Deutsch-Dienstag: melunis Ausflug in die wunderbare Welt der Sprache #21

in #deutsch6 years ago

Einen wunderschönen Tag wünsche ich euch, liebe Leser. Mein heutiger Beitrag ist nur sekundär zur Wissensvermittlung gedacht - ... 📚📖

... primär möchte ich euch zum Denken anregen, indem ich euch einmal mehr die Veränderungen unserer Sprache aufzeige.


Letzten Freitag verbrachte ich nach viel zu langer Zeit mal wieder einen wunderschönen Nachmittag mit unserer lieben @jkiw.

Wir sprachen sehr viel über das Konstrukt der deutschen Sprache, der definierten Uneindeutigkeit der entstandenen Hochsprache und den (fast immer negativen) Bedeutungswandel vieler Worte. Dass eine positive oder negative Sprache große Auswirkungen auf unser (Unter-) Bewusstsein ausübt, wissen sicher viele und diese Tatsache spielt bei vielen meiner heutigen Beispiele eine große Rolle.

Die oben genannten Entwicklungen spiegeln in gewisser Weise auch den Geist unserer Gesellschaft wieder. Was genau das bedeutet werde ich euch nicht vorsagen. Stattdessen lade ich euch ein, selbst zu denken und eure eigenen Schlüsse zu ziehen. Ihr seid herzlich eingeladen, eure Erkenntnisse in den Kommentaren zu verewigen und eure Meinungen auszutauschen und zu vergleichen!

Beginnen wir mit dem überaus interessanten Homonym (= Wort mit verschiedenen Bedeutungen): Aufgabe. Wie hat es sich begeben, dass die Arbeitsaufträge, die man in der Schule aufgetragen bekommt zu Hause zu erledigen „Hausaufgabe“ heißen, wenn doch die Aufgabe auch die Kapitulation ist? Wird hier schon sprachlich impliziert, dass man daran scheitern soll? Natürlich bekommen wir auch in ganz anderen Bereichen Aufgaben zugeteilt, wie ist das dann hier?

Eine sehr starke Bedeutungsänderung haben die Worte Idiot und tolerant erlebt. Ersteres ist heute negativ besetzt, zweiteres positiv. Doch ursprünglich war es genau andersherum! Idiot stammt vom griechischen idiṓtēs (ἰδιώτης) und bedeutet ‘Privatperson, einer aus dem Volk’. Das heißt, Idiot war anfänglich das Gegenwort zu „Politiker“ und beschrieb lediglich eine nicht in der Öffentlichkeit tätige, sondern private Person.

Tolerant hingegen hat schon seit jeher eine negative Bedeutung, da es vom lateininschen tolerāre stammt und ‘ertragen, erdulden’ bedeutet. Ein toleranter Mensch ist also genau genommen nur jemand, der die gegebenen Umstände erträgt, duldet und/oder zulässt. Diese Perspektive finde ich persönlich weit weniger heroisch, als die allgemein vorherrschende Einstellung, jemand der tolerant ist, sei anderen Dingen gegenüber aufgeschlossen.

Ein tragisches Schicksal erlitt auch das kleine Wort gemein. Betrachtet man die Wurzel des Wortes, stellt man fest, dass es zunächst ‘mehreren abwechselnd zukommend’ und dann ‘mehreren in gleicher Art gehörig’ bedeutete. Daraus entwickelte sich dann die Bedeutung ‘gemeinsam, gemeinschaftlich, allgemein’. Und dann passierte etwas, das wohl typisch ist:

„Was mehreren oder vielen ‘gemeinsam’ ist, kann nicht ‘wertvoll’ oder ‘edel’ sein.“

So entstand die heute vorherrschende Bedeutung ‘niederträchtig, unanständig’. Die anfängliche Bedeutung des Wortes blieb uns jedoch beispielsweise in „Gemeinschaft“, „Gemeinde“ und „Gemeinsamkeit“ erhalten.

So, ein letztes habe ich noch! Welches Bild habt ihr vor Augen, wenn ihr das Wort „Entwicklung“ hört? In jedem Fall hat es doch was Dynamisches, oder nicht? Das Wort fällt in dieselbe Kategorie wie enttäuschen. Wir sprechen also gewissermaßen von einer Aufdröselung, einer Differenzierung der Dinge. Wenn man sich weiterentwickelt geht es also eigentlich nicht darum, jeden Aspekt seiner selbst weiterzubringen, sondern einzelne Fähigkeiten zu differenzieren!



Findet ihr das alles nicht auch ganz schön verrückt und merkwürdig? 😉


So, ich lasse euch nun mal in Ruhe nachdenken. Und wer dazu keine Lust hat, kann sich ja gedanklich unter Natalies Pflaumen- oder Apfelbaum legen! Es darf aber natürlich auch gerne beim Ernten geholfen werden! d:

Bis bald!
Eure meluni

Sort:  

Hallo Melanie,
ein spannendes Gespräch habt ihr da geführt!
Witzig, den Idioten hatte ich auch auf meiner "Liste".
Grundsätzlich finde ich, dass du wirklich gute Denkansätze angeboten hast, die des Merkens würdig sind. Verrückt? Nun, vielleicht kann man ja noch ein wenig zurecht rücken.
Beim Tolerieren zum Beispiel. Es war mir neu, dass Toleranz gleichbedeutend mit Aufgeschlossenheit sein soll. Ich fand heraus, dass das wohl so ist, aber eher umgangssprachlich, dann verhüllend bezogen auf sexuelle Praktiken. Ansonsten kommt die Definition für tolerieren mit gelten lassen, akzeptieren, dulden dem lateinischen Ursprung noch sehr Nahe. Weiter habe ich als Übersetzung für "tolerare" auch noch dulden, tragen (ohne die Vorsilbe deutlich positiver) und unterstützen gefunden. Damit empfinde ich das Wort tolerant immer noch nicht heroisch, aber nach wie vor positiv. Man muss nicht alles und jeden toll finden, kann es oder ihn aber dennoch als gegeben akzeptieren, dulden, sogar unterstützen.
Jepp, der negativierenden Bedeutungsumdeutung sollten wir uns entledigen. Äh, muss ich sie deswegen heiraten? ;-)
Liebe Grüße,
Chriddi

hallo liebe chriddi,
wrde meine asaur funkionieren, wäre das je besser lesbar, haha aber mi copy und pase habe ich das wichige wor herkopier : "toll" is nämlich auch so ein schönes beispiel :-)

Gan liebe Gruesse an dich - nächse Woche is neuer lapop da!!!

Wow, mit der Tastatur traust du dich in den #deutschdienstag?! :D :D
Stimmt, toll... Was man nicht alles so bedenken sollte ;-)
Ganz liebe Grüße auch an dich,
dann lesen wir uns spätestens nächste Woche - ich freue mich drauf!

Sei gegrüßt, liebe Christiane!

Es war mir neu, dass Toleranz gleichbedeutend mit Aufgeschlossenheit sein soll.

Hier in der Region wird "tolerant" und "offen, aufgeschlossen" fast gleichbedeutend benutzt. Ist man nicht totaaaal tolerant was alles und jeden angeht, so wird man schnell schief angeschaut. Es ist leider schon fast ein Muss, nicht nur alles zu erdulden und nach dem Motto "leben und leben lassen" zu agieren, sondern man muss es am besten auch noch unterstützen, selbst zu einer Person werden, die in irgendeiner Weise zu tolerieren ist und es so laut leben, dass es alle mitbekommen.

Äh, muss ich sie deswegen heiraten? ;-)

Auf keinen Fall! Du solltest grundsätzlich nur genau eines tun: das, was du willst und/oder für richtig hältst!

Hab noch einen schönen Abend!

Bei sexuellen Praktiken gibt es keine Toleranz. Da gibt es nichts zu erdulden. Übereinstimmung, an dem Wort könnte ich in diesem Zusammenhang Gefallen finden.
Wenn du ähnlicher Meinung bis, dann schenke ich dir das Wort.

Du schenkst mir einen virtuellen Kuss, du schenkst mir Wörter, meine Güte, bin ich reich beschenkt!
Gerne nehme ich "Übereinstimmung", ich leihe es dir aber nochmal aus, denn du brauchst es ganz bestimmt für den dritten Teil von Emma Lee. Hoffe, darin stimmen wir überein.

Emma Lee macht Sachen ...

Erscheinungstermin: 23.August 2018

Dann kommt die Auflösung.

Wunderschöne usammenfassung :-) das is uebrigens eine weschge und keine pflaume , haha - pflaumen sind rund und weschgen oval und haben einen doppel gespi...en kern :-) daher der name mi dem ".wie"

sei umarm. .... mei is das läsig mi der asaur...

Liebste @jkiw <3
Schön, dass du trotz einer unwilligen Tastatur schreibst!!
Und man darf sich besonders in solchen Fällen anderer Sprachen bedienen, bspw. dem Pfälzischen, da sind es "Gwetsche" d:

Ich hoffe der alte-neue Laptop ist bald einsatzbereit, das ist ja mitleiderregend! :D

Umarmung zurück! <3 Ich hoffe, es sind alle heile aus dem Urlaub zurückgekehrt und die Küche sieht noch aus wie Freitag! d:

Hallo Melanie,

kaum sind die Damen unbeaufsichtigt, liegen sie unter dem Pflaumenbaum und beobachten wie ein Apfel zum Fallobst wird. Dass ich dabei ganz nebenbei zum Idioten gemacht werde, kann ich durchaus noch tolerieren. Meine Toleranz hat mittlerweile Ausmaße erreicht, dass ich sogar Aussagen von Politikern schlucken kann ohne mich gleich übergeben zu müssen. Diese Fähigkeiten beherrschen nur Vollidioten!
Sozusagen der Adelige unter den Idioten.

Darf ich in deiner und Natalies Gegenwart eigentlich auch 'kotzen' sagen? Damit wäre der Vorgang nämlich besser beschrieben. Aber ich trau' mich halt einfach nicht. Ich bin sowieso eher der schüchterne Typ. Trotz des Brechreizes!

Apropos @jkiw, du solltest deine Freundin ganz dezent darauf hinweisen, dass sie ihre Tastatur mal umdrehen sollte. Die Seite, auf der die beschrifteten Knöpfchen sind, dort müssten die Buchstaben versteckt sein, die unterm Pflaumenbaum beim Sinnieren verloren gingen!

Liebe Grüße an den Doppelpack
Wolfram

einige Buchs_aben und ahlen sind in der sommerhi__e durchgeschmor :-) neuer Lap_op is_ auf dem Wege!

Menno, Natalie, was sollen denn die Unterstriche? Nun hast du glatt das Rätsel aufgelöst, welche Buchstaben denn verloren gegangen sind ;-)

auf dem Wege!

Die Wege führen lediglich nach Rom -
doch nur ein Weg ins Siebengebirge!😊

Ich vermisse deine Berichte aus dem Garten!
Gedankenaustausch tut Not.

Liebe Grüße
Wolfram

Ich darf bestimmt verraten, dass sie wieder gaaaaanz viele Ideen hat und bald wieder Garten-Posts kommen werden! (:

Hallo Wolfram!

dass ich sogar Aussagen von Politikern schlucken kann ohne mich gleich übergeben zu müssen

Damit solltest du vorsichtig sein, die sind deshalb nämlich noch lange nicht bekömmlich ;)

Und natürlich, du darfst alles sagen, was du willst. Du bist schließlich nur dafür verantwortlich und nicht für das, was andere/wir dann verstehen! Und harte Fakten erfordern harte Worte, also alles gut.
Aber lass vielleicht doch lieber die Finger von dem Politikerzeug, nachher verschluckst du dich noch, egal in welche Richtung, das muss doch nicht sein!

Hab noch einen schönen Abend und schöne Grüße vom halben Packen zurück!

Beim Wort 'gemein' kommt mir noch die zusätzliche Bedeutung 'gewöhnlich' in den Sinn - so fällt beispielsweise die 'Gemeine Teichmuschel' nicht unbedingt durch besondere Bösartigkeit auf. :)

Was die ursprüngliche Bedeutung des Wortes 'Toleranz' betrifft, kann ich nur zustimmen, so 'lieben' z. B. halotolerante Organismen Salz (im Gegensatz zu halophilen) nicht, sondern halten es lediglich relativ gut aus ...

so fällt beispielsweise die 'Gemeine Teichmuschel' nicht unbedingt durch besondere Bösartigkeit auf. :)

Selbiges gilt auch für Schmetterlinge wie den gemeinen Scheckenfalter! Ausnahmen machen wir nur für die gemeine Wespe, die ist nämlich wirklich gemein! Und wie bei den Organismen ist es ja auch bei Lebensmittelintoleranzen im Unterschied zu Allergien!

Besten Dank übrigens für die reichen Upvotes, die werde ich morgen gleich mal als Basis meines Gewinnspiels nehmen! ((:

Och, verglichen mit Homo sapiens halte ich jede Wespe für ein sanftes Lamm. :)

Schön, dass du wieder da bist. Wieder excellenter Inhalt auf der chain.

Interessanter Beitrag. 👍

Nach all deinen reiflichen Überlegungen ist das das Ergebnis? Ich weiß nicht, ob ich es einfallslos oder prägnant zusammengefass nennen soll! d:
Dennoch in jedem Fall: Danke!

Weniger ist mehr :p

Dachte ich es mir doch! :D

Ja, bevor man sich in blöde/unschöne Kommentare verstrickt, dann lieber ein: "Interessanter Beitrag." ;)

Da hast du recht!

Spannender Artikel!

Hast du zufällig mal was dazu gemacht wie man heute Kindheit zur Entwicklung ins Erwachsenenalter benennt (Säugling, Kleinkind, teenager, Jugendlicher, ...) im Vergleich zu wie man es früher begriffen hat? Würde ich gerne nachlesen, falls ja^^.

Hallo @miela!
Ganz zufällig werde ich das bald gemacht haben und dann kannst du es nachlesen! ;)
Spaß bei Seite, ich finde das einen guten Denkanstoß und werde das Thema bei Gelegenheit verschriftlichen! Danke dafür!

Hallo Meluni,

vergesse dann bitte nicht: "das Barn"; dieses fast vergessene Wort mit seinem (Ur-) Bezuge zu der kurzbeinigen Langsamkeit bei "jungen" Kindern.

Grüße :)

Dass du wirklich denkst, ein solcher Fehler könnte mir unterlaufen kränkt mich! ;p

ah, echt. megacool.
dann muss ich da gleich mal follow drücken, um es nicht zu verpassen!

Klasse Artikel! Super interessant und amüsant geschrieben. Von wegen trockene Sprache! ;-)
LG Kadna

Danke liebe Kadna! <3

Viel Spaß beim Campen! Lass ich von den Jungs nicht zanken :p

Ein für mich sehr aufschlussreicher Post muss ich sagen.
Das mit der Toleranz wusste ich schon. Doch der Idiot war mir völlig neu, genauso wie die Entwicklung.

Es freut mich, dass ich helfen konnte! d:

Interessant - da werde ich doch mal Augen und Ohren offen halten und auf solche Bedeutungsänderungen achten.

Ein aktuelles Beispiel für eine solche Veränderung: In unseren Augen ist die "Gemeine Wespe" gerade wirklich gemein weil sie einem den Aufenthalt im Freien vermiesen kann ;)

Manchmal muss man einfach mal kurz innehalten und sich das Wort, das man gerade gehört oder gesagt hat "auf der Zunge zergehen lassen". Man gelangt zu spannenden Erkenntnissen!

Und ich gebe dir recht, die gemeine Wespe hat diesen Namen in jeder Hinsicht verdient! gins

Grüßle!

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