Russland: Im Osten geht die Sonne auf - Moskau ist eine Reise wert
Bald fängt sie an, die Fußball-Weltmeisterschaft in Russland, einem Staat, der früher für dei Abkehr vom Kapitalismus stand und bis heute eine Fremdheit und Exotik ausstrahlt, die sich in den durchnormierten Rossmann-, H&M- und Zara-Innenstädten der westlichen Länder kaum noch findet. Moskau, die Hauptstadt des früheren Weltreiches im Osten, ist inzwischen wieder eine Reise wert. Und dank neuer Flugverbindungen und einer Öffnung während der Fußball-WM ist ein Besuch in Moskau in den kommenden sechs Wochen so einfach und billig wie noch nie.
Nicht ganz drei Stunden braucht die Boeing 737-800 der russischen Fluglinie Pobeda für die 1 748 Kilometer von Leipzig nach Moskau. Ein Katzensprung in den nahen Osten, der kaum teurer ist als eine Autofahrt in den Schwarzwald, allerdings bei Touristen nicht ganz so beliebt: 110 Euro kosten Hin- und Rückflug derzeit, zudem verzichtet Russland im Moment darauf, Besuchern Visa abzuverlangen. Wer ein WM-Ticket hat, darf so einreisen.Doch gegen Russland spricht eben immer etwas: Putins strenge Herrschaft und die Rückeroberung der Krim, die Waffenhilfe für den syrischen Machthaber Assad und die angeblichen Hackerangriffe auf westliche Demokratien, mit denen der Kreml im Wochenrhythmus Schlagzeilen produziert. Zudem gilt Moskau als teuer, kriminell und schmutzig. Warum also dorthin fliegen, solange es Rom, Paris und Barcelona gibt?
Vielleicht weil vieles, was über Russland und seine Hauptstadt geglaubt wird, gar nicht stimmt. Die mit rund 13 Millionen Einwohnern größte Stadt Europas ist in Wirklichkeit weder besonders teuer noch gefährlich. Was den Schmutz betrifft, wird jeder Reisende, der Hamburg, Frankfurt oder Berlin kennt, staunend bemerken, dass es in ganz Moskau keine Zigarettenkippe und kein Bonbonpapier auf dem Boden gibt. Und an den Wänden der Millionenstadt nicht mehr als eine halbe Handvoll Graffiti-Schmierereien prangen.
Unentwegt wird überall gefegt, der Marmor in den legendären U-Bahn-Stationen glänzt ebenso wie die Straßen der Innenstadt, die regelmäßig von Sprühfahrzeugen der Stadtwirtschaft blankgewienert werden. Regelmäßig heißt hier: Einmal aller zwei Stunden.
Von der Wirtschaftskrise, in die die westlichen Sanktionen wegen der Krim-Annexion Russland gestürzt hat, ist in der Hauptstadt nichts zu sehen. Überall wird gebaut, die Fußball-Weltmeisterschaft hat schon vor dem ersten Anpfiff neue Stadien und Straßen hervorgebracht, auf Brachflächen in der City werden Hotels errichtet und hinter potemkinschen Fassaden aus Planen mit aufgemalten Fenstern sanierten Bauarbeiter über Monate hinweg die letzten historischen Gebäude, die noch nicht frisch geputzt sind.Die Stadt selbst ist für Touristen einfach zu verstehen, weil der Rote Platz mit dem Kreml als zentralem Orientierungspunkt immer schnell wiederzufinden ist. Moderne Hotelzimmer fünf Fußminuten vom Kreml entfernt gibt es für um die 80 Euro pro Nacht, Frühstück bieten nach dem „Starbucks“-Vorbild gestaltete russische Café-Ketten wie "Shokoladia" an. Abends locken zahllose Restaurants nicht nur mit russischer, italienischer oder griechischer Küche, sondern auch mit Spezialitäten aus Weißrussland, Armenien oder Indien. In schrägen Kellerkneipen wie dem "Los Badidos" spielen unbekannte Bands und Barfrauen, die genausogut in Italien, den USA oder Norwegen bedienen könnten, zapfen Craft-Bier von Moskauer Kleinbrauereien, die es in sich haben: 9 %, Nasdarowje!
Eine Weltstadt, allerdings im Schwebezustand zwischen sozialistischer Vergangenheit und der Entdeckung des Globalismus. In den berühmten Kaufhäusern GUM und ZUM finden sich dieselben Edelmarken wie auf den Edelboulevards von New York und London, die Läden hier sind ebenso leer wie die Preise astronomisch. Touristischer ist es auf dem Arbat, einer der ältesten Straßen der russischen Hauptstadt, die heute von Straßenmusikern und Zeichenkünstlern dominiert wird. Auf beiden Seiten der Straße finden sich Caféhäuser, Galerien und Geschäfte, in denen von der Matroschka über das Putin-T-Shirt bis zum Sowjetarmee-Mantel alles angeboten wird, was auf westliche und chinesische Touristen exotisch und sowjetisch wirken könnte.
Ist der Flirt mit der kommunistischen Vergangenheit hier ebenso Kalkül wie bei den Doppelgängern, die sich rund um den Roten Platz als Stalin, Lenin oder Rasputin fotografieren lassen, bleibt der allgemeine Umgang der Russen mit den 69 Jahren Sowjetunion von großer Ernsthaftigkeit geprägt. Die Lenin-Denkmale stehen noch, vor den Gedenktafeln für die Gefallenen des Zweiten Weltkrieges liegen Blumen, und Pflichtsehenswürdigkeiten wie das Kosmonautenmuseum, das Denkmal von Konstantin Ziolkowski, eines Wegbereiters der Raumfahrt, und das Gelände der Allunionsausstellung, die offiziell „Ausstellung der Errungenschaften der Volkswirtschaft“ heißt, strahlen immer noch die überwältigende Monumentalität der Stalin-Zeit aus. Himmelhoch wie die Statuen für die Eroberer des Weltalls sind auch die im „Park Pobedu“ westlich des Stadtzentrums, in dem die Russen ihres Sieges gegen Hitlerdeutschland gedenken. Auf einem weitläufigen Gelände am Ausgang der mit 84 Metern Tiefe am weitesten nach unten gegrabenen U-Bahn-Station findet sich neben einem Museum eine nachgebaute Bunkerstellung, umstellt von Panzern, Flugzeugen und Geschützen.
Davon abgesehen wirkt Moskau, in der Vergangenheit oft als Verbrechenshochburg kritisiert, wie eine friedliche und freundliche Stadt. Auch die jungen Moskauer sprechen eher selten Englisch, aber immer bemühen sie sich weiterzuhelfen. Selbst die Milizionäre - oft Burschen mit lichtem Bartpflaum - lächeln für Fotos und kramen für Auskünfte ein paar Brocken Deutsch heraus. Im Pub, der russisches Craft-Bier zu deutschen Preisen ausschenkt, beantwortet Architekturstudent Alexej die Frage, wie man mit einem russischen Durchschnittseinkommen in Moskau leben kann. „Das weiß keiner“, sagt er. „Aber wenn du Moskau liebst, machst Du es einfach.“
Congratulations, Your Post Has Been Added To The Steemit Worldmap!
Author link: http://steemitworldmap.com?author=koenau
Post link: http://steemitworldmap.com?post=russland-im-osten-geht-die-sonne-auf-moskau-ist-eine-reise-wert
Want to have your post on the map too?