Postmodernismus erklärt: Skeptizismus und Sozialismus von Rousseau bis Foucault - Teil 40v100

in #deutsch7 years ago (edited)

Das Buch "Explaining Postmodernism" von Stephen Hicks setzt sich kritisch mit dem Postmodernismus auseinander und liefert eine Erklärung für dessen Funktionsweise. Als Leitkultur westlicher Kulturen wird der Postmodernismus von vielen Intellektuellen, Akademikern, Künstlern und Politikern vehement unterstützt. Gleichzeitig zeigen sich aber auch in Deutschland immer mehr die negativen Auswirkungen dieses Systems philosophischer - oder sich philosophisch gebender - Axiome, weshalb es von größter Bedeutung ist, den Postmodernismus in seinen Eigenschaften und in seiner Tragweite zu verstehen. Die Vorlage ist das Buch "Explaining Postmodernism" von Stephen Hicks, die Übersetzung ein Eigenprodukt.

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Die Rechtfertigung dieser Hypothese erfordert eine Erklärung dafür, weshalb die Krise der sozialistischen Debattenwelt in den 1950ern so einschneidend war und weshalb eine große Zahl linker Intellektueller die postmoderne epistemologische Strategie als den einzig möglichen Ausweg sahen. Der Schlüssel zur Erklärung erfordrt es zu zeigen, weshalb der klassische Liberalismus trotz seiner kulturellen Blüte vor allem in Europa für die meisten Intellektuellen ein totes Pferd war. Es war völlig egal, in welche Probleme die antiliberale Linke und Rechte rannte, ein ernsthaftes Neudenken des Liberalismus kam für sie nicht infrage.

Und wieder liegen die modernen Wurzeln dieser Geschichte im Kampf der Aufklärung gegen die Gegenaufklärung. Dieses Mal geht es um Individualismus und Liberalismus der Aufklärung, wie sie am besten von den Lockeianern vertreten wurden, gegen den Antiindividualismus und den Antiliberalismus von Jean-Jacques Rousseau und seinen Anhängern.

Rousseau ist die bedeutendste Figur der politischen Gegenaufklärung. Seine moralische und politische Philosophie hat Immanuel Kant, Johann Herdr, Johann Fichte und G.W.F. Hegel inspiriert und ging danach auf die kollektivistische Rechte über. Insgesamt aber war er wohl wichtiger für die kollektivistische Linke: Rousseaus Werke waren nicht weniger als die Bibel der führenden Jakobiner der Französischen Revolution und wurden Ende des 19. Jahrhunderts von vielen hoffnungsvollen russischen Revolutionären absorbiert, und sie waren auch für die Agrarsozialisten des 20. Jahrhunderts in China und Kambodscha stilprägend. In der Welt des wissenschaftlichen Sozialismus im 19. Jahrhunderts und teilweise noch im 20. Jahrhundert überragte Rousseaus Vorstellung des Kollektivismus sogar jene von Marx. Auch ein Großteil postmoderner Schriften bezog sich zunehmend auf Rousseau, nachdem sie ursprünglich von Marx inspiriert waren, von dessen Auswirkungen allerdings immer desillusionierter wurden.

Rousseaus Gegenaufklärung

Der erste große Gegenangriff auf die Aufklärung kam von Jean-Jacques Rousseau (1712-1778). Rousseau hat sich seinen Ruf als Bösewicht der französischen Philosophie des 18. Jahrhunderts wohlverdient. In der Intellektuellenkultur der Aufklärung war Rousseau eine wichtige Gegenstimme. Er war ein Anhänger von allem, was aus Sparta kam - vor allem der militaristische und feudale Kommunalismus Spartas - und er lehnte alles aus Athen ab - also den athenischen Handel, den Kosmopolitismus und die Künste.

Die Zivilisation wirkt durch und durch korrumpierend, so Rousseau - und zwar nicht nur in der Ausprägung des obrigkeitsstaatlichen Feudalsystems im Frankreich des 18. Jahrhunderts mit seiner dekadenten und parasitären Aristokratie, sondern auch in der Ausprägung der Aufklärung mit ihrer Überhöhung der Vernunft, des Eigentums, den Künsten und der Wissenschaft. Egal was es war, was die Aufklärung ausmachte, Rousseau war dagegen.

Mit der Abhandlung über den Ursprung und die Grundlagen der Ungleichheit unter den Menschen begann Rousseau seinen Angriff auf die Grundfesten des Aufklärungsprojektes: Im Visier hatte er die Vernunft. Die Philosophien lagen völlig richtig in ihrer Annahme, dass die Vernunft den Grundstein der Zivilisation bildet. Der rationale Fortschritt einer Zivlisation dagegen ist alles andere als gut, da dieser nur auf Kosten der Moralität der Zivilisation erreichbar ist. Die kulturelle und moralische Entwicklung sind gegenläufig: Die Kultur sorgt dafür, dass es viel zu lernen gibt, für Luxus und für Distinguiertheit - aber lernen, Luxus und Distinguiertheit sind gleichzeitig alles Ursachen für den moralischen Niedergang.

Die Wurzel unseres moralischen Niederganges ist daher die Vernunft, sie ist die Ursünde der Menschheit. Vor der Entdeckung der Vernunft waren die Menschen einfache Wesen, überwiegend Einzelgänger, die ihre Bedürfnisse leicht decken konnten, indem sie ihre Umgebung nach Nahrung absuchten. Dieser glückliche Zustand war ideal: "Dieser Autor hätte sagen sollen, dass unsere Sorge der Selbsterhaltung im Naturzustand in nichts den anderen Sorgen nachsteht, ein Zustand, der für den Frieden am angemessendsten ist und am besten zur menschlichen Rasse passt."

Allerdings kam es dann zu einigen unerklärlichen und unglücklichen Zufällen und die Vernunft war geboren; und als sie erst einmal erwacht war, da schüttete sie Pandoras volle Kiste über der Welt aus und veränderte die Menschheit so sehr, dass diese nun nicht mehr zum Zustand des Glückes, unseren Urzustand, zurückkehren kann. Während alle anderen Philosophen den Triumpf der Vernunft in aller Welt verkündeten, da wollte Rousseau zeigen, dass "aller darauf basierender Fortschritt in so vielen kleinen Schritten der Perfektion des Einzelnen diente, tatsächlich aber die gesamte Spezies an den Rand des Abgrundes rückte." Ist die Macht der Vernunft erst einmal erwacht, dann werden sich die Menschen ihres primitiven Daseins bewusst und folglich unzufrieden. Und so beginnen sie damit, Verbesserungen umzusetzen, was sich am deutlichsten bei den Revolutionen der Metallverarbeitung und der Landwirtschaft zeigte. Unzweifelhaft ist es so, dass diese Revolutionen den materiellen Wohlstand der Menschheit deutlich erhöht haben - allerdings haben diese Verbesserungen gleichzeitig die Spezies Mensch zerstört: "Es sind Eisen und Weizen, welche die Menschheit zivilisiert, die menschliche Rasse aber ruiniert haben."

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Ich wusste gar nicht, dass Rousseau mit seiner Philosophie so nahe dran war am Unabomber. In der Schule haben wir dann auch nur die netten Elemente über ihn gelernt. Der Spartafaschismus wurde von den Damen Gesellschaftskundlehrerinnen schön beiseite gelassen^^

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