Willkommen in meinem Leben, Depression!

in #deutsch4 years ago

Bereits am Montag habe ich einen, für mich, wichtigen Post zum Thema Depression veröffentlicht.
Heute ist wieder Freitag und jeden Freitag stelle ich mich ein wenig mehr vor :-)

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Wie kam ich zur Diagnose: Depression?
Bereits als Baby gab es zwei Vorfälle, in denen ich fast verstorben bin. Innerhalb des ersten Lebensjahres zweimal an einer Lungenentzündung. Womöglich nichts erwähnenswertes, aber rückblickend wollte ich schon damals nicht Leben.
Durch die Schulzeit, die für mich die Hölle war, schmiedete ich Pläne, wie endlich alles enden kann! Dieser tägliche Horror, den ich in der Schule erlebte, sollte einfach ändern. Während andere in einem Alter von 8 bis 9 Jahren Fahrrad fahren oder schwimmen gehen, schloss ich mich in mein Zimmer ein und plante....
Mit etwa 11 Jahren hatten wir die Phase, dass wir auf unserem Tisch in der Schule verschiedene Dinge schrieben. Uns war einfach langweilig. Einige bemalten den Tisch und ich malte entweder Grabsteine oder schrieb meinen Sehnsucht darauf. Es nahm keiner ernst und es wollte auch keiner sehen, wie ich durch meine Mitschüler jeden Tag mehr zu leiden hatte.
1997 im April trennten sich meine Eltern. Mein "Vater" war dieses Wort nie wert. Er war bei meiner Geburt dabei und lehnte mich strikt ab! Noch heute sagt er, er wäre es nicht. Aber einen Vaterschaftstest lehnt er ab. Mir ist es egal, er soll mich einfach nur in Ruhe lassen!
1997 hatten wir eine Klassenfahrt, in der 6. Klasse, die in Berlin ja das Ende der Grundschulzeit ist. Für mich war es die Hölle - und es sollte auch so kommen. Aber ich war es gewohnt, mitzuspielen und nach außen war ich fröhlich. Wer mir in die Augen sah, wusste das ich leer bin. Aber um es zu bemerken - war keine Zeit. Und ich? Für mich war es normal, diese dunklen Gedanken in meinem Kopf zu haben.
1997 wechselte ich aufs Gymnasium. Ich hatte Angst vor der neuen Schule, Angst vor den Klassenkameraden, die mich schon ausgelacht haben. Schon nach einigen Tagen in der neuen Schule wurde ich krank. Es gab äußerlich keine wirklichen Anzeichen. Meine allein erziehende Mutter hatte einen Fulltime-Job. Mit meinem Bruder hatte ich keinen guten Draht. Er war ein Junge! Damit nicht nur Vaters Liebling und ein und alles, sondern auch ein Problem für mich! Die Folge der Krankheit war, dass ich ein halbes Jahr nichts anderes konnte, außer Körperpflege, im Bett liegen und fernsehen oder schlafen. Gedanken hatte ich keine mehr in diesem Moment. Ab und an besuchte ich die Schule, wenn es irgendwie möglich war, aber meistens ging es einfach nicht. Keiner dachte sich wirklich etwas dabei oder wollte es sehen, dass dieses Verhalten alles andere als normal sei.
Mit dem Wechsel auf die Gesamtschule wuchs die Selbstverletzung, wuchsen die Versuche alles zu beenden. Irgendwann fing ich an zu schwänzen. Mit Mitschülern Probleme und mit Jungs/Männern ohnehin. Die dunklen Dämonen in meinem Kopf wurden immer größer. Ich bekam die Diagnose: Autoaggressiv. Damit war es erledigt. Doch meine Gedanken wurden immer düsterer. Die innere Ohnmacht wuchs.
An einem Samstag-Morgen, als ich 16 war, packte ich meine Koffer und ging. Meine Mutter schlief noch. Es war meine Chance zu leben! Alles hinter mir zu lassen und endlich frei zu sein. Doch am Leben zu sein - ein selbstbestimmtes Leben! Andere würden sagen, ich haute einfach ab. Einige Monate lebte ich bei einer Freundin, wir waren meist auf der Domplatte in Köln unterwegs. Wir führten ein ziemlich punkiges Leben. Ich war glücklich und doch beschwert, da mich meine Dämonen nicht in Ruhe ließen. Irgendwann musste ich dann doch wieder nachhause....
Mit 18 Jahren wurde ich Mama. Der Mann war es nicht wert, leider. Damals liebte ich ihn. Es war meine Chance bei meiner Mutter auszuziehen. Ich war glücklich....doch die dunklen Dämonen blieben. Endlich hatte ich aber den Mut dagegen anzukämpfen!
Immer wieder hatte ich den Versuch einer Therapie gewagt, bekam verschiedene Diagnosen - doch die Depression wurde nicht erkannt...

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Am 11.01.2016 änderte sich mein Leben für immer! Ich hatte gerade einen neuen Job angefangen. Durch das frühe aufstehen schlief ich schon die Nächte nicht. Ärgerte mich über das Geschehen an den Silvesternächten in einigen deutschen Großstädten an Silvester 2015. Mir wurde klar, bei der Verhamlosung, sind wir Frauen nur noch eine Ware....Das hatte ich schon als Kind erfahren. Jede Verhamlosung der Politiker machte es nur noch schlimmer! Und doch wusste ich, wir haben keine Chance und laut der Regierung auch kein Anrecht auf die Unversehrtheit unseres Körpers - da wir Frauen sind...
Am 11.01.2016 kam ich von der Arbeit, am Bahnhof kam ein Mann auf mich zu. Ich nahm Abstand, denn mit Männern habe ich mein Problem. Ich vertraue meinen Söhnen und meinem eigenen Mann. Alle anderen machen mir Angst. Der Typ fragte mich erst nach Geld, dann ob ich am nächsten Tag wieder dort wäre...ich nahm immer mehr Abstand. Doch er schaffte es und nahm mich am Ende in den Arm. Ich wehrte mich. Doch es interessierte keinen. Einige werden sagen, was ist an einer Umarmung so schlimm? Ihr kennt mein Leben nicht!
Diese Umarmung machte meine Welt schwarz. Meine Welt hörte auf zu existieren, wie sie bis dahin war. Ich konnte gar nichts mehr. Nachts war ich hellwach, obwohl ich abends müde war. Wenn es draußen langsam hell wurde, konnte ich manchmal ein wenig schlafen. Aber an sich war ich die ersten 14 Tage rund um die Uhr wach. Ich konnte so gut wie gar nichts mehr. Alles, was ich vergessen wollte, war in meinem Kopf!
Im April ging ich in die Klinik. Damals war ich 31 Jahre alt! Am Ende des Aufenthalts bekam ich einige Diagnosen mit auf dem Weg. - Die Depression wurde endlich erkannt!

Mit dem Wissen, dass meine düstere Neigung zur Leere und zur Nacht, damit in Verbundenheit stand, tat irgendwie gut. Ich hatte endlich etwas in der Hand, womit ich arbeiten konnte. Noch immer bin ich lieber allein, noch immer sind dunkle Dämonen in meinem Kopf größer als sie sein sollten - es wird wohl so bleiben. ABER ich habe gelernt damit umzugehen!

Wer mich sieht, denkt ich bin eine ganz normale Frau. Wer mich erlebt, denkt, ich bin glücklich. Wer mir versucht in die Augen zu sehen, hat keine Chance. Ich bin eine Powerfrau, die glücklich zu sein scheint und alles im Griff hat. So nimmt mich die Außenwelt wahr! - Wer mich kennt und die Mauer zu meinem Inneren durchkämpft hat, weiß wie es wirklich in mir aussieht... Jeder Tag ist ein Kampf. Jeder Moment ist entscheidend. Doch ich kann damit umgehen und an schlechten Tagen erfreue ich mich an meinen Kindern, ist mein Mann mein Halt - und unsere Katzen bringen mich zum Lachen. :-)

Es ist nicht einfach eine Depression zu erkennen. Die meisten wirken nach außen stark und kämpferisch. Menschen mit Depressionen sind Meister darin, anderen eine besser Welt vorzugaukeln. Viel zu sehr wissen wir, wie es ist, wenn es einem schlecht geht. Umso mehr, ist es uns wichtig, dass es den Menschen um uns herum gut geht! Daher ist es nicht leicht zu erkennen, wer den Hang zur Depression hat und wer nicht. Doch aus Gesprächen kann, wer genau zuhört, einiges erfahren. Das schlimme ist, dass sich manche ihre eigene Depression nicht eingestehen wollen - oder nicht wissen, dass sie diese haben, da die Diagnostik fehlt. Die Außenwelt nimmt sie oft nicht ernst. Man hört oft den Satz:"Hab dich nicht so, andere haben auch mal schlechte Tage!" - Das wissen wir Menschen, mit Depressionen. Das Problem ist, wir haben diese schlechten Tage eigentlich immer. Wenn es keine äußeren Gründe gibt, sind es die inneren. Mein Hausarzt sagte 2016 zu meinem Mann:"Das Problem einer seelischen Erkrankung ist, dass Außenstehende sie nicht sehen! Wer Grippe hat, hat Anzeichen dafür. Da wissen viele, was gemacht werden kann um wieder gesund zu werden. Wer ein gebrochenes Bein hat, ist auch sichtbar. Doch die Seele trägt keiner nach außen!" Umso wichtiger ist es, dass wir uns Zeit für einander nehmen. Genau hinsehen, versuchen zu helfen, wenn wir einen Verdacht haben und diese Menschen nicht allein lassen! Gerade jetzt durch Corona ist es wichtiger als je zuvor. Denn Corona treibt in die Existenzangst, in den Verlust der Existenz....das Leben steht vor dem Ruin. Es ist schwer, es ist schwarz in einem, es vergisst das Denken und lässt nur noch eine Handlung zu....Diese gilt es zu vermeiden! Wir können auch nicht alle retten, aber jeder, der die Chance hat, seine Erkrankung zu erkennen und behandeln zu lassen, hat die Möglichkeit auf einen Teil der Heilung!

Es gibt viele Künstler, die depressiv sind. Es gibt viele Schauspieler und Maler....Geld macht viele Menschen einsam, aus der Einsamkeit erfolgt oft eine Depression. Diese gehört behandelt!

Ich habe nicht viele Idole, aber wenn ich welche habe, dann gehört Torsten Sträter definitiv dazu. Einfach, da auch er mit seiner Depression offen umgeht. Es ist kein Zeichen von "Seht her, mir geht es schlecht!" - Es ist das Zeichen von:"Die Depression ist echt, sie ist ernst zunehmen und nur eine gute Behandlung, kann helfen!" So ist es auch. :-)

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Bilder via google

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Puh, das ging ja schon früh los bei dir. Der Vorteil, wenn man so will, man lernt sich abzugrenzen und ist für "Gruppendynamik" nicht so anfällig.

Die Kunst ist halt, sich auch wieder für die schönen Dinge zu öffnen, die zweifellos auch da sind.

Stimmt. So ist es. Ich mag Gruppen nicht unbedingt und komme darin auch nicht zurecht. Habe gelernt auf mich selbst zu hören.

Und zu den schönen Dingen gehören definitiv meine Kinder und mein Mann :-) Sie zeigen mir wie schön die Welt sein kann....

Wer das nicht hat, braucht wen, mit dem man sich austauschen kann.

Danke für Deine Worte :-)

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"Martin Kesici" geht auch ganz offen damit um und spricht auch auf seiner FB-Seite offen drüber.

Du hast ein kleines Upvote von unserem Curation – Support – Reblog Account (German Steem Bootcamp) erhalten. Dieser wurde per Hand erteilt und nicht von einem Bot.
Du findest uns im Discord unter https://discord.gg/Uee9wDB

AUSSEDEM hast Du ein upvote von STEEMIT.INC @steemcurator05 erhalten. Wir haben für den Monat Mai von Steemit inc. 200.000 SP zur Verfügung gestellt bekommen, um die Community zu stärken.
Aktueller Kurator ist @cultus-forex
You have received a vote from the curation account of @steem-bootcamp and as well from @steemcurator05 (Steemit.inc). We have received 200.000 SP for the month of May from Steemit inc. to strengthen the community.
Current curator is @cultus-forex

Vielen Dank für den Hinweis. Es gibt mittlerweile einige, die ganz offen damit umgehen. Es ist einfach zu wichtig, um nur darüber zu schweigen. Das Reden und zeigen, dass man da ist, ist wichtig. :-)
Vielen Dank für die Upvotes.

Außergewöhnlicher Artikel.
Bei meiner Depression praktiziere ich seit einigen Jahren eine emotionale Freisetzungstherapie (EFT Tapping), die mir geholfen hat. Dann entdeckte ich Atemtherapien mit Wim Hof ​​im Internet, es half mir mehr, ich übe auch Fasten und verschiedene Diäten. Mir ist bewusst, dass meine Art zu essen meine Depression bis zur Immobilisierung direkt beeinflusst. Ich bin immer noch auf dieser Reise der Selbsterkenntnis,
Danke fürs Schreiben und willkommen.

Extraordinary article.
For my depression, I have practiced emotional release therapy (EFT Tapping) for a few years, it helped me. Then I discovered respiratory therapies with Wim Hof ​​on the Internet, it helped me more, I also practice fasting and various diets. I am aware that my way of eating directly influences my depression to the point of immobilization. I'm still on this journey of self-knowledge,
Thanks for writing this and welcome.

Vielen Dank für Deine Worte.
Du gehst einen Weg, den ich so bisher noch nicht wahrgenommen habe. Lieben Dank für Deinen Tipp. :)

Nur Segen und Liebe für dich.
Only blessings and love for you.

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