Wollt kurz mal kochen - mit einem Genie - Verzweifler

in #deutsch6 years ago

Hallo

Es gibt ja viele Menschen, die zwischendurch mal verzweifeln. Das kommt vor. Und ich kann mir vorstellen, dass viele von diesen Menschen, die oft verzweifeln, im Nachhinein nicht mehr so genau wissen, warum die Situation so schlimm war. Nicht? Naja, so jedenfalls verlief mein Tag.

Ich wollte gestern kochen. Ach, bevor ich es vergesse, ich habe ein etwas komisch funktionierender Verstand. Ich wollte also gestern kochen. Ich hatte Rindsplätzli (schweizerdeutsches Wort) gekauft und wollte ein Zigeuner Rindsplätzli machen. Ich hatte die Zutaten, wollte loslegen. Ein Freund sagte mir: ah - ich kann es nicht kauen, wenn es nicht gar ist. Ich habe keine Zähne mehr. Ich fing also an zu googlen, wie ich Fleisch sicher zart kochen kann. Nachdem man es sowieso zuerst 24 in Marinade einlegen muss und es sowieso immer an der Qualität des Fleisches liegt, wurde ich nervös. Ich hatte das Fleisch mariniert, da es aber pro Tag 1cm der Marinade einsaugen kann, war eine Stunde mariniert ein Witz. Ich verzweifelte - und liess es in der Marinade. Ich habe also gestern nicht gekocht.

Dafür war ich umso mehr motiviert, heute zu kochen! Ich habe jetzt das Fleisch einen Tag in Marinade gehabt, das ist also voll profi! Ich hatte sogar Ananas dazu gegeben, weil es mit Enzymen irgendwas in den Muskelfasern des Fleisches anrichtet - und somit bleibt es zart. Ich glaube es waren die Eiweisse in den Muskelfasern.
Ich ging zum lokalen Markt hier in Guatemala und holte mir ein bisschen Fleisch-Weichmacher-Gewürz namens Almadador, nebenbei Kartoffeln und Äpfel. Zu dem Zeitpunkt zog ich noch in Erwägung, ein Dessert zu machen.

Ich sollte vielleicht sagen, dass die Küche eingeschränkt ist - kein Backofen, kaum Geräte, etc. Ich ging zurück, schnitt das Gemüse, nachdem ich nochmals raus ging und Stangensellerie kaufte, nachdem ich eine halbe Stunde gegooglet habe, ob man Knollensellerie mit Stangensellerie ersetzen kann. Habe nichts gefunden. Das Gemüse geschnitten, wurde das Fleisch kurz angebraten (10sek.) und dann das Gemüse und hopp, ablöschen, das Fleisch und Gemüse in den Topf und zu. Würzen, etc.
Ich wollte bis hier die Kartoffeln braten. Aus irgendeinem Grund, verstampfte ich die gekochten Kartoffeln - vernachlässigte aber, sie zu schälen, denn ich liess die Schale dran, da ich ursprünglich Bratkartoffeln machen wollte und die besser schmecken mit der Haut dran. Ich bereute diesen impulsiven "Move" schnell. Milch, Salz, Pfeffer etc. Dann rühren, und testen. Und die Haut nervt sehr in Kartoffelstock.

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Ich verzweifelte. Warum ich mitten im Konzept meine Pläne geändert habe, weiss ich nicht. Ich glaube, es liegt an meiner Geduld. Ich bin Handleser, neben meinem impulsiv-kreativ-sexuell ausgeprägten Lebensdrang wendet sich meine Kopflinie herunter zum Mondberg bis hin zum Handgelenk, links und rechts, also unbewusst und bewusst(!!), d.h. ich bin notorischer Imaginator - immer irgendwo in den Wolken in einer anderen Welt. Irgendwie jedoch habe ich das Rezept spontan geändert. Und jetzt war ich verzweifelt, wegen der Haut die nervte.

Wir haben ein Sieb, welches wir benötigen, um den Kaffee zu sieben. Ich mag es irgendwie, dass der letzte Schluck immer voller Kaffeesatz ist. Man gewöhnt sich daran. Das ist aber unser einziges Sieb. Da Kaffee mit der Zeit Spuren hinterlässt, fand ich mich dieses Sieb waschend - mehr verzweifelt. Ich sollte hier vielleicht noch sagen, dass ich in all der Zeit einer 76 jährigen Frau zuhöre, die wohl im Leben mehr geredet als gelebt hat. Und während ich so verzweifle, denn das Sieb ist zu fein für den Kartoffelstock, der nun im Kaffeesieb sitzt, mit der nervenden Haut drin und Kartoffelstock überall fragt mich die nette Frau, welche unaufhörlich erzählt, wie man ein Boot fährt oder was ihre Mama in Louisiana sonst noch so fieses getan hat als bloss Schwarze zu missdulden, irgendeine Frage die ich nicht verstehe.

Verzweiflung overload! Ich koche - Essen und vor Wut - aber ich entscheide, nichts zu zeigen. Ich gehe aus der Küche. Liege flach. Und verzweifle ab mir selbst. Ich wollte bloss kochen - nur kurz schnell so - und mittlerweile beschäftigt es mich seit zwei Tagen. Das Phone werde ich wohl auch morgen kaufen gehen.

Zurück in die Küche - der Kartoffelstock zurück in die Pfanne. Die Plätzli mit Karotten, Sellerie, Lauch etc am köcheln, ich filletiere Tomaten und mache kurz noch einen Ananas-Sellerie-Salat.

Zwei Stunden später, die Freunde sind hungrig, merke ich erst, wie wenig Kartoffelstock ich gemacht habe. Ich verzweifle, erneut denn ich erlaube mir wieder und wieder mich selbst zu enttäuschen. Ich koche kurzerhand noch Reis.
15 Minuten später, einer der Jungs isst schon, während die Dame auf der Toilette sitzt und der zweite Junge schläft. Ich esse, kriege Lob und nach zehn Minuten ist gegessen. Der Freund geht rauf ins Handyland, der zweite wacht auf.

Ich wollte dies kurz machen. Und jetzt? Naja, verzweifle nicht ab dir selbst! Sie fanden es super lecker und nennen mich einen talentierten Koch. Sie bedankten sich. Und am Ende - nachdem ich jetzt hier sitze und schreibe - kann ich nicht anders, als einfach nur nett zu mir sein und lachen. Manche nennen meine Art zu denken OCD / ADHS und vielleicht noch paar andere Buchstaben. Manche nannten mich ein Genie. Meine Talente scheinen breit gestreut und ich war immer sehr beliebt. Doch das ist alles ok und gut, wichtig ist, dass ich mir selbst verzeihe und mich lobe für meine Versuche. Denn auch wenn niemand mitbekommt, wie dieser Tag für mich war, und wer weiss, was sie über meine Verzweiflung wissen oder denken, es lehrt mich zu verstehen, warum Menschen manchmal verwirrt wirken, komisch sind, abwesend sind. Sie sind wohl einfach wie ich, ein bisschen Genie - Verzweifler!

In meinem Leben habe ich oft unter diesen meinen Umständen gelitten und man konnte seinen Spass mit mir haben.
das heisst aber nicht, dass dies irgendeinen Unterschied macht. Es ist bloss meine Geschichte, die mich gelehrt hat, was ich zu lernen hatte. Denn in jedem Moment, zu jedem Gedanken und Gefühl, hat JedeR die Wahl, wie er-sie-es-das darauf zu reagieren. So wie ich in diesem Moment mich entscheide, mich zu loben.

Lass Dich also nicht herunterkriegen von Dir selbst und verzweifle nicht. Steh auf, versuch's nochmals und wisse, Du bist aus einem ganz gewissen Grund so wie Du bist. Du hast nicht versagt. Du warst einfach Du. Und wer weiss, was Dir morgen gelingt!

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Schoene geschichte und toll erzaehlt. Danke dafuer.
Ach und wenn Du mal richtig zartes Fleisch haben willst, kurz anbraten und danach stundenlang bei 70 bis 90 Grad kochen. kannst Du vielleicht sogar bewerkstelligen, wenn Du den Topf auf eine sonnenbeschiene Eisenplatte stellst (Motorhaube) und mit einem groesseren Topf umschliesst, so dass dieser als Haube wirkt.

Hehe, Danke! Schön, dies zu hören. Das ermutigt mich natürlich sehr! Und danke auch für den Tipp mit der Motorhaube - das könnte uns hier in Guatemala sehr helfen. Die Leute hier sind mausearm und wir helfen gratis, so gut wir können, mit medizinischer Versorgung etc.

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