Direkte Demokratie (english speakers: please use google translate)

in #deutsch7 years ago (edited)

Wer auf der Europalandkarte nach dem Staat mit der am meisten implementierten "direkten Demokratie" sucht, sollte mit dem Finger auf die Schweiz tippen:

Immer wieder sind in der medialen Berichterstattung Meldungen zu bevorstehenden oder vollzogenen Volksabstimmungen in der Schweiz auffindbar. Die Themenpalette ist sehr breit, da im Prinzip jede mögliche Gesetzesinitiative zur Abstimmung gestellt werden kann, sofern sie die formalen Zulassungskriterien erfüllt.

Wissenswertes zur Schweiz

  • Die Schweiz ist blockfrei, also als Staat "neutral"
  • Die Schweiz besitzt neben Luxemburg das weltweit höchste Bruttonationaleinkommen pro Kopf; siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_L%C3%A4nder_nach_Bruttoinlandsprodukt_pro_Kopf
  • Der letzte schweizerische Militäreinsatz war 1847, wobei es sich um einen relgiös motivierten Bürgerkrieg handelte; siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Sonderbundskrieg
  • Die Schweiz ist ein beliebtes Einwanderungsland für Hochqualifizierte, die oft aus Gründen der geringeren Steuerlast in die Schweiz umsiedeln.
  • Die Schweiz liegt im geographisch Herzen Europas, ist aber nicht Mitglied der EU, der Eurozone und der NATO.
  • Es gibt vier verschiedene Landes- und Amtsspachen: Deutsch, Französich, Italienisch und Rätoromanisch. In sofern besteht keine ethnische Homogenität.

Bewertung der Fakten

Die aufgeführten Fakten lassen die kontinuierliche Erfolgsgeschichte der Schweiz als Staat erkennen. Die direkte Demokratie sowie die stark ausgeprägte Subsidiarität zwischen dem Bundesstaat und den Kantonen dürften eine entscheidende Ursache hierfür sein.

Beispiel Vollgeldinitiative

Derzeit läuft in der Schweiz die "Vollgeld-Initiative", die eine Volksabstimmung über eine gravierende Änderung der Geldordnung zum Ziel hat, siehe http://www.vollgeld-initiative.ch/

Sie beabsichtigt, das Geldschöpfungsrecht der Banken zu beenden. Eine endgültige Abstimmung ist für das Jahr 2018 geplant. Die inhaltliche Bewertung dieses Vorschlags ist Stoff für einen weiteren Artikel. Im Kontext hier ist lediglich von Bedeutung, dass die Bevölkerung dank der direkten Demokratie das Recht hat, diese weitreichende und komplexe Entscheidung zu treffen.

Direkte Demokratie in Deutschland

Während es auf der Ebene der Länder und Kommunen Bürger- und Volksentscheide gibt (In Bayern sind diese Möglichkeiten relativ gut implementiert), wird dem "Wahlvolk" auf Bundesebene jegliche direkte Einflussnahme versagt, obwohl das Grundgesetz diese Möglichkeit durchaus zuließe:

Artikel 20 (2) aus dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland:

"Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt."

Im Gegensatz zu Deutschland haben In den Niederlanden, im Vereinigten Königreich oder auch in Frankreich immer wieder Volksabstimmungen stattgefunden.

Was wäre, wenn die deutschen Staatsbürger direkt über Sachfragen entscheiden könnten?

Hier sind Beispiele für Themen:

  • Einsatz der Kernenergie
  • Zulassung von Fracking
  • Handelsabkommen wie TTIP
  • Auslandseinsätze der Bundeswehr
  • Höhe der Rüstungsausgaben
  • Waffenexporte
  • Rettungspakete für Banken und Staaten
  • Geldordnung
  • Einwanderungsrecht und Asylrecht
  • Rentensystem

Fazit

Ich halte die direkte Demokratie für die Königsform der Demokratie. Sie ist am ehesten in der Lage, politisch strittige Themen durch eine finale Entscheidung zu befrieden. Sie befreit von der Gefahr, dass die wenigen entscheidungsbefugten Repräsentanten (Regierung, Bundestag) durch äußeren Druck (Fraktionszwang), Bestechung oder aufgrund persönlicher Interessen Entscheidungen treffen, die schlecht für das Land sind. Sie ist der erste Schritt hin zu mehr Freiheit im Sinne der libertären Weltanschauung. Warum finden sich nicht mehr engagierte und mündige Bürger, die auch in Deutschland die deutliche Vorderung erheben:

Power to the people!

Warum lassen wir uns von den gewählten Politikern bevormunden und belehren, anstatt unser Recht auf mehr Einfluss auf die politischen Entscheidungen einzufordern?

Ich bin gespannt auf Eure Meinung. Jeder sinnvolle Kommentar bekommt mein Upvote, auch wenn er sich nicht mit meiner Meinung deckt.

Sort:  

Prinzipiell bin ich für mehr Volksentscheide (ich denke auch, dass vieles von dem richtig ist, was die Schweiz anders macht als Deutschland).
Zugleich besteht aber meiner Meinung nach auch ein Zusammenhang zwischen dem Bildungsgrad des Durchschnittsmenschen und der Effektivität von Volksentscheiden. Gebildete Menschen (nicht nur im akademischen Sinne, sondern auch insofern als sie dazu erzogen wurden, selbstständig zu denken) dürften statistisch gesehen klügere Entscheidungen treffen als ungebildete bzw. politisch desinteressierte. Mehr Volksentscheide bringen m. E. die Verpflichtung mit sich, alles nur Mögliche für mehr Bildung zu tun, und in der Erziehung darauf zu achten, Heranwachsende nicht zu konsumierenden Ja-Sagern zu machen, sondern kritisches, eigenständiges Denken zu fördern.

Das gilt übrigens meiner Ansicht nach nicht nur für Volksentscheide allein, sondern für demokratische Systeme insgesamt. Kurz: Demokratie ist super, wenn hinreichend viele Menschen an Politik, Wirtschaft, technologischen Entwicklungen, Umweltschutz, ... interessiert und gut genug informiert sind, um die Tragweite ihrer Entscheidungen überhaupt erfassen zu können. Ist die "Masse" jedoch zu uninformiert bzw. desinteressiert, ist es fraglich, ob sich auf die Dauer demokratische Systeme gegenüber solchen, wie z. B. dem chinesischen, durchsetzen werden, wo eine kleine Gruppe von Menschen die Richtung vorgibt. Negativpunkte des chinesischen Systems sind zweifellos Unfreiheit, teilweise auch Unterdrückung (was ich schlimm finde), auf der Plusseite steht jedoch, dass die Regierenden langfristig planen können, ohne befürchten zu müssen, bei unpopulären (aber möglicherweise auf lange Sicht sinnvollen) Entscheidungen sofort abgewählt zu werden. Man denke z. B. an das Hin und Her des hiesigen Atomausstiegs, wo sich die vorgegebene Richtung immer wieder änderte, je nach dem, wer gerade regierte (oder was gerade in der Welt passierte). Unabhängig davon, ob man nun für oder gegen den Ausstieg ist, wäre es sinnvoll gewesen, einmal getroffene Entscheidungen auch konsequent umzusetzen, denn wie sagte schon Kasparov: "Ein schlechter Plan ist immer noch besser als gar kein Plan." :)

Dem stimme ich zu @jaki01 - ergo die Bildungspolitik bzw Umsetzung solcher Maßnahmen muss verbessert werden. Die Ergebnisse der verfehlten Bildungspolitik sehen wir täglich überall - daher hätte ich aktuell Angst wenn bindende Volksentscheide eingeführt werden sollten.

Sehr durchdachter Artikel - das Modell Schweiz wäre also empfehlenswert auch für Deutschland? Schaffen die Deutschen eine direkte Demokratie?

Stimme ich voll zu. Power to the people. Alle wesentlichen Entscheidung kann man Blockchain basiert abstimmen lassen. Da muss auch niemand mehr Zettellchen zählen ;-)
Resteemed :-)

Der Vorschlag mit der Blockchain ist eine gute inhaltliche Ergänzung. Vielen Dank dafür!

Sehr gerne mein Lieber :-)

Was wäre, wenn die deutschen Staatsbürger direkt über Sachfragen entscheiden könnten?

Dann hätten die Parteien weniger Macht.


Was ich nicht verstehe ist, wieso Du die hashtags auf englisch setzt, wenn der text doch deutsch ist :)

Danke für die Antwort und deine Nachfrage. Die deutsche Gemeinde findet den Artikel über "deutsch". Dort würden internationale Steemers nicht suchen. Deswegen bekommen sie die inhaltlichen Hashtags auf englisch.

Das führt dazu, dass jemand der auf #libertarism clickt, bei deinem Artikel landet, der dann auf deutsch ist.

Ja, genau so soll es sein. Dann liest er ihn direkt, wenn er genug deutsch kann, oder er nimmt google translate, oder er lässt das Lesen sein.

Ich denke, deutsche Inhalte sollte man dann auch mit deutschen hashtags sortieren können.
Wer genug deutsch kann, sucht ja vielleicht auch nach 'libertär' oder so.

in dem fall wäre es nur leider schwierig das A-Umlaut auf der tastatur zu finden, denke ich :D

Alle volkabstimmungeen in der niederlande sind ignoriert. Zum beispiel 61,8% war gegen das europaische grundgesetz (weiss nicht genau ob es gut ubersetzt ist). Is "umgeleited" duch das vertrag von lissabon zu zeichnen.
Die letzste volkabstimmung uber das handels vertrag mit die ukraine is auch complett ignoriert. Alle referenda sind beratende (nicht bindend) volksabstimmungen. Und die politiker mochten die volksabstimmung gern wieder los werden.

Ich höffe ess ist ein bischen zu verstehen lol
edit es ist 61,8 % nicht 68%

Danke für deinen Kommentar, den ich gut verstehen konnte.
Wir müssen also in den Niederlanden und in Deutschland für mehr direkte Demokratie kämpfen.

Euhm Ich bin ein voluntaryistin. Ich kampfe auf mein eigene weise ;)
Danke fur dein kommentar :)

Obwohl "direkte demokratie" auch nach hinten losgehen kann und das Problem der "Tyrannei der Mehrheit" auch leider noch präsent sein wird, würde ich diese allemal einer Minderheit von Volksverträtern bevorzugen. Diese nutzen die Tyrannei der Mehrheit aus, wenn es nach Ihrem willen entschieden hat oder ziehen trotzdem durch, was sie wollen, auch wenn keine Mehrheit dahintersteht. Sozusagen das Schlimmste aus beiden Welten.

Du schreibst aber auch interessante Sachen ;)
Upvoted & folge dir

Natürlich ist es die Königsform der Demokratie, aber leider nicht gewollt.

Ganz bewusst wird in der (deutschen) Politik hier auch gerne das Fremdwort "Plebiszit" genutzt, anstatt "Volksentscheid".

Demokratie ist seit ihrer Entstehung bei den Griechen die Herrschaft (kratos) der gesamten Bürgerschaft (demos).

Das Plebiszit (von lateinisch plebi scitum) ist Beschluss (scitum) des niederen Volkes (plebs) im Unterschied zum Gesamtvolk (populus).

Plebs ist nicht Demos. Die römische Plebs ist die Gesamtheit der Plebejer im Gegensatz zu den Patriziern.

Es ist nicht die selbstbewusste, ihr Schicksal in die Hand nehmende attische Bürgerschaft, sondern die ungeordnete, manipulierte, mit Brot und Spielen bei Laune gehaltene Masse des niederen Volkes von Rom, die nur durch Volkstribunen aktionsfähig ist.

http://www.kas.de/wf/de/33.8015/

Um dies zu unterstreichen, zwei Aussagen unserer Regierenden, die mir gerade spontan einfallen:

Joachim Gauck (Bundespräsident a.D.)

Die Eliten sind im Moment gar nicht das Problem, die Bevölkerungen sind im Moment das Problem.

Angela Merkel (Bundeskanzlerin)

Damals in der DDR bin ich nicht froh gewesen, dass das Volk dann was zu sagen hatte, nachdem es das viele Jahrzehnte nicht hatte.

Vielen Dank für diese wertvolle Ergänzung. Obwohl ich auf dem Gymnasium Latein und Altgriechisch hatte, waren mir deine Zusatzinformationen nicht bewusst. Zu deinem Gauck-Zitat passt das Brecht-Zitat ....

Regelmäßig machen Initiativen wie Mehr Demokratie e.V. darauf aufmerksam, dass auch das Grundgesetz die Möglichkeit für direkte(re) Demokratie zulässt. Sie wurden nur an entscheidenden Stellen nie umgesetzt, oder sollte man sagen, die Politik verhindert Direkte Demokratie aktiv? Die CDU arbeitet jedenfalls seit Jahrzehnten gegen den Volksentscheid, und ich wette die SPD ebenfalls. Bevor es Direkte Demokratie geben kann, muss die Blockpartei CDUSCUSPDGRÜNE abgeschafft werden. Vorher wird da nichts zu machen sein.

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