Adolf Hitler / Mein Kampf (Band 1, Kapitel 1.)steemCreated with Sketch.

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ADOLF HITLER / MEIN KAMPF

ADOLF HITLER
MEIN KAMPF
Band 1
Ungekürzte Ausgabe
Zentralverlag der NSDAP., Frz. Eher Nachf., G.m.b.H., München
851.–855. Auflage 1943
Alle Rechte vorbehalten
Copyright Band I 1925, Band II 1927 by Verlag Franz Eher Nachf.,
G.m.b.H., München
Printed in Germany

Gesamtauflage
sämtlicher Ausgaben 10 240 000 Exemplare
Druck der August Pries GmbH. in Leipzig

Vorwort

Am 1.April 1924 hatte ich, auf Grund des Urteils- spruches des Münchner Volksgerichts von diesem Tage, meine Festungshaft zu Landsberg am Lech anzutreten.
Damit bot sich mir nach Jahren ununterbrochener Arbeit zum ersten Male die Möglichkeit, an ein Werk heran-zugehen, das von vielen gefordert und von mir selbst als zweckmäßig für die Bewegung empfunden wurde. So habe ich mich entschlossen, in zwei Bänden nicht nur die Ziele unserer Bewegung klarzulegen, sondern auch ein Bild der Entwicklung derselben zu zeichnen. Aus ihr wird mehr zu lernen sein als aus jeder rein doktrinären Abhandlung.
Ich hatte dabei auch die Gelegenheit, eine Darstellung meines eigenen Werdens zu geben, soweit dies zum Ver-ständnis sowohl des ersten als auch des zweiten Bandes nötig ist und zur Zerstörung der von der jüdischen Presse betriebenen üblen Legendenbildung über meine Person dienen kann.
Ich wende mich dabei mit diesem Werk nicht an Fremde, sondern an diejenigen Anhänger der Bewegung, die mit dem Herzen ihr gehören und deren Verstand nun nach innigerer Aufklärung strebt.
Ich weiß, daß man Menschen weniger durch das ge-schriebene Wort als vielmehr durch das gesprochene zu gewinnen vermag, daß jede große Bewegung auf dieser Erde ihr Wachsen den großen Rednern und nicht den großen Schreibern verdankt.
Dennoch muß zur gleichmäßigen und einheitlichen Ver-tretung einer Lehre das Grundsätzliche derselben nieder-gelegt werden für immer. Hierbei sollen diese beiden Bände als Bausteine gelten, die ich dem gemeinsamen Werke beifüge.
Landsberg am Lech, Festungshaftanstalt.
Der Verfasser

Am 9.November 1923, 12 Uhr 30 Minuten nachmittags, fielen vor der Feldherrnhalle sowie im Hofe des ehemaligen Kriegsministeriums zu München folgende Männer im treuen Glauben an die Wieder-auferstehung ihres Volkes. Alfarth, Felix, Kaufmann, geb. 5. Juli 1901 Bauriedl, Andreas, Hutmacher, geb. 4. Mai 1879 Casella, Theodor, Bankbeamter, geb. 8. Aug. 1900 Ehrlich, Wilhelm, Bankbeamter, geb. 19. Aug. 1894 Faust, Martin, Bankbeamter, geb. 27. Januar 1901 Hechenberger, Ant., Schlosser, geb. 28. Sept. 1902 Körner, Oskar, Kaufmann, geb. 4. Januar 1875 Kuhn, Karl, Oberkellner, geb. 26. Juli 1897 Laforce, Karl, stud. ing., geb. 28. Oktober 1904 Neubauer, Kurt, Diener, geb. 27. März 1899 Pape, Claus von, Kaufmann, geb. 16. Aug. 1904 Pfordten, Theodor von der, Rat am obersten Lan-desgericht, geb. 14. Mai 1873 Rickmers, Joh., Rittmeister a.D., geb. 7. Mai 1881 Scheubner-Richter,Max Erwin von, Dr. ing., geb. 9. Januar 1884 Stransky, Lorenz, Ritter von, Ingenieur, geb. 14. März 1899 olf, Wilhelm, Kaufmann, geb. 19. Oktober 1898 W Sogenannte nationale Behörden verweigerten den toten Helden ein gemeinsames Grab. So widme ich ihnen zur gemeinsamen Erinnerung den ersten Band dieses Werkes, als dessen Blutzeugen sie den Anhängern unserer Bewegung dauernd voranleuchten mögen. Landsberg a.L., Festungshaftanstalt, 16.Oktober 1924 Adolf Hitler

Erster Band

EINE ABRECHNUNG

1 . Kapitel
Im Elternhaus
Als glückliche Bestimmung gilt es mir heute, daß das Schicksal mir zum Geburtsort gerade Braunau am Inn zuwies. Liegt doch dieses Städtchen an der Grenze jener zwei deutschen Staaten, deren Wiedervereinigung minde-stens uns Jüngeren als eine mit allen Mitteln durchzu-führende Lebensaufgabe erscheint! Deutschösterreich muß wieder zurück zum großen deut-
schen Mutterlande, und zwar nicht aus Gründen irgendwel-cher wirtschaftlichen Erwägungen heraus. Nein, nein: Auch wenn diese Vereinigung, wirtschaftlich gedacht, gleichgültig, ja selbst wenn sie schädlich wäre, sie müßte dennoch statt-finden. Gleiches Blut gehört in ein gemeinsames Reich. Das deutsche Volk besitzt solange kein moralisches Recht zu kolonialpolitischer Tätigkeit, solange es nicht ein-mal seine eigenen Söhne in einem gemeinsamen Staat zu fassen vermag. Erst wenn des Reiches Grenze auch den letz-ten Deutschen umschließt, ohne mehr die Sicherheit seiner Ernährung bieten zu können, ersteht aus der Not des eigenen Volkes das moralische Recht zur Erwerbung frem-den Grund und Bodens. Der Pflug ist dann das Schwert, und aus den Tränen des Krieges erwächst für die Nach- welt das tägliche Brot. So scheint mir dieses kleine Grenz-städtchen das Symbol einer großen Aufgabe zu sein. Allein auch noch in einer anderen Hinsicht ragt es mahnend in unsere heutige Zeit. Vor mehr als hundert Jahren hatte dieses unscheinbare Nest, als Schauplatz eines die ganze deutsche Nation ergreifenden tragischen Unglücks, den Vor-zug, für immer in den Annalen wenigstens der deutschen Geschichte verewigt zu werden. In der Zeit der tiefsten Er-
2 Hitler, Mein Kampf Im Elternhaus 2
niedrigung unseres Vaterlandes fiel dort für sein auch im Unglück heißgeliebtes Deutschland der Nürnberger Johan-nes Palm, bürgerlicher Buchhändler, verstockter „Nationa-list“ und Franzosenfeind. Hartnäckig hatte er sich geweigert, seine Mit-, besser Hauptschuldigen anzugeben. Also wie Leo Schlageter. Er wurde allerdings auch, genau wie dieser, durch einen Regierungsvertreter an Frankreich denunziert. Ein Augsburger Polizeidirektor erwarb sich diesen traurigen Ruhm und gab so das Vorbild neudeutscher Behörden im Reiche des Herrn Severing.
In diesem von den Strahlen deutschen Märtyrertums vergoldeten Innstädtchen, bayerisch dem Blute, österreichisch dem Staate nach, wohnten am Ende der achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts meine Eltern; der Vater als pflichtgetreuer Staatsbeamter, die Mutter im Haus- halt aufgehend und vor allem uns Kindern in ewig gleicher liebevoller Sorge zugetan. Nur wenig haftet aus dieser Zeit noch in meiner Erinnerung, denn schon nach wenigen Jahren mußte der Vater das liebgewonnene Grenzstädtchen wieder verlassen, um innabwärts zu gehen und in Passau eine neue Stelle zu beziehen; also in Deutschland selber.
Allein das Los eines österreichischen Zollbeamten hieß damals häufig „wandern“. Schon kurze Zeit später kam der Vater nach Linz und ging endlich dort auch in Pension. Freilich „Ruhe“ sollte dies für den alten Herrn nicht be-deuten. Als Sohn eines armen, kleinen Häuslers hatte es ihn schon einst nicht zu Hause gelitten. Mit noch nicht ein-mal dreizehn Jahren schnürte der damalige kleine Junge sein Ränzlein und lief aus der Heimat, dem Waldviertel, fort. Trotz des Abratens „erfahrener“ Dorfinsassen war er nach Wien gewandert, um dort ein Handwerk zu lernen. Das war in den fünfziger Jahren des vergangenen Jahr-hunderts. Ein bitterer Entschluß, sich mit drei Gulden Weg-zehrung so auf die Straße zu machen ins Ungewisse hinein. Als der Dreizehnjährige aber siebzehn alt geworden war, hatte er seine Gesellenprüfung abgelegt, jedoch nicht die Zufriedenheit gewonnen. Eher das Gegenteil. Die lange Zeit der damaligen Not, des ewigen Elends und Jammers
Der kleine Rädelsführer 3
festigte den Entschluß, das Handwerk nun doch wieder auf-zugeben, um etwas „Höheres“ zu werden. Wenn einst dem armen Jungen im Dorfe der Herr Pfarrer als Inbegriff aller menschlich erreichbaren Höhe erschien, so nun in der den Gesichtskreis mächtig erweiternden Großstadt die Würde eines Staatsbeamten. Mit der ganzen Zähigkeit eines durch Not und Harm schon in halber Kindheit „alt“ Gewordenen verbohrte sich der Siebzehnjährige in seinen neuen Entschluß – und wurde Beamter. Nach fast dreiundzwanzig Jahren, glaube ich, war das Ziel erreicht. Nun schien auch die Vor-aussetzung zu einem Gelübde erfüllt, das sich der arme Junge einst gelobt hatte, nämlich nicht eher in das liebe väterliche Dorf zurückzukehren, als bis er etwas geworden wäre.
Jetzt war das Ziel erreicht, allein aus dem Dorfe konnte sich niemand mehr des einstigen kleinen Knaben erinnern, und ihm selber war das Dorf fremd geworden.
Da er endlich als Sechsundfünfzigjähriger in den Ruhe-stand ging, hätte er doch diese Ruhe keinen Tag als „Nichts-tuer“ zu ertragen vermocht. Er kaufte in der Nähe des ober-österreichischen Marktfleckens Lambach ein Gut, bewirtschaf-tete es und kehrte so im Kreislauf eines langen, arbeits-reichen Lebens wieder zum Ursprung seiner Väter zurück.
In dieser Zeit bildeten sich mir wohl die ersten Ideale. Das viele Herumtollen im Freien, der weite Weg zur Schule, sowie ein besonders die Mutter manchmal mit bit-terer Sorge erfüllender Umgang mit äußerst robusten Jun-gen, ließ mich zu allem anderen eher werden als zu einem Stubenhocker. Wenn ich mir also auch damals kaum ernst-liche Gedanken über meinen einstigen Lebensberuf machte, so lag doch von vornherein meine Sympathie auf keinen Fall in der Linie des Lebenslaufes meines Vaters. Ich glaube, daß schon damals mein rednerisches Talent sich in Form mehr oder minder eindringlicher Auseinandersetzun-gen mit meinen Kameraden schulte. Ich war ein kleiner Rädelsführer geworden, der in der Schule leicht und da- mals auch sehr gut lernte, sonst aber ziemlich schwierig zu behandeln war. Da ich in meiner freien Zeit im Chor-
Kriegsbegeisterung 4
herrenstift zu Lambach Gesangsunterricht erhielt, hatte ich beste Gelegenheit, mich oft und oft am feierlichen Prunke der äußerst glanzvollen kirchlichen Feste zu berauschen. Was war natürlicher, als daß, genau so wie einst dem Vater der kleine Herr Dorfpfarrer nun mir der Herr Abt als höchst erstrebenswertes Ideal erschien. Wenigstens zeitweise war dies der Fall Nachdem aber der Herr Vater bei sei- nem streitsüchtigen Jungen die rednerischen Talente aus begreiflichen Gründen nicht so zu schätzen vermochte, um aus ihnen etwas günstige Schlüsse für die Zukunft seines Sprößlings zu ziehen, konnte er natürlich auch ein Ver-ständnis für solche Jugendgedanken nicht gewinnen. Be-sorgt beobachtete er wohl diesen Zwiespalt der Natur.
Tatsächlich verlor sich denn auch die zeitweilige Sehnsucht nach diesem Berufe sehr bald, um nun meinem Tempera-mente besser entsprechenden Hoffnungen Platz zu machen. Beim Durchstöbern der väterlichen Bibliothek war ich über verschiedene Bücher militärischen Inhalts gekommen, dar-unter eine Volksausgabe des Deutsch-Französischen Krieges 1870/71. Es waren zwei Bände einer illustrierten Zeit- schrift aus diesen Jahren, die nun meine Lieblingslektüre wurden. Nicht lange dauerte es, und der große Helden- kampf war mir zum größten inneren Erlebnis geworden. Von nun an schwärmte ich mehr und mehr für alles, was irgendwie mit Krieg oder doch mit Soldatentum zusammen-hing.
Aber auch in anderer Hinsicht sollte dies von Bedeutung für mich werden. Zum ersten Male wurde mir, wenn auch in noch so unklarer Vorstellung, die Frage aufgedrängt, ob und welch ein Unterschied denn zwischen den diese Schlach-ten schlagenden Deutschen und den anderen sei? Warum hat denn nicht auch Österreich mitgekämpft in diesem Kriege, warum nicht der Vater und nicht all die anderen auch?
Sind wir denn nicht auch dasselbe wie eben alle anderen Deutschen?
Gehören wir denn nicht alle zusammen? Dieses Problem begann zum ersten Male in meinem kleinen Gehirn zu
Berufs-„Wahl“ 5
wühlen. Mit innerem Neide mußte ich auf vorsichtige Fra-gen die Antwort vernehmen, daß nicht jeder Deutsche das Glück besitze, dem Reich Bismarcks anzugehören.
Ich konnte dies nicht begreifen.
Ich sollte studieren.
Aus meinem ganzen Wesen und noch mehr aus meinem Temperament glaubte der Vater den Schluß ziehen zu kön-nen, daß das humanistische Gymnasium einen Widerspruch zu meiner Veranlagung darstellen würde. Besser schien ihm eine Realschule zu entsprechen. Besonders wurde er in dieser Meinung noch bestärkt durch eine ersichtliche Fähigkeit zum Zeichnen; ein Gegenstand, der in den österreichischen Gymnasien seiner Überzeugung nach vernachlässigt wurde. Vielleicht war aber auch seine eigene schwere Lebensarbeit noch mitbestimmend, die ihn das humanistische Studium, als in seinen Augen unpraktisch, weniger schätzen ließ. Grundsätzlich war er aber der Willensmeinung, daß, so wie er, natürlich auch sein Sohn Staatsbeamter werden würde, ja müßte. Seine bittere Jugend ließ ihm ganz natürlich das später Erreichte um so größer erscheinen, als dieses doch nur ausschließliches Ergebnis seines eisernen Fleißes und eigener Tatkraft war. Es war der Stolz des Selbstgewor-denen, der ihn bewog, auch seinen Sohn in die gleiche, wenn möglich natürlich höhere Lebensstellung bringen zu wollen, um so mehr, als er doch durch den Fleiß des eigenen Lebens seinem Kinde das Werden um so viel zu erleichtern vermochte.
Der Gedanke einer Ablehnung dessen, was ihm einst zum Inhalt eines ganzen Lebens wurde, erschien ihm doch als unfaßbar. So war der Entschluß des Vaters einfach, be-stimmt und klar, in seinen eigenen Augen selbstverständlich. Endlich wäre es seiner in dem bitteren Existenzkampfe eines ganzen Lebens herrisch gewordenen Natur aber auch ganz unerträglich vorgekommen, in solchen Dingen etwa die letzte Entscheidung dem in seinen Augen unerfahrenen und damit eben noch nicht verantwortlichen Jungen selber zu
Niemals Staatsbeamter 6
überlassen. Es würde dies auch als schlecht und verwerf-liche Schwäche in der Ausübung der ihm zukommenden väterlichen Autorität und Verantwortung für das spätere Leben seines Kindes unmöglich zu seiner sonstigen Auffas-sung von Pflichterfüllung gepaßt haben.
Und dennoch sollte es anders kommen.
Zum ersten Male in meinem Leben wurde ich, als da- mals noch kaum Elfjähriger, in Opposition gedrängt. So hart und entschlossen auch der Vater sein mochte in der Durchsetzung einmal ins Auge gefaßter Pläne und Ab-sichten, so verbohrt und widerspenstig war aber auch sein Junge in der Ablehnung eines ihm nicht oder nur wenig zusagenden Gedankens.
Ich wollte nicht Beamter werden.
Weder Zureden noch „ernste“ Vorstellungen vermochten an diesem Widerstande etwas zu ändern. Ich wollte nicht Beamter werden, nein und nochmals nein. Alle Versuche, mir durch Schilderungen aus des Vaters eigenem Leben Liebe oder Lust zu diesem Berufe erwecken zu wollen, schlugen in das Gegenteil um. Mir wurde gähnend übel bei dem Gedanken, als unfreier Mann einst in einem Bureau sitzen zu dürfen; nicht Herr sein zu können der eigenen Zeit, sondern in auszufüllende Formulare den Inhalt eines ganzen Leben zwängen zu müssen.
Welche Gedanken konnte dies auch erwecken bei einem Jungen, der wirklich alles andere war, aber nur nicht „brav“ im landläufigen Sinne! Das lächerliche leichte Ler-nen in der Schule gab mir so viel freie Zeit, daß mich mehr die Sonne als das Zimmer sah. Wenn mir heute durch meine politischen Gegner in liebevoller Aufmerksam-keit mein Leben durchgeprüft wird bis in die Zeit meiner damaligen Jugend, um endlich mit Erleichterung feststellen zu können, welch unerträgliche Streiche dieser „Hitler“ schon in seiner Jugend verübt hatte, so danke ich dem Him-mel, daß er mir so auch jetzt noch etwas abgibt aus den Erinnerungen dieser glückseligen Zeit. Wiese und Wald waren damals der Fechtboden, auf dem die immer vorhan-denen „Gegensätze“ zur Austragung kamen.
Sondern Kunstmaler 7
Auch der nun erfolgende Besuch der Realschule konnte dem wenig Einhalt tun.
Freilich mußte nun aber auch ein anderer Gegensatz aus-gefochten werden.
Solange der Absicht des Vaters, mich Staatsbeamter werden zu lassen, nur meine prinzipielle Abneigung zum Beamtenberuf an sich gegenüber stand, war der Konflikt leicht erträglich. Ich konnte solange auch mit meinen inne-ren Anschauungen etwas zurückhalten, brauchte ja nicht immer gleich zu widersprechen. Es genügte mein eigener fester Entschluß, später einmal nicht Beamter zu werden, um mich innerlich vollständig zu beruhigen. Diesen Ent-schluß besaß ich aber unabänderlich. Schwerer wurde die Frage, wenn dem Plane des Vaters ein eigener gegen-übertrat. Schon mit zwölf Jahren traf dies ein. Wie es nun kam, weiß ich heute selber nicht, aber eines Tages war mir klar, daß ich Maler werden würde, Kunstmaler. Mein Talent zum Zeichnen stand allerdings fest, war es doch sogar mit ein Grund für den Vater, mich auf die Realschule zu schicken, allein nie und niemals hätte dieser daran gedacht, mich etwa beruflich in einer solchen Rich-tung ausbilden zu lassen. Im Gegenteil. Als ich zum ersten Male, nach erneuter Ablehnung des väterlichen Lieblings-gedankens, die Frage gestellt bekam, was ich denn nun eigentlich selber werden wollte und ziemlich unvermittelt mit meinem unterdessen fest gefaßten Entschluß heraus-platzte, war der Vater zunächst sprachlos.
„Maler? Kunstmaler?“
Er zweifelte an meiner Vernunft, glaubte vielleicht auch nicht recht gehört oder verstanden zu haben. Nachdem er allerdings darüber aufgeklärt war und besonders die Ernst-haftigkeit meiner Absicht fühlte, warf er sich denn auch mit der ganzen Entschlossenheit seines Wesens dagegen. Seine Entscheidung war hier nur sehr einfach, wobei irgendein Abwägen meiner etwa wirklich vorhandenen Fähigkeiten gar nicht in Frage kommen konnte.
„Kunstmaler, nein, solange ich lebe, niemals.“ Da nun aber sein Sohn eben mit verschiedenen sonstigen Eigen-
Der junge Nationalist 8
schaften wohl auch die einer ähnlichen Starrheit geerbt haben mochte, so kam auch eine ähnliche Antwort zurück. Nur natürlich umgekehrt den Sinne nach.
Auf beiden Seiten blieb es dabei bestehen. Der Vater verließ nicht sein "Niemals" und ich verstärkte mein „Trotzdem“.
Freilich hatte dies nun nicht sehr erfreuliche Folgen. Der alte Herr ward verbittert und, so sehr ich ihn auch liebte, ich auch. Der Vater verbat sich jede Hoffnung, daß ich je-mals zum Maler ausgebildet werden würde. Ich ging einen Schritt weiter und erklärte, daß ich dann überhaupt nicht mehr lernen wollte. Da ich nun natürlich mit solchen „Er-klärungen“ doch den Kürzeren zog, insofern der alte Herr jetzt seine Autorität rücksichtslos durchzusetzen sich an-schickte, schwieg ich künftig, setzte meine Drohung aber in die Wirklichkeit um. Ich glaubte, daß, wenn der Vater erst den mangelnden Fortschritt in der Realschule sähe, er gut oder übel eben doch mich meinem erträumten Glück würde zugehen lassen.
Ich weiß nicht, ob diese Rechnung gestimmt hätte. Sicher war zunächst nur mein ersichtlicher Mißerfolg in der Schule. Was mich freute, lernte ich, vor allem auch alles, was ich meiner Meinung nach später als Maler brauchen würde. Was mir in dieser Hinsicht bedeutungslos erschien, oder mich auch sonst nicht so anzog, sabotierte ich vollkommen. Meine Zeugnisse dieser Zeit stellten, je nach dem Gegen-stande und seiner Einschätzung, immer Extreme dar. Neben „lobenswert“ und „vorzüglich“ „genügend“ oder auch „nicht genügend“. Am weitaus besten waren meine Leistungen in Geographie und mehr noch in Weltgeschichte. Die beiden Lieblingsfächer, in denen ich der Klasse vorschoß.
Wenn ich nun nach so viel Jahren mir das Ergebnis die- ser Zeit prüfend vor Augen halte, so sehe ich zwei hervor-stechende Tatsachen als besonders bedeutungsvoll an:
Erstens: ich wurde Nationalist.
Zweitens: ich lernte Geschichte ihrem Sinne nach verstehen und begreifen.
Die deutsche Ostmark 9
Das alte Österreich war ein „Nationalitäten- staat“.
Der Angehörige des Deutschen Reiches konnte im Grunde genommen, wenigstens damals, gar nicht erfassen, welche Bedeutung dies Tatsache für das alltägliche Leben des ein-zelnen in einem solchen Staate besitzt. Man hatte sich nach dem wundervollen Siegeszuge der Heldenheere im Deutsch-Französischen Kriege allmählich immer mehr dem Deutsch-tum des Auslandes entfremdet, zum Teil dieses auch gar nicht mehr zu würdigen vermocht oder wohl auch nicht mehr gekonnt. Man verwechselte besonders in bezug auf den Deutschösterreicher nur zu leicht die verkommene Dy-nastie mit dem im Kerne urgesunden Volke.
Man begriff nicht, daß, wäre nicht der Deutsche in Öster-reich wirklich noch von bestem Blute, er niemand die Kraft hätte besitzen können, einem 52-Millionen-Staate so sehr seinen Stempel aufzuprägen, daß ja gerade in Deutschland sogar die irrige Meinung entstehen konnte, Österreich wäre ein deutscher Staat. Ein Unsinn von schwersten Folgen, aber ein doch glänzendes Zeugnis für die zehn Millionen Deut-schen der Ostmark. Von dem ewigen unerbittlichen Kampfe um die deutsche Sprache, um deutsche Schule und deutsches Wesen hatten nur ganz wenige Deutsche aus dem Reiche eine Ahnung. Erst heut, da diese traurige Not vielen Mil-lionen unseres Volkes aus dem Reiche selber aufgezwungen ist, die unter fremder Herrschaft vom gemeinsamen Vater-lande träumen und, sich sehnend nach ihm, wenigstens das heilige Anspruchsrecht der Muttersprache zu erhalten ver-suchen, versteht man in größerem Kreise, was es heißt, für sein Volkstum kämpfen zu müssen. Nun vermag auch viel-leicht der eine oder andere die Größe des Deutschtums aus der alten Ostmark des Reiches zu messen, das, nur auf sich selbst gestellt, Jahrhunderte lang das Reich erst nach Osten beschirmte, um endlich in zermürbendem Kleinkrieg die deutsche Sprachgrenze zu halten, in einer Zeit, da das Reich sich wohl für Kolonien interessierte, aber nicht für das eigene Fleisch und Blut vor seinen Toren.
Wie überall und immer, in jeglichem Kampf, gab es
Der Kampf ums Deutschtum 10
auch im Sprachenkampf des alten Österreich drei Schichten: die Kämpfer, die Lauen und die Verräter.
Schon in der Schule begann diese Siebung einzutreten. Denn es ist das Bemerkenswerte des Sprachenkampfes wohl überhaupt, daß seine Wellen vielleicht am schwersten gerade die Schule, als Pflanzstätte der kommenden Generation, umspülen. Um das Kind wird dieser Kampf geführt, und an das Kind richtet sich der erste Appell dieses Streites:
„Deutscher Knabe, vergiß nicht, daß du ein Deutscher bist“, und „Mädchen, gedenke, daß du eine deutsche Mutter werden sollst!“
Wer der Jugend Seele kennt, der wird verstehen können, daß gerade sie am freudigsten die Ohren für einen solchen Kampfruf öffnet. In hunderterlei Formen pflegt sie diesen Kampf dann zu führen, auf ihre Art und mit ihren Waffen. Sie lehnt es ab, undeutsche Lieder zu singen, schwärmt um so mehr für deutsche Heldengröße, je mehr man versucht, sie dieser zu entfremden; sammelt an vom Munde abge-sparten Hellern zu Kampfschatz der Großen; sie ist un-glaublich hellhörig dem undeutschen Lehrer gegenüber und widerhaarig zugleich; trägt die verbotenen Abzeichen des eigenen Volkstums und ist glücklich, dafür bestraft oder gar geschlagen zu werden. Sie ist also im kleinen ein getreues Spiegelbild der Großen, nur oft in besserer und aufrich-tigerer Gesinnung.
Auch ich hatte so einst die Möglichkeit, schon in verhält-nismäßig früher Jugend am Nationalitätenkampf des alten Österreich teilzunehmen. Für Südmark und Schulverein wurde da gesammelt, durch Kornblumen und schwarzrot-goldne Farben die Gesinnung betont, mit „Heil“ begrüßt, und statt des Kaiserliedes lieber „Deutschland über alles“ gesungen, trotz Verwarnung und Strafen. Der Junge ward dabei politisch geschult in einer Zeit, da der Angehörige seines sogenannten Nationalstaates meist noch von seinem Volkstum wenig mehr als die Sprache kennt. Daß ich da-mals schon nicht zu den Lauen gehört habe, versteht sich von selbst. In kurzer Zeit war ich zum fanatischen „Deutsch-
Der Kampf ums Deutschtum 11
nationalen“ geworden, wobei dies allerdings nicht identisch ist mit unserem heutigen Parteibegriff.
Diese Entwicklung machte bei mir sehr schnelle Fort-schritte, so daß ich schon mit fünfzehn Jahren zum Verständ-nis des Unterschiedes von dynastischem „Patriotis-mus“ und völkischem „Nationalismus“ gelangte; und ich kannte damals schon nur mehr den letzteren.
Für den, der sich niemals die Mühe nahm, die inneren Verhältnisse der Habsburgermonarchie zu studieren, mag ein solcher Vorgang vielleicht nicht ganz erklärlich sein. Nur der Unterricht in der Schule über die Weltgeschichte mußte in diesem Staate schon den Keim zu dieser Entwicklung legen, gibt es doch eine spezifisch österreichische Geschichte nur in kleinsten Maße. Das Schicksal dieses Staates ist so sehr mit dem Leben und Wachsen des ganzen Deutschtums verbunden, daß eine Scheidung der Geschichte etwa in eine deutsche und österreichische gar nicht denkbar erscheint. Ja, als endlich Deutschland sich in zwei Machtbereiche zu tren-nen begann, wurde eben diese Trennung zur deutschen Geschichte.
Die zu Wien bewahrten Kaiserinsignien einstiger Reichs-herrlichkeit scheinen als wundervoller Zauber weiter zu wirken als Unterpfand einer ewigen Gemeinschaft.
Der elementare Aufschrei des deutschösterreichischen Vol-kes in den Tagen des Zusammenbruches des Habsburger-staates nach Vereinigung mit dem deutschen Mutterland war ja nur das Ergebnis eines tief im Herzen des ge- samten Volkes schlummernden Gefühls der Sehnsucht nach dieser Rückkehr in das nie vergessene Vaterhaus. Niemals aber würde dies erklärlich sein, wenn nicht die geschichtliche Erziehung des einzelnen Deutschösterreichers Ursache einer solchen allgemeinen Sehnsucht gewesen wäre. In ihr liegt ein Brunnen, der nie versiegt; der besonders in Zeiten des Vergessens als stiller Mahner, über augenblickliches Wohl-leben hinweg, immer wieder durch die Erinnerung an die Vergangenheit von neuer Zukunft raunen wird.
Der Unterricht über Weltgeschichte in den sogenannten Mittelschulen liegt nun freilich auch heute noch sehr im
Geschichtsunterricht 12
argen. Wenige Lehrer begreifen, daß das Ziel gerade des geschichtlichen Unterrichtes nie und nimmer im Auswendig-lernen und Herunterhaspeln geschichtlicher Daten und Er-eignisse liegen kann; daß es nicht darauf ankommt, ob der Junge nun genau weiß, wann dies oder jene Schlacht ge-schlagen, ein Feldherr geboren wurde, oder gar ein (mei-stens sehr unbedeutender) Monarch die Krone seiner Ahnen auf das Haupt gesetzt erhielt. Nein, wahrhaftiger Gott, darauf kommt es wenig an.
Geschichte „lernen“ heißt die Kräfte suchen und finden, die als Ursachen zu jenen Wirkungen führen, die wir dann als geschichtliche Ereignisse vor unseren Augen sehen.
Die Kunst des Lesens wie des Lernens ist auch hier: Wesentliches behalten, Unwesentliches ver-gessen.
Es wurde vielleicht bestimmend für mein ganzes späteres Leben, daß mir das Glück einst gerade für Geschichte einen Lehrer gab, der es als einer der ganz wenigen verstand, für Unterricht und Prüfung diesen Gesichtspunkt zum be-herrschenden zu machen. In meinem damaligen Professor Dr. Leopold Pötsch, an der Realschule zu Linz, war diese Forderung in wahrhaft idealer Weise verkörpert. Ein alter Herr, von ebenso gütigem als aber auch bestimmten Auf-treten, vermocht er besonders durch eine blendende Bered-samkeit uns nicht nur zu fesseln, sondern wahrhaft mitzu-reißen. Noch heute erinnere ich mich mit leiser Rührung an den grauen Mann, der uns im Feuer seiner Darstellung manchmal die Gegenwart vergessen ließ, uns zurückzauberte in vergangene Zeiten und aus dem Nebelschleier der Jahr-tausende die trockene geschichtliche Erinnerung zur leben-digen Wirklichkeit formte. Wir saßen dann da, oft zu heller Glut begeistert, mitunter sogar zu Tränen gerührt.
Das Glück ward um so größer, als dieser Lehrer es ver-stand, aus Gegenwart Vergangenes zu erleuchten, aus Ver-gangenheit aber die Konsequenzen für die Gegenwart zu ziehen. So brachte er denn auch, mehr als sonst einer, Ver-ständnis für all die Tagesprobleme, die uns damals in Atem hielten. Unser kleiner nationaler Fanatismus
Geschichte Lieblingsfach 13
ward ihm ein Mittel zu unserer Erziehung, indem er, öfter als einmal an das nationale Ehrgefühl appellierend, da- durch allein uns Rangen schneller in Ordnung brachte, als dies durch andere Mittel je möglich gewesen wäre.
Mir hat dieser Lehrer Geschichte zum Lieblingsfach ge-macht.
Freilich wurde ich, wohl ungewollt von ihm, auch damals schon zum jungen Revolutionär.
Wer konnte auch unter einem solchen Lehrer deutsche Ge-schichte studieren, ohne zum Feinde des Staates zu werden, der durch sein Herrscherhaus in so unheilvoller Weise die Schicksale der Nation beeinflußte?
Wer endlich konnte noch Kaisertreue bewahren einer Dynastie gegenüber, die in Vergangenheit und Gegenwart die Belange des deutschen Volkes immer und immer wieder um schmählicher eigener Vorteile wegen verriet?
Wußten wir nicht als Jungen schon, daß dieser österrei-chische Staat keine Liebe zu uns Deutschen besaß, ja über-haupt gar nicht besitzen konnte?
Die geschichtliche Erkenntnis des Wirkens des Habsbur-gerhauses wurde noch unterstützt durch die tägliche Erfah-rung. Im Norden und im Süden fraß das fremde Völker- gift am Körper unseres Volkstums, und selbst Wien wurde zusehends mehr und mehr zur undeutschen Stadt. Das „Erz-haus“ tschechisierte, wo immer nur möglich, und es war die Faust der Göttin ewigen Rechtes und unerbittlicher Ver-geltung, die den tödlichsten Feind des österreichischen Deutschtums, Erzherzog Franz Ferdinand, gerade durch die Kugeln fallen ließ, die er selber mithalf zu gießen. War er doch der Patronatsherr der von oben herunter betätigten Slawisierung Österreichs.
Ungeheuer waren die Lasten, die man dem deutschen Volke zumutete, unerhört seine Opfer an Steuern und an Blut, und dennoch mußte jeder nicht gänzlich Blinde erken-nen, daß dieses alles umsonst sein würde. Was uns dabei am meisten schmerzte, war noch die Tatsache, daß dieses ganze System moralisch gedeckt wurde durch das Bündnis mit Deutschland, womit der langsamen Ausrottung des
Geschichtliche Erkenntnisse 14
Deutschtums in der alten Monarchie auch noch gewisser-maßen von Deutschland aus selber die Sanktion erteilt wurde. Die habsburgische Heuchelei, mit der man es ver-stand, nach außen den Anschein zu erwecken, als ob Öster-reich noch immer ein deutscher Staat wäre, steigerte den Haß gegen dieses Haus zur hellen Empörung und Verach-tung zugleich.
Nur im Reiche selber sahen die auch damals schon allein „Berufenen“ von all dem nichts. Wie mit Blindheit ge-schlagen wandelten sie an der Seite eines Leichnams und glaubten in den Anzeichen der Verwesung gar noch Merk-male „neuen“ Lebens zu entdecken.
In der unseligen Verbindung des jungen Reiches mit dem österreichischen Scheinstaat lag der Keim zum späteren Weltkrieg, aber auch zum Zusammenbruch.
Ich werde im Verlaufe dieses Buches mich noch gründlich mit diesem Problem zu beschäftigen haben. Es genügt hier, nur festzustellen, daß ich im Grunde genommen schon in der frühesten Jugend zu einer Einsicht kam, die mich niemals mehr verließ, sondern sich nur noch vertiefte:
Daß nämlich die Sicherung des Deutsch-tums die Vernichtung Österreichs voraus-setzte, und daß weiter Nationalgefühl in nicht identisch ist mit dynastischem Patriotismus; daß vor allem das habs-burgische Erzhaus zum Unglück der deutschen Nation bestimmt war.
Ich hatte schon damals die Konsequenzen aus dieser Er-kenntnis gezogen: heiße Liebe zu meiner deutsch-österreichi-schen Heimat, tiefen Haß gegen den österreichischen Staat.
Die Art des geschichtlichen Denkens, die mir so in der Schule beigebracht wurde, hat mich in der Folgezeit nicht mehr verlassen. Weltgeschichte ward mir immer mehr zu einem unerschöpflichen Quell des Verständnisses für das geschichtliche Handeln der Gegenwart, also für Politik. Ich will sie dabei nicht „lernen“, sondern sie soll mich lehren.
Wagner-Verehrung 15
War ich so frühzeitig zum politischen „Revolutionär“ ge-worden, so nicht minder früh auch zum künstlerischen.
Die österreichische Landeshauptstadt besaß damals ein verhältnismäßig nicht schlechtes Theater. Gespielt wurde so ziemlich alles. Mit zwölf Jahren sah ich da zum ersten Male „Wilhelm Tell“, wenige Monate darauf als erste Oper meines Lebens „Lohengrin“. Mit einem Schlage war ich gefesselt. Die jugendliche Begeisterung für den Bay-reuther Meister kannte keine Grenzen. Immer wieder zog es mich zu seinen Werken, und ich empfinde es heute als besonderes Glück, daß mir durch die Bescheidenheit der provinzialen Aufführung die Möglichkeit einer späteren Steigerung erhalten blieb.
Dies alles festigte, besonders nach Überwindung der Fle-geljahre (was bei mir sich nur sehr schmerzlich vollzog), meine tiefinnere Abneigung gegen einen Beruf, wie ihn der Vater für mich erwählt hatte. Immer mehr kam ich zur Überzeugung, daß ich als Beamter niemals glücklich werden würde. Seit nun auch in der Realschule meine zeichnerische Begabung anerkannt wurde, stand mein Ent-schluß nur noch fester.
Daran konnte weder Bitten noch Drohungen mehr etwas ändern.
Ich wollte Maler werden und um keine Macht der Welt Beamter.
Eigentümlich war es nur, daß mit steigenden Jahren sich immer mehr Interesse für Baukunst einstellte.
Ich hielt dies damals für die selbstverständliche Ergän-zung meiner malerischen Befähigung und freute mich nur innerlich über die Erweiterung meines künstlerischen Rahmens.
Daß es einmal anders kommen sollte, ahnte ich nicht.
Die Frage meines Berufes sollte nun doch schneller ent-schieden werden, als ich vorher erwarten durfte.
Mit dem dreizehnten Lebensjahr verlor ich urplötzlich den Vater. Ein Schlaganfall traf den sonst noch so rüstigen Herrn
Tod der Eltern 16
und beendete auf schmerzloseste Weise seine irdische Wan-derung, uns alle in tiefstes Leid versenken. Was er am meisten ersehnte, seinem Kinde die Existenz mitzuschaffen, um es so vor dem eigenen bitteren Werdegang zu bewahren, schien ihm damals wohl nicht gelungen zu sein. Allein er legte, wenn auch gänzlich unbewußt, die Keime für eine Zukunft, die damals weder er noch ich begriffen hätte.
Zunächst änderte sich ja äußerlich nichts.
Die Mutter fühlte sich wohl verpflichtet, gemäß dem Wunsche des Vaters meine Erziehung weiter zu leiten, d.h. also mich für die Beamtenlaufbahn studieren zu lassen. Ich selber war mehr als je zuvor entschlossen, unter keinen Um-ständen Beamter zu werden. In eben dem Maße nun, in dem die Mittelschule sich in Lehrstoff und Ausbildung von meinem Ideal entfernte, wurde ich innerlich gleichgültiger. Da kam mir plötzlich eine Krankheit zu Hilfe und entschied die Streitfrage des väterlichen Hauses. Mein schweres Lungen-leiden ließ einen Arzt der Mutter auf das dringendste an-raten, mich später einmal unter keinen Umständen in ein Bureau zu geben. Der Besuch der Realschule mußte eben-falls auf mindestens ein Jahr eingestellt werden. Was ich so lange im stillen ersehnt, für was ich immer gestritten hatte, war nun durch dieses Ereignis mit einem Male fast von selber zur Wirklichkeit geworden.
Unter dem Eindruck meiner Erkrankung willigte die Mutter endlich ein, mich später aus der Realschule nehmen zu wollen und die Akademie besuchen zu lassen.
Es waren die glücklichsten Tage, die mir nahezu als ein schöner Traum erschienen; und ein Traum sollte es ja auch nur sein. Zwei Jahre später machte der Tod der Mutter all den schönen Plänen ein jähes Ende.
Es war der Abschluß einer langen, schmerzhaften Krank-heit, die von Anfang an wenig Aussicht auf Genesung ließ. Dennoch traf besonders mich der Schlag entsetzlich. Ich hatte den Vater verehrt, die Mutter jedoch geliebt.
Not und harte Wirklichkeit zwangen mich nun, einen schnellen Entschluß zu fassen. Die geringen väterlichen
Übersiedlung nach Wien 17
Mittel waren durch die schwere Krankheit der Mutter zum großen Teile verbraucht worden; die mir zukommende Waisenpension genügte nicht, um auch nur leben zu können, als war ich nun angewiesen, mir irgendwie mein Brot selber zu verdienen.
Einen Koffer mit Kleidern und Wäsche in den Händen, mit einem unerschütterlichen Willen im Herzen, fuhr ich so nach Wien. Was dem Vater 50 Jahre vorher gelungen, hoffte auch ich dem Schicksal abzujagen; auch ich wollte „etwas“ werden, allerdings – auf keinen Fall Beamter.

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Richtig, ungeachtet jeder Wertung. Ist doch wichtig das auch dieses Werk Öffentlich zugänglich bleibt.

Ich mag mich irren - aber ist das Buch nicht aktuell zugänglicher als die Jahrzehnte zuvor weil die Urheberrechte erloschen sind?

Im Handel mag das zutreffen, jedoch schaut das im Weltnetz anders aus.
Schon klar das es umstrittenes Thema ist, und ich würde auch nicht zwangsläufig sagen das es nicht wichtigere Werke gibt. Aber hier wird ja gerade erst angefangen. Und das Konzept an sich finde ich unterstützenswert.

Dafür findet Freund Cheetah aber ziemlich viele "möglicherweise interessante" Posts ;)

Der Bot verweist auf eine Seite, wo man das offensichtlich kaufen kann oder so. Es Scheint da aber nicht in voller Länge zugänglich zu sein.
Wie funktioniert dieser Bot eigentlich bzw. was macht der und wozu?

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