Einsame Entscheidung vor dem Schnullerbaum

Ein Junge steht vor einem Baum.
Seine Haltung ist gebeugt und drückt
Verzweiflung aus.
Tränen kullern über sein Gesicht.
Leises Schluchzen ist zu hören.
Er schaut noch einmal seinen Schnuller an.

Eine liebevolle Schleife hat er vorher noch
gebastelt und ihn um seinen Schnuller drapiert.
Er sucht sich einen schönen Ast an
dem Baum aus und hängt den Schnuller
vorsichtig auf.

Seine Eltern stehen im Hintergrund und lassen
ihm Zeit, sich von seinem geliebten Begleiter
zu verabschieden.

Andere haben wahrscheinliche noch größere
Verlusterlebnisse gehabt.
Der Schnuller verschwand auf unerklärliche
Art und Weise.
Plötzlich fällt der Schnuller aus dem Auto oder
der Bahn.
Ein anderes Mal war der Mülleimer der Täter.

Wie erleben Kinder diese Verluste?

Menschen fällt es leichter mit Verlusten umzugehen,
wenn sie ein bestimmtes Ritual haben.

Für den Jungen ist der Abschied von seinem
Schnuller besser zu verarbeiten, wenn er ihn
an einem Schnullerbaum aufhängen kann.

Er kann von seinem Schnuller in angemessener
Weise Abschied nehmen.
Tage oder Wochen später, kann die Familie
den Schnullerbaum noch einmal besuchen.
Der Junge sieht, dass es dem Schnuller noch
gut geht.

Als Erwachsener kann man vielleicht über das
Verhalten des Jungen schmunzeln.
Man könnte es als übertrieben oder belanglos
abtun.

Aber für den Jungen, ist dieser Abschied von
seinem Schnuller, ein entscheidender Augenblick.

Wenn wir aber zugeben, so gibt es auch in späteren
Jahren immer wieder Augenblicke des Verlustes.

Das eigene Leben ist eine Abfolge von Abschieden.

Wir verabschieden uns von
bestimmten Lebensphasen,
von Bekannten,
Eltern,
Freunden,
der Schulzeit,
dem Studium,
von verschiedenen Arbeitsplätzen,
Wohnorten,
einer schönen Reise,
einem schönen Augenblick,
Haustieren, …

Auch hier kann man sich ein bestimmtes
Abschiedsritual mit Freunden und Bekannten
überlegen.

Manche Trennung fiel uns vielleicht leicht,
weil wir uns eingeengt fühlten.
Dinge die uns belasten, können wir besser
entbehren.

Andere Verluste gehen uns sehr nahe.
Wenn wir von geliebten Menschen Abschied
nehmen müssen.

Wenn wir negative Dinge im Tagesverlauf
erleben, müssen wir auch ständig loslassen.
Alles Negative mit sich herumzuschleppen,
wird uns auch nicht gut tun.

Mit Kindern einen bestimmten Tagesabschluss
zu gestalten, kann ihnen gut helfen, den
vergangenen Tag loszulassen.
Als Erwachsener ist es ebenso hilfreich,
mit den Erlebnissen des Tages abzuschließen.

Auch wenn bestimmte Rituale nicht mehr
aktuell sind, können sie uns dennoch helfen,
von bestimmten Dingen oder Personen
Abschied zu nehmen.
Wir können Erlebnisse besser verarbeiten
und neue Dinge wieder annehmen.

Nur wenn man mit dem Vergangenen
abgeschlossen hat, ist man wieder offen für
Neues.

Vielleicht können wir für Vergangenes
auch dankbar sein.
Die schönen Stunden,
die beeindruckenden Erlebnisse,
die netten Begegnungen, …
waren für uns erbaulich und wir
erlebten eine kostbare Zeit.

Rituale können unser Leben positiv beeinflussen.

Wir erleben durch sie eine neue Qualität und
können Neues wieder zulassen.