ST. Vincent & Grenadines – alte und neue Bekannte (6/14)

in #deutsch4 years ago

Das Mercury- Massaker

Ich muss ein wenig Obacht geben, dass ich nicht zu negativ über diese Geschichte berichte, denn letztendlich ist die Idee dazu auf meinem Mist gewachsen. Angefangen hat alle mit unserem lieben Freund Clement Bejamin. Über die lange Zeit in Portsmouth haben wir dem Fischer, der eigentlich Tischler ist und sich aber für einen begnadeten Mechaniker hält, an vielen Stellen finanziell unter die Arme gegriffen. Sei es die kostenlose Reparatur seines 15-PS-Außenborders, das wochenlange nutzen einer unserer Maschinen, die Einrichtung und Finanzierung eines eigenen Stromanschlusses. Darüber hinaus pumpte er uns immer mal wieder um kleinere Summen an, mal für eine neue Gasflasche, für Ersatzteile, für Köder oder für Farbe und Epoxi für sein Holzbötchen. Im Laufe der Zeit wurde daraus eine beträchtliche Summe, die er aber selbstverständlich nur borgen und uns definitiv zurückerstatten wollte. Irgendwann bat er uns um eine Aufstellung der Summe und wurde von diesem Moment an nur noch selten bei uns am Boot gesehen. Uns war klar, dass er diesen Betrag von mehreren hundert EC niemals würde aufbringen können. Martin waren bei seinen früheren Besuchen in Clemets Gerümpelschuppen einige weitere defekte Außenborder aufgefallen. Ich kam also auf die glorreiche Idee Clement anzubieten, statt seiner Schulden zu bezahlen, uns eine dieser Maschinen zu verkaufen und den Schuldbetrag zu verrechnen. Die Intention dabei war weniger, einen riesigen Gewinn zu machen, wobei am Ende schon etwas für uns heraus springen sollte. Uns ging es viel mehr darum, Clement nicht einfach so mit den Schulden davon kommen zu lassen. Zu oft hatten wir uns darüber geärgert, dass die Segler von einigen wenigen Einheimischen als die „Big Spender“ gesehen werden, die auf Geld einfach so verzichten können und es mit vollen Händen aus dem Fenster werfen. Mister Co hatte zudem in seiner Nachbarschaft einen enorm schlechten Ruf, da er auch hier fast jedem kleinere und z.T. größere Mengen Geld schuldete und diese aber nie zurück zahlte. Uns hatte die Hilfe für Clement daher schon ganz schön in Verruf gebracht, was wir eines Tages auch deutlich zu spüren bekommen sollten – aber das ist eine andere Geschichte …
Clement war mit dem Deal sofort einverstanden und Martin pickte sich einen 15-PS-Mercury aus all dem Schrott heraus, der seiner Meinung nach noch am reperaturwürdigsten erschien. Clement beglückwünschte ihn auch gleich zu seiner Wahl und meinte, dass da gar nicht viel zu machen sei, die Maschine lief erst vor Kurzem noch aber nun springe sie nicht mehr an. Denkste...

Also ist Martin in seiner Not zu Ignaz. Ignaz ist Mechaniker, der am Hauptdock eine Werkstatt hat und die ganzen Maschinen der Fischer in Schuß hält. Zudem hat er einen Lehrauftrag, bei C.A.L.S. (eine Mischung aus Berufs- und Volkshochschule) wo er Schülern Mechanik beibringt. Es ist schon Wahnsinn, wie dieser nicht allzukräftige Typ mit nur einem Arm (den anderen hat er als Kind bei einem Bootsunfall verloren) einen 400 Pfund schweren 250 PS V6 Außenborder auf dem Tisch hin und her wuchtet. Nachdem er den Pfusch von Clement unter lautem schimpfen vom Tisch gekehrt hat (Clement sei ein guter Tischler, solle aber doch bitte seine Finger von Motoren lassen), kramt er einen halben 15 PS Mercury hervor. Dreht und hat Kompression! Also kauft Martin zu meiner großen Freude noch einen Motor... Dieser ist mit den Teilen von Clements Motor auch schnell wieder komplettiert und läuft ... kurz - sehr kurz. Wasser im unteren Zylinder. Echt jetzt? Also wurde dieser Motor auch bis zur Kurbelwelle zerlegt, um das Problem erfolglos zu finden.

Statt einer Maschine mussten nun zwei in Einzelteilen irgendwie in SELENES Bauch verstaut werden, nicht zu vergessen dabei: wir haben ja zusätzlich noch den 5-PS-Honda und unseren kleinen Thoatsu … für jeden Hobby-Mechaniker hört sich das wie ein großes Bastelzimmer an, für mich ein absoluter Graus. Wo man hinschaut, welche Klappe oder Kiste man auch immer öffnet, überall Ersatzteile, ölverschmierte Lappen, abgelassenes Benzin in Kanistern, Schaft, Kurbelwelle, Vergaser, Schrauben … erstaunlich für mich dabei einzig, wie Martin den Überblick behalten hat. Aber Gott sei Dank, neigt sich der Spuk nun langsam dem Ende zu, Martin ist zuversichtlich aus zwei Ruinen einen gängigen Motor machen zu können. Bitte, bitte lass das funktionieren, noch eine Woche länger mit all diesem Gerümpel und ich gehe von Bord … oder die Maschinen.

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