der Durchsetzung des Verständnisses von Jesus als dem muhammad. Dieser Forderung war die nach der Durchsetzung einer Vorstellung von Jesus als ‘abd Allah [Gottesknecht] vorausgegangen.

Die Vorstellung von Jesus als ‘abd Allah [...] findet sich später wieder in der Inschrift im Felsendom, wo es unter der Datierung des Jahres 72 der arabischen Ära (694) heißt: muhammadun ‘abdu ‘llahi wa-rasuluhu [gepriesen/erwählt ist sein Gottesknecht und Gesandter], gemeint ist Jesus.

Gemeint ist Jesus wird hier nun nicht direkt mit Worten belegt, aber es stehen dazu Münzabbildungen im Zusammenhang und es tauchen in den Texten Inârahs immer wieder Belege auf.
Bei dieser Münze (Wiki) müsste z.B. laut Inârah Jesus abgebildet worden sein, statt wie es die traditionelle Islamwissenschaft deutet, Abd al Malik. Abbildungen von Personen verschwinden in späterer Zeit.

First_Umayyad_gold_dinar, Abd_al-Malik,_695_CE.jpg

Dazu der Ausschnitt aus der Abbildung des friedemann blogs, die ich ganz zu Anfang der Reihe bereits zeigte.

Abd al Malik with sword and cross.png

In Heger (pdf, 13 Seiten) werden zudem eine Reihe von Münzabbildungen vom Popp Text direkt referenziert:
Heger zwei.PNG
S.2
Heger eins.PNG
S. 3

Heger drei.PNG

S. 4 Popps Münze mit Jesus statt stehendem Kalifen.

Zwei weitere Abbildungen, die als Christus-Abbildungen gelten könnten (statt Kalif) aus Heidemann, S.26.
Heidemann S. 26.PNG

Auch wenn ich es nachvollziehbar finde, dass man zuerst (ausschließlich) Jesus als muhammad ‘abd allah (gepriesener Gottesknecht) bezeichnet haben soll, finde ich bisher die Versteifung darauf, dass das länger so bleibt, schwierig. Ich finde es ebenso vorstellbar, dass man schnell in der Vorstellung zu ‘gepriesen ist ein Gottesknecht’ und Gottesknechte sind eine Reihe von wichtigen biblischen Personen, wie letztes Mal an einer Stelle angemerkt, übergegangen ist. D.h. nicht zwingend Jesus (außer im spezifischen Kontext wie im Felsendom), sondern auch Jesus und jedweder Gottesknecht wird möglich. Das ist aber nur mein persönlicher Eindruck und eventuell klärt sich das noch im Laufe der Zeit. [Update: Mittlerweile gehe ich da mehr mit Inârah mit.]

Wichtig ist jedenfalls: Der Herrscher (Mu’awiya, nun Abd al Malik) ist 'abd allah und Jesus ist bei den Arabern im Vergleich zu den Byzantinern definitiv degradiert. Kein Gottessohn, „nur“ ein (weiterer) Gottesknecht.

Die Münzprägung der Sassaniden [vorige herrschende persische Königshaus; Erinnerung] war ein Mittel der Propaganda für das Königshaus. Die Herkunft von den Göttern wurde herausgestellt. Daher kann es nicht verwundern, dass die Ideologie der Herrschaft der Araber sich in gleicher Weise auf den Münzen manifestiert. Anstelle eines Hinweises auf eine göttliche Abstammung findet sich jetzt ein Verweis auf die menschliche Natur des Herrschers und die menschliche Natur des Verkünders. Der Herrscher ist ‘abd Allah [Gottesknecht], denn bereits Jesus war ‘abd Allah. Ein Christ, welcher in Jesus den ‘abd Allah sieht, nennt sich ’Abd Allah. Sein Stamm nennt sich ’Ibad (Allah) [Plural Gottesknechte, s. letztes Mal]. Der Messias al-masia/al-maschia ist für die Araber des Ostens aber nicht nur abd Allah, er ist auch muhammad [gepriesen]. Am Ziel seiner da’wa [Missionierung], dort, wo ‘Abd al-Malik ein Heiligtum auf dem Zion-Felsen als seinen haram errichtete, kann man in der Kuppel des Felsendoms seither in der dritten Zeile auf der Innenseite das Oktogons, Richtung Südost, lesen [Wiederholung von s.o.]: muhammadun ‘abdu ‘llahi wa-rasuluhu / erwählt ist (gepriesen sei) der Gottesknecht und sein Apostel.

Ich zeige nun Münzen mit der Inschrift MHMT (Pahlawi/Pehlevi, also mittelpersisch; geschrieben Teil des Aramäischen). MHMT heißt selbstredend muhammad. (Man erinnere sich eventuell an MAAVIA und Mu’awiya.)
Dabei gehe ich nicht auf die ganzen Details im 4. Kapitel (z.B. noch zu Äthiopien) ein, wo genau sie auftauchen, wo zuerst und woher daher zuerst das Auftreten des muhammad Mottos vermutet wird (weiter im Osten, also Armenien, Mittelpersien, ..., evtl. Merw/Marw, jedenfalls nicht Syrien oder Palästina oder Ägypten (die heutige arabische Halbinsel sowieso nicht).)
Was dabei definitiv festgehalten werden muss: Es gibt eine Vielzahl dieser Münzen und eine Reihe von ihnen zeigen Kreuze, also das christologische Symbol schlechthin.

Heger 4.PNG
S. 5 Heger, mit zwei weiteren Münzen mit Inschrift MHMT (Pahlawi/Mittelpersisch/Aramäisch für muhammad). wali allah ist Freund/Vertreter Allahs. Näheres dazu habe ich ausgespart.

Das [muhammad] Motto steht sowohl in Opposition zur Vorstellung von einer Gottessohnschaft wie auch zu den zeitgenössischen Tendenzen in Byzanz, die in Jesus den Pantokrator [Weltenherrscher; orthodoxe Art der Abbildung] sehen.

Mit den Anhängern 'Abd al-Maliks wanderte das muhammad-Motto vom Osten nach dem Westen. Wie der Schlachtruf einer da'wa stand das Motto muhammad für eine Umkehrung der Verhältnisse im Inneren des Arabischen Reichs.

Um die innere Festigung des Arabischen Reichs mittels der Errichtung einer Arabischen Kirche des Arabischen Reichs (Reichskirche im iranischen Sinn; nach dem Vorbild der Nestorianischen Kirche in Iran und ihrer Rolle als christliche Reichskirche Irans gegen Ende der Sassanidenherrschaft) voranzubringen, erneuerte 'Abd al-Malik den Friedensvertrag mit Byzanz und akzeptierte auch eine wesentliche Erhöhung des Tributs.

‘Abd al-Maliks [...] Arabische Kirche des Arabischen Reichs sah in der Vertretung des Muhammedanismus eine Möglichkeit, die christologische Debatte offen zu halten. Während es inzwischen so schien, als ob nur noch der Kaiser mit seinem Kirchenbeamten, dem Patriarchen von Konstantinopel, die christologische Debatte bestritt und in seinem Sinne lenkte [eindeutiges Beispiel wird gegeben] [...], meldete sich mit ‘Abd al-Malik die Tradition des Stuhls von Antiochien [grob: Syrien] wieder zurück. ‘Abd al-Malik ließ den Kaiser spüren, dass er sich als Konkurrent in der Debatte um die Naturen Christ sah. Er griff mit einer eigenen Ekthesis in die Debatte ein und ließ sie in dem von ihm errichteten Tempelheiligtum „Qubbat al-Sakhra“ („Die Kuppel des Felsens“) in Jerusalem im Jahr 72 der arabischen Ära (694) in inschriftlicher Form [gemeint ist selbstredend die Inschrift im Felsendom] anbringen.

Der Gegner des arabischen Herrschers [Abd al Malik], der Kaiser Justinian II. (685 – 695) war ein sehr gläubiger Fürst. Auf den Münzinschriften nannte er sich servus Christi (Diener Gottes) und ließ als erster unter den byzantinischen Kaisern auf die Vorderseite der Münzen das Christusbild setzen. Dies beantwortete ‘Abd al-Malik, indem er sich in den Münzlegenden seiner eigenen Prägungen als Kalifat Allah (Sprecher für Gott) bezeichnete.

Der Irrglaube, der Herrscher des Arabischen Reichs hätte sich als Kalif verstanden und der Titel des Kalifen hätte Amir al-mu’minin geheißen, verdankt sich der Zeit der Abbasidenkalifen nach al-Ma’mun. Dieser hatte sich aus völlig anderen Gründen als Kalifat Allah bezeichnet, bei einem Besuch Jerusalems im Jahr 217 der Araber den Text im Felsendom mit seinem Namen versehen und den Inhalt des Textes im Sinne der von ihm initiierten muslimischen Theologie instrumentalisiert resp. neu interpretiert. [Das ist ein weiter Vorgriff; al-Ma’mun wird erst in meinem 4. Teil erläutert.]

[...] Die Kreuzesdarstellung wird ersetzt durch den „Stein“ Beth-El

An dieser Stelle habe ich wieder einmal gemerkt, wie detailliert und kompliziert es werden kann. Ich bin nicht in diese biblische, jüdische (alttestamentliche) Thematik eingelesen, werde es also nicht genauer erklären.
Zudem gibt es nur eins, was m.E. wichtig ist, mitzunehmen:
Aus dem muhammad Motto, der muhammad Bewegung, erwächst eine weitere Änderung der Abbildungen auf Münzen (als religiöses Symbol der sich festigenden arabischen Reichskirche, sich weiter von Byzanz abgrenzend): Ein Stein oder Steinstapel/-haufen werden abgebildet (anstelle von Kreuzen), genannt Beth-El bzw. Yegar Sahaduta. Diese haben beide (ebenso) biblischen Ursprung.

Falls es wer nachschlagen will,

Genesis 28, 15-19 https://www.lds.org/scriptures/ot/gen/28?lang=eng Stichworte: house of God, stone, Beth-el

Genesis 31, 45-47 https://www.lds.org/scriptures/ot/gen/31?lang=eng Stichworte stone und Jegar-sahadutha (Yegar Sahaduta bei Popp).

Da ich leider keine Abbildungen zum konkreten Kontext zur Verfügung habe (oder mir bei fremden Quellen unsicher wäre, ob diese gemeint sind; die Yegar Sahaduta könnte einfach ein (gestapelter) Steinhaufen sein), gebe ich hier nur das Wiki Bild zu Beth-el an.

220px-Baetylus_(sacred_stone).jpg

Wiki Baetylus, baetyl Stein in der Mitte.

Die Verbreitung dieses neuen staatsreligiösen Symbols, des „Steins“, löst auch die Frage nach der Abwesenheit von Kreuzesdarstellung auf den Münzbildern der Prägungen des Arabischen Reichs. Das staatsreligiöse Symbol des Beth El in seiner Funktion als Vertragswächter [„Steinerner Zeuge“] Yegar Sahaduta markiert eine Rückbesinnung auf die Tradition anikonischer [d.h. ohne Abbildung von Menschen (Lebewesen) (=Ikonen)] Steinidole. Bereits diese „bildliche Darstellung“ ist der erste erkennbare Schritt zur Durchsetzung des biblischen Bilderverbots, welches mit der Ausgestaltung des Kults der Arabischen Kirche des Arabischen Reichs in Jerusalem einhergeht. Die Fixierung der Bewegung ‘Abd al-Maliks auf die muhammad-Vorstellung als Teil des Selbstverständnisses von einem „Wahren Israel“ [Zion] erklärt diesen Rückgriff auf die semitische Tradition.

Die Ablösung der Kreuzesdarstellung durch die Darstellung des Beth El in Form der Yegar Sahaduta ist Teil der ideologischen Auseinandersetzung mit Byzanz. Der Rückgriff auf ein Symbol, welches an die Begründung Israels erinnert, ist kein Hinweis auf eine judenchristliche Tradition der (christlichen) Arabischen Kirche des Arabischen Reichs, sondern ein Verweis auf den Din [Glaube; heute: Religion], das Verständnis von der Interaktion zwischen Gott und seiner Schöpfung als Ausfluss eines Vertragsverhältnisses.

Schließlich werden noch einmal Ausführungen gemacht zu spezifischen Münzprägungen, die konkret im Zusammenhang (als Gegenstück/Antwort) mit dem byzantinischen Kaiser zu sehen sind. Ich gebe hier einen Auszug an, spare aber weitere Details aus.

Es handelt sich aber unzweifelhaft um eine Darstellung des arabischen Herrschers. [...] Deutlich wird dies auch an dem Richtschwert, welches prononciert und übergroß dargestellt ist. [...] Hier ist jetzt der Herrscher dargestellt als Wächter über den „Vertrag“ zwischen Gott und den Menschen. Das Schwert ist ein Verweis auf das Verständnis des Din [s. gerade eben] als Ausfluss eines Vertragsverhältnisses.

Die Darstellung des arabischen Herrschers ist eine Reaktion auf einen neuen Münztyp in Byzanz. Dort wird von Justinian II. als III. Typ seiner Goldprägung auf der Vorderseite des Solidus Christus als Rex regnantium [König der Könige] abgebildet, auf der Rückseite der stehende Kaiser mit einem Langkreuz in der Rechten.

Christ Pantocrator (“Ruler of all things”/Herrscher über alle Dinge) entspricht im Grunde Rex regnantium (König der Könige).

(Falls sich wer Münzabbildugen zu Justinian II. ansehen will, es gibt sie hier in Hülle und Fülle.)

Hier eine entsprechende Münze zu Justinian justinian münze.jpg

Es mutet mir schon fast seltsam an, wie rabiat Kapitel 4 mit 4.6-4.8 abgekürzt endet.
Bei der Wahl es entweder ausführlicher auszuführen als vorhanden oder die komplizierten Details großteils auszusparen, weil sie das wesentliche Verständnis nicht vergrößern dürften, treffe ich (wiederum) die zweite Wahl.

Bereits 66 (688) finden wir (auf Münzen) Hinweise auf Teile der späteren (72; 694) Inschrift im Felsendom. Konkret:

Bismi’llahi[r] muhammadun rasulu ‘llah (Im Namen Gottes ist gepriesen / erwählt der Apostel Gottes)“.

Als rasul werden [bestimmte] biblische Gestalten und Propheten bezeichnet [...]

Wieder sind viele Münzen in Pahlawi/Pehlevi (Mittelpersisch; Aramäisch) geprägt. MHMT ist dann wie anfangs angemerkt muhammad. Die Münzstätte ist jetzt nicht Darabjird, aber mit Bischapur, Kirman und anderen liegen sie im gleichen Gebiet und sind bereits aufgetaucht (wurde von mir nur nicht wegen der Überdetailliertheit erwähnt.) Auf gewisse Pahlawi Wörter und syrische und persische christliche Theologie dazu wird eingegangen. Einiges kann als Indiz (oder Beleg) gewertet werden für muhammad als Motto (und nicht TL: Person) und an anderen Stellen, dass ein konkreter Bezug auf Jesus gemacht wird (was ich anfangs einmal etwas bemängelt hatte).
Damit hätten wir die mehr religiösen (christologischen) Überlegungen zum Muhammadanismus abgehakt, und schauen uns nun mehr das Vorgehen Abd al Maliks bei seiner Reichskonsolidierung und Verbreitung des Muhammadanismus an.

Verbreitung des Muhammadanismus durch Abd al Malik [Edit: Marwanide], inkl. Beiträge zu Regionen Nordafrikas, Ägypten und Spanien

Die Epoche ‘Abd al-Maliks bis zum Ende der Herrschaft seiner Söhne im Jahr 125 der arabischen Ära (747 AD)

‘Abd al Malik prägt nun (ab 74/696?, evtl. schon etwas früher) Goldmünzen (statt wie vorher Kupfermünzen und anderes minderwertiges Material) und tritt damit (und den Abbildungen; Erinnerung an Beth El) in Konkurrenz zum byzantinischen Kaiser.

Die Einführung der Goldprägung illustriert auch auf anschauliche Weise das Vorgehen ‘Abd al-Maliks hinsichtlich der Integration überkommener Strukturen. Es kommt in der Verwaltung des Arabischen Reichs nicht zu umstürzenden Neuerungen, sondern zu einer Fusion des Überkommenen aus Ost und West.
[...] [Beispiele.]

Der folgende Abschnitt gibt wieder einmal (mMn) sehr gut ein Abbild für die Auffassungen, die wir bei Inârah antreffen. Ich gebe diese zwischenzeitliche, teils vorwegnehmende Zusammenfassung (die auch als Vergegenwärtigung der bisherigen Zusammenhänge dienen kann) daher voll wieder.

Dieser Pragmatismus war eine Voraussetzung für reibungsarme Verwaltungsabläufe in einem Raum, welcher seit Alexander dem Großen und seinen Diadochen [Nachfolger; Feldherren] zum ersten Mal seit einem Jahrtausend wieder vereint war: Eine Landmasse von Ägypten bis nach Zentralasien, bis an die Grenzen Chinas. Dieser wiedererstandene Korridor war das Ergebnis des Umbruchs von 622, dem Sieg des Herakleios über das persische Heer. Dieser Sieg hatte zur Ablösung des sassanidischen Herrscherhauses geführt und somit die fast tausendjährige Aufteilung des Orients in iranischen und hellenistisch-römischen Herrschaftsbereich beendet. Das noch heute fortdauernde Ergebnis dieser Umwälzung war die Wanderung des arabischen Muhammedanismus von Ost nach West. Die Dynamik, welche nach Ansicht der traditionellen Islamwissenschaft ihre Ursache in der Verkündung des Propheten der Araber hat, strahlte nicht von Arabien auf Syrien aus, sondern von Iran auf Syrien. Die Ausbreitung des Muhammedanismus erfolgte nicht von Süd nach Nord, sondern von Ost nach West. Die Vorstellung aus der Zeit des frühen dritten Jahrhunderts des Islam von einer Süd-Nord-Bewegung ist Teil der religiösen Geschichte der Bewegung. Ihr Protagonist ist Khalid ibn al-Walid, welcher die Anbindung Mekkas an diese historische Dynamik nachvollzieht. In der historisierenden Literatur des dritten Jahrhunderts des Islam wird dieser Held als Führer eines Eroberungszuges von Mekka nach Ostarabien geschildert. Der Fortgang dieses Feldzuges führt ihn in die Heimat Abrahams in Chaldäa [in Babylonien, Mesopotamien; wie Ur ein biblischer Ort], anschließend zum Zentrum der nestorianischen Christen in Mesopotamien, al-Hira [Irak, bereits besprochen]. Von dort geht es weiter nach Westen, nach Harran [Grenze Syrien Türkei; Haran in der Bibel], dem Endpunkt von Abrahams biblischer Wanderung. Von dort führt der Weg in das auch den Arabern als Kindern Ismails verheißene Gelobte Land. Der Jordan wird am Yarmuk [Grenze von Syrien Jordanien und Jordanien Israel] überschritten. Der Sieg in der Schlacht ist ein topos [sinngemäß: legendenhafte geschichtliche Vorstellung] für die göttliche Bestätigung der Eroberung. Das arabische (nabatäische) [Bezug zum Alten Testament und grob Teile Syriens, Palästina bis heutige Arabien] Damaskus wird genommen.

Die religiöse Geschichte [topos] überlagert den historischen Prozess. Im Rahmen einer arabischen Heilsgeschichte werden die mesopotamisch-iranischen Araber mit einer fiktiven Ur-Heimat in Arabien verknüpft. Damit erhält ihr Auftritt in der Geschichte historische Tiefe. Ausgangspunkt für diese heilsgeschichtlichen Vorstellungen wird später Mekka im Süden des alten Nabatäerlandes.

Diese heilsgeschichtlichen Vorstellungen verdrängen nach dem Jahr 138 der arabischen Ära (760) das Wissen um einen historischen Prozess: Arabische Aristokraten im Sassanidenreich erhalten ihre Macht als Feldhauptleute im besetzten Syrien und Ägypten nach dem Untergang des sassanidischen Herrscherhauses infolge der Niederlage von 622, indem sie mit ihren arabischen Kontingenten vor Ort bleiben und nicht in die mesopotamische Heimat zurückkehren. Im Zusammenspiel mit den nicht-byzantinischen Hierarchen des ehemals byzantinischen Orients veranlassen sie den Abzug der verbliebenen byzantinischen Truppen.

Es wird gebaut.

Z.B. in Khirbat al Mafyar/Hisham’s Palace
Wiki: „Hisham's Palace is the most archaeologically important Islamic monument in Palestine, and is a major attraction for both visitors and Palestinians.“
Wiki Hishams Palace.jpg
Wiki "The "Tree of Life" mosaic in the audience room of the bath house."

Oder Straßen:

Im Zusammenhang mit dem Bau des Felsendoms wurde die Straße von Damaskus nach Jerusalem ausgebaut. Eine arabische Inschrift auf einem Meilenstein ist noch vorhanden. Sie datiert aus dem Jahr 73 der arabischen Ära (695 AD).

Was Abd al Malik zudem errichtet, ist der bekannte Felsendom in Jerusalem.

Der Felsendom selbst ist ein Bau von imperialer Größe. Er konkurriert in seinen Dimensionen mit der Grabeskirche [in Jerusalem]. Er verkörpert die syrische Vorstellung von der Kirche als einem Baukörper, welcher dem Plan des Tempel Salomos folgt. Dies ist heute noch bei den Kirchen Äthiopiens der Fall.

Details zum Felsendom folgen, bei mir hier nicht. Nur das eine:

Woran die zwölf Säulen erinnern sollen, ergibt sich aus der Deutung des Bauwerks als Tempel des „Neuen Zion“: es sind die Zwölf, die Jünger Jesu.

Im inneren Oktogon des Baus ließ ‘Abd al-Malik seine christologischen Thesen anbringen. Hier wird in historisch fassbarer Form zum ersten Mal von der Pflicht zum Islam gesprochen. Dies entspricht dem Vorgehen des Kaisers Herakleios ein halbes Jahrhundert zuvor in Konstantinopel, welcher ebenfalls seine Ekthesis im Inneren der Hagia Sophia in Konstantinopel hatte aufhängen lassen. Hier wie dort sollte die Ekthesis eine Binnenwirkung in der Gemeinde entfalten. Der Zusammenhalt der Christenheit wird beschworen, Ya ahla al-kitab – Ihr Völker der Schrift!

(Wurde schon einmal angesprochen, Ekthesis (deutlich verzögert und nachdem sie durch Byzanz endgültig verworfen wurde) gegen Ekthesis.)

Für ‘Abd al-Malik steht fest, dass der Din [Glaube] als Vertragssystem für das Verhältnis zwischen Gott und den Menschen den „Islam“ zur Voraussetzung hat. Diese Forderung bezieht sich natürlich nicht auf das persönliche Verhalten der Gläubigen, sondern betrifft das Verhalten der Gemeinschaft der Gläubigen. Dem Einen Gott kann keine zerstrittene und verstreute Gemeinde gegenüberstehen. Mit dieser ist ein Vertrag nicht möglich! Es muss daher der Streit um die Auslegung der Heiligen Schrift beendet und ein Einvernehmen in Bezug auf das Verständnis der Schrift erreicht werden. [...] Die Vorstellung von dem Einen Gott verlangt als Gegenüber im Vertragsverhältnis die Eine Gemeinde, welche von einem einheitlichen Verständnis der Schrift geprägt wird. Die religiöse Pflicht (din) als Ausfluss eines Vertrages gegenüber Gott ist daher die Heilung der eingetretenen Vertragsverletzung durch (erneute) Unterwerfung [oder: Übereinstimmung] (al-islam) unter den Vertrag. Im Ergebnis führt dies dann auch zu einem einheitlichen Verständnis der Schrift.

Laut Popp gibt sich Abd al Malik ähnlich harsch (und reformatorisch) gegenüber der römischen Kirche, wie es später Luther tun wird. Die römische Kirche besteht aus verfallenen Götzendienern (muschrikun), Höllenfeuer wird heraufbeschwört und weiteres.

Zionsgedanke

Zu ‘Abd al-Maliks haram, dem Felsendom [„Tempel des „Neuen Zion““], welcher den haram Mu’awiyas, das Johannesheiligtum in Damaskus, als zentrales Heiligtum des Arabischen Reichs ablöste, gehört eine spezielle Emission von Kupfermünzen. Die Prägungen von Damaskus hatten mit dem „Haupt des Täufers“ auf die Verehrung des Johannes in Damaskus verwiesen, die Darstellung der Tempelgerätschaften auf Münzen verwiesen jetzt nicht mehr auf einen Propheten, sondern ganz allgemein auf den Zion-Komplex [heiliges neues biblisches Reich].

Die Abbildung von Tempelgeräten des Salomonischen Tempels auf den Münzen ‘Abd al-Maliks: Der siebenarmige Leuchter mit islamischer Inschrift.

Dazu in einer Fußnote folgende harsche Kritik Popps:

Zum Jubiläum der hundertjährigen Nichtbeachtung [der Publikation Stickels 1886] [...] Die Nichtbehandlung des Komplexes der Tempelgeräte des salomonischen Tempels – neben dem Leuchter erscheinen noch andere Objekte – durch die Islamwissenschaft erscheint mir symptomatisch für die Behandlung von Sachthemen im Bereich dieser Wissenschaft. Man bedenke hingegen das Vorgehen Th. Mommsens bei der Erforschung der römischen Geschichte. Er war sich nicht zu schade für eine ausgebreitete Beschäftigung mit Numismatik und Staatsrecht. Allein die Islamwissenschaft ist der Hybris verfallen, auf Philologie und Literaturwissenschaft allein eine Aussage über die Historie gründen zu wollen.

Weiter geht es.

Nach meinem Dafürhalten ist das Arabische aber primär die Sprache der herrschenden arabischen Elite gewesen. [...] Ein[em] gebildete[n] Syrer [...] waren die Sprachen aller Lebensbereiche geläufig. Zu Hause der nabatäische Dorfdialekt, in der Schule das Griechische, in der Kirche das Aramäische, beim Militär und als lingua franca am Hof das Arabische [Anmerkung: am Hof ist hier wichtig; Aramäisch war zuvor lingua franca und wird es vermutlich im Alltag und Handel noch eine Weile weiter gewesen sein]. Diese funktionale Mehrsprachigkeit hatte eine lange Tradition.

Erst die moderne Islamwissenschaft verlangt auch hier nach einer eindeutigen Festlegung auf den Gebrauch einer einheitlichen „Nationalsprache“, wie sie die Einwohner moderner, zentralisierter Nationalstaaten prägte. Hier verrät die Islamwissenschaft wieder ihre Herkunft als Kind des Kolonialismus und des nationalstaatlichen Denkens des 19. Jahrhunderts. In der Spätantike störte sich aber niemand daran, dass bekannte und geläufige, hebräisch gefärbte Ausdrucksweisen [...] bei der Darstellung religiöser Begrifflichkeiten von Arabern als arabische Ausdrücke verstanden wurden.

‘Abd al-Malik vertritt die „Zion-Idee“ ebenso wie sein Vorgänger Mu’awiya. [...]

Die Tradition Israels wird fortgeführt, aber nicht nach einem jüdischen, sondern nach einem christlich-arabischen Verständnis. Hier Judenchristentum sehen zu wollen, ist ein Irrweg! Die Darstellung des christlich-arabischen Leuchters wird mit der Nennung des muhammad [Gepriesenen] verbunden. Insoweit ist er nun gemäß bisherigem islamwissenschaftlichen Stipulat [TL] auch ein islamischer Leuchter [was selbstredend absurd ist]. Der fünfarmige Leuchter mit der Nennung Jesu als des muhammad ist aber Teil des Zions-Komplexes, ebenso wie der Felsendom, in dessen Inschrift im Inneren des Oktogons zum ersten mal der „ Islam“ historisch fassbar erwähnt wird.

'Abd al-Malik als „neuer David“

[...] Mu’awiyas. Nicht ohne Grund hat ihn sein Nachfolger ‘Abd al-Malik als einen Saul in der Tradition des Alten Testaments dargestellt, sich selbst aber als einen neuen David präsentiert, indem er seinen Sohn Sulayman (Salomon) nannte.

Weiterhin erfahren wir, dass sowohl Herakleios als auch einige weitere byzantinische Kaiser (aus einer Fußnote) sich ebenfalls als neue Davids dargestellt haben. Also nichts übermäßig besonderes in der damaligen Zeit.

Sowohl für den Kaiser in Konstantinopel wie für den arabischen Herrscher des Orients ist das Alte Testament die Folie für die Vorstellung von der Rolle des Herrschers.

Der Definition der Bevollmächtigung als Sprecher für Gott (Kalifat Allah) des arabischen Herrschers geht ein Wechsel im Rollenverständnis des Herrschers in Konstantinopel voraus. Von 629 an nannte sich Herakleios nicht mehr autokrator in der Nachfolge der Vorstellung vom römischen Imperator, sondern basileus, König.

Was auf spezifischen religiösen Überlegungen beruht, die Popp ausführt, ich aber bis auf diesen Teil ausspare:

Der orthodoxe Kaiser ist durch Unterordnung unter einen himmlischen Herrscher, Christus, als pantokrator [Weltenherrscher], zur Ausübung der Herrschaft berechtigt, der arabische Herr der Orthopraxie hingegen erhält seine Legitimation zur Herrschaft durch Vertretung der Interessen des muhammad [Gepriesenen/Erwählten (Jesus)].

Im letzten Abschnitt soll es um

5.6 Die Ausbreitung des „Muhammedanismus“ im Westen, bis hin nach Spanien

gehen, sowohl unter Abd al Malik, als auch unter der Herrschaft seiner Söhne.

Unter Abd al Malik breitet sich das muhammad-Motto in vielen Regionen noch nicht aus.

Ägypten

Dort ist ein Bruder von ‘Abd al Malik Emir. Eine Inschrift einer Brücke in Fustat wird genannt, sie endet sogar mit Amen.
Hier kann sich das muhammad Motto quasi gar nicht durchsetzen, weil sich die Christologie der Kopten etabliert hatte. Sie ist in den Stammestraditionen verfestigt.

Die fortlaufende Diskussion christologischer Themen auf den Konzilien hatte sich schon seit Jahrhunderten nicht mehr mit dieser Frage beschäftigt. In den Augen der kaiserlichen Konzilstheologen war die Fragestellung bereits historisch.

Den monophysitischen Kopten in Ägypten musste die Absicht und Zielsetzung von ‘Abd al-Maliks Missionierung, der da’wa für die Anerkennung Jesu als muhammad, wie ein Streit unter zwei iranischen Brüdern erscheinen. Der eine dachte die Theologie, welche den Ägyptern bekannt war unter dem Namen ihres Protagonisten Nestorius, „arabisch“, der andere „iranisch“ im Sinne der nestorianischen iranischen Reichskirche.

Bei den monophysitischen Kopten verfing diese Diskussion nicht. Daher mied der arabische Machtmensch ‘Abd al-’Aziz [ibn Marwan; der erwähnte Bruder] den fruchtlosen Streit und verhielt sich neutral. Noch wichtiger als Gemeinsamkeiten in der Christologie war die Verbundenheit gegenüber dem gemeinsamen Gegner, dem Kaiser von Byzanz.

Tripolitanien (Ifriqiya TL)

Der Statthalter Musa_bin_Nusayr hier folgt ebenfalls nicht dem muhammad-Motto, übernimmt lediglich „die sahaduta, den „Stein“.“ Er behält auch lateinische (statt arabische oder im Iran eben Pahlawi/Aramäisch) Inschriften an den Münzen bei.

Er prägt „In Nomine Domini Unus Deus“ (Mein Verständnis: Im Namen Gottes, des einzigen Gottes).

Somit erweist sich auch hier wieder, dass es zur Zeit 'Abd al-Maliks keine Vorherrschaft des Arabischen gab, weder im sakralen, noch im weltlichen Bereich. Die Botschaft wurde in der Sprache der jeweiligen Herrschaft verbreitet.

Die Zugehörigkeit der Münzstätte Tripoli zum Herrschaftsbereich ‘Abd al-Maliks lässt sich aus dem Vorhandensein der Darstellung der sahaduta entnehmen. Wo bleibt aber das Bekenntnis zu Jesus als dem muhammad? Wie bereits im zeitgenössischen Ägypten, so ist auch zur Zeit ‘Abd al-Maliks das Auftreten des muhammad-Mottos in Tripolitanien nicht feststellbar. Wollte oder konnte ‘Abd al-Malik hier die Ziele seiner Missionierung im Namen des muhammad nicht durchsetzen?

Ein anderer Feldherr/Gouverneur Nu’man prägt in einer Mischung aus Latein und Arabisch.

Die Rückseiteninschrift [einer Münze] wird mit der arabischen Übersetzung des In nomine Domini [Im Namen Gottes] eingeleitet. Sie lautet: Im Namen Allahs, al-Nu’man hat es angeordnet.

Ehemalige römische Provinz Africa, Hauptstadt Karthago

Goldmünzen mit der Darstellung der [Yegar] sahaduta wurden in Nordafrika geprägt.

Es werden reichlich Münzprägungen zitiert. Interessant ist z.B. (als Auszug)
"IN NOMINE DOMINI MISERICORDIA" (Im Namen Gottes des Barmherzigen). Das entspricht im Grunde der arabischen basmala (die sehr wichtig ist für Muslime) und die lautet (Wiki Übersetzung) „Im Namen des barmherzigen und gnädigen Gottes“.
(Die Übersetzung könnte grammatisch gut möglich nicht ganz korrekt sein, ist von mir, spreche kein Latein; ist sinngemäß aber definitiv korrekt).

Dem Zweifel daran, ob es sich bei diesen Münzen um Prägungen der „erobernden Araber“ unter der Fahne des muhammad gehandelt hat, kann man an Hand der Datierungen begegnen. Die Datierungen folgen weiterhin dem byzantinischen Steuerjahr. Die angegebenen Steuerjahre fallen in die Zeit der Herrschaft ‘Abd al-Maliks. So selbständig wie in Tripolitanien, wo der Feldherr Nu’man [s. gerade eben] zu dieser Zeit seine Münzen bereits nach der Ära der Araber datierte, war man in der Provinz Africa noch nicht[.]

Die Analyse dieser Inschriften erlaubt keinen Rückschluss auf die neue Religion eines Propheten der Araber mit dem Namen Muhammad. Selbst der muhammad der Mission ‘Abd al- Maliks wird nicht genannt. [...] Fände sich im Münzbild der Goldprägung der Pr[o]vinz Africa (Übernahme der traditionellen Namensgebung, von Ifriqiya ist keine Rede) nicht die Darstellung der sahaduta, so verwiese nichts auf einen Zusammenhang mit der Herrschaft des Arabischen Reichs im Osten. Das muhammad– Motto wird nirgends erwähnt. Und dies zu einer Zeit, als die von ‘Abd al-Malik betriebene Muhammedanisierung im Osten ihren Höhepunkt erreichte! Die gleichzeitige Münzprägung des Ostens des Arabischen Reichs [Persien/Iran] erwähnt in jeder Münzinschrift das muhammad-Motto!

Die Christen Ägyptens und Nordafrikas konnten nicht Gegner alter protokollarischer Formeln wie der basmala sein.

Der Satz NON EST DEUS NISI UNUS CUI NON SOCIUS ALIUS SIMILIS [Mein grobes singemäßes Verständnis: Keiner ist Gott, außer der Einzige, neben dem keine gleichen Beigesellten stehen. (Dagegen würde wohl kein Muslim etwas sagen.)] steht nicht nur für ein Verständnis von Allah, wie es in der Inschrift im Felsendom in Jerusalem niedergelegt ist, er kann auch als Hinweis auf die Anwesenheit von Monophysiten und Monarchianern, Nestorianern und Arianern unter den Bewohnern der Provinz Africa gesehen werden.

Man kann aus dem Verhalten ‘Abd al- Maliks auf eine Doppelrolle resp. ein Doppelspiel schließen: Er vertrat die Mission des muhammad in seiner Heimat, dem ehemals sassanidischen Osten und im Raum des Ursprungs der syrischen Theologie, um sein arabisches Verständnis des Christentums hervorzuheben. Ohne auf ihre theologischen Vorstellungen einzuwirken, führte er außerhalb dieses Raums die Fronde der kirchlichen Gegner des Kaisers an. Dies bedeutet, dass er den Aktionsraum seiner Arabischen Kirche des Arabischen Reiches mit Zentrum Jerusalem auf das angestammte Siedlungsgebiet der arabischen Stämme in Iran, Mesopotamien und Syrien beschränkte. Im Umfeld dieses Missionsgebiets akzeptierte er den Status quo, um sowohl einer Überdehnung der Kräfte vorzubeugen als auch opportunistische Eroberungen zu ermöglichen, denn ganz im Gegensatz zur landläufigen Meinung fiel den „erobernden Arabern“ keine reiche römische Provinz Africa in die Hände. Die Erblasser hatten das Erbe bereits verzehrt, bevor die berberisierte Provinz der Machtsphäre ‘Abd al-Maliks einverleibt wurde.

Dafür werden als Belege noch zwei Prägungen aus dem Maghreb angeführt, einmal aus Tanger, die noch einmal eine andere Mischung der Darstellung als die bereits benannten (lateinischen bzw. mit sahaduta) darstellen.

Prägetätigkeit der Söhne ‘Abd al-Maliks im Westen

Wir haben es mit einer Herrschaft zu tun, deren Wirken durch zwei unterschiedliche Geschwindigkeiten gekennzeichnet ist. Die Mission der Vorstellung von Jesus als dem muhammad ist in Syrien bereits Geschichte, während die Bannerträger dieser ursprünglich östlichen da’wa noch dabei sind, ihre Vorstellungen im Westen des Arabischen Reichs durchzusetzen.

Für die Herrschaft in Syrien ergeben sich aber bereits andere Schwerpunkte. Nach der Verankerung der muhammad-Vorstellung im Osten des Arabischen Reichs und in Syrien erscheint Jesus als muhammad nach dem Verständnis der Arabischen Kirche des Arabischen Reichs den Arabern im Licht eines „Hausheiligen“ der herrschenden Dynastie. Nach arabischer Stammestradition zählt nur der materielle und immaterielle Einsatz für Blutsverwandte. Das Engagement ‘Abd al-Maliks für die Vorstellung von Jesus als dem muhammad lässt zur Abbasidenzeit [die in der späteren Hälfte des 8. Jhd. folgen] Muhammad als den Propheten der Araber in den Augen arabischer Stammesangehöriger als Verwandten des marwanidischen Herrscherhauses erscheinen. [Das ist ganz klar eine Inârah Überlegung.]

Die Marwaniden galten in Syrien fortan zumindest als die geistlichen Verwandten des „Erwählten“. ‘Abd al-Malik ist als Wächter seines Heiligtums zu sehen. Das Heiligtum des muhammad aus dem Hause Davids ist der haram [heilige Gebetsort, s. Teil 2] in Jerusalem [...]

Daraus ‘bezieht Abd al Malik seine politische Legitimation’.

Daher ist die Frage müßig, ob es sich bei den Marwaniden um Könige oder Kalifen gehandelt hat.

Daher kann man wohl zu Recht annehmen, dass sich unter 'Abd al-Malik eine Form der Herrschaft ausbildete, welche seine Nachfolger in der Rolle von arabischen Sayyids [Ehrentitel Herren] versetzte, deren vornehmste Aufgabe es war, Pilgerfahrten zu den Heiligengräbern zu organisieren und als Wächter dieser Stätten vor Ort präsent zu sein. Dazu passt auch die Friedfertigkeit ‘Abd al-Maliks, der nie Krieg gegen seinen christlichen Bruder in Byzanz führte. Dazu passt auch, dass wir nichts von Kriegszügen im Sinne eines jihad erfahren.

Bereits Mu’awiya hatte das Heiligtum Johannes des Täufers in Damaskus beschützt, um in Syrien an Einfluss zu gewinnen. Der Marwanide al-Walid [einer der Söhne Abd al Maliks] kehrte zu dieser Vorstellung zurück. Seine Herrschaft ist mit der Erweiterung des „Heiligen Bezirks“ verbunden. Das Grab des Täufers wird in das Heiligtum einbezogen, der Heilige Bezirk in dem Maße erweitert, dass er wieder mit dem [...] alten Tempe[l] übereinstimmt. Dies bestätigt auch die von al-Walid an dem Gebäude angebrachte Bauinschrift mit Datierung auf das Jahr 86. Die kanisa (Kirche) des Johannes wird teilweise abgerissen und durch einen masgid [gesprochen masdschid; heute übersetzt als Moschee] (Ort des Gebets) ersetzt.

Man sollte dies nicht mit einem Moscheebauprogramm gleichsetzen. Die Erweiterung- und Verschönerungsarbeiten in Jerusalem und Damaskus stellen eine Fortentwicklung dar. [...] Daher übernahm al-Walids Bruder Hišam den Schutz des haram des syrischen Kirchenheiligen Sergius von Sergiopolis (Rusafa). Er erweiterte das Heiligtum ebenfalls, so wie es sein Bruder al-Walid schon in Damaskus gehalten hatte. Auf diese Weise kontrollierten die marwanidischen Sayyids die religiösen Kraftzentren Syriens und Nordmesopotamiens.

Nach dem Tod des letzten der Söhne ‘Abd al-Maliks 125 nach den Arabern [747] kommt es zu Wirren unter den marwanidischen Sayyids, und eine andere Gruppe arabischer Sayyids aus dem Osten übernimmt die religiöse Führung der Araber. Die religiösen Zentren der marwanidischen Sayyids erfahren eine Rückstufung im Rang. Ihr Zentrum Damaskus verfällt der Nichtbeachtung, Jerusalem muss hinter das neue Zentrum im Hijaz, Medina, zurücktreten.

Wie sieht das dann mit der Prägetätigkeit in der Zeit der Söhne im Westen aus.

(Wir erinnern uns: „Wir haben es mit einer Herrschaft zu tun, deren Wirken durch zwei unterschiedliche Geschwindigkeiten gekennzeichnet ist.“)

Im Westen des Reichs hingegen wirken die Vorbilder aus der Zeit 'Abd al-Maliks fort. Bis zum Jahr 98 (nach den Arabern) findet sich die Abbildung der sahaduta [...]

Gleichzeitig finden sich auch Versuche der Anpassung des Typs der westlichen Emissionen an die rein inschriftlichen Typen des Ostens.

[S]o wurde in der Provinz Africa die Darstellung der sahaduta [...] durch eine Zeile Schrift in der Mitte des Feldes ersetzt. Hinter dem Schriftbild scheint das alte Münzbild durch! Diese Vorgehensweise erscheint mir symptomatisch für die Vorgehensweise der Administration des Arabischen Reichs. Abgesehen vom großen Umbruch im Gefolge der Mission des muhammad gab es keine revolutionären Veränderungen, sondern eine fortlaufende Entwicklung hin zu einem arabischen Verständnis der Herrschaft und der Herrschaftspraxis.

[Einige bestimmte] Prägungen [...] der Provinz Africa werden bis zum Jahr 94 der arabischen Ära nach den Angaben des byzantinischen Steuerjahrs datiert. Vom Jahr 84 der arabischen Ära (706 AD) an und endend mit dem Jahr 94 der arabischen Ära (716) sind [diese Prägungen] von rein inschriftlichem Typ und tragen lateinische Legenden.

Erst unter der Herrschaft Sulaymans kommt es zum Versuch der Arabisierung der Münzinschriften in der Provinz Africa. Die Methode der Datierung wurde bereits im Jahr 95 der arabischen Ära verändert: Statt der Datierung nach byzantinischen Steuerjahren, wie sie die längste Zeit noch unter al-Walid üblich war, finden wir erstmals Datierungen nach der arabischen Ära.

Obschon der Osten des Arabischen Reichs seit dem Jahr 77 der arabischen Ära nur noch eine rein inschriftliche, anonyme Goldprägung und seit dem Jahr 78 der arabischen Ära auch nur noch eine rein inschriftliche, anonyme Silberprägung, jeweils mit der Erwähnung des muhammad als rasul kennt, kommt es im Westen des Arabischen Reichs im Jahr 97 der arabischen Ära erst einmal zur Prägung von Goldmünzen mit bilinguen Legenden, arabisch / lateinisch. [Beispiele werden gegeben.]

Hier [Beispiel Jahr 98 in Nordafrika] wird auch zum ersten Mal die Erwähnung des muhammad im Westen des Arabischen Reichs in einem offiziellen Protokoll historisch fassbar. Im Jahr 66 der arabischen Ära (688) war diese Nennung bereits in Bishapur in Iran [mal erwähnt, nicht soo weit von Darabjird, neben Kirman eine der häufigeren Prägestätten dort] erfolgt. Einunddreißig Jahre später [97/719] findet die Vorstellung von Jesus als dem muhammad ihren Platz in den Münzlegenden im Westen des Arabischen Reichs.

Prägungen aus Spanien nach 700

Eine Beispielmünze aus dem Jahr 93 [715; für Leute, die der TL folgen bisher 711/12] wird genannt.

Auf der Rückseite befindet sich ein siebenzackiger Stern, nicht die Darstellung der sahaduta [...]

mit lateinischer Inschrift (in nomine domini usw.).

Dem Text der Inschrift folgend wussten die „erobernden“ Araber, dass sie Spanien erreicht hatten, aber noch nicht in al-Andalus angekommen waren. Die Bezeichnung al-Andalus kommt erst im Jahr 98 der arabischen Ära (720) in Münzlegenden vor. [...] Die Rückseitenlegende ist arabisch geschrieben.

Die vielen Merkwürdigkeiten der traditionellen Schilderung der „islamischen“ Eroberung Spaniens sollen hier nicht analysiert werden. Die historisch zwingende Variante einer Zusammenarbeit christlich-berberischer Nordafrikaner mit der nicht-katholischen Bevölkerung Spaniens gegen das katholische westgotische Königshaus kommt in den Erzählungen der östlichen Chronisten nicht vor. In gewisser Weise spiegelt die Geschichte des Eroberers im Westen, Musa bin Nusayr al-Lakhmi (sic! Wieder ein Bezug auf die Lakhmiden, die Dynasten von al-Hira [s. Teil 1 und 2]) die Geschichte des Eroberers im Osten, Khalid ibn al-Walid [s.o.].

Mit Blick auf die Erzählmuster des „traditionellen Berichts“ aus der Abbasidenzeit [ab zweiter Hälfte 8. Jhd.] kann man den auf die Söhne ‘Abd al-Maliks, al-Walid und Sulayman, folgenden ‘Umar II. für eine fromme Tradition zur Bewältigung der Jahrhundertwende halten. Nach der Überwindung der Endzeitgefahr (Herrschaft ‘Umars II., 99-101 der arabischen Ära, keine Münzen oder Inschriften in seinem Namen bekannt) konnte die Erbfolge der Söhne ‘Abd al-Maliks in der Traditionsliteratur [TL] fortgeführt werden, de facto [nach Inârah] war sie wohl nie unterbrochen, bis sie im Jahr der Araber 125 mit dem Tod des letzten der Söhne ‘Abd al-Maliks zu Ende ging.

Zusammenfassung

  • Nach (neben) 'abd Allah und Amir al mu'minin als Titel tritt muhammad als Motto auf.
  • Abd al Malik popularisiert und verbreitet missionarisch (dawa) dieses Motto.
  • Kalif taucht als Eigenbetitelung auf (Kalifat Allah, Sprecher für Gott).
  • Abd al Malik hat die Konsolidierung, Vereinheitlichung des Reichs (christologisch und damit gleichsam herrschafts-pragmatisch) als Ziel.
  • Er steht dabei immer in Bezug zum großen Gegenüber Byzanz, das seinerseits eine christologische Vereinheitlichung erreicht hatte.
  • Zum muhammad Motto kommt das (biblische) Beth-El/Yegar Sahaduta als Abgrenzung statt des Kreuzes und damit statt Jesus als Gottes(sohn)verehrung hinzu. Das führt schließlich zur Ablehnung menschlicher Abbildungen (keine Götzen).

Interessant ist, dass sich vor dem Auftauchen von ‘Abd al-Maliks Name und Titulatur auf Münzen dieses Typs allein das Motto der Bewegung muhammad findet. Hinsichtlich des Ablaufs der da’wa der Anhänger des Muhammedanismus lässt sich aus der Verknüpfung der Emissionen folgendes Bild zeichnen: Der Gang der Ereignisse führt zum

  1. Aufkommen von anonymen Drachmenprägungen im ehemals sassanischen Herrschaftsraum mit dem Motto ‘abd Allah um das Jahr 41 der arabischen Ära (663).
  2. Aufkommen von anonymen, gelegentlich datierten (Jahr 60 der arabischen Ära = 682 AD) Drachmenprägungen im ehemals sassanidischen Herrschaftsraum mit dem Motto muhammad und der
  3. anonymen Kupferprägung von Harran (die Symbolkraft dieses Ortsnamens ist seit den Tagen der biblischen Patriarchen bekannt!) im ehemals byzantinischen Herrschaftsraum mit dem Motto muhammad und der Darstellung des neuen staatsreligösen Symbols des Beth-El in Form der Yegar Sahaduta.
  4. Es folgen darauf die Kupfermünzen und Goldprägungen mit der Darstellung des neuen staatsreligösen Symbols des Beth-El in Form der Yegar Sahaduta und der Darstellung des arabischen Herrschers mit dem Protokoll [Schriftzug/Titulatur] ‘Abd al-Maliks. Ausbreitung der Darstellung des Beth-El als Yegar Sahaduta nach Westen, daher
  5. Inschriftliche Prägungen in Nordafrika mit der Darstellung des neuen staatsreligiösen Symbols des Beth-El in Form der Yegar Sahaduta.
  • Abd al Malik schreibt seine Ekthesis im Felsendom in Jerusalem nieder und baut.
  • Er baut u.a. Pilgerstätten auf und um und Wege zu ihnen aus.
  • Zionsgedanke spielt eine Rolle und Abd al Malik sieht sich als neuer David (wie vor ihm byzantinische Kaiser).
  • Er ist überwiegend friedlich und mit inneren Angelegenheiten beschäftigt. Es gibt keine großen Eroberungszüge oder jihad.
  • Unter Abd al Malik finden sich muhammad Inschriften zunächst nur im arabischen Kernland (Syrien, Mesopotamien, Teile Irans). Die Yegar Sahaduta breitet sich schneller nach Nordafrika aus.
  • Die islamische basmala findet sich hier in den entsprechenden Regionen in Latein, ganz in christlichem Sinn. Ebenso rasul (Gesandter) bereits im Osten.
  • Die Söhne Abd al Maliks Sulayman (Salomon) und al-Walid verbreiten auch das muhammad Motto weiter.
  • Es gibt weitere viele Unstimmigkeiten zum traditionellen Bericht (z.B. Prägen eines Leuchters).
  • Die "Eroberungsberichte" der TL lassen sich (eventuell) besser als Nacherzählung eines topos verstehen. D.h. die Narrative wiederholen sich und ähneln sich sehr stark. Sie folgen der biblischen Geschichte Abrahams (Abschnitt um Chaldäa), die ein späterer Herrscher physisch nachreisen wird.

Ausblick

Der 4. und letzte Teil wird weit kürzer als dieser. Die Muhammadanismus Vorstellung der anschließenden Zeit ab 125 (647) wird vertieft, 'Ali bzw. die Aliden angerissen und Al Mamun ist der relevante Herrscher (nach bis jetzt Mu'awiya und Abd al Malik). Jihad taucht auf.
Danach wird es eine Zusammenfassung geben. Zudem eine Begutachtung/Kritik dieses spezifischen Textes Popps im Sammelband eins und einen Ausblick auf Weiteres zu Inârah.

Fette Hervorhebungen immer meine.

PS: Wurde gestern Abend schon zu spät, also lieber am frühen Morgen mal raushauen 😉.

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Und wieder eine Mammut-Arbeit mit Bravour erledigt!

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