Das große Fressen?

in #deutsch4 years ago

Isabella Klais / Aufbruch - Wir für Deutschland!

Infolge des Skandals um die Zustände in deutschen Schlachtereien entbrennt gerade eine heftige Diskussion um die Konsumgewohnheiten hierzulande. Sie wird in vielerlei Hinsicht mit sehr viel Unaufrichtigkeit geführt.

Zur Ausbeutung gehören immer zwei Beteiligte: der, der ausbeutet und der, der sich ausbeuten läßt. Von der viel beschworenen Freizügigkeit für Arbeitnehmer in der EU zeigt sich hier die Kehrseite, die alle kennen, die aber niemand sehen will. Die „Ausgebeuteten“ kommen höchst freiwillig nach Deutschland und akzeptieren die Arbeitsbedingungen, da sie hier auch im Niedriglohnsektor noch erheblich mehr verdienen als zu Hause.
Clemens Tönnies, der Unternehmer, galt als sehr akzessibel und gesellig. Als Mäzen war er in der Region hochwillkommen. Womit er sein Geld verdiente, war bekannt. Nur schiefgehen und auffallen durfte nichts. Als es jetzt doch zum Eklat kam, dürfte er sich an das alte Sprichwort erinnert haben, wonach Freunde in der Not 1000 auf ein Lot gehen. Plötzlich wurde er zum Buhmann und Haßobjekt.

Der Fernseh-Koch Rainer Sass bezeichnet die Deutschen als „die Billigfresser der Welt“.
Damit stellt er sich und seiner kochenden Zunft aus den zahllosen Fernseh-Kochsendungen ein Armutszeugnis aus. Offensichtlich verstanden er und seine Kollegen es nicht, ihre Botschaft an die Zuschauer zu vermitteln - oder hatten sie etwa überhaupt keine, außer ihrem eigenen Profit?
Schon seine Behauptung, die Deutschen seien zu traditionell, ist nachweislich als falsch widerlegbar. Die Popularität des fast food und der Zulauf von Gaststätten mit ausländischer Küche hierzulande zeugen vom genauen Gegenteil. Die Deutschen übernehmen viel zu bereitwillig andere Einflüsse und dabei häufig die falschen. Auch erscheint es höchst unwahrscheinlich, daß die auf der Erfahrung von Mangel und Not der Kriegszeit beruhenden Verhaltensweisen der Kriegsgeneration noch immer tradiert werden.
Nicht jeder hat Zeit, Lust und Talent zum Kochen. Die Allokation der begrenzten Zeit, aber auch der verfügbaren finanziellen Mittel unterliegt individuellen Zwängen und Präferenzen. Gerade um das Geld der Verbraucher buhlen viele. Von den Werbebeilagen der Tageszeitungen stammen die überwiegenden von Möbelhäusern und dort von Küchenstudios.
Rainer Sass kritisiert im gleichen Atemzug die ausufernden Ausgaben für die Küchenausstattung und moniert das Fehlen an qualitativ hochwertigen Utensilien. Ja, was denn nun? Nur eines von beidem kann zutreffen.
Das reihenweise Sterben von Lieferanten für Tischkultur zeugt auch von deren Verschwinden. In „das teuerste Geschirr“ wird, anders als Rainer Sass meint, sicher nicht investiert. Von wegen „zu traditionell“! Hier erweist sich der Niedergang als unaufhaltsam und in rasantem Tempo begriffen.
Die Neigung der Deutschen, sich über ihr Auto und ihren Urlaub zu definieren, steht für einen Wertezerfall, der aber durch einschlägige Werbung provoziert wird.

Im Ausland herrschen zwei Tendenzen vor:
a) „klein, aber fein“, wofür die francophonen Länder und Asien stehen, und
b) „mehr Masse als Klasse“, was in den USA, orientalischen Ländern und Rußland vorherrscht.
Deutschland steht irgendwo dazwischen, aber näher an der zweiten Variante.
In der ersten Kategorie kann es durchaus vorkommen, daß auf edlem Porzellan und Silber nur Appetithappen gereicht werden.
In der zweiten Gruppe muß alles üppig vorhanden sein. Der Gast muß unbedingt pappsatt werden. Mit dem gebotenen Übriglassen eines Restes zeigt er an, daß dieser Grad erreicht ist.
In Deutschland fehlt es an finesse, dafür gibt es vernünftige Portionen, die aufgegessen werden müssen und in der Regel auch können. Völlerei beschränkt sich eher auf die Buffet-Varianten, wo man für sein Geld das Maximum herausholen zu müssen glaubt.

Tischkultur nach Form und Inhalt muß vermittelt werden als Teil der Erziehung. Die Tendenz zur Nivellierung im Deutschland der Nachkriegszeit hinterläßt hier ein Feld der Verwüstung. Wo eine Angela Kasner mit ihren legendär verlotterten Tischmanieren Kanzlerin werden kann, hat die Kultur in jeder Hinsicht abgedankt. Hier weist Deutschland ein beschämendes Defizit in den jeweiligen gesellschaftlichen Gruppen, verglichen mit dem Ausland, auf.

Wahrscheinlich wird man eine Veränderung nur über das Angebot steuern können. Das aber läßt sich in einer Marktwirtschaft nur ansatzweise beeinflussen im Wege von Auflagen.

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