Postmodernismus erklärt: Skeptizismus und Sozialismus von Rousseau bis Foucault - Teil 33v100

in #deutsch7 years ago (edited)

Das Buch "Explaining Postmodernism" von Stephen Hicks setzt sich kritisch mit dem Postmodernismus auseinander und liefert eine Erklärung für dessen Funktionsweise. Als Leitkultur westlicher Kulturen wird der Postmodernismus von vielen Intellektuellen, Akademikern, Künstlern und Politikern vehement unterstützt. Gleichzeitig zeigen sich aber auch in Deutschland immer mehr die negativen Auswirkungen dieses Systems philosophischer - oder sich philosophisch gebender - Axiome, weshalb es von größter Bedeutung ist, den Postmodernismus in seinen Eigenschaften und in seiner Tragweite zu verstehen. Die Vorlage ist das Buch "Explaining Postmodernism" von Stephen Hicks, die Übersetzung ein Eigenprodukt.

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Wahrnehmung, Konzepte und Logik

Bis zur Jahrhundertmitte bestand die dominante Schlussfolgerung über die Wahrnehmung darin, dass sie mit Theorie überladen ist. Trotz der recht breit gefächerten Variationen zur analytischen Philosophie stimmten die größten Namen der Wissenschaftsphilosophie - Otto Neurath, Karl Popper, Norwood Hanson, Paul Feyerabend, Thomas Kuhn and W.V.O. Quine - darin überein, dass es vor allem unsere Theorien sind, die darüber entscheiden, was wir sehen. Um es in Kants Sprache auszudrücken, passen sich unsere Wahrnehmungsinstitutionen nicht an Objekte an, sondern vielmehr bestätigt unsere Intuition das, was unser Wissensstand uns begreifen lässt. Für die Wissenschaft ist diese Schlussfolgerung über die Wahrnehmung katastrophal: Wenn unsere Grundregeln theorieüberladen sind, dann kann die Wahrnehmung kaum in neutraler und unabhängiger Weise unsere Theorien überprüfen. Formen unsere konzptionellen Strukturen unsere Beobachtungen und umgekehrt, dann sind wir gefangen in einem subjektiven System, das keinen Zugang zur Realität hat.

Ganz ähnlich klang bis zur Mitte des Jahrhunderts die Schlussfolgerungen zu den Konzepten und Theoremen der Logik und Mathematik. Diemeisten logischen Positivisten begannen damit, Hume und Kant darin zuzustimmmen, dass logische und mathematische Theoreme notwendig sind, sowie analytisch oder a priori. Das heisst, nach dieser Ansicht muss wahr sein, dass zwei plus zwei vier ergibt, und wir können diese Wahrheit bestätigen, ohne dass wir Erfahrung benötigen, es genügt, einfach nur die Bedeutung der zugrundeliegenden Konzepte zu erfassen und daraus zu schlussfolgern. Ein derartiger Ansatz steht im Gegensatz zu etwas, wie etwa Beverlys Auto ist weiß. Eine solche Aussage ist künstlich - denn weder "Auto" noch "weiß" enthalten die Bedeutung des jeweils anderen Konzepts; die Verbindung zwischen beidem wurde erst mit Hilfe von Erfahrung hergestellt; und die entstandene Verbindung zwischen beidem ist rein zufällig - das Auto könnte auch eine andere Farbe haben.

Diese Standarddichotomie zwischen analytischen und synthetischen Annahmen nach Hume/Kant beinhaltet unmittelbar eine sehr problematische Konsequenz: Logische und mathematische Betrachtungen sind von der experimentellen Realität getrennt. Annahmen aus der Erfahrungswelt, wie etwa Beverlys Auto ist weiß können nie grundsätzlich wahr sein und Annahmen aus der Logik und Mathmatik wie etwa zwei plus zwei gleich vier sind notwendigerweise wahr, können aber nicht aus der Erfahrungswelt stammen. Logische und mathematische Theoreme, so Schlick, "drehen sich nicht um Fakten, sondern nur um Symbole, mit deren Hilfe Fakten ausgedrückt werden." Entsprechend können uns Mathematik und Logik im Bereich der experimentellen Welt der Fakten absolut nicht weiterhelfen. Oder wie es Wittgenstein so prägnant in seinem Tractatus formulierte: "Alle Annahmen der Logik sagen das selbe aus, nämlich: Nichts." Für die Logik und Mathematik bedeutet dies, dass sie sich auf dem Weg befinden zu reinen Spielereien zu verkommen, bei denen es nur noch um das Umtellen von Symbolen geht.

Die weiteren Schlussfolgerungen zu Logik und Mathematik wirken sich verheerend auf die Wissenschaft aus: Wenn Logik und Mathematik von der experimentellen Realität getrennt sind, dann können die Regeln der Logik und Mathematik kaum etwas über die Realität aussagen. Daraus leitet sich ab, dass logische oder mathematische Beweise bei sich widersprechenden Behauptungen keine Verwendung finden können. Analytische Annahmen "sind völlig frei von faktischem Inhalt. Und aus diesem Grund ist es für Erfahrungen nicht möglich diese zu widerlegen. Das Vorlegen logischer Beweise zu realen, faktischeen Angelegenheiten ist daher sinnlos. Darüber hinaus ist es umgekehrt auch so, dass es sinnlos ist faktische Beweise zu sammeln, um damit zu einer allgemeingültigen Schlussfolgerung zu gelangen.

Akzeptiert man, dass logische und mathematische Theoreme nicht in der experimentellen Realität angesiedelt sind, und dass sie uns nichts über die Realität mitteilen können führt einen dann zur Frage, wo Logik und Mathematik überhaupt herkommen. Wenn sie nämlich keine objektive Quelle haben, dann kann die Quelle nur noch subjektiv sein.

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